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Unsympath

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
342 Seiten
Deutsch
Trubel & Hellererschienen am08.02.2024
Peter Weidner hat einen Job im Musikbusiness, ein hohes Einkommen, einen Jaguar, viel Freizeit und eine massive Persönlichkeitsstörung. Seine aktuelle Lieblingsbeschäftigung sind Frauen, die per Kontaktanzeige die große Liebe suchen. Ein perfekt oberflächliches Leben. Wären da nicht seine unüberwindbare Abneigung gegenüber seinen Mitmenschen, sein neurotischer Perfektionismus und sein massiver Selbstekel. Während er sich nach außen hin freundlich und zurückhaltend gibt, werden in seinem Inneren Widerwillen und Hassgefühle immer stärker. In seinem Romandebüt gelingt es Robin Felder, die Leere seiner Hauptfigur mit einer Fülle von Beobachtungen zur Musikbranche, zum Alltags- und zum Liebesleben zu verbinden, die in ihrer schmerzhaften Genauigkeit ebenso verstörend wie amüsant sind.

Robin Felder lebt und arbeitet in München. Bislang sind von ihm erschienen: »Unsympath« (2010), »Paranoia« (2012), »The Godjob« (2014), »Verzerrte Gesichter« (2020), »Die ersten 300 Jahre meines Lebens« (2024).
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Verfügbare Formate
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR3,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99
Book on DemandKartoniert, Paperback
EUR14,00

Produkt

KlappentextPeter Weidner hat einen Job im Musikbusiness, ein hohes Einkommen, einen Jaguar, viel Freizeit und eine massive Persönlichkeitsstörung. Seine aktuelle Lieblingsbeschäftigung sind Frauen, die per Kontaktanzeige die große Liebe suchen. Ein perfekt oberflächliches Leben. Wären da nicht seine unüberwindbare Abneigung gegenüber seinen Mitmenschen, sein neurotischer Perfektionismus und sein massiver Selbstekel. Während er sich nach außen hin freundlich und zurückhaltend gibt, werden in seinem Inneren Widerwillen und Hassgefühle immer stärker. In seinem Romandebüt gelingt es Robin Felder, die Leere seiner Hauptfigur mit einer Fülle von Beobachtungen zur Musikbranche, zum Alltags- und zum Liebesleben zu verbinden, die in ihrer schmerzhaften Genauigkeit ebenso verstörend wie amüsant sind.

Robin Felder lebt und arbeitet in München. Bislang sind von ihm erschienen: »Unsympath« (2010), »Paranoia« (2012), »The Godjob« (2014), »Verzerrte Gesichter« (2020), »Die ersten 300 Jahre meines Lebens« (2024).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783966101998
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum08.02.2024
Seiten342 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse510 Kbytes
Artikel-Nr.13567376
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe





2 SCHWANKUNGEN





Sechs Tage später. Die vergangene Woche verlief ohne besondere Vorkommnisse. Ich habe fast jeden Tag eine andere Frau gedatet, habe zwei durchschnittliche Songs geschrieben und komme gerade aus meinem Fitnesscenter, in dem ich seit 15 Jahren viermal die Woche zwei Stunden trainiere. 180-mal im Jahr. 2 700-mal bis jetzt. Jede Trainingseinheit ein Kreuz in meinem Kalender. Einmal Auslassen kommt nicht infrage. Sonst habe ich das Gefühl, kläglich nachzulassen und meinen Biss zu verlieren. Meine frisch geduschte Haut riecht noch nach Duschgel. Im Kofferraum liegen die Tasche mit dem feuchten Sportzeug, Kleidung und Handtücher. Ich habe keine Zeit, das noch nach Hause zu bringen, sonst komme ich zu spät. Es verursacht mir ein schlechtes Gefühl zu wissen, dass die Sporttasche durchweicht. Im Wagen ist es heiß und ich spüre schon wieder einen leichten Schweißfilm auf meinem Körper. Das finde ich gar nicht gut.

Habe ich wirklich allen Ernstes geglaubt, ich würde dieses Jahr davonkommen? Als Bettina letzte Woche bei mir war, hat sie mich wieder rumgekriegt. Weichgekocht. Das ist das dritte Jahr in Folge, in dem sie mich auf diese dämliche Sommergrillparty ihrer Freunde - den beiden Vorzeigepärchen Peters (jung verheiratet) und Thalhammer/Michalskie (bald verheiratet) - mitschleppt. Ihre flehentliche Bitte, sie dorthin zu begleiten und meine Rolle eines normalen Freundes artig zu spielen, ist ihr ungemein wichtig. Sie hat meine kategorische Weigerung einfach nicht akzeptiert. Und obwohl ich normalerweise eigentlich keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehme, sozusagen überhaupt kein Entgegenkommen zeige, mache ich jetzt also nochmal eine ausnahmsweise Ausnahme. Ich finde mich geradezu großartig großzügig - aber wen interessiert das?

Ich fahre noch zur Tankstelle, bevor ich sie gleich abhole. Es ist kurz nach drei. Ich bin verzweifelt. Ich verstehe nicht, warum sie bereit ist, ein solches Schauspiel zu inszenieren. Wesentlich einfacher wäre es, mit mir Schluss zu machen und sich einen richtigen Freund zu suchen. Dafür hätte ich vollstes Verständnis.

Wieder mal ärgere ich mich hauptsächlich über mich selbst. Habe mir doch vorgenommen, nie mehr etwas zu tun, was ich nicht möchte. Ganz oben auf meiner Prioritätenliste, Punkt eins. Noch vor: Scheiß auf alles. Selbst zu verantwortende Fehler verzeiht man am schwersten. Ich nehme einen letzten Schluck aus der Wasserflasche. Damit schließe ich meine Flüssigkeitsaufnahme für heute ab. Ich habe schon drei Liter intus und wenn ich jetzt weitermache, muss ich später ständig aufs Klo und das kommt nicht gut.

Mein Urin war beim letzten Wasserlassen ganz weiß. Das zu sehen tut jedesmal wieder irgendwie gut.

Ich reibe mit dem Handballen an meinem rechten Auge. Der Radiomoderator fragt seinen Interviewpartner: »Was war das für ein Gefühl?« Ich schalte hastig um, spreize die linke Hand auf dem Steuerrad. Betrachte kurz den Handrücken, ein kleines Muttermal. Schade, hätte nicht sein müssen. Wundere mich, wie und wann und warum ein Muttermal entsteht. »To Love Somebody«, Bee Gees, läuft. Wieder mal ein Oldie. Dabei geht mir auf, dass der 70er-Jahre Barry Gibb dem 80er-Jahre George Michael optisch frappierend ähnelt. Es gibt Wichtigeres. Schon kommt »Feel«, Robbie Williams. Der ähnelt niemandem.

Während ich eine Kurve etwas zu sportlich nehme und trotzdem nicht vom Gas gehe, wird mir kurz schwindelig. Vielleicht hab ich Glück und ein Laster rammt mich ungebremst von der Seite. Dann komme ich auf der Stelle in die Hölle. Aber wenn man einen Lkw braucht, ist wie immer gerade keiner zur Stelle. An einer roten Ampel fahre ich alle vier Fenster runter. Frischluft. Am Fußgängerübergang steht ein Hosenträger-Träger mit ernst gemeinten Koteletten. Sein Haar sieht nass aus. Er wiegt sich mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor und zurück und ruft dem Fahrer, der gerade seine Grünphase verschläft, »Grüner wird s nicht!« zu. Was ungehört verhallt. Aber sein Blick bleibt versteinert in Habachtstellung. Er schüttelt streng den Kopf, wie er es wahrscheinlich auch beim Zeitunglesen tut, und verpasst dabei sein eigenes grünes Männlein. Ich denke einen Moment darüber nach, will es selbst nicht. Mir wird klar, dass ich den Armleuchter gern anfahren würde, wenn er über die Straße geht. Nur leicht anstupsen. So acht Wochen Krankenhaus.

500 Meter weiter biege ich in die Tankstelle ein, zu der ich immer fahre, weil ich eine Bonus-Chipkarte besitze, mit der ich alle drei Millionen Jahre eine Gutschrift von 20 Euro geltend machen kann. Ich bleibe vor der Nummer 5 stehen. Meiner Stammzapfsäule. Ich steige aus. Überfliege gewohnheitsgemäß die Autokennzeichen der anderen parkenden Wagen. Ein Nummernschild lautet »M-RL« und irgendeine vierstellige Zahl. Was einmal mehr meinen Verdacht nachdrücklich bestätigt, die Buchstabenkombination RL wird am häufigsten vergeben. Dicht gefolgt von CB. Vielleicht habe ich recht, vielleicht habe ich unrecht.

Griff nach dem Zapfhahn, umsichtiges Einführen in die Tanköffnung. Der Bügel des Feststellers springt zweimal raus. Beim dritten Mal rastet die Automatik endlich ein und ich singe eine Melodieidee auf mein Diktafon, während Super Bleifrei in den Tank rauscht. Danach stehe ich nutzlos rum und schaue auf die Rückbank meines Wagens. Dort liegt mein akkurat zusammengelegter Sportsweater von Armani, von dem ich annehme, dass er dem heutigen Event angemessen ist. Mit dem Ding sehe ich aus wie ein Börsenmakler in Freizeitkluft. Aus Verlegenheit öffne ich mit Druck auf die Wipptaste meines Autoschlüssels den Kofferraum und schaue, was meine Sporttasche so macht. Sie macht nichts besonderes, liegt nur da. In der Vertiefung rechts hinter dem Radkasten, neben der Schachtel mit den antistatischen Staubwischtüchern, liegt ein altes Armeemesser. Die geriffelte, achtzehn Zentimeter lange Klinge steckt in einem hellbraunen Lederfutteral, aus dem der dunkelgrüne Kunststoffgriff ragt. Wie neu. Ich glaube, von einem meiner Opas. Von denen ich keinen kennenlernte. Starben früh, wie alle Männer in meiner Familie. Mit Ende 50 ist spätestens Schluss. Aber davor, kerngesund. Ich habe das Messer irgendwann hier reingelegt. Falls ich es mal als Werkzeug oder vielleicht auch zur Abschreckung brauche. Möglicherweise ist es unter Zweiter-Weltkrieg-Fans sogar etwas wert.

Unverhältnismäßig schroff haue ich die Klappe wieder zu. Ich stehe weiter rum. Ich nage an meinen Lippen. Die Liter/Preis-Anzeige der Zapfsäule rast dahin und bleibt bei nur 58,78 Euro stehen. Ich aber strebe eine runde Summe an. Deswegen zuckle ich jetzt manuell mit leichten Stößen am Zapfhahn rum, halte kurz vor Erreichen der 60 Euro an und verlangsame gefühlvoll. Die Digitalanzeige bleibt trotzdem zu spät bei 60,01 hängen. Mist. Also weiter zu 61,00. Die Digitalanzeige wechselt in so großen Sprüngen, dass ich diesmal sogar erst bei 61,02 zu stehen komme. Das gibt s doch nicht. Und als ich mich der glatten 62,00 nähern will, schnallt der Drücker des Zapfhahns dauernd zurück, weil der Tank schon übervoll ist. Schlussendlich gelingt mir ein unbefriedigendes 62,01 Euro. Ich hab keine Lust mehr und sehe sofort nach, ob ich ein 1-Cent-Stück im Portemonnaie habe. Abschließen. Warnblinkanlage bestätigt durch dreimaliges Aufleuchten.

Die junge Frau mit den Hasenzähnen an der Kasse sieht älter aus, als sie ist. Dabei verstehe ich nicht, warum ich glaube, dass sie älter aussieht, als sie ist, und ich nicht einfach annehme, dass sie älter ist. Aber ich täusche mich nicht. Sie ist vielleicht zwanzig. Und optisch knapp vorm Klimakterium. Als sie meine Bonuskarte ungelenk einscannt, nicht ohne sie zwischen Mars und Twix fallen zu lassen, schaut sie mich etwas verstört an. Ich hab sie die ganze Zeit angestarrt. Wie unhöflich. Aber ich bin fasziniert davon, in ihrem Gesicht ihre Mutter zu sehen, die ich gar nicht kenne, und festzustellen, wie gnadenlos unvorteilhaft ihr das Alter schon sehr bald zusetzen wird.

Ich nehme noch eine Medium-Komplettwäsche für unverschämte 9 Euro 80 und zahle mit einem Hunderter und dem 1-Cent-Stück. Und bekomme 28 Euro 20 zurück. Ich stecke 1 Euro 20 in das hässliche Trinkgeldschweinchen rechts neben der Kasse. Mein geriatrisches Bugs Bunny bedankt sich schwungvoll und wünscht »einen schönen Tag noch«. Komm, halt einfach dein Maul. Einen schönen Tag wünschen ist ätzend. Die reinste Anmaßung. Schlagartig erinnere ich mich an das, was mir jetzt bevorsteht. Meine ohnehin schon miserable Laune wird inzwischen durch einen Mordshunger noch verschlechtert. Doch vor der zu erwartenden Völlerei möchte ich nichts essen, was mich erst recht zu einem Nervenbündel macht. Es ist jedes Mal dasselbe. Ich will mir den Appetit für das erlösende Abendessen aufsparen und bin bis dahin schon so abgefuckt vor Erschöpfung, dass ich die Kurve nicht mehr kriege, egal wie viel ich dann in mich hineinstopfe. Mich fröstelt.

Während ich vor der Waschanlage stehe und zusehe, wie die Bürsten über das nasse Blech des Wagens wischen, wird mir klar, dass ich doch tatsächlich an einem Sonnabend mein Auto waschen lasse. Jetzt will ich sofort Selbstmord begehen.

Jost geht nach einem Mal Klingeln ran, als ich ihn fünf Minuten später auf der Fahrt zu Bettinas Wohnung anrufe. Ich vereinbare einen Termin für eine ganztägige Session. Kommenden Mittwoch in seinem Studio. Ich war schon ewig nicht mehr dort und muss endlich die Nummer für den DJ als auch die Schlagerscheiße und noch zwei andere Kleinigkeiten aufnehmen.Ich...


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Autor

Robin Felder lebt und arbeitet in München. Bislang sind von ihm erschienen: »Unsympath« (2010), »Paranoia« (2012), »The Godjob« (2014), »Verzerrte Gesichter« (2020), »Die ersten 300 Jahre meines Lebens« (2024).