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Noch Zweifel, Herr Verteidiger? - Ein Fall für Abel

Bärenklau Exklusiverschienen am01.07.2023
Rechtsanwalt Jean Abel vertritt den Automechaniker Andreas Böhm vor Gericht. Böhm, vorbestraft und auf Bewährung, wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Er soll den Bremsschlauch in Silke Weiß' Auto nicht richtig befestigt haben, die daraufhin einen schweren Autounfall erlitt. Als Silke Weiß plötzlich im Krankenhaus stirbt, erfährt Abel von dem Arzt, dass die Patientin sich eigentlich schon auf dem Weg der Besserung befunden habe. Abel schließt einen Kunstfehler nicht aus. Doch dann meldet sich der Liebhaber von Silke Weiß und belastet ihren Ehemann schwer ...

Die Romane um den Rechtsanwalt Abel wurden mit Günter Maria Halmer in der Hauptrolle für das ZDF verfilmt.

Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden »Tatort«. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film »Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
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Produkt

KlappentextRechtsanwalt Jean Abel vertritt den Automechaniker Andreas Böhm vor Gericht. Böhm, vorbestraft und auf Bewährung, wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Er soll den Bremsschlauch in Silke Weiß' Auto nicht richtig befestigt haben, die daraufhin einen schweren Autounfall erlitt. Als Silke Weiß plötzlich im Krankenhaus stirbt, erfährt Abel von dem Arzt, dass die Patientin sich eigentlich schon auf dem Weg der Besserung befunden habe. Abel schließt einen Kunstfehler nicht aus. Doch dann meldet sich der Liebhaber von Silke Weiß und belastet ihren Ehemann schwer ...

Die Romane um den Rechtsanwalt Abel wurden mit Günter Maria Halmer in der Hauptrolle für das ZDF verfilmt.

Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden »Tatort«. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film »Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754680643
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten186 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse488
Artikel-Nr.13844206
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Montag, 15. Juli

 

 

Eine dreiviertel Stunde für Andreas Böhm.

Recht vom Fließband mit genormter, vom Computer verfasster Anklageschrift, stereotypem Abhaspeln der notwendigsten Verfahrensregeln und Allgemeinplätzen in der Urteilsbegründung; Strafzumessung Pi mal Daumen: Justiz in Bagatellstrafsachen. In den Räumen mit knarrenden Fußbodenbrettern und vergilbten Wänden ist oft vom 'Namen des Volkes' die Rede. Indes, das Volk zeigt kein Interesse daran, was man in seinem Namen Tag für Tag an Recht auf diesem Fließband produziert. Selbst die Obdachlosen, von denen es in München mehr als genug auf den Straßen gibt, lassen sich sogar im schärfsten Winter nicht in den überheizten Fluren und Räumen sehen, so schäbig ist es bei den Bagatellsachen vor dem Amtsgericht. Das Volk tritt amtlich vorgeladen oder als Anzeigenerstatter auf, mit einem ziehenden Gefühl im Magen, und flieht, sobald man es wieder entlässt.

Andreas Böhm wäre auch am liebsten geflohen, abgehauen, hinaus in die flirrende Hitze der Sommersonne, über die Fahrbahn in die Anonymität der Innenstadt gerannt. Doch Böhm war geladen. Er war Angeklagter, und damit hatte er auf seinen Prozess zu warten, der in einer Viertelstunde beginnen sollte. Für Böhm war das keine Bagatelle, er war wegen einer älteren Sache noch auf Bewährung draußen. Er stand neben seinem Verteidiger im Gerichtsflur, die schwitzenden Hände in den Hosentaschen, und starrte auf den Boden.

»Wir werden s packen. Wenn s gut läuft, kriegen wir nen Freispruch. Und eine Einstellung muss immer drin sein«, sagte Rechtsanwalt Jean Abel, der Böhm zu verteidigen hatte.

Böhm nickte und sah immer noch auf den Boden. Dann kramte er in seinem Jackett und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Umständlich zündete er sich eine an und verstaute die Packung wieder in seiner Tasche. Abel warf sich die Robe über die Schultern und blätterte in der Akte. Es gab nichts mehr zu sagen. Der Fall war vorher eingehend besprochen worden, jede Einzelheit waren sie durchgegangen. Man warf Böhm vor, er habe als Mechaniker bei der Reparatur eines Alfa vergessen, eine Bremsleitung an den Hauptzylinder anzuschließen, er habe damit einen schweren Unfall mit fast tödlichem Ausgang verschuldet. Dass er selbst eine Probefahrt absolviert hatte und die Bremsen angeblich funktioniert haben, tat man als Schutzbehauptung ab. Beweise gab es keine dafür.

Abel beobachtete Böhm, der hastig den Rauch aus seiner Zigarette in sich einsog und in kurzen Stößen durch die Nase entweichen ließ. Abel fing einen Blick seines Mandanten auf, der jedoch gleich wieder flink hinüber zur Wand sah. Er zog an der Zigarette. Der Blick kam wieder und wich erneut zurück. Abel studierte das blasse, lange Gesicht des jungen Mannes. Es war übersät mit Leberflecken. Unter der spitzen Nase spross ein kümmerliches, schwarzes Lippenbärtchen.

»Wir kommen jetzt dran«, sagte Böhm und sah auf seine Uhr.

»Wenn sie mit der vorhergehenden Verhandlung pünktlich fertig werden«, antwortete Abel.

Böhm wandte sich ab und ging zu einem der Aschenbecher, die an der Wand eingelassen waren. Wer ihn so sah, er war lang und hager, ging leicht gebeugt, glaubte nicht, dass Böhm als Schläger einschlägig vorbestraft war. Dazu kamen noch Delikte wie unbefugter Schusswaffengebrauch, Führerscheingeschichten, zwei Kaufhausdiebstähle und schließlich die Bewährung wegen einer Einbruchssache. Allein schon deshalb war die Verhandlung nicht so einfach, wie Abel vorgab. Wenn es daneben ging, würde Böhm den Sitzungssaal mit einer deftigen Strafe verlassen. Und in Fesseln, wenn man seine Bewährung widerrief.

 

*

 

Als man Böhm eines Tages förmlich einen blauen Umschlag mit der Anklageschrift zustellte, war ihm nichts anderes übrig geblieben, als wieder einen Anwalt zu suchen, der ihn herauspauken sollte. Sein alter Verteidiger war tot. Abel praktizierte in der Nachbarschaft. Für Böhm reichte das, um zu Abel zu gehen. Besser kannte er sich nicht aus. Mit einer fahrlässigen Körperverletzung macht man kurzen Prozess in den sogenannten Bagatellsachen. Die Kripo ermittelt und die Staatsanwaltschaft sieht die Sache durch. Wenn alles Routine ist, wird oft noch nicht einmal das Minimalritual des mündlich verhandelten Strafprozesses in Gang gesetzt. Hätte bei Böhm nicht die Bewährung auf dem Spiel gestanden, wäre beim Richter die Verhängung eines Strafbefehls beantragt worden: Sachverhalt, verletzte Rechtsvorschriften und das Strafmaß auf einem Formblatt recycelten Papiers. Das Ganze kommt mit der Behördenpost zum Richter, der die Akten liest und den Strafbefehl unterschreibt. Rückfragen kommen selten vor. Der Nächste bitte.

Nur weil es bei Böhm um Bewährung ging, gab es diese mündliche Verhandlung.

 

*

 

Böhm begann in dem öden Flur auf und ab zu gehen; er rauchte unablässig. Abel lehnte an der Wand und starrte aus einem von Staub grau überzogenen Fenster hinaus in den Hinterhof des Gerichts, in dem die Sonne zackige Schatten malte. Böhms Schritte quietschten leise auf dem Boden. Auf der Fensterbank lagen tote Fliegen auf dem Rücken. Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich. Ein Anwalt kam mit einem niedergeschlagen aussehenden Klienten heraus; sie gingen schweigend an Abel vorbei. Es folgten zwei Frauen, die vorhin als Zeuginnen aufgerufen worden waren. Abel winkte seinem Mandanten und Böhm nickte. Die Sache wurde aus einem krächzenden Lautsprecher aufgerufen. Sie traten ein.

Wie in allen deutschen Gerichten saß der Richter hinter einer breiten Barriere über dem Angeklagten und seinem Verteidiger. Er hatte einen Urkundsbeamten und den Staatsanwalt an seiner Seite. Erneut öffnete sich die Tür zum Gerichtssaal. Ein großer, dunkelhaariger Mann trat ein. Leise schloss er die Tür und setzte sich mit gemessenem Abstand auf einen der Stühle in der letzten Reihe. Er schlug die Beine übereinander. Sein Gesicht war verschlossen. Abel hatte den Mann kurz gemustert, nun galt sein Interesse wieder der Verhandlung. Der Richter am Amtsgericht, Schulz, der über die Sache des Angeklagten Böhm zu befinden hatte, war ein alter Bekannter Abels. Beide hatten sie in Tübingen studiert. Nur dass Schulz früher fertig geworden war, weil er nicht ganz so lange herumgegammelt hatte wie Abel. Abel neigte den Kopf zum Gruß mit einem leicht spöttischen Lächeln. Schulz war Korporierter gewesen. Abel hatte den stockbesoffenen Kommilitonen Schulz mit einem Kumpan öfter nach Hause ins Verbindungshaus tragen müssen, wenn sie im »Boulanger« in die Nacht hinein gewürfelt hatten. Man sah Schulz an, dass er heute ein Alkoholproblem hatte. Jeder wusste das, aber keiner unternahm etwas.

Als Abel den Richter vor der Verhandlung anrief, um die Sache zu besprechen, hatte ihn Schulz nach all den Jahren überraschend mit »Herr Rechtsanwalt« angeredet. Seine Zunge war schwer. Abel war achselzuckend auch zum Sie übergegangen.

Blond und mit notorisch rotem Gesicht saß Schulz oben hinter seiner Barriere und wartete, bis Abel sich mit seinem Mandanten an einem erbärmlich wackelnden Tisch niedergelassen hatte. Abels Gruß hatte er sich nicht zu erwidern getraut, aus Angst, man könnte ihn für befangen halten. Mit monotoner Stimme diktierte er in das Protokoll, wer erschienen war, dann erhielt der Vertreter der Staatsanwaltschaft das Wort. Es war ein Referendar, dem man das Desinteresse ansah. Ein spindeldürrer Mensch, der die viel zu kurze Leihrobe vom zusammenzog, als er aufstand, den Anklagesatz zu verlesen.

Bei »wird angeschuldigt« hob er ein wenig die Stimme, dann las er weiter, ohne den Angeklagten anzusehen, »er habe fahrlässig den Körper eines anderen Menschen verletzt, indem er am 13. April diesen Jahres an dem Kraftfahrzeug Alfa Romeo der Silke Weiß mit dem amtlichen Kennzeichen MCB 2468 den vorderen Zuführungsstutzen zum Hauptbremszylinder fahrlässig nicht ordnungsgemäß verschraubte, sodass die Verletzte Silke Weiß mit dem Fahrzeug am Nachmittag des 13. April, von Pullach aus der Werkstatt kommend, auf den Kehren hinunter zur Isar in einer engen Kurve bei einem Bremsversuch, da aus der nicht ordnungsgemäß verschraubten Zuleitung zum Hauptbremszylinder des Fahrzeugs plötzlich die Bremsflüssigkeit bestimmungswidrig austrat, die Herrschaft über das Fahrzeug verlor und von der Straße abkam, das Brückengeländer durchbrach und etwa zwölf Meter ins Flussbett auf eine Sandbank stürzte, wodurch die Silke Weiß trotz des angelegten Gurtes erheblich verletzt wurde und ein Sachschaden von mehr als achtzehntausend Euro entstand.«

Der Referendar hielt ein und schöpfte Luft, dann zitierte er die einschlägigen Gesetzesparagraphen mit leierndem Tonfall, um sich sofort danach wieder zu setzten und müde den Kopf in beide Hände zu stützen. Die Hitze lastete auch im Gerichtssaal schwer. Abel sah sich um, ob der dunkelhaarige Mann immer noch anwesend war. Ja. Er folgte dem Geschehen sehr aufmerksam. Ein Angehöriger? Aber warum trat er nicht als Nebenkläger auf?

Abel wandte sich dem Richter zu. »Herr Böhm, treten Sie bitte hier vor«, sagte Schulz und zeigte vor seine Barriere. Der Angeklagte erhob sich schlaksig. Abel hatte mit beiden Fäusten die Aufschläge seiner Robe gepackt und streckte die Füße unter dem Tisch vor. Er wollte die Verhandlung zunächst laufen lassen, so wie es sich ergeben würde, mal hier und da einhaken, wo das sein musste, wusste er.

»Name?«, fragte der Richter.

»Andreas Böhm.«

»Geboren?«

Böhm haspelte seine persönlichen Daten herunter. Richter Schulz notierte alles überflüssigerweise auf einem Schmierblatt, denn die Angaben ergaben sich schon aus den Akten. Böhm stand mit eingezogenem Kopf nahe...
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