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Notwehr - Ein Fall für Abel

Bärenklau Exklusiverschienen am01.07.2023
Gretchen, die kleine Tochter von Käthe Lauer, erkrankt nach einem Zeckenbiss an Meningitis, der Zustand des Mädchens verschlechtert sich rapide. Käthe ist verzweifelt. Sie hört, dass es ein neues Medikament geben soll, das Gretchen helfen könnte, doch es ist noch nicht auf dem Markt. Es läuft aber schon eine Versuchsserie in einer Klinik. Dort lehnen die Ärzte es ab, dem Mädchen zu helfen, weil Gretchen nicht in das Forschungsprofil passt. Käthe beginnt, um das Leben ihrer Tochter zu kämpfen. Sie setzt alle Mittel ein, um an das Medikament zu gelangen, auch juristische. Abel vertritt sie, doch seine Bemühungen scheinen fehlzuschlagen. Käthe hingegen lässt sich nicht abspeisen. Sie wird dieses Medikament für Gretchen besorgen, auf welchem Weg auch immer. - Abel muss versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
Der Roman wurde 1988 mit Uwe Ochsenknecht als Abel von der ARD verfilmt.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
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Produkt

KlappentextGretchen, die kleine Tochter von Käthe Lauer, erkrankt nach einem Zeckenbiss an Meningitis, der Zustand des Mädchens verschlechtert sich rapide. Käthe ist verzweifelt. Sie hört, dass es ein neues Medikament geben soll, das Gretchen helfen könnte, doch es ist noch nicht auf dem Markt. Es läuft aber schon eine Versuchsserie in einer Klinik. Dort lehnen die Ärzte es ab, dem Mädchen zu helfen, weil Gretchen nicht in das Forschungsprofil passt. Käthe beginnt, um das Leben ihrer Tochter zu kämpfen. Sie setzt alle Mittel ein, um an das Medikament zu gelangen, auch juristische. Abel vertritt sie, doch seine Bemühungen scheinen fehlzuschlagen. Käthe hingegen lässt sich nicht abspeisen. Sie wird dieses Medikament für Gretchen besorgen, auf welchem Weg auch immer. - Abel muss versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
Der Roman wurde 1988 mit Uwe Ochsenknecht als Abel von der ARD verfilmt.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754682401
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten191 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse460
Artikel-Nr.13844208
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Donnerstag, 13. September

 

 

Sieben Uhr morgens in München. Für viele hatte die Arbeit gerade begonnen. Die Sonne hangelte sich über die Stadt in den Himmel, der matt und silberblau war. Das schräge Licht machte benommen. Lange Autokolonnen flossen wie Sturzbäche über den Mittleren Ring. Gurgelnd verteilten sie sich über die Kreuzungen, versickerten in den großen Parkgaragen und den Eingeweiden der Bürohäuser. Jetzt kamen allmählich die Angestellten in die Stadt und reihten sich in den Dienstleistungs-, Produktions- und Distributionsprozess ein. Aber München sah trotzdem an schönen Tagen aus, als würde niemand außer Kellnerinnen arbeiten. Keine Wolke am Himmel. Am Eisbach im Englischen Garten platzierten sich die ersten Faulenzer in der Sonne. Ein schöner Tag begann.

Abel pfiff durch die Finger nach Paul Schmitz. Der Hund war eine Promenadenmischung. Deshalb hatte er einen leidlich guten Charakter und war nur selten krank. Ein mächtiges Tier, groß und stark wie ein Bernhardiner, dabei wendig und schnell. Nur hören wollte er nicht richtig, dachte Abel und pfiff noch einmal. Das Tier trottete mit einem seltsam seitlich versetzten Trabschritt herüber.

Waldmüllers Wagen bog um die Ecke. Ein amerikanisches Modell, hellblaumetallic mit imitierten Alufelgen. Es lief leise, das Fahrzeug. Beim Einparken brummte der Motor für einen Augenblick guttural, das Auto setzte zurück und fädelte in die Parklücke ein.

Die Männer begrüßten sich und gingen die Stufen hinauf in die Kanzlei. Abel hatte lange provisorisch hinter den breiten Schaufenstern gelebt und gearbeitet. Dort wollte er mal seine Robe und ein paar Gesetzbücher ausstellen. Aber das war natürlich nur so ein Einfall. In Geschäftsauslagen durften Anwälte nicht werben. Letzthin waren die Schaufenster ein wenig zurückgebaut worden, sodass die Kanzlei büromäßiger aussah. Abel schloss die Glastür am Eingang und erklärte: »Meine Sekretärin kommt erst um neun. Ich tippe selber.« Das sei dann am Ende auch am ehesten fehlerfrei und am schnellsten. »Wir gehen um halb neun ins Gericht. Vorher muss ich allerdings den Gerichtsvollzieher benachrichtigen und bei ihm einen Termin machen.«

Abel sprach unentwegt, während er den Computer hochfuhr, Papier in den Drucker legte und die Akten herbeischaffte. Er war gut gelaunt und in Angriffsstimmung. Diese Betriebsamkeit vermochte Waldmüllers Bedenken nicht zu beseitigen. Für wichtige Sachen sollte stets eine Sekretärin bereitstehen. In seinen Augen war dieses Ärmelaufkrempeln und Selbstzupacken eher ein Zeichen für berufliche Insuffizienz als ein Beleg für Erfolg - und einen erfolgreichen Anwalt brauchte er. Es ging nicht nur um den Führerschein. Ob die Anwältin Mäller auch selber tippte? Waldmüller warf sich vor, gestern nicht schon »basta» gesagt zu haben, obwohl Abel für ihn aus dem Urlaub gekommen war. Mal sehen, was der frühe Vormittag brachte.

Waldmüller blieb schweigsam und nahm sich vor, schon beim ersten Anzeichen eines Fehlers das Mandat zu quittieren. Für ihn ging es um ein kleines Vermögen, das er in einigen Jahren mehr oder weniger legal zusammengekratzt hatte. Alles stand auf dem Spiel! Ein erfolgreicher Anwalt hatte nach Waldmüllers Meinung eine Büroetage in der Münchner Innenstadt, lichtdurchflutet, sauber, aufgeräumt. Adrette Sekretärinnen wieselten schon um sieben durch die klimatisierten Räume, lächelten, waren gut ausgebildet, verbindlich, immer gleich temperiert wie der Kaffee, der in diesen Büroetagen serviert wurde, egal, ob sie ihre Periode oder Liebeskummer hatten. Dort tippte keiner der Anwälte selber. Sicher nicht. Waldmüller lehnte im Türrahmen, sein spitzes Gesicht lief in den Zigarillo aus, an dem er lutschte, den er nur aus dem Mund nahm, wenn er seinem Anwalt eine Frage beantworten musste. Er wartete auf den ersten Anschein einer Unsicherheit.

Abel schrieb, mit seinem breiten Rücken über den Computer gebeugt. Er blickte nicht auf, wenn er etwas fragte oder gegen eine Antwort Einwände erhob. Endlich hatte er den Sachverhalt fertig. Er streckte sich kurz, dann ging's weiter.

In seiner rechtlichen Würdigung schrieb Abel, dass dem Antragsteller - Waldmüller - ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe, weil die Rechtsordnung nicht verlangen könne, dass formale Fälligkeitsfristen geduldig abgewartet würden, wenn die Überschuldung des Geschäftspartners augenfällig und der juristische Tod des Unternehmens, der Konkurs, schon klare Sache sei. Die Werkzeugmaschinen verglich Abel mit verderblicher Ware, wie Eier oder Kopfsalat, deren Weiterverwertung keinen Aufschub dulde. Zu Kopfsalat und zu Eiern gab es eine einschlägige, für Abels Mandanten günstige Rechtsprechung, allerdings nur des Reichsgerichts, was Abel bei der Lektüre des Standardkommentars bedauernd festgestellt hatte. Im Lichte einer umfangreichen, kräftig wuchernden Judikatur des Bundesgerichtshofs hatten die Reichsgerichtsentscheidungen schon etwas Antiquiertes an sich. So was zitierte man nicht so gerne. Hinzu kam, dass manche, zu denen auch Abel gehörte, das Reichsgericht, zumal wenn es sich um Entscheidungen nach der Machtergreifung der Nazis handelte, nicht für ein objektives Gericht hielten, dessen Erkenntnisse beispielgebend waren. Bei Kopfsalat und Eiern indessen mochte das Reichsgericht noch angehen, dachte Abel, zudem, wenn es dem Mandanten nützte.

Wie das Reichsgericht entschieden habe, schrieb er, sei es grob unbillig und vom Ergebnis her nicht zu rechtfertigen - er bewunderte die Leerformeln, die ihm von den Fingerspitzen in den Computer glitten - den Antragsteller Waldmüller auf das laufende Zahlungsziel zu verweisen, zumal die Antragsgegnerin der antragstellenden Partei nicht bei Vertragsschluss erklärt habe, dass Solvenzschwierigkeiten zu erwarten seien.

»Wer macht n so was?«, fragte Waldmüller und zündete sich einen Zigarillo an.

»Säbelrasseln«, sagte Abel. Dann schrieb er, dass er in Stempelmarken den Gerichtskostenvorschuss anfüge und angesichts der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit dringend um eine sofortige Entscheidung bitte, damit der Gerichtsvollzieher die Maschine bei der Antragsgegnerin herausnehmen und als Treuhänder vorerst verwahren könne.

Waldmüller sagte: »Was soll das? Ich muss die Maschine verkaufen, über sie verfügen können, Sie verstehen?«

»Das ist nur der erste Akt des Dramas«, sagte Abel und legte den Bogen zur Anfertigung der Eidesstattlichen Versicherung in den Drucker, »Haben wir erst gewonnen, beantragen wir auf dem Wege der Einstweiligen Verfügung die Freigabe der Maschine vom Gerichtsvollzieher. Dann kann sie vorläufig nach Holland geliefert werden.«

»Vorläufig?«, fragte Waldmüller.

»Ja.«

»Das bringt mir nichts. Ich kann doch keine Maschine nur vorläufig verkaufen.«

»Sie müssen s versuchen, Herr Waldmüller«, sagte Abel und begann, die Einleitungsfloskel für die Eidesstattliche Versicherung zu schreiben: »In Kenntnis der Bedeutung einer Eidesstattlichen Versicherung sowie belehrt über die strafrechtlichen Folgen einer falschen Versicherung an Eides statt versichere ich an Eides statt ⦫

»Vorläufig â¦?«, wiederholte Waldmüller, und seine hohe Stimme klang jetzt energisch, ausgeputzt und klar. »Was soll ich damit anfangen?« Er stand straff neben dem Schreibtisch und zupfte an seinem karierten Leinenjackett. Jetzt zu dieser Mäller gehen?

»Hören Sie!« Abel beugte sich zurück. Er sah seinem Mandanten ins Gesicht. »Ich könnte jetzt in Antibes am Hafen in einer Kneipe sitzen, die Le Rouff heißt, und einen Kaffee trinken und mir die Frauen ansehen, die vorbeischlendern und warten, ob sie mir einen Blick zuwerfen, wenn ich überhaupt schon auf wäre! Stattdessen sitze ich auf dem Stuhl meiner Sekretärin und tippe für Sie, und zwar um das Optimum unter den gegebenen Bedingungen herauszuholen, allein darum. Klar? Mehr als vorläufig geht nicht. Ich mache die Entscheidungen nicht, die macht der Richter und der schaut ins Gesetz! Kann ich jetzt weitermachen?«

»Ja«, sagte Waldmüller. Es war die Einsicht in das von Abel behauptete Notwendige, keinesfalls die Überzeugung, dass alles richtig wäre, die ihn akzeptieren ließ. Waldmüller schwieg jetzt. Wenn er nach Fakten gefragt wurde, gab er spärliche Antworten, stand da, die Hände in den Taschen und rauchte mit einem zugekniffenen Auge. Als Abel den Text der Eidesstattlichen Versicherung beendet hatte, unterschrieb Waldmüller ohne durchzulesen.

Abel kramte eine der handlichen Taschengebührenordnungen aus dem Schreibtisch seiner Sekretärin und ermittelt an Hand des Streitwerts die vorzuschießenden Gerichtskosten: »5012 Euro«, sagte er.

»Bar oder Scheck?«, fragte Waldmüller erschrocken.

»Angesichts der Lage ist mir bar lieber, weil ich's mit eigenem Scheck an der Gerichtskasse vorstrecken muss«, sagte Abel.

Waldmüller ahnte in diesem Augenblick, wie es sein würde, wenn auch nur der geringste Schatten der Zahlungsunfähigkeit über ihn hinweghuschen würde. Schecks waren dann nur Papier, Bargeld dagegen alles. Er selbst hatte immer in ähnlichen Fällen auf Bargeld bestanden, deshalb hegte er keinen Groll gegen seinen Anwalt, der auch nur um sein Geld kämpfte. Aber das mit dem Schatten der Insolvenz gab ihm zu denken, und er beschloss, zukünftig noch vorsichtiger zu sein, wenn es um Andeutungen finanzieller Schwierigkeiten ging. Er nahm den Geldbeutel heraus und zählte Scheine auf den Tisch. Es reichte nicht.

»Ich muss zur Bank«, sagte Waldmüller und sah auf die Uhr.

»Nicht für mich, nur fürs Gericht«, stellte Abel klar, schrieb einen eigenen Scheck aus und schloss die Anzahlung seines Mandanten...
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