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Das kurze Leben des K. Rusinski - Ein Fall für Abel

Bärenklau Exklusiverschienen am01.07.2023
Jean Abel hat seien Job als Privatdetektiv aufgegeben. Kunden gab es nur selten, Honorare ebenso wenig. Da nimmt er lieber die Referendarstelle im Staatsdienst an und dann mal sehen. Und der erste Einsatz wartet bereits auf ihn. Staatsanwalt Luther hat es verständlicherweise vorgezogen, an seiner Stelle den Neuling Abel zur Obduktion zu schicken. Für einen Schreibtischmenschen ist die unmittelbare Konfrontation mit den facts of life nicht immer bekömmlich. Auch Abel ist ziemlich geschockt, aber Dienst ist Dienst ...
Und jetzt identifiziert er einen bislang unbekannten Toten. Er kennt Ruski, wie er in Studentenkreisen hieß, aus seiner Tübinger Zeit. Dort war Ruski eine stadtbekannte Figur gewesen, kein Student, sondern Automechaniker, arbeitslos, vorbestraft. Er handelte mit allem und jedem. Mit schwarzem Afghan und Parolen der Chaoten. Aber jetzt hatte jemand dem Leben von K. Rusinski ein Ende bereitet. Mit einer Kugel. Und ihn dann an einem Feldrain abgeladen wie einen Müllsack.
Möglicherweise ein Fememord, vermutet man im LKA. Damit ist es ein Fall für die Terrorfahndung, und Staatsanwalt Luther ist selbstverständlich bereit, seinen Referendar »auszuleihen«, da Abel genau der richtige Typ ist, die Szene auszuleuchten.
Doch dann bekommt es Abel mit echten Profis zu tun.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
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Verfügbare Formate
Book on DemandKartoniert, Paperback
EUR10,99

Produkt

KlappentextJean Abel hat seien Job als Privatdetektiv aufgegeben. Kunden gab es nur selten, Honorare ebenso wenig. Da nimmt er lieber die Referendarstelle im Staatsdienst an und dann mal sehen. Und der erste Einsatz wartet bereits auf ihn. Staatsanwalt Luther hat es verständlicherweise vorgezogen, an seiner Stelle den Neuling Abel zur Obduktion zu schicken. Für einen Schreibtischmenschen ist die unmittelbare Konfrontation mit den facts of life nicht immer bekömmlich. Auch Abel ist ziemlich geschockt, aber Dienst ist Dienst ...
Und jetzt identifiziert er einen bislang unbekannten Toten. Er kennt Ruski, wie er in Studentenkreisen hieß, aus seiner Tübinger Zeit. Dort war Ruski eine stadtbekannte Figur gewesen, kein Student, sondern Automechaniker, arbeitslos, vorbestraft. Er handelte mit allem und jedem. Mit schwarzem Afghan und Parolen der Chaoten. Aber jetzt hatte jemand dem Leben von K. Rusinski ein Ende bereitet. Mit einer Kugel. Und ihn dann an einem Feldrain abgeladen wie einen Müllsack.
Möglicherweise ein Fememord, vermutet man im LKA. Damit ist es ein Fall für die Terrorfahndung, und Staatsanwalt Luther ist selbstverständlich bereit, seinen Referendar »auszuleihen«, da Abel genau der richtige Typ ist, die Szene auszuleuchten.
Doch dann bekommt es Abel mit echten Profis zu tun.


Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands, über 75 Drehbücher von ihm wurden für Kino und TV verfilmt, darunter mehr als 20 Episoden 'Tatort'. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Film ?Sophie Scholl - die letzten Tage«, war er 2006 für den Oscar nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757910587
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten169 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse449
Artikel-Nr.13844218
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

 

 

An einem der wenigen heißen Tage im August 1979 betrat Abel das schmucklose Gebäude der Staatsanwaltschaft in der Neckarstraße in Stuttgart.

»Ausweis«, sagte ein Polizeibeamter hinter der grünlich schimmernden Panzerglasscheibe in dem kleinen Vorraum. Abel kramte in der Tasche und zog aus seinem Geldbeutel schließlich das konkav verbogene graue Pappstück und gab es durch den Schlitz unter dem Panzerglas. Der Polizist studierte die Legitimation umständlich, notierte Name, Geburtsdatum, Ausstellungsbehörde und Nummer, ehe er fragte, zu wem Abel wolle.

»Staatsanwalt Luther.«

Der Beamte wählte eine Nummer: »Erwarten Sie einen gewissen Abel?« Als dies bejaht wurde, drückte er einen Summer. Abel trat durch die massive Drehtür in einen kühlen Gang und suchte dann das Zimmer des Staatsanwalts, zu dem er bestellt war. Es war 9 Uhr 30. Er klopfte an eine der Türen.

»Herein!«

Abel öffnete und sah einen kleinen, korpulenten Mann von knapp Vierzig auf sich zukommen, der einen korrekten Anzug trug, mit Fliege und weißem Hemd, der Kragen war trotz der Hitze geschlossen.

»Luther.« Der Mann streckte die Hand aus. Abel hatte einen weichen Händedruck erwartet, doch Luther packte seine Finger weit vorne und quetschte sie zusammen. Abel stellte sich vor und wurde auf einen Stuhl komplimentiert, der mitten vor dem Schreibtisch stand und so aussah, als habe er schon einer kaum überschaubaren Zahl von Delinquenten beim Verhör gedient. Luther ließ sich auf seinem Sessel nieder. Hinter ihm schien die Morgensonne grell durch weiße Stores.

»Nä, dat man auch mal einen gestandenen Mann als Referendar hat.« Der Staatsanwalt lachte. Er war Westfale. »Ich freue mich, dass ich einen so bekannten Privatdedektiv a. D. ausbilden kann.« Luther sah dem Referendar gerade in die Augen.

»Bekannt?«, fragte Abel, der seinen neuen Ausbilder noch nicht einzuschätzen vermochte.

»Na ja, immerhin harn Se mal dem guten Schuster arg mitgespielt, das spricht sich rum.«

»Ach so.« Abel war geschmeichelt.

»Und jetzt bei Vattern Staat untergekrochen?«

»Es ist nur so etwas wie ein Versuch«, sagte Abel und zuckte die Achseln.

»Wieso?«

»War nichts, dieser Job als Privatdetektiv. Bei den Amis ist das besser. Die haben dort Lizenzen, Autorität. Nein, bei uns taugt das nichts. Da fällt nur ab und zu eine Ehegeschichte ab, schmieriger Kram, stundenlang vor Hotels im Auto rumhängen, bis man ein Foto schießen kann oder⦫

»Oder für Querulanten über die Nachbarn etwas rauskriegen.« Luther lachte und knallte mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. »Nä, Mann, dat kenn ich alles aus den Akten hier.«

»Oder entlaufene Hunde suchen für einen Fünfziger - es war ein mieser Job.«

»Hamse denn nicht gut verdient?«

»Schulden hab ich, mächtig Schulden.«

»Aber dem Kommissar Schuster hamse ordentlich Schwierigkeiten gemacht«, wiederholte Luther hartnäckig.

Abel grinste. »Hätte ich mir einen Mord anhängen lassen sollen? Einfach so, einen Mord? Heute lacht man drüber, aber damals habe ich ganz schön geschwitzt, bis ich den Kopf aus der Schlinge hatte⦫

»Und dem Schuster einen Mörder frei Haus geliefert.« Der Staatsanwalt schubste eine Akte über den Tisch. »Ich hab die Sache damals angeklagt, hier. Zehn Jahre hat er gekriegt, ganz schön wenig, auch für meinen Geschmack, wenn se mich fragen.«

Abel zog ein verächtliches Gesicht. »Und Schuster?«

»Hat einen aufn Deckel gekriegt, der Alte.« Luther lehnte sich zurück. »Und aus dem Privatdetektiv ist ein flotter Referendar geworden?«

Abel nickte skeptisch.

»Is auch besser so«, fuhr der Staatsanwalt fort, »wer ein Studium abgeschlossen hat, der soll auch weitermachen auf dem Weg, den er eingeschlagen hat. Ein Jurist ohne zweites Staatsexamen ist nun mal ein Dreck. Und vor das zweite hat der Gesetzgeber den Referendardienst gesetzt.«

Abel zuckte die Achseln.

»Immerhin kriegen Se fast fünfzehnhundert netto, und das für einen Halbtagsjob, nä, dat is besser, als so auf eigene Rechnung rumvegetieren.«

»Na ja«, sagte Abel. Und dann: »Fürs Leben reicht s.«

»Sie sind gut.« Luther lachte. »Ich muss mit kaum dem Doppelten Frau, Kind und Hund durchbringen. Da reicht s auch nur für n Opel und Urlaub mit Quelle.« Er zog eine Akte zu sich herüber. »Und hinterher?«, fragte er.

»Erst mal sehen, ob ich das zweite schaffe«, sagte Abel, der nicht verraten wollte, dass er sich kaum Sorgen um seine Zukunft machte. Dass das Gehalt als Beamter auf Widerruf für zwei Jahre Perspektive genug für ihn war, das, fürchtete er, würde der Staatsanwalt nicht verstehen.

»Anwalt?«, fragte Luther.

»Vielleicht.«

»Nä, dat war nix für mich.« Luther winkte ab. »Ich muss wissen, wieviel ich mit sechsundvierzig hab und wieviel mir bleibt, wenn ich zweiundsechzig bin, nä!« Er lachte wieder und schlug die Akte vor sich auf. Abel beugte sich vor, um besser sehen zu können. Er wusste, dass jetzt das begann, was man bei der Justiz für angehende Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsbeamte und Rechtsanwälte mit dem anspruchsvollen Wort »Ausbildung« belegte. Bringen wir s hinter uns, dachte er und blinzelte in die Sonne.

»Der Indem-Satz«, sagte Luther und deutete auf ein Blatt in der Akte, »das haben wir schon im Einführungslehrgang gehabt.«

»Ja«, murmelte Abel teilnahmslos.

»Also«, fuhr der Staatsanwalt fort, »der Indem-Satz leitet sozusagen die konkrete Beschuldigung des Angeklagten im sogenannten Anklagesatz ein. Der Indem-Satz ist die hohe Schule der Formulierung einer Anklageschrift. Alles in einem Satz, im Konjunktiv, auch wenn das Ganze über mehrere Seiten geht, das zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche.«

Abel nickte.

»Probieren Se mal«, sagte Luther und begann mit Abel einen einfachen Satz zu memorieren: »Gustav Gut wird angeschuldigt, er habe versucht einen Menschen zu töten, indem ⦫ Sein Zeigefinger fuhr in die Luft »â¦ indem er bewusst und gewollt auf den Norbert Nagel am Abend des ⦠na sagen wir 3. August 1979 gegen 22 Uhr 30 mit einem stilettartigen, einseitig scharf geschliffenen Messer einstach und diesem mindestens drei Stichwunden beibrachte, und zwar die erste am Oberschenkel in der Leistengegend, die zweite in der Gegend des Brustbeins, wobei die Klinge abrutschte und eine bogenförmige Schnittwunde hinterließ - sowie die dritte in ⦫

Das Telefon läutete.

»Luther«, sagte der Staatsanwalt griesgrämig, denn er war gerade gut in Fahrt gekommen. »Au.« Er verzog das Gesicht und zupfte an seiner Fliege. »Baierle?«, fragte er. »Wo? ⦠Aha, also auf den Fildern? Und wie lange liegt er dort?« Wieder eine Pause. »Bei dem Wetter?« Luther drehte sich herum und starrte durch die Vorhänge hinaus. »Wissen Se wie spät es ist?«, sagte er und sah auf seine Armbanduhr, als sei es schon halb sechs. »Also gut, und sagen Se Ihrem Baierle, er soll seine Leichen das nächste Mal⦠ja, is ja auch egal.« Er warf den Hörer auf die Gabel.

»Was gibt s?«, fragte Abel, obwohl ihn das Ferngespräch nichts anging.

»Die haben eine Leiche gefunden.«

Die gute Laune des Staatsanwalts war verflogen. Ein weniger selbstsicherer Mensch als Abel hätte sich in diesem Augenblick vielleicht selbst für diesen Stimmungswandel verantwortlich gefühlt.

»Und jetzt?«

»Selbst nachlesen.« Luther schob den Strafprozessordnungskommentar von Kleinknecht über den Tisch. »Leichenfund«, brummte er, »Paragraf 159.«

Abel las nach und stellte fest, dass Polizei und Gesundheitsbehörde den Fund der Staatsanwaltschaft anzeigen müssen, und dass eine Beerdigung ohne schriftliche Genehmigung des Staatsanwalts nicht zulässig ist.

»Jetzt muss ich mir wieder den Kladdaradatsch angucken«, sagte Luther.

»Soll ich das für Sie machen?« Abel legte den Kommentar weg.

»Bäh, an einem solchen Tag eine Leiche, Sie wissen ja nicht, wie mir das ⦫ Der Staatsanwalt schüttelte sich.

»Okay, dann ⦫ Abel stand auf. Er wollte die Chance nicht vertun, an einem solch schönen, blanken Tag dem Nachsprechen von Indem-Sätzen zu entkommen.

»Wollen Se wirklich? Macht Ihnen dat denn nix aus?« Luther kramte in seiner Schreibtischschublade.

Abel schüttelte den Kopf.

»Ja, gut, also dann.« Luther hatte das Formular, das er brauchte, hervorgeholt. Er unterschrieb. »Da oben die Felder ausfüllen, fragen Se den Baierle, dat is der Kripomann, der soll Ihnen sagen, was da reinkommt. Und den Stempel holen Sie sich draußen bei Fräulein Koch.«

Abel nahm die Beschlagnahmeverfügung und faltete sie zusammen. Er erhielt von seinem Ausbilder noch den Kommentar als dienstliches Requisit und schließlich den Rat, nicht zu nahe an die Leiche heranzugehen.

»Ich bin ein Schreibtischmensch«, sagte Luther endlich und klopfte mit dem Kuli auf die Schreibunterlage. »Das da draußen an den Tatorten is nix für mich. Ich brauche meine feste Arbeitszeit und meine Ruhe, verstehn se, so zum Nachdenken und Analysieren, damit dat mit dem Indem-Satz immer klappt.« Jetzt grinste er wieder.

Abel war schon auf dem Weg zur Tür.

»Sie sind auch kein Schwabe?«

»Nein.«

»Gut so«, meinte der Staatsanwalt und holte sich eine neue Akte vom Aktenbock.

 

*

 

Abels alter Auto schaukelte bedrohlich über den ausgedörrten Feldweg, schüttelte sich und bockte in den Schlaglöchern. Mitten in den Kornfeldern und den Wiesen hockten zwei Streifenwagen wie grünweiße Schildkröten. Menschen standen in Gruppen etwas abseits in den Äckern,...
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