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Die 11 Fluchten des Madis Jefferson

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Residenz Verlagerschienen am12.02.2024
Madis Jefferson hält es an keinem Ort, schon gar nicht unter Zwang: Mit Witz und Tempo berichtet Tauno Vahter von einem, der nur auf der Flucht zu Hause ist. Vahters packendem Schelmenroman liegt die unglaubliche Lebensgeschichte von Johannes Lapmann alias Madis Jefferson zugrunde, der Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Dorf an der Küste Estlands geboren wird. Bereits mit acht Jahren wird Madis in Stockholm aufgegriffen und zu seiner entsetzten Mutter heimgebracht: Er hatte sich als blinder Passagier auf einem Schiff nach Schweden versteckt, weil er mehr von der Welt sehen wollte. Das bleibt nicht die letzte Eskapade des Vagabunden, weitere spektakuläre Fluchtversuche werden folgen und Madis bis in die USA führen - ihm allerdings auch Gefangenschaft in sowjetischen Lagern einbringen. Dieses Buch ist ein hinreißender und tragikomischer Roman über Freiheit und die Frage, wie weit Gesellschaften gehen, um die Freiheitsliebenden zu unterdrücken.

Tauno Vahter, geboren 1978 in Tallinn, lebt in Estland als Verleger, Lektor, Übersetzer (aus dem Finnischen und Englischen) und Schriftsteller. Für seinen Debütroman 'Die 11 Fluchten des Madis Jefferson' erhielt er den renommierten Eduard-Vilde-Preis. In seiner Freizeit ist er aktiv im Quiz-Sport und belegte 2012 mit seinem Team den ersten Platz der European Quizzing Championships.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextMadis Jefferson hält es an keinem Ort, schon gar nicht unter Zwang: Mit Witz und Tempo berichtet Tauno Vahter von einem, der nur auf der Flucht zu Hause ist. Vahters packendem Schelmenroman liegt die unglaubliche Lebensgeschichte von Johannes Lapmann alias Madis Jefferson zugrunde, der Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Dorf an der Küste Estlands geboren wird. Bereits mit acht Jahren wird Madis in Stockholm aufgegriffen und zu seiner entsetzten Mutter heimgebracht: Er hatte sich als blinder Passagier auf einem Schiff nach Schweden versteckt, weil er mehr von der Welt sehen wollte. Das bleibt nicht die letzte Eskapade des Vagabunden, weitere spektakuläre Fluchtversuche werden folgen und Madis bis in die USA führen - ihm allerdings auch Gefangenschaft in sowjetischen Lagern einbringen. Dieses Buch ist ein hinreißender und tragikomischer Roman über Freiheit und die Frage, wie weit Gesellschaften gehen, um die Freiheitsliebenden zu unterdrücken.

Tauno Vahter, geboren 1978 in Tallinn, lebt in Estland als Verleger, Lektor, Übersetzer (aus dem Finnischen und Englischen) und Schriftsteller. Für seinen Debütroman 'Die 11 Fluchten des Madis Jefferson' erhielt er den renommierten Eduard-Vilde-Preis. In seiner Freizeit ist er aktiv im Quiz-Sport und belegte 2012 mit seinem Team den ersten Platz der European Quizzing Championships.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701747153
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum12.02.2024
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1350 Kbytes
Artikel-Nr.13847164
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das Quartett aus dem Kongo

Hafengefängnis von Antwerpen, 1928

Madis Jefferson lugte in den Raum, dessen Tür der Wächter geöffnet hatte, und zuckte zusammen. Aus der nur knapp zehn Quadratmeter großen Zelle blickten ihm vier neugierige Augenpaare entgegen. Tatsächlich konnte er außer den Augen nicht viel erkennen, das Licht war schwach und die Hautfarbe der Zellengenossen machte die Sache nicht einfacher. In Avipalu gab es keine Schwarzen, nicht einmal in Tallinn.

Die Tür fiel ins Schloss und Madis setzte sich auf die einzige freie Pritsche. Die Zellengenossen sahen Madis schweigend an, der aus Verlegenheit seine Jacke auszog und zusammenrollte. Die Afrikaner begannen untereinander zu reden. Nun sah Madis, dass drei von ihnen höchstens zwanzig Jahre alt waren, der vierte jedoch deutlich älter war. Einer der Jüngeren stand auf und sagte etwas zu Madis, das dieser nicht verstand.

Zum Teufel, was wird das? Selbst den Gürtel hatte man ihm abgenommen.

Der Mann sagte erneut etwas, das sich französisch anhörte. Madis schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf sich. »Madis. Madis Jefferson.«

»Ah ... Bodika«, sagte der Mann jetzt. Als Nächstes stellten sich Bintu, Wemba und Musa vor.

Als Musa, der Älteste, seinen Namen sagte, bemerkte Madis, dass ihm eine Hand fehlte.

»Français?«, fragte wieder der junge Mann. Madis schüttelte abermals den Kopf.

»Tabac?« Er führte die Finger zum Mund. Nein, hab ich nicht.

Der Mann schien das Interesse verloren zu haben und setzte sich zurück auf seine Pritsche. Madis schnaufte erleichtert durch, stand auf und ging zu dem kleinen Zellenfenster. Dahinter erschienen der beeindruckende Hafen und die ins Meer fließende Schelde, und an den Kais und auf dem Wasser wimmelte es von Schiffen. Sie alle wurden überragt von der Pennland, dem Dampfer der Red Star Line, der mit seinen zwei gestreiften Schornsteinen sicher das größte Schiff war, das Madis je zu Gesicht bekommen hatte. Wenn er doch nur mitfahren könnte, bis nach New York! Am Kai lagen auch mehrere kleinere Schiffe in den Farben der Reederei, außerdem niedrige Schlepper, und am anderen Ufer erblickte er eine Reihe von Segelschiffen und Booten, von denen manche zwischen den großen Schiffen umherfuhren. An den Kais hatten sich Berge von Gütern angehäuft, die teils mit Kränen, teils von Hand gelöscht wurden. Madis meinte, aus der Ferne auch die vertrauten Umrisse der Mila zu erkennen, doch die kleineren Schiffe sahen sich vergleichsweise ähnlich und er war sich nicht sicher.

Eine Woche zuvor war Madis wieder aufgebrochen. Mit dem Milchauto (»ich muss zur Schule«) war er nach Tallinn gelangt und konnte sich am frühen Morgen in einem Güterwaggon des Neun-Uhr-Zugs nach Valga zwischen Säcken und Kisten verstecken. Obwohl ein Teil der Waren in Tartu und an der Grenze abgeladen wurde, fiel Madis niemandem auf. Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, fühlte sich Madis etwas freier und öffnete seine Tasche, in die er etwas Brot, getrockneten Fisch und ein Buch gepackt hatte, ein Estnisch-Deutsch-Wörterbuch, ausgeliehen von Wachtmeister Hamburg. Er hatte exakt zwei Kronen bei sich, mit denen er ohnehin nichts anfangen konnte, weil sogar das Ticket für die dritte Klasse zehn Kronen gekostet hätte.

Abends um neun war Madis bereits in Riga und streifte bis spät in der Nacht umher, ehe er den Hafen fand und sich in der Nähe unter einem Strauch aufs Ohr legte. Am Morgen wimmelte es im Hafen von Leuten und Madis las die Namen der Heimathäfen auf den Schiffen. Einige Schiffe kamen aus Stockholm, aber das interessierte Madis nicht mehr. Er wollte möglichst weit weg, am liebsten nach Amerika. Aber Schiffe, die nach Amerika fuhren, gab es keine. Er bemerkte einen Passagierdampfer, der etwas abseits der anderen Schiffe lag und über Polen nach Hamburg fahren sollte, aber da die Anlegestelle besonders exponiert war, konnte er sich nicht unbemerkt nähern. Also erschien ihm das Handelsschiff Mila die beste Wahl zu sein, denn es wurde nicht bewacht und das Deck war niedrig genug, um hinaufzuklettern. An Bord schlich Madis in den Laderaum neben dem Kohlelager und wartete. Fenster gab es keine, Menschen waren selten zu hören. Als das Schiff sich in Bewegung setzte, realisierte Madis, dass er einen Fehler gemacht hatte - in dem Raum wurde es so heiß, dass er nach und nach seine Kleidung ausziehen musste. Sein Proviant war bald aufgebraucht, zu trinken hatte er nichts dabei. Madis wurde am zweiten Tag gegen Mittag dabei erwischt, wie er sich von den Heizern Wasser stibitzen wollte. Die Männer hatten starke Arme und der Kapitän sagte etwas, das Madis nicht verstand. Er wurde zurück in den Heizraum gebracht und bekam eine Schaufel in die Hand gedrückt. Es war heiß und die anderen beiden Arbeiter motzten herum, aber Madis strengte sich an und schließlich bekam er sogar ein wenig zu essen.

Doch die Eintracht endete schon bald mit der Ankunft in Antwerpen am folgenden Tag, als der Steuermann zwei uniformierte Männer an Bord brachte, die Madis mitnahmen.

Zwei Tage später holte man Madis aus der Zelle und er wurde von einem schnurrbärtigen Mann erwartet, der sich als Aertssens vorstellte, estnischer Honorarkonsul. In seinem rudimentären Estnisch und mit etwas Deutsch erklärte er Madis, dass man ihn bald vor Gericht stellen und ins Gefängnis stecken würde, bevor man ihn zurück nach Estland schickte. Für die Reisekosten müsse er selbst aufkommen. Madis fragte, ob er sein Wörterbuch zurückhaben und eine Postkarte bekommen könne, um nach Hause zu schreiben.

Gegen Ende der Woche führte man Madis dem Richter vor, der Konsul begleitete ihn. Das Gericht entschied, dass Madis drei Monate im Gefängnis sitzen müsse, woraufhin er zurückgeschickt würde. Madis hörte sich das Urteil an und schrieb währenddessen die Postkarte, die ihm der Konsul gegeben hatte: »Bin in Belgien, alles gut, das Wetter ist schön«, schrieb Madis seiner Mutter.

Zwei Monate später war Madis bereits unzählige Male ans Fenster gegangen und hatte dort die ankommenden und ablegenden Schiffe beobachtet. Er wusste, dass große Schiffe wie die Pennland und die Westernland abwechselnd einmal pro Woche nach Amerika fuhren, drei Tage hin und drei zurück, und jedes Mal wunderte er sich, dass sich darauf so viele Menschen aufhielten wie in einer Stadt. Der erste Kontakt zu seinen Zellengenossen war über das Essen zustande gekommen, einem undefinierbaren, grauen Kleisterbrei, bei dem alle das Gesicht verzogen und ihren Ekel mit den anderen jeweils unbekannten Wörtern begleiteten, die nichts Schönes bedeuteten. Madis hatte mithilfe des Konsuls sein estnisch-deutsches Wörterbuch zurückbekommen, dazu ein deutsch-französisches Wörterbuch, das er nun sorgfältig las und an dem Zellengenossen, der sich als Bodika vorgestellt hatte, erprobte. Mit reichlich Mühe konnte er Silbe für Silbe und Wort für Wort in Erfahrung bringen, dass die vier dunkelhäutigen Herrschaften aus dem Kongo kamen, von wo sie ihr Chef oder Anführer mitgenommen hatte. Die örtlichen Zollbeamten ließen sich nicht davon überzeugen, dass sie hier waren, um einen befreundeten Händler aufzusuchen, zumal sie keine Dokumente besaßen und sich in einem Frachtraum versteckt hatten. Untereinander sprachen die Männer eine fremde Sprache. Die Jüngeren spielten ein sonderbares Spiel, bei dem sich jeweils zwei gegenüberhockten und der eine irgendwelche komplizierten Bewegungen vormachte, die der andere nachzuahmen versuchte, bis einer rausflog und nach Punkten verloren hatte, die der Alte zählte. Musa hatte seine Hand als Jugendlicher verloren, weil er nicht genug Gummiharz gesammelt hatte. Madis hatte keine besonders guten Einfälle, aber aus Langeweile versuchte er ihnen das dreistimmige Lied »Kungla rahvas«, das Volk von Kungla, beizubringen. Die Aussprache des Titels gelang ihnen problemlos, doch der Rest war ausbaufähig. In Anbetracht der großen Belustigung, für die das Wort »Kungla« sorgte, nahm Madis an, dass es in ihrer Sprache etwas Anzügliches bedeutete. Nach mehrstündigem Proben war die Melodie bereits gut zu erkennen, aber das spontane Sängerfest wurde von einem erzürnten Wächter beendet, der die Luke in der Zellentür aufriss und so laut »Zwijg!« brüllte, dass kein Zweifel bestand, was dies zu bedeuten hatte. Madis´ Berechnungen zufolge hatte er noch gut zwei Wochen abzusitzen, doch zu ungewöhnlich früher Stunde war ein Klappern an der Tür zu hören und es trat ein kleiner grauer Mann im Anzug ein, hinter dem der Wächter die Tür offen stehen ließ. Er fragte, welche Sprachen hier gesprochen würden, und nickte bei Englisch und Französisch.

»Ich heiße Claes. Eure Zeit hier ist bald vorbei und ihr werdet außer Landes geschickt. Habt ihr Geld für die Fahrkarten?«

Alle schüttelten den Kopf.

»Dann habt ihr ein Problem. Zum Glück habe ich...
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Autor

Tauno Vahter, geboren 1978 in Tallinn, lebt in Estland als Verleger, Lektor, Übersetzer (aus dem Finnischen und Englischen) und Schriftsteller. Für seinen Debütroman "Die 11 Fluchten des Madis Jefferson" erhielt er den renommierten Eduard-Vilde-Preis. In seiner Freizeit ist er aktiv im Quiz-Sport und belegte 2012 mit seinem Team den ersten Platz der European Quizzing Championships.
Weitere Artikel von
Vahter, Tauno