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Schau nicht hin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Verlag Kremayr & Scheriauerschienen am21.02.2024
GEFEIERT - GEFALLEN - VEREHRT. Die internationalen Künstlerinnen Zarah Leander, Marika Rökk, Lída Baarová und Kristina Söderbaum machten Karriere in der Filmindustrie Nazi-Deutschlands und erlangten damit Ruhm bis lange nach dem Krieg. Schlager wie Zarah Leanders 'Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n' sind noch heute Teil der Popkultur. Evelyn Steinthaler analysiert die vier Biografien als Paradebeispiele für das Zusammenspiel von Macht und Kunst. Sie spannt den Bogen bis zur aktuellen Debatte um die Trennung von Künstler:in und Kunstwerk. Heute mehr denn je brennt die Frage: Wofür lässt sich der:die Einzelne instrumentalisieren, ob auf der Bühne oder davor?

Die 1971 in Klagenfurt geborene Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin Evelyn Steinthaler ist als Autorin, Herausgeberin, Hörbuchproduzentin, Übersetzerin, Biografin auch in der politischen Bildung tätig. Für das Buch 'Frauen 1938' erhielt sie den Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für das Politische Buch. Zuletzt bei Kremayr & Scheriau erschienen: 'Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein' (2018).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextGEFEIERT - GEFALLEN - VEREHRT. Die internationalen Künstlerinnen Zarah Leander, Marika Rökk, Lída Baarová und Kristina Söderbaum machten Karriere in der Filmindustrie Nazi-Deutschlands und erlangten damit Ruhm bis lange nach dem Krieg. Schlager wie Zarah Leanders 'Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n' sind noch heute Teil der Popkultur. Evelyn Steinthaler analysiert die vier Biografien als Paradebeispiele für das Zusammenspiel von Macht und Kunst. Sie spannt den Bogen bis zur aktuellen Debatte um die Trennung von Künstler:in und Kunstwerk. Heute mehr denn je brennt die Frage: Wofür lässt sich der:die Einzelne instrumentalisieren, ob auf der Bühne oder davor?

Die 1971 in Klagenfurt geborene Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin Evelyn Steinthaler ist als Autorin, Herausgeberin, Hörbuchproduzentin, Übersetzerin, Biografin auch in der politischen Bildung tätig. Für das Buch 'Frauen 1938' erhielt sie den Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für das Politische Buch. Zuletzt bei Kremayr & Scheriau erschienen: 'Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein' (2018).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783218013390
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum21.02.2024
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2717 Kbytes
Artikel-Nr.13945698
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

DIESE GROßE KLEINIGKEIT BIST DU 3

Goebbels wollte Reichsminister für Kultur werden. Da ihm dies durch Hitler verwehrt blieb, machte sich der braune Chefpropagandist daran, alsbald in seinem Ministerium die Strukturen dafür zu schaffen, dass ihm und seinem Ministerium die Kontrolle über alle Kulturschaffenden in NS-Deutschland letztlich zukam: Die im September 1933 auf Goebbels Betreiben (und mit ihm im Vorsitz) installierte Reichskulturkammer diente dazu, die Gleichschaltung der Kultur durchzusetzen.4 Besonderes Augenmerk legte der Propagandaminister dabei auf den deutschen Film. Vollständiges Mitglied in der Reichskulturkammer und der jeweiligen Teilkammern5 konnte nur werden, wer einen Ariernachweis 6 vorlegen konnte und auch nicht jüdisch versippt war, also keine jüdische Ehepartner:innen hatte. Künstlern wie etwa Hans Moser oder Heinz Rühmann war es wegen ihrer jüdischen Ehefrauen nur aufgrund von Sonderregelungen möglich, zu arbeiten. Das Regime übte auf solche Künstler:innen besonderen Druck aus, seine Erwartungen an die Künstler:innen-Elite in ihrer berufsbedingten Öffentlichkeit standen jenen an die Durchschnittsbürger:innen im Reich in nichts nach. Die Ufa-Stars gingen mit diesem Druck allerdings sehr unterschiedlich um.7

Am 28. März 1933, nur wenige Tage, nachdem das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eingerichtet worden war, sprach Goebbels im Berliner Hotel Kaiserhof vor vertretenden Mitgliedern der deutschen Filmindustrie.

Kunst müsse, so der Propagandaminister, mit ihren Wurzeln in das nationalsozialistische Erdreich vorgedrungen sein.8

An Goebbels Rede ist neben der Eindeutigkeit der völkischen Ziele für das Kulturschaffen erwähnenswert, dass er Sergej Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin aus dem Jahr 1925 als filmisches Meisterwerk hervorhob. Eisenstein, dem dies zu Ohren gekommen war, verwehrte sich gegen das Lob aus Deutschland vehement in einem offenen Brief, der am 22. März 1934 in der Literaturnaja Gazeta abgedruckt wurde.9

Es bestanden in Deutschland schon sehr bald ab 1933 allzu klare Ideen über die nationalsozialistischen Ziele für den deutschen Film. Sowohl der Diktator als auch sein Propagandaminister wussten um die wichtige Rolle von Unterhaltungsfilmen in der Etablierung des NS-Systems. Sie waren wie ein Großteil der deutschen Volksgemeinschaft selbst vom Filmfieber gepackt.

Ausgiebige Filmabende in Hitlers Refugium am Obersalzberg gehörten zur bevorzugten Abendgestaltung des Diktators.10 Vor allem von Hollywood-Produktionen und leichter Unterhaltung aus Deutschland soll Hitler angetan gewesen sein. Jeder im NS-Staat produzierte Film ging in einer kostenfreien Kopie an den Diktator. Fanden die Filme Eingang in seine private Filmsammlung, hatten die Filmschaffenden dies als besondere Auszeichnung zu verstehen.

Kunst war Chefsache , Hitler und Goebbels verstanden beide die ideologische Umformung der deutschen Kunst und Kultur als dem System NS-Deutschlands inhärent, wohl nicht zuletzt mit derart großer Passion, weil sie beide selbst künstlerisch gescheitert waren. Und Film stand dabei einmal mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit, nicht zuletzt auch wegen der Bedeutung der Filmindustrie für die Exportwirtschaft des nationalsozialistischen Deutschlands.
HANDLUNGSSPIELRÄUME

Goebbels unterschied in seiner Rede im Berliner Kaiserhof keineswegs zwischen eindeutigen Propagandafilmen und jenen Unterhaltungsfilmen, die später über Jahrzehnte hinweg im deutschen und österreichischen Fernsehen immer wieder zu sehen waren und vereinzelt sogar noch in den 2020er Jahren ausgestrahlt werden (wie etwa am 5. Dezember 2020, MDR: Hallo Janine). Für ihn ging es um die Gesamtheit der deutschen Kunst.

Besonders bemerkenswert ist dabei, dass das öffentlichrechtliche Fernsehen in Deutschland einem dieser vermeintlich so harmlosen Unterhaltungsfilme nach wie vor einen sehr prominenten Platz einräumt: Die im wilhelminischen Deutschland angesiedelte Komödie Die Feuerzangenbowle aus dem Jahr 1944 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle gehört in den Weihnachtsfeiertagen zum Pflichtprogramm im deutschen Fernsehen. Im Weihnachtsprogramm der ARD wurde der Film etwa am 24. Dezember 2023 um 21.45 Uhr ausgestrahlt.11 Rühmann war nicht nur der Star der Feuerzangenbowle unter der Regie von Helmut Weiss, sondern auch Produzent dieses Films, der den Menschen im nationalsozialistischen System auf seinen von der Vorsehung bestimmten Platz verweist. Der Film, von Hitler besonders geschätzt, verzichtete bei allem vordergründigem Humor nicht auf die rassistisch, biologistische Ideologie des Nationalsozialismus.12

Der Spitze des Regimes in Berlin war bewusst, dass die Produktion einer Vielzahl an Filmen ohne wehende Hakenkreuzfahnen eine Notwendigkeit darstellte. Vor allem, um diejenigen für das System zu vereinnahmen, die in Deutschland lebten, aber der nationalsozialistischen Ideologie (noch) nicht anhingen und sich selbst in der inneren Emigration befindlich oder als unpolitisch verstanden.

Dass diese Filme auf mehr oder weniger subtile Art und Weise nationalsozialistische Propaganda auch ohne all die zum Hitler Gruß erhobenen Arme transportierten, entging nicht nur oftmals dem zeitgenössischen filmbegeisterten Publikum, sondern auch Generationen danach. Letztere richteten ihren kritischen Blick oft auf berüchtigte, antisemitische und rassistische Hetzfilme wie Veit Harlans Jud Süß oder Gustav Ucickys Heimkehr, vergessend, welche Botschaften die vielen Unterhaltungsfilme des NS-Kinos transportierten, die durch die alliierte Filmzensur rutschten.

Offensichtliche Propagandafilme (wie Kolberg, Die Rothschilds oder Hitlerjunge Quex) machten nur die Minderheit unter den Filmproduktionen im nationalsozialistischen Deutschland aus. Um das Verhältnis von Propagandafilmen und Unterhaltungsfilmen zu veranschaulichen: Unter den insgesamt 34 Filmen, die 1935 und 1936 in Deutschland produziert wurden, kamen nach Kriegsende gerade einmal vier auf den Index der Alliierten und wurden als nationalsozialistische Propaganda verboten.13

Von den rund 1.150 Spielfilmen, die in Hitlerdeutschland von 1933 bis 1945 produziert wurden, waren nur knapp ein Sechstel direkte Propaganda.14

Warum grenzte man sich in Deutschland und Österreich in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht eindeutig von all diesen Filmen ab? War es ein Mangel an Filmproduktionen oder der Umstand, dass diese Filme an eine Zeit erinnerten, die für viele die gute alte Zeit bleiben sollte? Oder wollte man sich einfach weiterhin darin üben, nicht hinzusehen bei allem, was das Regime, das diese Filme produzieren lassen hatte, verbrochen hatte - und das vielleicht man selbst oder Familienmitglieder aktiv unterstützt hat. War es schlichtweg eine Frage des die Wahrheit nicht ertragen Könnens?

Wegzuschauen und Tatsachen auszublenden war nicht nur im Nationalsozialismus eine aktive, politische Handlung. An den Entscheidungen, wie in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit Künstler:innen der NS-Zeit und ihren Werken umgegangen wurde und wird, zeigt sich das anhaltende Missverständnis in unserer Gesellschaft, das sich auch auf das Heute übertragen lässt. Die übergriffigen Mächtigen gewähren zu lassen, funktioniert auch in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts noch immer allzu gut.

Regisseur Harlan versuchte, sich nach dem Krieg einer Schuld zu entledigen, indem er betonte, dass der Propagandaminister bei Filmproduktionen immer das letzte Wort gehabt hätte und die Möglichkeiten für einen Regisseur innerhalb des Systems beschränkt gewesen wären.

Trotz des immensen Drucks von Goebbels Seite wurden in Deutschland von 1933 bis 1945 aber auch Filme budgetiert und gedreht, die nicht den nationalsozialistischen Idealen entsprachen. Eine dieser Ausnahmen war etwa der 1943 gedrehte Spielfilm Große Freiheit Nr. 7 mit Hans Albers in der Hauptrolle. Helmut Käutners beeindruckender Film-Noir-Abgesang auf die Liebe und St. Pauli, der alles andere als ein Durchhaltefilm war, schaffte es nicht durch die Zensur für das Reich , wurde aber in der Export-Fassung in den besetzten Staaten gezeigt.15 In Deutschland lief der Film erst am 9. September 1945 erstmals im Kino.16
ABSAGEN ANS REGIME

Hans Albers gehörte zu jenen Stars, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland blieben. Er war weiterhin einer der großen Stars des deutschen Kinos, machte gleichzeitig kein Hehl daraus, dass er von der NS-Elite nicht viel hielt, und entzog sich so gut es ging ihrem Einfluss. Seine gute Freundin Marlene Dietrich verließ hingegen Deutschland Richtung Hollywood nach ihrem Welterfolg in Joseph von...
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Autor

Die 1971 in Klagenfurt geborene Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin Evelyn Steinthaler ist als Autorin, Herausgeberin, Hörbuchproduzentin, Übersetzerin, Biografin auch in der politischen Bildung tätig. Für das Buch "Frauen 1938" erhielt sie den Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für das Politische Buch. Zuletzt bei Kremayr & Scheriau erschienen: "Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein" (2018).