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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Dörlemann eBookerschienen am22.02.20241. Auflage
Die Katastrophe beginnt auf dem Bundesplatz in Wilmersdorf. Die angehende Biologin Nathalie entdeckt auf ihrem Weg zur U-Bahn-Station zwischen den Pflastersteinritzen zarte Halme in einem hellen, intensiven Gru?n, die zu leuchten scheinen. Fasziniert beobachtet sie nun täglich den immer ungewöhnlicher werdenden Wuchs der Gräser. Und bald gleicht der Platz einer Almwiese, auf der die Anwohner es sich mit Picknickkörben gemu?tlich machen.Die Idylle währt nicht lange, das Gras dru?ckt den Asphalt der Straßen, die Steine auf den Gehwegen hoch, erobertangrenzende Stadtteile, zerstört Autobahnen und Bu?rgersteige. Doch das Schlimmste: Gegen sämtliche bekannten Herbizide erweist sich das Gras als resistent. Fu?r Nathalie, die Behörden und die Wissenschaft beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Unfall oder Verbrechen, Manipulation oder Mutation?Bernhard Kegel erzählt in diesem Berlin-Roman eine Geschichte von Katastrophe und Hoffnung.

BERNHARD KEGEL, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin und wurde 1991 promoviert. Heute ist er begeisterter Jazzgitarrist und hauptberuflich Schriftsteller. Seit seinem 1993 erschienenen Debu?troman Wenzels Pilz, hat er eine Vielzahl von Romanen und Sachbu?chern verfasst, in denen er seine fachliche Expertise literarisch verarbeitet und dabei sowohl Sachkenner als auch Leser ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund gleichermaßen begeistert. Er lebt mit seiner Familie in Brandenburg und Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDie Katastrophe beginnt auf dem Bundesplatz in Wilmersdorf. Die angehende Biologin Nathalie entdeckt auf ihrem Weg zur U-Bahn-Station zwischen den Pflastersteinritzen zarte Halme in einem hellen, intensiven Gru?n, die zu leuchten scheinen. Fasziniert beobachtet sie nun täglich den immer ungewöhnlicher werdenden Wuchs der Gräser. Und bald gleicht der Platz einer Almwiese, auf der die Anwohner es sich mit Picknickkörben gemu?tlich machen.Die Idylle währt nicht lange, das Gras dru?ckt den Asphalt der Straßen, die Steine auf den Gehwegen hoch, erobertangrenzende Stadtteile, zerstört Autobahnen und Bu?rgersteige. Doch das Schlimmste: Gegen sämtliche bekannten Herbizide erweist sich das Gras als resistent. Fu?r Nathalie, die Behörden und die Wissenschaft beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Unfall oder Verbrechen, Manipulation oder Mutation?Bernhard Kegel erzählt in diesem Berlin-Roman eine Geschichte von Katastrophe und Hoffnung.

BERNHARD KEGEL, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin und wurde 1991 promoviert. Heute ist er begeisterter Jazzgitarrist und hauptberuflich Schriftsteller. Seit seinem 1993 erschienenen Debu?troman Wenzels Pilz, hat er eine Vielzahl von Romanen und Sachbu?chern verfasst, in denen er seine fachliche Expertise literarisch verarbeitet und dabei sowohl Sachkenner als auch Leser ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund gleichermaßen begeistert. Er lebt mit seiner Familie in Brandenburg und Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783038208976
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum22.02.2024
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1840 Kbytes
Artikel-Nr.13949258
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Heute hätte es uns fast erwischt. Es war knapp. Und das Schlimmste ist: Es war meine Schuld. Ich habe die Gefahr zu spät erkannt. Habe geschlafen, völlig arglos. Plötzlich war die Wolke da - schwarz, haushoch und voluminöser als alles, was ich bisher gesehen habe - und schon zu nah, um ihr noch entkommen zu können. Mir zittern jetzt noch die Knie.

Ich habe mal einen Hund in so einer Wolke ersticken sehen. Sie war nur so groß wie ein Lkw und nicht ganz so dicht wie die von heute, so dass ich alles erkennen konnte. Wie eine Amöbe schwappte sie unberechenbar mal hier-, mal dorthin. Der Hund - jung und unerfahren, nehme ich an - kam der Wolke zu nah und im nächsten Moment war er mittendrin. Erst jaulte er, dann schnappte er um sich, rieb mit den Pfoten über Augen und Nase und schüttelte sich. Statt einfach wegzurennen, begann er sich um sich selbst zu drehen, offenbar war er desorientiert. Irgendwann brach er zusammen, wand sich von Krämpfen geschüttelt auf dem Boden, ruderte wild mit den Beinen. Eine Weile zitterte er noch. Dann war es vorbei und er rührte sich nicht mehr. Das hätte uns auch so gehen können.

Marie schläft jetzt. Sie hatte große Angst, weinte und ich hatte Mühe, sie zu beruhigen. Später war sie vollkommen fertig, und mir geht es auch nicht besser. Aber ich kann noch nicht schlafen, ich muss das erst loswerden. Es war grauenhaft. ICH MUSS BESSER AUFPASSEN.

Alles hatte nach einem schönen Tag ausgesehen. Die Sonne schien und wir sind rausgegangen, um Zwiebeln zu ernten, draußen im Garten. Na ja, es sind nur ein paar Quadratmeter, aber es war mühsam, sie freizulegen und so herzurichten, dass ich etwas aussäen konnte. An einer Wand im Supermarkt gibt es einen unbeachtet stehengebliebenen Ständer mit Pflanzensamen. Meistens meide ich den verwüsteten Verkaufsraum, aber einmal ging ich doch an dem Ständer mit den bunten Tütchen vorbei. Warum es nicht versuchen? Leider enthält er vor allem bunte Blumen und nur wenige Gemüsesorten, aber es gibt Zwiebeln, Lauchzwiebeln und normale. Der Ertrag ist nicht gerade rekordverdächtig, aber ich freue mich, dass ich etwas ernten kann. Zwiebeln sind wichtig, finde ich. Frisch und scharf werten sie jedes Essen auf. Jetzt werde ich es auch mit anderen Gemüsesorten versuchen, Mohrrüben zum Beispiel. Hier zum Selbstversorger zu werden ist aber ziemlich aussichtslos. Das Wasser ist ein Problem und ich müsste den Garten vollständig umzäunen. Dazu fehlt mir das Werkzeug.

Es war windig gewesen, wahrscheinlich war das der Grund, warum alles so schnell ging. Wir knieten neben meinem Beet, rupften Unkraut und gruben ein paar Lauchzwiebeln aus dem Boden. So kümmerlich sie waren, allein von ihrem Geruch lief mir schon das Wasser im Mund zusammen. Wir alberten herum, lachten, waren abgelenkt. Als sich plötzlich die Sonne verdunkelte, war es fast zu spät. Ich spürte sie bereits in der Nase. Marie hustete.

Wir haben uns auf den Boden geworfen. Wenn man erstmal eine größere Menge eingeatmet hat, ist es schwer, sich zu schützen, weil man so heftig husten muss. Ich habe Marie an mich gedrückt und geschrien, sie solle sich ihr Halstuch vors Gesicht halten, ich selbst habe mir das T-Shirt über den Kopf gezogen. Gott sei Dank beißen die Biester nicht, aber sie waren überall zu spüren, ein widerwärtiges Kribbeln auf der Haut. Von irgendwoher war hysterisches Hundegebell zu hören und die Luft war von einem seltsamen Geruch und einem hohen feinen Sirren erfüllt, einem Knistern, Rascheln. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, ich werde dieses Geräusch nie mehr vergessen.

Wir pressten uns eng aneinander und warteten. Ich redete beruhigend auf Marie ein, die hinter ihrem Halstuch leise wimmerte. Keine Ahnung, wie lange wir so gelegen haben. Zwanzig Minuten, eine halbe Stunde vielleicht, dann wurde das ekelhafte Geräusch schwächer. Irgendwann ließ das Kribbeln nach und ich spürte wieder die Sonne auf meinem Rücken. Wir warteten noch eine Weile, zur Sicherheit. Dann schielte ich vorsichtig über meinen T-Shirt-Kragen und sah gerade noch, wie Ausläufer der Wolke zwischen zwei vierstöckigen Häusern verschwanden. Sie reichte bis zum Dach. Neben mir tauchte Maries rundes Gesicht auf. Ein paar der Winzlinge klebten auf ihrer schweißnassen Haut. Ich wischte sie weg und wir lächelten uns an.

Ich nenne sie Wolken, weil sie aus der Ferne so aussehen, aber ich weiß natürlich, dass es in Wirklichkeit riesige Schwärme sind. Diese Wolken leben. Ich glaube, es sind Zweiflügler, winzige, nur zwei, drei Millimeter große Insekten mit rauchglasfarbenen Flügeln, Milliarden von ihnen, Billionen. Ich glaube sogar zu wissen, wo sie herkommen und wie sie sich entwickeln. In einer anderen Zeit hätten sie vielleicht Verbündete sein können, jetzt sind sie eine heimtückische Gefahr.

»Du willst wirklich nicht mitkommen?«

»Nein.« Marie ist bockig. Sie sitzt im Zwielicht meines Verstecks auf der Matratze, hat die Arme um ihre Knie geschlungen und rührt sich nicht von der Stelle. Dabei will ich nur noch einmal in den Garten. In der Aufregung habe ich gestern die geernteten Zwiebeln liegen lassen. Sie sind kostbar, es gibt nicht viele und ich will nicht, dass sie nach all der Mühe, die es gekostet hat, sie heranzuziehen, ohne jeden Nutzen in der Sonne vertrocknen. Es ist nicht weit.

»Warum denn nicht, Marie? Hast du Angst? Ich weiß, das war schlimm gestern, aber so eine Wolke kommt so schnell nicht wieder. Ganz sicher. Du kannst dich doch jetzt nicht immer in diesem Loch verkriechen. Wir müssen in Zukunft einfach besser aufpassen.« Sie rührt sich nicht. »Nun, mach schon. Zieh dir die Schuhe an und komm mit.«

»Nein.«

So geht das schon eine Weile. Unwillkürlich verdrehe ich die Augen und stemme die rechte Faust in die Hüfte. Falsch, denke ich, ganz falsch. Beherrsch dich, sonst hast du keine Chance. Ich werde zu schnell ungeduldig, das war schon immer so. Glücklicherweise hat sie es nicht gesehen, ihr Kopf liegt auf den Knien.

Was soll ich tun? Ich kann sie hier nicht allein lassen. Die Umgebung ist zu gefährlich, ein chaotisches jahrelang verwahrlostes und von Gras überwuchertes Baustellengelände. Schutt, verrostete Stahlstreben, Steinhaufen, verrottetes Holz - da draußen liegt alles Mögliche herum und oft sieht man es nicht, weil es von Pflanzen verdeckt wird. Unvermittelt steht man vor tiefen Gruben. Das ist kein Kinderspielplatz. Marie und ich kennen uns keine zwei Wochen und die jetzige Situation zeigt mir, dass ich noch nicht einschätzen kann, wie sie sich verhalten wird, ob ich mich auf sie verlassen kann. Ich weiß nur, dass ich meines Lebens nicht mehr froh werde, wenn ihr etwas zustößt. Mir ist dieses kleine Mädchen zugelaufen. Ich kann sie nicht einfach wegschicken, wenn es mir zu viel wird. Ich seufze tief.

Ein letzter Versuch: »Marieee, komm doch mit«, sage ich in eindringlich bittendem Ton. Sie schüttelt entschieden den Kopf.

Okay, es reicht. Dann soll es so sein.

»Also gut, dann versprich mir, dass du hier auf mich wartest, dass du nicht rausgehst. Klar?«

Keine Reaktion.

»Marie, hast du gehört, was ich gesagt habe? Versprich mir, dass du hier wartest. Draußen ist es gefährlich. Ich gehe nur schnell zum Garten, hole die Zwiebeln und bin gleich wieder zurück.«

»Ja.«

»Was ja?«

»Ich verspreche es.« Sie nuschelt, ohne aufzublicken.

»Okay, dann ... dann verlass ich mich auf dich.«

Ich zögere. Meine innere Stimme sagt mir, dass ich nicht gehen darf. Andererseits, wenn nicht jetzt, wann dann? Bin ich in Zukunft bei allem, was ich tun will, auf ihre Zustimmung angewiesen, darauf, dass sie mich begleitet, weil ich es nicht schaffe, sie allein zu lassen? Das würde nicht lange gut gehen.

Ich greife nach meinem Knüppel, der neben dem Bett an der Wand lehnt, und öffne die Tür. Helles Sonnenlicht fällt in den Raum. »Ich beeile mich«, sage ich, gehe nach draußen, fülle in einem der Eimer eine Literflasche mit Wasser und hoffe dabei, dass Marie es sich doch anders überlegt. Aber sie sitzt in unveränderter Haltung auf dem Bett, ein bockiges kleines Mädchen. Widerstrebend laufe ich los. Eigentlich habe ich immer Kinder gewollt, aber vielleicht sollte ich mir das noch einmal überlegen.

Wenn man wiederholt durch das alles überwuchernde dichte, an vielen Stellen mannshohe Gras geht, hinterlässt man nach einer Weile unübersehbare Spuren. Um meine Anwesenheit nicht zu verraten und unliebsame Besucher von meinem Versteck fernzuhalten, habe ich deshalb nach und nach ein Wegenetz mit Schlaufen und etlichen Sackgassen angelegt, eine Art Irrgarten. Eine Machete besitze ich nicht, einer der ersten Einträge in meiner unendlichen Liste schmerzlich vermisster Gegenstände. Hätte ich so etwas überhaupt frei kaufen können? Ich habe nur ein großes Küchenmesser, das ich gewissenhaft schleife, trotzdem ist es unendlich mühsam, sich damit durch die zähen Halme voranzukämpfen. Also benutze ich lieber meine Füße. Bisher hat der Irrgarten seinen Zweck erfüllt, es kostet aber viel Zeit, ihn zu erhalten, denn dazu muss ich die Wege immer wieder ablaufen, sonst schließt sich der Grasteppich. Mit Marie habe ich aus der Not eine Tugend gemacht, indem wir dort Verstecken spielen. Mittlerweile ist die Orientierung so kompliziert geworden, dass ich mich manchmal, vor allem wenn ich aus der Gegenrichtung komme, selbst verlaufe und plötzlich am Ende einer Sackgasse vor einer undurchdringlich scheinenden Gräserwand stehe.

Trotz des Aufruhrs, der in meinem Inneren herrscht, weil ich Marie allein zurückgelassen habe, passiert mir das heute nicht. Ich laufe in Bögen und im Zickzack um...

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Autor

Bernhard Kegel, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin und wurde 1991 promoviert. Heute ist er begeisterter Jazzgitarrist und hauptberuflich Schriftsteller. Seit seinem 1993 erschienenen Debütroman Wenzels Pilz hat er eine Vielzahl von Romanen und Sachbüchern verfasst, in denen er seine fachliche Expertise literarisch verarbeitet und dabei sowohl Sachkennerinnen als auch Leserinnen ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund gleichermaßen begeistert. Er lebt mit seiner Familie in Brandenburg und Berlin.