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Zwischenschritte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
319 Seiten
Deutsch
treditionerschienen am24.02.2024
Der Roman 'Zwischenschritte' erzählt die Geschichte einer schicksalhaften Begegnung. Brigitte Weichmann ist auf der Suche. Seit ihr Sohn Michael ein Jahr zuvor bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, bereist sie Frankreich, sein Lieblingsland. Ihr Leben am Starnberger See und ihre Ehe hat sie hinter sich gelassen. In Dijon lernt sie den jungen, passionierten Buchhändler Christian kennen, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Es wird stürmisch. Finden sie dennoch zueinander? Kann man ein gemeinsames Leben aufbauen, wenn der Verlust das Einzige ist, das zusammenhält? Und was macht Christian, als seine geschiedene Frau plötzlich wieder auftaucht?

'Von meinem Kinderzimmerfenster aus konnte ich das Meer sehen. Die Bucht zwischen Split und sieben Ka?tela. Am Meer habe ich aus dem Lesen eine Leidenschaft fürs Leben geschaffen. Ich habe entdeckt, dass im Meer alles größer und leichter ist; dass Steine Klarheit verleihen; dass die Farbe nicht nur mit dem Licht wechselt; und dass das Meer immer das eine bleibt, auch wenn seine Wellen mal größer mal kleiner, mal höher mal niedriger, mal gefährlicher mal ruhiger sind...' Nata?a Dragni? wurde in Split, Kroatien, geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik in Zagreb schloss sie dort eine Ausbildung als Diplomatin ab. Seit 1994 lebt sie in Erlangen und ist als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin tätig. Für ihre Werke erhielt sie Preise und Stipendien im In- und Ausland. Ihr Debütroman Jeden Tag, jede Stunde (DVA, 2011) wurde in 28 Sprachen übersetzt. Nach Immer wieder das Meer (DVA, 2013) und Der Wind war es (ars vivendi, 2016) erschien im August 2017 ihr vierter Roman Einatmen, Ausatmen (ars vivendi). Mehrere ihrer Kurzgeschichten erschienen in der Sechs-Sterne-Reihe (ars vivendi), herausgegeben von Rafik Schami.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextDer Roman 'Zwischenschritte' erzählt die Geschichte einer schicksalhaften Begegnung. Brigitte Weichmann ist auf der Suche. Seit ihr Sohn Michael ein Jahr zuvor bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, bereist sie Frankreich, sein Lieblingsland. Ihr Leben am Starnberger See und ihre Ehe hat sie hinter sich gelassen. In Dijon lernt sie den jungen, passionierten Buchhändler Christian kennen, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Es wird stürmisch. Finden sie dennoch zueinander? Kann man ein gemeinsames Leben aufbauen, wenn der Verlust das Einzige ist, das zusammenhält? Und was macht Christian, als seine geschiedene Frau plötzlich wieder auftaucht?

'Von meinem Kinderzimmerfenster aus konnte ich das Meer sehen. Die Bucht zwischen Split und sieben Ka?tela. Am Meer habe ich aus dem Lesen eine Leidenschaft fürs Leben geschaffen. Ich habe entdeckt, dass im Meer alles größer und leichter ist; dass Steine Klarheit verleihen; dass die Farbe nicht nur mit dem Licht wechselt; und dass das Meer immer das eine bleibt, auch wenn seine Wellen mal größer mal kleiner, mal höher mal niedriger, mal gefährlicher mal ruhiger sind...' Nata?a Dragni? wurde in Split, Kroatien, geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik in Zagreb schloss sie dort eine Ausbildung als Diplomatin ab. Seit 1994 lebt sie in Erlangen und ist als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin tätig. Für ihre Werke erhielt sie Preise und Stipendien im In- und Ausland. Ihr Debütroman Jeden Tag, jede Stunde (DVA, 2011) wurde in 28 Sprachen übersetzt. Nach Immer wieder das Meer (DVA, 2013) und Der Wind war es (ars vivendi, 2016) erschien im August 2017 ihr vierter Roman Einatmen, Ausatmen (ars vivendi). Mehrere ihrer Kurzgeschichten erschienen in der Sechs-Sterne-Reihe (ars vivendi), herausgegeben von Rafik Schami.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783384106230
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum24.02.2024
Seiten319 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1843 Kbytes
Artikel-Nr.13991931
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1.

Mein Sohn ... tot.

Ja. Das könnte sie sagen.

Mon fils ... mort.

Das hat sie noch nie gesagt. Nicht dass ihr ausgerechnet heute danach wäre, nach so einem Satz. Schon der Gedanke daran sticht ihr in die Augen, sodass sie blinzeln muss, mehrmals, ganz schnell. Aber weinen - nein, sie weint nicht. Jeder weiß, dass Brigitte Weichmann nie weint. Nicht einmal bei Beerdigungen. Nicht einmal bei der Beerdigung des eigenen Sohnes. Hans wollte ihre Hand halten, sie umarmen. Dieser Narr! Als würde er sie nicht kennen. Als wären sie nicht achtundzwanzig Jahre verheiratet gewesen. Als würden Umarmungen in ihr Leben gehören. Als hätten sie das nötig, sie beide.

Brigitte wird unruhig, sie ist bald an der Reihe. Bald wird sie sagen müssen, wer sie ist und warum sie hier ist, wen oder was sie verloren hat. Auf Französisch. Sie glättet ihren Rock. Noch einmal und noch einmal. Diese Fremdsprache ist ihr schon seit Langem nicht mehr fremd, ganz im Gegenteil. Nach all den Jahren des Lernens ist sie jetzt zu Hause angekommen. So fühlt sie sich an, diese Sprache, die zuerst Michael gehört hatte. Und weil sie ihm gehörte und er sie so sehr liebte, wollte Brigitte sie auch: sie haben, sie leben, durch sie weitermachen, weitermachen können. Irgendeine Verbindung musste doch bestehen bleiben! Aber darüber muss sie nicht sprechen, das ist unwichtig, für diese unbekannten trauernden Menschen ist das unwichtig.

Auch für Michael.

Oder?

Vielleicht könnte sie einfach aufstehen und gehen. Und die Antiquitätenmesse besuchen. Einen Spiegel kaufen. In Clermont hatte eine Frau ihr Spiegelbild verloren, ihre Fähigkeit, sich selbst zu sehen. Sie nannte es ihre ganz persönliche Blindheit. Brigitte hat lange darüber nachgedacht. Und jetzt will sie, muss sie einen Spiegel haben. So tun, als wäre sie deswegen überhaupt hier.

Drei Leute haben sich bis jetzt vorgestellt. Einmal tote Mutter, achtzig Jahre, einmal Beinamputation, einmal Scheinschwangerschaft. Warte mal, bis du das Kind tatsächlich hast, will Brigitte der jungen Frau zurufen. Brigitte darf es nicht sagen, aber sie wollte nie Kinder, man bekommt sie dennoch, wenn man heiratet. Hans. Hans war ihr erster Mann, ihr erster Liebhaber. Wenn man verheiratet ist, muss man Kinder in die Welt setzen, vor allem auf dem Land, vor allem, wenn man so reich ist wie Hans. Das Geschäft braucht eine neue Generation. Also ist Michael gekommen. Der sich nie für Hans´ Möbelfabrik interessiert hat. Der einmal gesagt hat, er braucht Kunst in seinem Leben, keine Massenware.

Michael.

Hans hat es nicht verstanden, Hans liebte sein Geschäft, hat immer gedacht, seine Möbel wären etwas Besonderes.

Aber Michael, nein, er nicht.

Michael.

Sein Gesicht ist das Erste, was ich sehe, bevor ich morgens die Augen aufmache. Son visage est la première chose.

Das ginge auch. Das ist schön. Son visage. Das ist vielleicht zu schön. Wie kommt sie auf solche Sachen? Sie ist keine Dichterin. Das könnte sie womöglich aufschreiben, aber sagen - nein, besser nicht. Lächerlich. Es ist immer besser, bei den Tatsachen zu bleiben. Hans würde ihr zustimmen. Oder doch nicht?

Que je vois.

Hans hat keine Ahnung von dieser Sprache, hat sich über ihre teuren Französischstunden lustig gemacht. Aber Hans hat sich verändert. Er ist weicher geworden. Er hat sogar geweint. Gleich danach hat er ununterbrochen geweint. Ist in Michaels altes Zimmer gegangen, hat sich auf das Bett gelegt, in dem Michael seit Jahren nicht mehr schlief. Quand j´ouvre mes yeux. Lächerlich. Erbärmlich. Sie musste weg, das war ihr sofort klar. Als sie sich von ihm verabschiedet hat, hat er auch geweint. Hat in den wenigen Tagen so viel abgenommen, dass er kaum noch zu erkennen war. Hat sie angefleht, bei ihm zu bleiben. Er machte ihr Angst mit seinem Theater. »Michael hätte das Geschäft sowieso nicht übernommen, du findest schon jemanden«, sagte sie zu ihm und wunderte sich über seinen verständnislosen Blick. Sie zuckte nur mit den Achseln, und weg war sie. Frankreich hatte gerufen! Sie hat ihn nicht einmal umarmt. Diese Augen, sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Es ist ihr bis dahin nie aufgefallen, dass er Michaels Augen hatte. Ja, genau so. Nicht umgekehrt. Was er jetzt wohl macht? Ob er nach einem Jahr immer noch heult? Hans. Ihr Hans? Hat sie ihn je so genannt? So über ihn gedacht?

Oder ist es richtig: que je voie?

Diese Unsicherheit irritiert sie.

Und dieser Raum gefällt ihr nicht. Er ist so hässlich und kahl und unsentimental, dass er ihr eigentlich gefallen müsste. Tut er aber nicht, sie weiß nicht, warum. Eine Fensterwand zum Hinterhof. Zwölf Stühle im Kreis, weitere in einer Ecke gestapelt. Und ein Tisch neben der Tür, für die Erfrischungen. Zwei Bilder ohne Rahmen, die aussehen wie von Kindergartenkindern gemalt. Das war es schon.

Mein Sohn ist tot.

Das könnte es schon gewesen sein.

Mon fils est mort.

Ja, das ist klar und gefühllos und wahr. Das kann man sagen. Das kann sie sagen. Da sticht nichts mehr. Das Verb macht den Unterschied. Vergessen ist son visage und das grammatikalische Dilemma.

Son visage, wie könnte sie es vergessen.

Vielleicht sollte sie tatsächlich einfach aufstehen und gehen. Wie üblich. Und die Antiquitätenmesse besuchen. Ein wenig Schönheit um sich könnte sie jetzt gut gebrauchen, Schönheit und Vergangenheit.

Und nach dem Spiegelbild Ausschau halten.

Sie beobachtet ihre hektische Hand beinahe mit Verachtung. Wenn sie wenigstens einen Fleck auf dem Rock entdecken könnte, dann würde sie es verstehen, dieses Gefühl, diesen Drang. Diese unermüdlichen Bewegungen.

Brigitte hebt den Kopf, den Blick, genau in dem Moment, als die Tür aufgeht und ein Mann hereinkommt - verspätet oder verirrt, das weiß sie nicht, und das ist ihr auch egal.

Er bleibt an der Tür stehen. Etwas stimmt nicht mit ihm.

Er ist jung.

Er ist kein Michael.

Niemand ist Michael.

Man hätte denken können, nach einem Jahr auf der Suche hätte das selbstverständlich sein müssen.

Der junge Mann ist ihr egal.

Denn bei nächster Gelegenheit wird sie aufstehen und gehen. Und sich einen Spiegel aus dem achtzehnten Jahrhundert kaufen. Auf der Messe. Vielleicht. Etwas Goldenes, etwas Altes, etwas Unvergängliches.

Das hilft. Dieser Gedanke hilft ihr.

Etwas finden zu können, das verloren schien, das hilft.

Christian starrt die langen schwarzen Haare an, er ist so erschrocken, dass er mitten im Atemzug stehen bleibt. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er unter den langen schwarzen Haaren auch die breiten Schultern und massigen Oberarme wahrnimmt - und er wieder beruhigt atmen kann.

Ein Augenblick der Angst.

Ein Augenblick der Hoffnung.

Er schleicht sich an den Kreis in der Mitte des Raumes heran wie ein Kind, das denkt, nur weil es sich wünscht, nicht bemerkt zu werden, wird es auch unbemerkt bleiben. Schon von der Tür aus hat er drei freie Stühle wahrgenommen, hat mit der Wahl gekämpft, sich dann auf den gesetzt, leise, sanft, zu dem der Weg am kürzesten war. Dennoch sind jetzt alle Blicke auf ihn gerichtet. Er lächelt. Es fällt ihm ein, was jemand einmal über ihn gesagt hat, und er fragt sich, ob Schatten lächeln können.

Egal. Alles egal - vor allem das.

»Entschuldigung«, flüstert er.

»Wie bitte?«, schreit ein alter Mann ihm gegenüber. Die Frau nebenan neigt den Kopf zu dem des Mannes und schreit ihm ins Ohr. »Entschuldigung. Er hat Ent-schul-di-gung gesagt. Alles gut!« Sie lächelt in die Runde, entschuldigt sich ihrerseits. »Unser Kater hat uns verlassen.« Ihre Augen sind rot und feucht. Sie tätschelt die Hand des Mannes. »Aber zuerst flog uns der Papagei davon, weißt du noch?« »Nein, als Erstes verschwand der Goldfisch, so schön goldig war er ...« »Nein, der Papagei war der Erste, dann kam der Fisch, den mochte ich nicht, der hat mich nie angeschaut, nie.« Die Frau sieht den Mann an, als hätte er eine rote Pappnase aufgesetzt. »Unsinn, er hat dich geliebt, er hat dich vermisst, wenn du weg warst, wenn du verreist warst, hat er fast geweint.« Sie tätschelt weiter, immer schneller. Christian denkt, das muss wehtun. Die dünne Haut wird immer röter und hahnenkammähnlicher. Schließlich sieht der Mann sie auch an. »Er hat geweint? Wirklich? Das hast du nie gesagt, warum hast du mir das nicht gesagt? Dann hätte ich ihn auch beweinen können, als er uns davongeschwommen ist ...« Er fängt an zu weinen. Christian wünscht sich, unsichtbar zu sein. »Er wusste auch so, dass du ihn lieb hattest, er wusste das ...« »Und was war mit dem Hamster? Und mit der Tigerkatze? Haben die mich auch ...?« Die Frau lächelt verlegen, aber doch andeutungsweise...

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Autor

"Von meinem Kinderzimmerfenster aus konnte ich das Meer sehen. Die Bucht zwischen Split und sieben KaStela. Am Meer habe ich aus dem Lesen eine Leidenschaft fürs Leben geschaffen. Ich habe entdeckt, dass im Meer alles größer und leichter ist; dass Steine Klarheit verleihen; dass die Farbe nicht nur mit dem Licht wechselt; und dass das Meer immer das eine bleibt, auch wenn seine Wellen mal größer mal kleiner, mal höher mal niedriger, mal gefährlicher mal ruhiger sind..."NataSa Dragnic wurde in Split, Kroatien, geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik in Zagreb schloss sie dort eine Ausbildung als Diplomatin ab. Seit 1994 lebt sie in Erlangen und ist als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin tätig. Für ihre Werke erhielt sie Preise und Stipendien im In- und Ausland. Ihr Debütroman Jeden Tag, jede Stunde (DVA, 2011) wurde in 28 Sprachen übersetzt. Nach Immer wieder das Meer (DVA, 2013) und Der Wind war es (ars vivendi, 2016) erschien im August 2017 ihr vierter Roman Einatmen, Ausatmen (ars vivendi). Mehrere ihrer Kurzgeschichten erschienen in der Sechs-Sterne-Reihe (ars vivendi), herausgegeben von Rafik Schami.