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Wie ich zum Staatsfeind erklärt wurde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Promedia Verlagerschienen am01.03.2024
Mit der Kanzlerschaft des liberal-konservativen Sebastian Kurz (2017-2021) verschärfte sich in Österreich der Feldzug gegen den sogenannten politischen Islam, der in der Etablierung einer eigenen Dokumentationsstelle gipfelte. Moscheeschließungen und Kopftuchverbote bereiteten den Boden für eine der größten Polizeioperationen der Zweiten Republik, die 'Operation Luxor'. Unmittelbar nach den Anschlägen in Wien am 2. November 2020 rückten 930 Beamte aus, um gegen islamistische Terroristen vorzugehen. Die Aktion erfasste Dutzende Menschen und Institutionen, deren Leben auf den Kopf gestellt wurden. Farid Hafez war eine der prominentesten Personen, die als Beschuldigte in diesem Terrorverfahren geführt wurden. Letztlich ergab sich kein Zusammenhang mit den Terroranschlägen. Die Operation führte zu keiner einzigen Anklage, auch kam keiner der Verdächtigen in Untersuchungshaft. Allerdings wurde zahlreichen Menschen die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen und eine gesamte Religionsgruppe eingeschüchtert. Farid Hafez weiß aus eigenem Erleben und dem seiner Familie, wie zerstörerisch sich der Kampf gegen den politischen Islam auswirken kann. Der vorliegende Text erzählt die Geschichte, wie es dazu kam und warum kaum Widerstand gegen diese rassistische Politik in Österreich zu bemerken war. Als öffentlicher Kritiker der österreichischen Islampolitik gibt Farid Hafez seine Eindrücke in einer Mischung aus Analyse und Erfahrungsbericht wieder und wirft dabei grundsätzliche Fragen über die Auswirkungen der von rechten und liberal-konservativen Kräften betriebenen Islamfeindlichkeit auf.

Farid Hafez, geboren 1981 in Ried im Innkreis (Oberösterreich), Studium der Politikwissenschaft in Wien und Salzburg. Er beschäftigt sich mit antimuslimischem Rassismus, Rechtspopulismus und Entkolonialisierung. Nach der 'Operation Luxor' wanderte er in die USA aus, wo er seit 2021 eine Professur für Internationale Studien am Williams College in Massachusetts innehat.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextMit der Kanzlerschaft des liberal-konservativen Sebastian Kurz (2017-2021) verschärfte sich in Österreich der Feldzug gegen den sogenannten politischen Islam, der in der Etablierung einer eigenen Dokumentationsstelle gipfelte. Moscheeschließungen und Kopftuchverbote bereiteten den Boden für eine der größten Polizeioperationen der Zweiten Republik, die 'Operation Luxor'. Unmittelbar nach den Anschlägen in Wien am 2. November 2020 rückten 930 Beamte aus, um gegen islamistische Terroristen vorzugehen. Die Aktion erfasste Dutzende Menschen und Institutionen, deren Leben auf den Kopf gestellt wurden. Farid Hafez war eine der prominentesten Personen, die als Beschuldigte in diesem Terrorverfahren geführt wurden. Letztlich ergab sich kein Zusammenhang mit den Terroranschlägen. Die Operation führte zu keiner einzigen Anklage, auch kam keiner der Verdächtigen in Untersuchungshaft. Allerdings wurde zahlreichen Menschen die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen und eine gesamte Religionsgruppe eingeschüchtert. Farid Hafez weiß aus eigenem Erleben und dem seiner Familie, wie zerstörerisch sich der Kampf gegen den politischen Islam auswirken kann. Der vorliegende Text erzählt die Geschichte, wie es dazu kam und warum kaum Widerstand gegen diese rassistische Politik in Österreich zu bemerken war. Als öffentlicher Kritiker der österreichischen Islampolitik gibt Farid Hafez seine Eindrücke in einer Mischung aus Analyse und Erfahrungsbericht wieder und wirft dabei grundsätzliche Fragen über die Auswirkungen der von rechten und liberal-konservativen Kräften betriebenen Islamfeindlichkeit auf.

Farid Hafez, geboren 1981 in Ried im Innkreis (Oberösterreich), Studium der Politikwissenschaft in Wien und Salzburg. Er beschäftigt sich mit antimuslimischem Rassismus, Rechtspopulismus und Entkolonialisierung. Nach der 'Operation Luxor' wanderte er in die USA aus, wo er seit 2021 eine Professur für Internationale Studien am Williams College in Massachusetts innehat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783853719169
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum01.03.2024
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2351 Kbytes
Artikel-Nr.14006691
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Vorwort

Our freedom of speech is freedom or death/
We got to fight the powers that be.

Public Enemy, 1990,
Fear of a Black Planet

Der Vorwurf des Terrorismus ist mehr als nur eine strafrechtliche Unterstellung. Er kommt einer gesellschaftlichen Ächtung gleich. Wer will schon mit so einem Stigma behaftet sein? Insbesondere in einer Gesellschaft, die von Staatshörigkeit bis zur Unterwürfigkeit, vorauseilendem Gehorsam und einem starken Vertrauen in die staatlichen Institutionen geprägt ist? Oftmals sind nur die freien Geister, die sich gegen die herrschenden Strukturen stellen, imstande, den Terrorismusvorwurf auch als das zu benennen, was er ist. Nämlich »eine politische Waffe zum Schutz der Starken«,1 wie es Edward Said 1987 in einem ganz anderen Zusammenhang schrieb.

Demnach wird eine Unterscheidung in eine legitime Form von Gewalt und eine illegitime Form von Gewalt getroffen. Terrorismus, vor der französischen Revolution 1789 ein heroischer Begriff, wurde bald zu einem Wort, das die Schreckensgewalt von Staaten bezeichnete.2 Heute hingegen gilt Terrorismus weitgehend als emotional geächtete, illegitime Form der Gewalt, die in erster Linie von nicht-staatlichen AkteurInnen ausgeht.3 Im Falle der Operation Luxor wurde Terrorismus gar zu einem Begriff, der eine erfundene Gewalt benannte. Das Zitat von Edward Said trifft insofern sehr gut auf die Geschichte zu, die ich auf den folgenden Seiten ausbreiten werde. Die Operation Luxor war die größte Polizeirazzia seit der Operation Spring im Jahre 1999 gegen Schwarze in Österreich. Diesmal ging es gegen Muslime. Ich war also nicht alleine von ihr betroffen. Im Gegenteil war ich eine von beinahe 70 Personen und Institutionen, deren Leben am 9. November 2020 auf den Kopf gestellt wurde. Und ich war eine von 105 Personen und Institutionen, die als Beschuldigte in einem Terrorverfahren geführt und gegen die jahrelang ermittelt wurde und teilweise noch wird. In meinem Fall wurde das Terrorverfahren gegen mich im Jänner 2023 eingestellt. Im Oktober 2023 hieß es, dass das Verfahren nach wie vor gegen 27 Personen und elf Institutionen laufe.

So sehr ich auch Teil eines Kollektivs wurde, war ich doch von Anbeginn an einer von wenigen, die mit diesem Vorfall in die Öffentlichkeit gegangen sind. Das geschah nicht ganz freiwillig und hatte damit zu tun, dass ich medial dazu gedrängt wurde. Zurückblickend hatte diese öffentliche Positionierung abseits vieler negativer Aspekte aber eine positive Begleiterscheinung. Als Akademiker und Schriftsteller habe ich es als einen Akt der Befreiung empfunden, darüber zu sprechen und zu schreiben. Hätte ich mich der Argumentation des Staatsanwaltes hingegeben, der meinte, dass meine Rassismusforschung ein Mittel des Terrorismus sei, dann hätte ich meine bisherige Existenzgrundlage zunichte gemacht. Als antirassistischer Wissenschaftler habe ich es immer als notwendig empfunden, Widerstand zu leisten. Es war also ein relatives Privileg inmitten einer absolut prekären Situation. Ich ließ mir als Person meine Feder zum Widerstand gegen Ungerechtigkeit und damit meine Sprachfähigkeit nicht nehmen. Und ich fand Orte, die meinen Gedanken Raum gaben. Es lässt sich für mich nicht einmal erahnen, was es bedeutet, in der Stille die Gefühle über eine Ungerechtigkeit wie die Operation Luxor samt ihren mannigfaltigen Konsequenzen in sich hineinfressen zu müssen. Ohne Ventil. Angesichts des ausbleibenden gesellschaftlichen Aufschreis und des weitläufigen Schweigens über diese Ungerechtigkeit muss diese Stille noch viel erdrückender wirken. Die afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston hatte einmal gesagt: »Wenn du über deinen Schmerz schweigst, werden sie dich umbringen und sagen, du hättest es genossen.«4 Die Erhebung des eigenen Wortes ist damit ein Akt des Widerstandes, wenn nicht gar ein Akt der Selbstverteidigung im Kampf um das eigene Überleben.

Drei Jahre nach der Razzia vom 9. November 2020 scheint es mir an der Zeit zu sein, eine persönliche Geschichte zu erzählen. Ich habe am 12. September 2021 Österreich, wo ich geboren wurde, verlassen und bin in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert. Es war keine leichte Entscheidung. Ich habe mich aufgemacht nach einem neuen Leben. Samt meiner Familie, in deren Leben die Staatsgewalt ebenso eingedrungen war und deren Leben ebenso auf den Kopf gestellt wurde. Und hier habe ich mir die Zeit genommen, über die Operation Luxor, die sich gegen den sogenannten politischen Islam, dem sich die Neue Volkspartei unter der Führung von Sebastian Kurz entgegenstellte, zu reflektieren.

Diese Geschichte nimmt Jahre vor der Razzia ihren Anfang. Und sie hat noch kein Ende gefunden. Aber die Operation Luxor bietet einen Anlass der Reflexion. Sie in den Kontext einer längeren Geschichte zu stellen, ist Absicht dieses Buches. Dabei basieren die hier ausgebreiteten Gedanken einerseits auf einer langjährigen Forschung. Andererseits gründen sie auf meinen persönlichen Positionen, die ich im Zuge dieser Entwicklungen eingenommen, diskutiert, revidiert und weiterentwickelt hatte.

2019 habilitierte ich mich im Fach Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Meine Arbeit widmete ich der österreichischen Islampolitik von 1945 bis 2017.5 In den zehn Jahren vor der Operation Luxor hatte ich mich zudem immer wieder als Kritiker in die Öffentlichkeit eingebracht, insbesondere als Kritiker der Islampolitik des Sebastian Kurz. Und ich war als Freund und Mitstreiter mancher antirassistischer und muslimischer Vereinigungen in zahlreiche Anstrengungen auch persönlich eingebunden. All dies wie auch meine persönlichen Begegnungen mit unterschiedlichen AkteurInnen fließen in dieses Buch ein.

Zu guter Letzt möchte ich mich an dieser Stelle noch bei den vielen Menschen bedanken, die für das Werden dieser biographisch geprägten Arbeit ihren Beitrag geleistet haben. Allen voran all jenen, die es mir erlaubt haben, dass ich mich - vor allem rechtlich - zur Wehr setzen konnte. Hier gilt mein Dank insbesondere Raoul Kneucker und allen weiteren Mitgliedern des Unterstützungskomitees aus Österreich und Deutschland, die mir rechtlichen Beistand ermöglichten. Es handelt sich dabei um die KollegInnen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft: Anton Pelinka, Manfried Welan, Paul Zulehner, Rudolf Wimmer, Reinhard Heinisch, Wolfgang Palaver, Fritz Hausjell, Jochen Fried, Rijad Dautovic, Adis Serifovic (alle aus Österreich), Iman Attia, Schirin Amir-Moazami, Naika Foroutan, Werner Ruf, Wolfgang Benz, Hans Henning Hahn, Micha Brumlik, Werner Schiffauer, Aiman Mazyek (alle aus Deutschland), Jocelyne Cesari, Tamara Sonn, Sahar Aziz, John Esposito, Jørgen Nielsen und François Burgat (USA und Europa). Weiters bedanke ich mich auch bei allen Menschen, die ich nicht persönlich kenne und die trotz der schweren Vorwürfe den Mut und die Haltung zeigten, mit ihren kleinen und großen Spenden dazu beizutragen, dass ich mich rechtlich verteidigen konnte. Mein Dank gilt all jenen, die in den ersten Stunden und Tagen für meine Familie da waren, die meinen Kindern Trost geschenkt haben und uns selbstlos jede Unterstützung gegeben haben. Mein Dank gilt auch jenen, die sich Zeit zum Zuhören genommen haben. Ich bin ebenso den zahlreichen AkademikerInnen verpflichtet, die den internationalen offenen Brief verfasst haben, insbesondere John Esposito, François Burgat, dem mittlerweile verstorbenen und mir lange verbundenen John Bunzl, Asma Afsaruddin, Nader Hashemi, Sahar Aziz, Jørgen Nielsen und Azeezah Kanji. Den mehr als 350 UnterzeichnerInnen des Solidaritätsbriefes sei besonderer Dank für ihre sichtbare Haltung ausgesprochen.6 Sie alle haben den vielen Stimmlosen eine Stimme gegeben und besonders auch mir als Gesicht der Operation Luxor den Rücken gestärkt. Nicht zuletzt möchte ich vor allem dem Promedia Verlag meinen Dank aussprechen. Nicht nur, dass er sich in einer eingeschüchterten politischen Stimmungslage diesem Buch angenommen hat. Es war tatsächlich auch der Promedia Verlag, der mir als erstes eine Bühne für meine ersten, noch recht frischen, Notizen ein Monat nach der Razzia angeboten hatte. Hier sei insbesondere Stefan Kraft und Hannes Hofbauer gedankt, auch für das sorgfältige Lesen und Lektorat des Manuskripts.

Farid Hafez,
Territorium der Mohikaner - Williamstown, Massachusetts,
Radschab 1445 - Januar 2024



1 Edward Said in der Einleitung zu dem von ihm mit Christopher Hitchens herausgegebenen Buch Blaming The Victims, 1987



2 Ronald Schechter, A genealogy of terror in eighteenth-century France (London and Chicago: University of Chicago Press, 2018).



3 Lisa Stampnitzky, Disciplining terror: How experts invented »terrorism« (New Haven: Cambridge University Press, 2013).



4 Tracy Morison, Review of Trans: Transgender Life Stories from South Africa, Culture, Health & Sexuality 15, Supplement 1 (2013): 111â13.



5 Ein Teil davon ist hier erschienen: Farid Hafez und Reinhard Heinisch, Politicizing Islam in Austria. The Far-Right Impact in the Twenty-First Century (New Brunswick/New Jersey: Rutgers University Press, 2024).



6 John Esposito, Francois Burgat, John Bunzl, Asma Afsaruddin, Nader Hashemi, Sahar Aziz,...



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Autor

Farid Hafez, geboren 1981 in Ried im Innkreis (Oberösterreich), Studium der Politikwissenschaft in Wien und Salzburg. Er beschäftigt sich mit antimuslimischem Rassismus, Rechtspopulismus und Entkolonialisierung. Nach der "Operation Luxor" wanderte er in die USA aus, wo er seit 2021 eine Professur für Internationale Studien am Williams College in Massachusetts innehat.