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Dantes Theologie: Beatrice

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
358 Seiten
Deutsch
Echter Verlagerschienen am01.03.20151. Auflage
Dantes Divina Commedia stellt den Weg des Menschen zu Gott in dichterischer Form dar. Die vorliegende Untersuchung sieht die Divina Commedia vornehmlich mit den Augen der Theologie, nicht mit denen der Philologie. Im Werk selbst sind die Augen Beatricens für Dantes Läuterungsweg maßgebend. Seine konkret-zwischenmenschliche Liebeserfahrung ist Ausgangs- und Zielpunkt seines läuternden Weges zu Gott. Seine Jugendliebe Beatrice wird ihm zur theologischen Führerin und himmlischen Fürsprecherin. Beatrice steht in dieser Perspektive für eine Theologie, die ihren Ausgangspunkt in zwischenmenschlichen Begegnungen sucht, in denen Gott selbst als Zielgrund allen Liebens und Erkennens aufleuchtet. Eine derartige Theologie der Begegnung versteht sich als prinzipiell unabgeschlossen und verdeutlicht so ihren eignen eschatologischen Vorbehalt.

Stefan Seckinger, geboren 1976, ist seit 2007 Religionslehrer und Schulseelsorger am Gymnasium Johanneum in Homburg (Saarland).
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Produkt

KlappentextDantes Divina Commedia stellt den Weg des Menschen zu Gott in dichterischer Form dar. Die vorliegende Untersuchung sieht die Divina Commedia vornehmlich mit den Augen der Theologie, nicht mit denen der Philologie. Im Werk selbst sind die Augen Beatricens für Dantes Läuterungsweg maßgebend. Seine konkret-zwischenmenschliche Liebeserfahrung ist Ausgangs- und Zielpunkt seines läuternden Weges zu Gott. Seine Jugendliebe Beatrice wird ihm zur theologischen Führerin und himmlischen Fürsprecherin. Beatrice steht in dieser Perspektive für eine Theologie, die ihren Ausgangspunkt in zwischenmenschlichen Begegnungen sucht, in denen Gott selbst als Zielgrund allen Liebens und Erkennens aufleuchtet. Eine derartige Theologie der Begegnung versteht sich als prinzipiell unabgeschlossen und verdeutlicht so ihren eignen eschatologischen Vorbehalt.

Stefan Seckinger, geboren 1976, ist seit 2007 Religionslehrer und Schulseelsorger am Gymnasium Johanneum in Homburg (Saarland).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783429062156
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum01.03.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.57
Seiten358 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2445 Kbytes
Artikel-Nr.14065443
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1.9.4 Eine Eschatologie des Als Ob ?
Im Grunde genommen hat bereits Hans Vaihinger in seinem Werk Die Philosophie des Als Ob 121 das Wesen des wissenschaftlichen Konstruktivismus herausgearbeitet. In seinem Vorwort zur 9. und 10. Auflage schreibt er : »Eine besonders wertvolle Befreiung scheint die Philosophie des Als Ob denen gebracht zu haben, welche die in der Religion liegenden ewigen Werte für die Menschheit erhalten wollen, trotz dem Anstoß, den sie an den Fesseln der Formen und Formeln, an dem Buchstaben und an den Buchstaben-Gläubigen nehmen. Jene freieren Geister, jene offeneren Seelen können jetzt ruhig und anstandslos diese Formen und Formeln verwenden, weil sie wissen, dass alles menschliche Denken an solche Formen gebunden ist«122. Vaihinger sieht das Als Ob als eigentliches Apriori des menschlichen Geistes, welches ihn konstitutiv auszeichnet. Vorstellungen, die unbewiesen bleiben, im Grunde genommen sich als falsch erweisen müssen, verlieren deshalb noch lange nicht ihre Bedeutung, bleiben nützlich und unentbehrlich. Auch in der Religion kommen die Menschen »zum Richtigen auf Grundlage und mit Hilfe des Falschen.«123 Vaihinger nimmt das menschliche Denken und Verstehen als solches in den Blick, um zu zeigen, dass im Grunde keine Wissenschaft ohne Als Ob -Annahmen auskommt. Er nennt seine Position einen idealistischen Positivismus, der einerseits auf I. Kant aufbaut124, andererseits den Wert religiöser Fiktion anerkennt, zunächst jedoch nur in ästhetischer und ethischer Hinsicht.125

Die wissenschaftliche Fiktion unterscheidet sich nach Vaihinger von der religiösen dadurch, dass in Letzterer die Imaginationen am Werk sind, »denen kein Wirkliches entspricht.«126 Für jede Art von Fiktion gilt jedoch, dass sie durch ihre pragmatische Zweckmäßigkeit legitimiert wird. Im Gegensatz zur Hypothese fällt die Fiktion als provisorisches Hilfskonstrukt weg, sobald sie entbehrlich wird.127 Das Erfundene dient dem Verstehen, welches ansonsten nicht möglich ist (jegliche Art der Kategoriebildung ist nach Vaihinger bereits Fiktion). Fiktionen128 versteht er daher als Kunstgriffe des Denkens, die als solche psychischer Natur sind. Er führt die Fiktion als dritte Möglichkeit der logischen Erkenntnissuche neben Deduktion und Induktion an. Sie bedient sich dabei notwendiger Denkumwege und gleicht einer Brücke, die man nach ihrer Überquerung nicht mehr benötigt. Fiktionen sind also Umwege bzw. »Durchgangspunkte«129 des Denkens. Die fiktive Theorie ist dabei Mittel und muss sich in ihrer praktischen Zweckmäßigkeit bewähren.

Durch die Fiktion wird es nun auch möglich, Realität und Ideal zusammenzuschauen, wobei Vaihinger sich auf die Empfindungen des Menschen stützt, auf denen das Denken aufbaut (und zu denen es wieder zurückführen muss, soll es in Kontakt mit der Praxis des Lebens verbleiben). Wege und Umwege des Denkens dürfen hierbei nicht mit dem Empfindungsleben selbst verwechselt werden, denn »wirklich ist nur das Empfundene, das in der Wahrnehmung uns Entgegentretende, sei es innerer oder äußerer Natur.«130 In der Empfindung lassen sich allerdings Wahrheit und Irrtum nicht mehr adäquat voneinander trennen, beides vermischt sich ; Wahrheit kann in Gestalt des zweckmäßigen Irrtums erscheinen. Denken und Sein fallen dementsprechend auseinander, aber obgleich das Denken die Wirklichkeit verfälscht, erweist es sich in der Praxis doch als brauchbar.

Von dieser Philosophie des Als Ob zu einer Religion bzw. Theologie des Als Ob kann es nur ein kleiner Schritt sein, wie Vaihinger selbst in Bezug auf den Aufklärer Friedrich Karl Forberg aufzeigt, dem er attestiert, Kants sogenannten ethikotheologischen Gottesbeweis - mit seiner Voraussetzung eines Jenseits - in seiner wahren Bedeutung erkannt zu haben. Die Annahme Gottes hätte dabei nur praktische Bedeutung für das moralische Handeln des Menschen. Es wird der gesellschaftliche Nutzen von Religion betont, ihre theoretischen Voraussetzungen (die Existenz Gottes, ein Jenseits etc.) aber geleugnet. Religion als Appendix moralischer Pflicht müsste in diesem Zusammenhang darauf verzichten, von der Realität eines erhofften Gottesreiches im Jenseits auszugehen. Das Streben nach moralischer Vervollkommnung wäre als Selbstzweck legitim und notwendig, der Weg also das Ziel, da es ein solches nicht gibt/geben wird.131 So zu leben und zu glauben, als ob ein Reich Gottes im Jenseits den Menschen erwarte, auch wenn zugleich die Überzeugung vorherrscht, dass es gar nicht existiert, wäre letztlich der von der Moral geforderte Weg des pflichtbewussten Christen.132

Während Vaihingers Philosophie des Als Ob die Möglichkeit einer jenseitigen Welt verleugnet (obgleich er deren praktischen Nutzen betont), ist der gegenwärtige Konstruktivismus hinsichtlich der Frage nach der Religion und der Existenz Gottes zurückhaltender. Das Als Ob verweist auf die Widersprüchlichkeit, etwas im Glauben anzunehmen bei gleichzeitiger innerer Überzeugung, dass es als solches gar nicht existiert. Dem Konstruktivismus hingegen geht es v. a. darum, die Konstruktivität von Wirklichkeit in allen Bereichen hervorzuheben und ein vermeintliches Wissen über die Wirklichkeit als solches zu entlarven. Die theologische Vorstellungswelt, wie sie dem Leser in Dantes Göttlicher Komödie begegnet, ist im Rahmen des Konstruktivismus durchaus interpretierbar. Auch wenn dieser sich einem transzendentalen oder metaphysischen Verständnis der Weltwirklichkeit verschließt, so erkennt er doch die Notwendigkeit der Sinnfrage und ihrer Beantwortung an - eine für den Konstruktivismus selbst innerhalb seines Selbstverständnisses von ihm her nicht einzuholende Herausforderung.133

Auf der anderen Seite wird deutlich, dass mit Dante auch die christliche Eschatologie nicht von einem Als Ob -Verständnis ausgeht. Auch wenn man die DC so lesen kann, dass damit im Diesseits für Dante unerreichbare Ideale aufrechterhalten werden, so lebt sein Werk gerade dadurch, dass ihr Autor von der Existenz und schließlichen Einholung dieser Ideale (im Jenseits) überzeugt ist. Für Dante ist niemals der Weg das Ziel ; vielmehr bestimmt umgekehrt das Ziel den Weg : Die Anschauung Gottes in der Ewigkeit wird ihm zum Kriterium für alles davor und danach in Diesseits und Jenseits Erfahrene. Zugleich gilt aber auch, dass Dantes Gedankenwelt nicht als objektiv wirkliches Geschehen verstanden werden kann. Es steht in Analogie zu irdischer Welterfahrung und stets unter dem eschatologischen Vorbehalt, der ja gerade auch für eschatologische Aussagen selbst gilt. Seine Dichtung ist auch er-dichtet. Erdichtete Vorstellungen sind aber immer mit Phantasie und Realitätsübersteigerung vermischt. Wenn man Dante und die ihm als Korrektiv mitgegebene Eschatologie der Theologie als begründete Hoffnung auf eine Wirklichkeit hinter bzw. über der diesseitigen ansieht, so kann man die folgende Aussage Vaihingers auch als Reverenz für Dantes Divina Commedia lesen : »Die Religion der Zukunft kann nur als Dichtung stehen bleiben.«134 Dem Leser bleibt es zu entscheiden, ob in der Dichtung mehr Wahrheit seiner existentiellen Hoffnung steckt als in der sogenannten Wirklichkeit dieser Welt.135
1.10 Hermeneutik in konstruktivistischer Perspektive als Bezugsrahmen der theologischen Interpretation der Divina Commedia

Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die Göttliche Komödie als (auch) theologisches Werk herauszustellen. Damit wird implizit ihrem Verfasser Dante theologische Kompetenz zugestanden, er selbst als Theologe ausgezeichnet. Die folgenden Ausführungen, die sich an einen Gang durch das gesamte Werk anlehnen - allerdings beginnend mit den Gesängen des Irdischen Paradieses aufgrund der eschatologisch-bedeutsamen Perspektive des Paradieses als Ziel und somit Maßstab aller Jenseitsvorstellung - setzen jedoch keine spezifische Theologie voraus, die sich ja nach zeitlichem Kontext und kultureller Einbettung sowie individueller Präferenz des jeweils Theologisierenden auch divergierend und damit für den binnentheologischen Diskurs gewinnbringend und innovativ präsentiert.

So bietet auch die Divina Commedia keine umgrenzte, systematische Theologie ; als Dichtkunst leben alle theologischen Aussagen geradezu von ihrer bleibenden Symbolkraft, Fiktionalität und Interpretationsbedürftigkeit. Dante bietet auch unabhängig von der lyrischen Form keine typisch mittelalterlich-scholastische Theologie. Er denkt selbstständig und zuweilen auch mutig, wenn er etwa Heiden ins Paradies und Päpste in die Hölle versetzt. Der theologische Beitrag und Akzent der Göttlichen Komödie liegt daher weniger auf ihrer inhaltlichen Ebene als vielmehr in der Art und Weise ihrer Vermittlung, die stets personal in Begegnungen geschieht.

Der Anspruch dieser Arbeit, die Liebe als Zielgrund menschlichen Strebens in der Divina Commedia...
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