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Zirkus? Nein danke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
140 Seiten
Deutsch
Alibri Verlagerschienen am11.03.20241. Auflage
Colin Goldner zeichnet die Geschichte des Zirkuswesens nach, von dessen Anfängen im alten Rom bis hin zu den heutigen Angeboten, die in ihrer 'klassischen' Form wesentlich auf der Gefangenhaltung und Zurschaustellung dressierter Tiere beruhen. Die Wildtierhaltung in Zirkussen umgehend zu beenden ist ein zentrales Anliegen des Buches. Besondere Aufmerksamkeit erfährt der Kampf um die Freiheit des letzten Zirkusschimpansen ROBBY, der bis zu seinem Tod 2022 mehr als vierzig Jahre seines Lebens in einem norddeutschen Zirkus den Manegenclown geben musste. Ein umfassendes Plädoyer gegen die Ausbeutung von Tieren in der Unterhaltungsindustrie.

Colin Goldner, Sozialpädagoge, Psychologe, Wissenschaftsjournalist, Tierrechtler und Leiter des Forums kritische Psychologie, einer Beratungseinrichtung für Therapie-Geschädigte. Er ist Leiter des Great Ape Project. Zahlreiche kritische Veröffentlichungen zur Psycho- und Esoterikszene sowie zu tierrechtlichen Fragestellungen.
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Produkt

KlappentextColin Goldner zeichnet die Geschichte des Zirkuswesens nach, von dessen Anfängen im alten Rom bis hin zu den heutigen Angeboten, die in ihrer 'klassischen' Form wesentlich auf der Gefangenhaltung und Zurschaustellung dressierter Tiere beruhen. Die Wildtierhaltung in Zirkussen umgehend zu beenden ist ein zentrales Anliegen des Buches. Besondere Aufmerksamkeit erfährt der Kampf um die Freiheit des letzten Zirkusschimpansen ROBBY, der bis zu seinem Tod 2022 mehr als vierzig Jahre seines Lebens in einem norddeutschen Zirkus den Manegenclown geben musste. Ein umfassendes Plädoyer gegen die Ausbeutung von Tieren in der Unterhaltungsindustrie.

Colin Goldner, Sozialpädagoge, Psychologe, Wissenschaftsjournalist, Tierrechtler und Leiter des Forums kritische Psychologie, einer Beratungseinrichtung für Therapie-Geschädigte. Er ist Leiter des Great Ape Project. Zahlreiche kritische Veröffentlichungen zur Psycho- und Esoterikszene sowie zu tierrechtlichen Fragestellungen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783865697257
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten140 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2337 Kbytes
Artikel-Nr.14126789
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



 

2. Rechtsgrundlagen

Die Haltung von Wildtieren ist in Deutschland nicht spezifisch rechtsgeregelt. Als abstrakt-rechtliche Grundlage gelten Bestimmungen aus dem Tierschutzgesetz (TierSchG, 1972) sowie dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, 1977) in ihren jeweils aktuellen Fassungen (und hinsichtlich des Naturschutzgesetzes in ihrer je länderspezifischen Umsetzung), die den Haltern von Wildtieren - bzw. den staatlichen Kontrollorganen - weitläufigen Ermessensspielraum eröffnen.

§ 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) sieht grundlegend vor, es dürfe niemand (...) einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen . Weiterführend heißt es in § 2 TierSchG, dass derjenige, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, 1. das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen muss, 2. die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken darf, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, und 3. über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen muss. § 11 TierSchG stellt das gewerbsmäßige Zurschaustellen von Tieren (in Zoos, Zirkussen etc.) unter Erlaubnisvorbehalt. Eine entsprechende Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn 1. die für die Tätigkeit verantwortliche Person aufgrund ihrer Ausbildung oder ihres bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgangs mit Tieren die für diese Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat, 2. die erforderliche Zuverlässigkeit dafür hat und 3. die der Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen aus § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen.89

Spezifische Vorgaben für die Haltung von Säugetieren - sowohl in Zoos als auch anderweitig - existieren bis heute nur in Form eines rechtsunverbindlichen (!) Gutachtens über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren, das das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Konkretisierung von § 2 TierSchG im Jahre 1996 herausgegeben (und 2014 in überarbeiteter Form vorgestellt) hat.90 Vorläufer war ein ebenso rechtsunverbindliches Richtlinienpapier aus dem Jahr 1977 gewesen, das sich Zoofunktionäre quasi selbst erstellt hatten. Seiner Rechtsunverbindlichkeit wegen gilt das Gutachten sowohl den Vollzugsbehörden und Justizorganen als letztlich auch den Tierhaltern selbst bis heute allenfalls als Orientierungshilfe.

Die zusätzlich zu besagtem Säugetiergutachten im Jahre 2005 in novellierter Form vorgestellten (und bis heute geltenden) Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen fallen, wie schon vorhergehende Fassungen von 1990, 2000 und 2003, an mehreren Stellen hinter die (in sich völlig unzulänglichen) Minimalanforderungen des Richtlinienpapiers von 1977 zurück.91 So dürfen in Zirkussen die im Säugetiergutachten festgelegten Gehegegrößen erheblich unterschritten werden, wenn das gehaltene Tier täglich verhaltensgerecht beschäftigt , das heißt: regelmäßig zu Dressur oder Manegenvorführung herangezogen wird.92 Während etwa einem Elefanten im Zoo 500 Quadratmeter Außengehege zugestanden werden, dürfen im Zirkus auf der Hälfte der Fläche drei Elefanten (etwas mehr als 80 Quadratmeter pro Tier) gehalten werden.

Wie bereits in der ursprünglichen Version der Zirkusleitlinie von 1990 gefordert, sollten Zirkusse oder sonstig mobile Tierhaltungen keine Menschenaffen, Tümmler, Delfine, Greifvögel, Flamingos oder Pinguine mehr halten oder mitführen (seit 2005 auch keine Nashörner und Wölfe mehr). Ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit wegen hielt sich indes kaum ein Zirkusbetrieb an diese Vorgaben. Gleichwohl werden in den wildtierhaltenden deutschen Zirkussen Tiere der besagten Arten mittlerweile nicht mehr (bzw. nur noch ausnahmshalber) mitgeführt. Der Grund dafür liegt freilich nicht in gewachsener Einsicht der Zirkusbetreiber - der Verband deutscher Circusunternehmen e.V. tritt bis heute für die Erhaltung des traditionellen Circus bestehend aus Artistik, Clownerie und Tierdarbietungen aller Art, insbesondere auch mit exotischen Tieren ein93 -, vielmehr darin, dass viele Städte und Gemeinden Zirkussen, die exotische Wildtiere (gleich welcher Art) im Programm führen, keine Möglichkeiten des Gastierens mehr gewähren.94

Während sich insofern auf Kommunal- wie auch auf Länderebene der gesellschaftliche Bewusstseinswandel zunehmend abbildet - schon 2003 suchte der Bundesrat in einer Entschließung auf ein vollständiges Haltungsverbot für Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde in Zirkussen hinzuwirken -, hinkten und hinken die Verantwortlichen auf gesetzgeberischer Ebene der Entwicklung heillos hinterher: Die Bundesratsinitiative von 2003 wurde von der seinerzeitigen rot-grünen Bundesregierung ebenso abgebügelt wie eine Folgeinitiative 2011 von der schwarz-gelben.

Während es fast allen Ländern der EU längst ein vollständiges Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus oder wenigstens starke Einschränkungen solcher Haltung gibt, erachtet der Gesetzgeber in Deutschland eine rechtsunverbindliche Leitlinie , an die sich insofern niemand halten muss, nach wie vor für hinreichend (und das, obgleich Tierschutz als Staatsziel seit 2002 Verfassungsrang einnimmt [Art.20a GG]95).

Angesichts immer neuer und zunehmend auch in den Medien aufgegriffener Berichte über tierschutzrelevante Missstände in Zirkusbetrieben - und wohl nicht zuletzt auch des anhaltenden Protestes von Tierschutz- und Tierrechtsverbänden wegen - , sah sich das Bundeslandwirtschaftsminiserum im Jahr 2007 schließlich genötigt, auf den Bundesratsbeschluss von 2003 zu reagieren. Während das in dem Beschluss geforderte Verbot der Haltung bestimmter Tierarten völlig unberücksichtigt blieb, wurde eine Verordnung über die Registrierung von Erlaubnissen zur Zurschaustellung von Tieren an wechselnden Orten (Zirkusregisterverordnung - ZirkRegV) erlassen. Die Einrichtung dieses Zirkuszentralregisters blieb in der Verwaltungshoheit der Bundesländer, so dass es weitere fast zwei Jahre dauerte, bis es tatsächlich genutzt werden konnte. Entgegen jedem Sachverstand unterließ es die Bundesregierung freilich, die Veterinärämter zur Eintragung all ihrer Informationen über einzelne Zirkusbetriebe zu verpflichten. Erwartungsgemäß brachte die Einführung des Registers daher keinerlei nennenswerte Verbesserung für die in Zirkussen gehaltenen Tiere.96

Im Jahr 2011 forderte der Bundesrat die Bundesregierung erneut auf, sich für ein Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus einzusetzen. Bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2012 wurde dann tatsächlich der §11 um eine Ermächtigungsgrundlage ergänzt. Diese ermöglicht es dem zuständigen Bundesministerium durch Rechtsverordnung das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten; allerdings nur, soweit die Tiere nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten befördert werden können 97 (was nach §17 TierSchG ohnehin strafbar gewesen war98). Ein vertretbares Maß an Beeinträchtigung sollte und soll den Tieren nach dem novellierten Tierschutzgesetz ausdrücklich zugemutet werden können.

In Beantwortung einer Kleinen Anfrage von B90/Die Grünen vom 29.9.2014 erklärte die Bundesregierung immerhin: Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass für einige der genannten Tierarten ein Verbot oder eine Beschränkung des Zurschaustellens an wechselnden Orten aus Gründen des Tierschutzes erforderlich sein könnte. Fortgesetzte Verstöße gegen die Haltungsvorschriften für manche Tierarten sowie die Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betreffenden Tiere in vielen Zirkusbetrieben weisen darauf hin, dass die Bestimmungen für deren tierschutzgerechte Haltung unter den Bedingungen des Zurschaustellens an wechselnden Orten nicht realisierbar sind. 99 Geschehen ist allerdings seither nichts, auch nicht, nachdem der Bundesrat 2016 in seiner bereits dritten Entschließung die Bundesregierung aufgefordert hatte, Wildtiere im Zirkus zu verbieten; und auch nicht, nachdem im April 2019 sich die Agrarminister der Länder in einer gemeinsamen Erklärung der Forderung des Bundesrats anschlossen und ein Verbot, für die Haltung von Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden forderten.100 Zuletzt befasste sich der Bundestag im Oktober 2019 mit einem Antrag der Fraktion B90/Die Grünen, Wildtiere im Zirkus zu verbieten. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt.101

Wie bereits erwähnt, stellte das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 18.11.2020 überraschend den Referentenentwurf einer neuen Tierschutz-Zirkusverordnung (TierSchZirkV) vor, die unter dem Leitgedanken Mehr Tierschutz im Zirkus die Zurschaustellung bestimmter Wildtierarten in reisenden Unternehmen unter Verbot zu stellen beabsichtigte. Wie die (seinerzeit) zuständige Bundesministerin Julia Klöckner (die und deren Partei [CDU] sich bislang nicht eben als Befürworter eines wildtierfreien Zirkus hervorgetan hatten) dazu sagte: Wildtiere gehören nicht in die Manege....

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