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Stauffenberg

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
380 Seiten
Deutsch
Langen - Mueller Verlagerschienen am18.03.2024
20. Juli 1944 mittags - in Hitlers Hauptquartier 'Wolfsschanze' explodiert die von Stauffenberg abgestellte Zeitzünderbombe. Fünf Menschen verlieren ihr Leben, Hitler, das Ziel des Attentats, kommt leicht verletzt davon. Stauffenberg fliegt in der Annahme, Hitler getötet zu haben, nach Berlin, um dort den Umsturz zu leiten ... Was war Stauffenberg für ein Mensch? Welche Motive leiteten ihn? Nach jahrzehntelangem Studium von Quellen und Zeitzeugenberichten zeichnet Venohr in einer außergewöhnlichen Charakterstudie ein neues, von allen Legenden und vielen Entstellungen gereinigtes Bild des Aristokraten, Offiziers und vor allem des Patrioten Stauffenberg, der noch am Abend des Attentats hingerichtet wurde.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

Klappentext20. Juli 1944 mittags - in Hitlers Hauptquartier 'Wolfsschanze' explodiert die von Stauffenberg abgestellte Zeitzünderbombe. Fünf Menschen verlieren ihr Leben, Hitler, das Ziel des Attentats, kommt leicht verletzt davon. Stauffenberg fliegt in der Annahme, Hitler getötet zu haben, nach Berlin, um dort den Umsturz zu leiten ... Was war Stauffenberg für ein Mensch? Welche Motive leiteten ihn? Nach jahrzehntelangem Studium von Quellen und Zeitzeugenberichten zeichnet Venohr in einer außergewöhnlichen Charakterstudie ein neues, von allen Legenden und vielen Entstellungen gereinigtes Bild des Aristokraten, Offiziers und vor allem des Patrioten Stauffenberg, der noch am Abend des Attentats hingerichtet wurde.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783784484907
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum18.03.2024
Seiten380 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.14171605
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Die Reichswehr 1926-1933

Am 5. März 1926 verließ der achtzehnjährige Claus v. Stauffenberg tiefaufatmend das Gymnasium. Er hatte das Abitur geschafft, was gar nicht so sicher gewesen war. Denn in den letzten zwölf Monaten vor der Abschlussprüfung hatte er sich nur mit Krankheiten herumgeschlagen, die Schule nicht besuchen können und dafür in Lautlingen Privatunterricht genommen, in der frischen, erholsamen Luft der Schwäbischen Alb. So war er auch nur als Externer, als »außerordentlicher Teilnehmer« zu den Prüfungen zugelassen worden, und sein Abschlusszeugnis sah dementsprechend wenig glänzend aus. In den meisten Fächern hatte er dünnes »befriedigend«, in Latein nur »ausreichend«, lediglich in Geschichte, Französisch und Mathematik erhielt er die Note »gut«.

Das Erstaunlichste aber an Stauffenbergs Abiturzeugnis war etwas anderes, nämlich die Angabe seines Berufsziels: Offizier.

Niemals hatte der junge Mann seinen Freunden und Verwandten gegenüber den Wunsch erkennen lassen, Soldat zu werden. Wie sollte er auch? Seine labile Gesundheit prädestinierte ihn mitnichten für den militärischen Beruf. Seine musischen Neigungen und poetischen Veranlagungen wiesen in andere Richtungen. Bis wenige Tage vor dem Abitur hatte er davon gesprochen, Architekt zu werden; manchmal, wenn auch selten, den Beruf des Cellisten genannt. Und nun auf einmal, ohne Rücksprache mit den Eltern, ohne Diskussion mit den Brüdern, plötzlich und überraschend, knapp und endgültig: Offizier.

Was war seine innere Motivation? Was hatte diesen bemerkenswerten, diesen »sensationellen« Entschluss bewirkt? Stauffenberg selbst hat sich darüber nicht geäußert. Aber aus der Rückschau darf man wohl vier erhellende Stichworte nennen: Stefan George - den I. Weltkrieg - das Versailler Diktat - Goethe und Gneisenau.

George hatte ja seine Anhänger dazu aufgerufen, dem Ganzen zu dienen, freiwillig für die Allgemeinheit Verantwortung zu übernehmen. Stauffenberg kannte auch das »einem jungen Führer im ersten Weltkrieg« gewidmete Gedicht Stefan Georges. Nirgends anders als im Heer schien sich das Ethos der Tat zu manifestieren, dem sich der junge Stauffenberg verpflichtet fühlte und dem er sich mit ganzer Hingabe verschreiben wollte.

Er hatte natürlich - wie alle seine Altersgenossen - auch Ernst Jüngers Weltkriegsbestseller »In Stahlgewittern« gelesen. Der hochdekorierte Leutnant Jünger hatte darin geschrieben, dass ihm aus Feuer und Blut, aus dem Dreck und Elend der Materialschlachten die Idee des Vaterlandes umso reiner hervorgeschmolzen sei. Das Bild des deutschen Grabenkämpfers, der vier Jahre lang einer Welt von Feinden standhielt, musste auch Stauffenbergs leidenschaftliche Sinne gefangen nehmen. Es galt, einem heroischen Beispiel nachzueifern, sich der Gefallenen würdig zu erweisen. Als er bereits Soldat und Fahnenjunker war, 1928/29, las er Ludwig Renns »Krieg« und Karl Federns »Hauptmann Latour«, und beide Bücher - glänzend geschrieben - befestigten das von Jünger geprägte Frontsoldatenbild. Stauffenberg diskutierte darüber mehrmals mit dem vierzehn Jahre älteren Rittmeister Hermann Balck vom Reiterregiment 18, der als junger Kompanieführer selber am I. Weltkrieg teilgenommen hatte. Im feldgrauen Rock des deutschen Soldaten erblickte der junge Stauffenberg wahrhaft ein »Ehrenkleid«.

Stolz und Gerechtigkeitssinn - das sollten sehr bald die Zeugnisse von Freunden, Vorgesetzten und Kameraden belegen - waren zwei hervorstechende Triebfedern in der Charakterstruktur Claus Stauffenbergs. Solche Eigenschaften machten es ihm unmöglich, dem diskriminierenden Diktat von Versailles mit Gleichmut zu begegnen. Die Reichswehr der Weimarer Republik durfte nur 100 000 Mann umfassen; so hatten es die Sieger von Versailles willkürlich festgesetzt. Musste es nicht ein elitärer Vorzug sein, in dieser kleinen, gefesselten, vom Ausland beargwöhnten Armee zu dienen, um auf dem Weg der potentiellen Vaterlandsverteidigung am »schmerzensreichen Werden eines neuen Deutschland« mitzuwirken?

Schließlich: Claus Stauffenberg war ein Nachfahre Neithardt v. Gneisenaus; seine Mutter, Gräfin Caroline, stammte von der Linie des großen preußischen Reformers der Befreiungskriege ab. Und das Bild, das sich der junge Stauffenberg vom Generalstabschef der Blücherschen Armee machte, zeigte ganz zu Recht das Konterfei eines hochpoetischen, musisch gebildeten Menschen, der seine Entschlüsse als Soldat und Feldherr aus dem Geistespotential des deutschen Idealismus gespeist hatte. Seit Gneisenau, seinem Vorfahr, gehörte geistiges Bildungsstreben zum Marschgepäck des preußisch-deutschen Generalstabsoffiziers. Und hatte Goethe nicht im »gebildeten Offizier« den idealen Menschentypus gesehen, in welchem sich Geist und Tat zur Harmonie verbanden? Der Schöpfer der Reichswehr, Generaloberst Hans v. Seeckt, schrieb in diesem Sinne: »Die Verbindung von Soldatentum und humanistischer Bildung ist keine zufällige. Gerade der Soldat bedarf der Schulung des Geistes und des Blickes in die Weite, wenn er nicht im Handwerksmäßigen verflachen will. Er bedarf der Ausrichtung an klassischen Vorbildern ...« Stauffenberg hatte solche Vorbilder, als da waren: Alexander der Große, Cäsar, Mark Aurel, Theoderich der Große, die deutschen Stauferkaiser, und unter ihnen vorzüglich Friedrich Barbarossa und sein Enkel, der philosophisch-revolutionäre Friedrich der Zweite, der Todfeind des Papsttums.

Nein, die Berufsentscheidung Stauffenbergs war im Grunde nicht »sensationell«, sie war durchaus konsequent. Die Synthese seiner besten Schulnoten in Geschichte und Mathematik, die Kombination also von Begeisterung und Rationalität, von Dynamik und Ordnung, führte den jungen Mann zwangsläufig auf den Weg des Offiziers.

Kurz nach dem Abitur trat er als Fahnenjunker in das Reiterregiment 17 in Bamberg ein. Die Wahl dieses Regiments rief in seinem Bekanntenkreis Verwunderung hervor. In Stauffenbergs Heimat, mit den Standorten Stuttgart-Cannstatt und Ludwigsburg, garnisonierte das Reiterregiment 18, das zusammen mit dem Bamberger Regiment die 3. Kavalleriedivision der Reichswehr bildete. In ihm hatten auch die beiden Zwillingsbrüder Berthold und Alexander als Zeitfreiwillige gedient. Man hätte erwarten können, dass Claus dasselbe Regiment gewählt hätte. Warum tat er das nicht?

Der junge Stauffenberg war sich seiner labilen Gesundheit, die ihm wiederholt schwer zu schaffen gemacht hatte, durchaus bewusst. Da er keine persönlichen Beziehungen zur Führung des Reiterregiments 18 hatte, musste er befürchten, bei der ärztlichen Gesundheitsprüfung abgelehnt zu werden. Deshalb wandte er sich an seinen Onkel Berthold, der mit dem Kommandeur des Reiterregiments 17, Oberst Zürn, eng befreundet war. Durch dessen Vermittlung kam er nach Bamberg.

Nach dem II. Weltkrieg ist die Vermutung aufgetaucht, dass er Bamberg wählte, weil das Offizierskorps des Reiterregiments 17 einen aristokratischeren Zuschnitt hatte. Nun ist es unbestreitbar richtig, dass gerade in den Jahren 1925 und 1926 zahlreiche Söhne adliger Familien in die Reichswehr strömten. Das Offizierskorps, das bis dahin einen Adelsanteil von durchschnittlich zwanzig Prozent besessen hatte, wurde von unten, nämlich von den jüngeren Offizieren her, verstärkt »aristokratisiert«. Der Grund lag darin, dass die Wahl des Generalfeldmarschalls Paul v. Hindenburg, des legendenumwobenen Feldherrn des I. Weltkrieges, zum deutschen Reichspräsidenten im Frühjahr 1925 das kleine Heer der Weimarer Republik für die »blaublütigen« Gesellschaftskreise erstmals akzeptabel, ja attraktiv gemacht hatte. Für Claus Stauffenberg aber dürfte eine solche aristokratische Exklusivität kaum eine Rolle gespielt haben, wie sich bald in seinen Dienstauffassungen und im Umgang mit seinen adligen Standesgenossen erweisen sollte. Im Übrigen gab es, wie der spätere General der Panzertruppen Hermann Balck, der seit 1923 als Offizier beim Reiterregiment 18 stand, dem Verfasser dieses Buches bezeugte, zwischen den beiden süddeutschen Kavallerieregimentern keine gesellschaftliche Schallmauer, im Gegenteil: »Der persönliche Kontakt zwischen den beiden Offizierskorps war herzlich und intensiv; es war wirklich belanglos, ob man zum Reiterregiment 17 oder 18 kam; man war in derselben süddeutschen Brigade.«

Dass Stauffenberg zur Kavallerie ging, lag nicht nur daran, dass er ein Pferdenarr war oder dass ein Kavallerieoffizier in der gehobenen Gesellschaft immer noch ein höheres Ansehen genoss. Die Reichswehr umfasste damals sieben Infanteriedivisionen und drei Kavalleriedivisionen, also einen außerordentlich hohen Anteil an berittenen Truppen. Auch das war eine Auswirkung des Versailler Diktats. Um den aufgezwungenen Höchstrahmen von 100 000 Mann mit zehn Divisionen auszufüllen, war es unbedingt notwendig, Kavalleriedivisionen, die zahlenmäßig nicht einmal die Hälfte einer Infanteriedivision ausmachten, zu unterhalten. Vor allem aber waren die Kavalleriedivisionen das einzige bewegliche Element innerhalb der Reichswehr, der weder Panzer noch Panzerspähwagen, also keinerlei schnelle Verbände gestattet waren. Und nicht lange mehr, dann sollte sich zeigen, dass Stauffenberg schon früh dem Element der Bewegung, dem Moment der Operation zuneigte, dass ihn die Lektüre über die Schlachten und Gefechte des I. Weltkrieges keineswegs - wie das bei zahlreichen Militärs der damaligen Zeit der Fall war - davon überzeugt hatte, auch in Zukunft würde weiterhin das Feuer über die Bewegung triumphieren, wie das im Grabenkampf des I. Weltkriegs der Fall gewesen war.

Nach einjähriger Grundausbildung als Kavallerist wurde Stauffenberg im Frühjahr 1927 auf die Infanterieschule in Dresden versetzt, die von sämtlichen...

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