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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
392 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am09.05.20221. Auflage
Wir schreiben das Jahr 1903. Alles beginnt mit zwei Reisen. Die eine führt ein junges ostjüdisches Paar aus einem litauischen Ort bei Wilna nach Berlin, die andere Reise einen 'Täufling' aus gutem Berliner Hause in eben diesen Ort als Ursprung seiner Vorfahren. Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Konservative, gemäßigte und liberale Juden, Reformjuden, Täuflinge und Zionisten. Dazwischen ein paar Antisemiten und natürlich auch noch die Christen. Das Tohuwabohu ist angerichtet. Verwirrende Geschäftspraktiken, heillos zerstrittene Parteien vor Gericht, Falschnachrichten einer korrupten Presse und eine hinterhältige Polizei führen zu einer Dramatik, die die Situation der Judenheit vor dem 1. Weltkrieg zeigt. Ein satter Roman mit viel Humor, Ironie, aber auch Tragik bis zum Mord! Nicht nur beste Unterhaltung, eine literarische Perle dazu.

Geboren in der Uckermark, Sohn eines Rabbiners, Kindheit und Jugend in Hannover, kurze Ausbildung im Rabbinerseminar, dann Jurastudium in Berlin mit Abschluss 1898, ab 1900 Staatsanwalt in Hannover, früh mit Tendenzen zum Zionismus, treibt es ihn 1906 wieder als Anwalt nach Berlin: Das ist der heutzutage weitgehend unbekannte Autor Sammy Gronemann (1875-1952). Als Teilnehmer am 1. Weltkrieg wird er schwer verletzt und dann zur wohlbekannten Presseabteilung Ober-Ost versetzt (Bialystok, Kowno, Wilna), wo er Kontakt mit dem Ostjudentum und einigen Gesinnungsgenossen (u.a. Arnold Zweig) aufnimmt. Ab 1915 (bis 1920) entsteht noch an der Ostfront sein in zahlreichen Auflagen erfolgreicher Roman Tohuwabohu (1920). Die Nazis zwingen ihn zur Flucht nach Paris (1933), bis er 1936 schließlich nach Palästina übersiedelt, wo er bis zu seinem Lebensende in Tel Aviv bleibt. Neben seinem schriftstellerischen Werk, das heute leider weitgehend unbekannt ist, hat er sich mit anderen Autoren (Georg Hermann, Martin Beradt) vor allem durch die Gründung des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller (SDS, 1909) hervorgetan. Während des Krieges war er für die rückhaltlose Unterstützung Deutschlands durch die Zionisten, hat dann jedoch eine Wandlung durchgemacht.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
BuchGebunden
EUR79,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR59,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWir schreiben das Jahr 1903. Alles beginnt mit zwei Reisen. Die eine führt ein junges ostjüdisches Paar aus einem litauischen Ort bei Wilna nach Berlin, die andere Reise einen 'Täufling' aus gutem Berliner Hause in eben diesen Ort als Ursprung seiner Vorfahren. Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Konservative, gemäßigte und liberale Juden, Reformjuden, Täuflinge und Zionisten. Dazwischen ein paar Antisemiten und natürlich auch noch die Christen. Das Tohuwabohu ist angerichtet. Verwirrende Geschäftspraktiken, heillos zerstrittene Parteien vor Gericht, Falschnachrichten einer korrupten Presse und eine hinterhältige Polizei führen zu einer Dramatik, die die Situation der Judenheit vor dem 1. Weltkrieg zeigt. Ein satter Roman mit viel Humor, Ironie, aber auch Tragik bis zum Mord! Nicht nur beste Unterhaltung, eine literarische Perle dazu.

Geboren in der Uckermark, Sohn eines Rabbiners, Kindheit und Jugend in Hannover, kurze Ausbildung im Rabbinerseminar, dann Jurastudium in Berlin mit Abschluss 1898, ab 1900 Staatsanwalt in Hannover, früh mit Tendenzen zum Zionismus, treibt es ihn 1906 wieder als Anwalt nach Berlin: Das ist der heutzutage weitgehend unbekannte Autor Sammy Gronemann (1875-1952). Als Teilnehmer am 1. Weltkrieg wird er schwer verletzt und dann zur wohlbekannten Presseabteilung Ober-Ost versetzt (Bialystok, Kowno, Wilna), wo er Kontakt mit dem Ostjudentum und einigen Gesinnungsgenossen (u.a. Arnold Zweig) aufnimmt. Ab 1915 (bis 1920) entsteht noch an der Ostfront sein in zahlreichen Auflagen erfolgreicher Roman Tohuwabohu (1920). Die Nazis zwingen ihn zur Flucht nach Paris (1933), bis er 1936 schließlich nach Palästina übersiedelt, wo er bis zu seinem Lebensende in Tel Aviv bleibt. Neben seinem schriftstellerischen Werk, das heute leider weitgehend unbekannt ist, hat er sich mit anderen Autoren (Georg Hermann, Martin Beradt) vor allem durch die Gründung des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller (SDS, 1909) hervorgetan. Während des Krieges war er für die rückhaltlose Unterstützung Deutschlands durch die Zionisten, hat dann jedoch eine Wandlung durchgemacht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756279616
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.05.2022
Auflage1. Auflage
Seiten392 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.14237134
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

[ IV ]

Du bist heute aber lang ausgeblieben, Johannes! rief Frau Marie aus der Küche und segelte mit erhitztem Gesicht ins Zimmer, in den Händen die Schüssel mit dampfenden Kartoffeln in der Schale. Nun greif man rasch zu! - Gesegnete Mahlzeit! - Die Kartoffeln haben viel zu lange gestanden. Und dann ängstige ich mich wirklich manchmal; mir ist es hier noch ziemlich unheimlich. Diese Frauen mit den Kopftüchern oder gar die Judenweiber mit ihren Perücken, - und die Männer mit den großen Bärten. Als ob sie alle ihr Gesicht verstecken wollten! - Papa ließ sich täglich rasieren, und wie glatt Mamas Haare immer nach hinten gestrichen waren, weißt du ja. Ganz so bekomme ich es noch nicht raus! - Und man soll es doch dem Menschen von weitem schon ansehen, daß er schlicht und einfältig ist, - sagte Papa immer. Er meinte natürlich die Einfalt des Herzens. Selig sind - Wenn du lange so auf den Teller starrst, Johannes, werden die Kartoffeln ganz kalt. - Ich glaube auch, mit der Lise wird das auf die Dauer nichts werden; sie ist zu dumm, und dann versteht sie mich immer falsch; ich kann auch ihr schauderhaftes Deutsch nicht anhören. Sie ist schon halb Russin geworden, und ich glaube, ihr bißchen Deutsch hat sie nur noch von den Juden. Das ist aber auch danach! - Schließlich ist es ja kein Wunder; die Eltern wohnen schon 20 Jahre hier oder länger, und sie hat Deutschland nie gesehen. Wo soll da das Deutsch auch herkommen? - Und daß ich mich auf dem Markt nicht verständlich machen kann! Ich muß doch wahrhaftigen Gott mich an die Judenweiber halten, - da geht es so halb und halb. Aber sie sprechen auch ein komisches Deutsch zusammen, und gern lasse ich mich nicht mit ihnen ein. Sie sind doch nun mal die vom Herrn Gezeichneten, wie Papa immer sagte, - und was du mir erzählt hast, Johannes, daß die Juden hier vor Jahrhunderten aus Deutschland ausgetrieben und hierhergekommen sind, - das ist ja alles recht schön und gut, - aber ich meine, - so schnell hätten sie die deutsche Sprache doch nicht vergessen dürfen. Wie die unser liebes gutes Deutsch zurichten! - Da sieht man wieder, wie schlechte Deutsche sie doch gewesen sein müssen! Und man wird schon gewußt haben, weshalb man sie austrieb! - Obwohl sie ein erhebendes Exempel für die Christen sind, und ich meine, einige sollte man deswegen doch immer behalten. - Bei uns kam ja auch der Dr. Lilienfeld öfter ins Haus; Mama mochte keinen anderen Arzt, und Papa ist ja nun mal so duldsam. - Der andere, der Dr. Wendel, war auch eigentlich immer betrunken, und dann erzählte man von ihm solch böse Geschichten. Sonst wäre auch bei uns in unserer Stadt kein Jude aufgekommen, - aber Kreisphysikus ist natürlich dann doch der Wendel geworden, weil wir doch schließlich in einem christlichen Staate leben. Und denke dir nur, - der Lilienfeld ist gleich danach weggezogen, - nach Stettin; Anhänglichkeit haben diese Leute eben nun mal nicht, und es soll ihm auch sehr gut gehen. Seitdem ist Mama aber sehr böse auf die Juden überhaupt, und der alte Lewin bekam nicht mehr Papas aufgetragene Kleider zu kaufen. Die Sünden der Väter werden an den Kindern heimgesucht! Eigentlich ist ja der Lewin viel älter gewesen als der Lilienfeld, und am Ende war er auch gar nicht mit ihm verwandt. - Aber das ist ja schließlich egal! Recht muß Recht bleiben, sagte Papa immer. Gesegnete Mahlzeit!

Wie Frau Marie es eigentlich fertigbrachte, während ihrer unaufhörlich sprudelnden Tischreden auch ihrem Appetit gerecht zu werden, blieb ihrem Mann und ihren Gästen von jeher ein Rätsel. Ihre rundliche Fülle aber, ihr zufriedenes und gutmütiges hübsches Gesicht ließen ernstere Besorgnisse um ihr leibliches Wohl nicht aufkommen. - Da nun der Pastor liebte, seine Mahlzeiten in stiller Sammlung und Beschaulichkeit zu sich zu nehmen, kamen alle beide so zu ihrem Recht. - Nach Tisch aber gehörte ihm das Wort; stillschweigend legte Frau Marie ihm dann die goldschnittgebundenen Stunden häuslicher Erbauung hin und setzte sich selbst mit ihrem Häkelzeug in die Sofaecke. Bode las dann ein Kapitel und knüpfte daran eigene Bemerkungen; - dabei kamen ihm allerlei fruchtbare Gedanken, und er machte sich ab und zu Notizen für künftige Predigten. Frau Marie warf selten ein Wort dazwischen, und so unterhielten sich die Eheleute eigentlich stets in Monologen. Bode las, meditierte und notierte noch gewöhnlich eine Weile weiter, nachdem seine Frau in ihrer Ecke schon eingeschlummert war, bis dann um zehn - nie später, manchmal etwas früher, - er seine Uhr knarrend aufzog, worauf Frau Marie erwachte und beide dann sich in ihr Schlafzimmer zurückzogen. - Es war das eine behagliche und bekömmliche Hausordnung, von der selten abgewichen wurde.

Heute aber blätterte der Pastor so lange unentschlossen in dem Buche, daß Frau Marie schon verwundert aufschaute und mit leiser Ungeduld sagte:

Aber so lies doch schon, Johannes! Das Buch ist doch überall gleich schön und erbaulich. Und man kann überall anfangen. - Ich bin schon etwas schläfrig.

Bode klappte das Buch zu und fragte etwas zögernd:

Wie wäre es, wenn wir einmal zusammen den Faust lesen würden? Hast du Lust?

Frau Marie starrte ihn aus runden Augen verwundert an.

Faust?

Ja, Faust! Goethes Faust! - Ich meine, ich könnte ihn mal ganz gut wieder lesen, und du wirst auch schon viel vergessen haben.

Ja , sagte Frau Marie gedehnt den Walzer habe ich ja mal gespielt; Mama wollte eigentlich nicht, daß ich Tänze spiele - aber Papa sagte Goethe ! - Papa war ja so duldsam.

Aber, liebes Kind! sagte Bode und begann wieder in den Erbauungsstunden zu blättern, ich spreche nicht von der Oper! - Wann hast du Goethes Faust - hast du überhaupt Goethes Faust - also den richtigen Faust -, den Faust von Goethe - hast du den überhaupt schon gelesen?

Ich weiß wirklich nicht , sagte Marie ahnungslos. Warte mal!... In der Schule lasen wir von Schiller Maria Stuart und Die Braut von Messina und von Goethe Torquato Tasso - o, der ist himmlisch! Was haben wir für Dr. Rütenbusch geschwärmt! - Aber warte mal - ich kenne noch mehr Stücke von denen. In unserem Kränzchen lasen wir die Iphigenie mit verteilten Rollen von Goethe und Im Hause des Kommerzienrats von Heimburg - oder der Marlitt - das weiß ich nicht mehr recht, weil wir auch von der anderen ein Buch gelesen haben; da weiß ich den Namen nicht mehr. Papa wollte, wir sollten auch etwas Modernes lesen, damit wir wissen, wie es in der Welt zugeht. - Nein - Faust habe ich also nicht gelesen. Aber natürlich kenne ich ihn; Dr. Rütenbusch hat mir zur Einsegnung eine Literaturgeschichte geschenkt - in silbergrauem Einband -, und weil sie von ihm kam, habe ich sie richtig studiert. - Das ist ja auch so eine Liebessache; ich glaube, sie bekommen sich nicht. - Papa meinte auch immer, solche Sachen seien nicht für junge Mädchen; und nachher, ich meine, wenn man verheiratet ist, dann hat man doch wichtigere Dinge zu tun, - ach ja - dann kommen die Pflichten. Und ob ich nun den Faust gelesen habe oder nicht - davon werden die Klöße auch nicht besser. Im Gegenteil! Wenn ich so an Hilde Lilienfeld denke - die hat den ganzen Tag geschmökert, aber ob sie einen anständigen Eierkuchen machen kann, das möchte ich noch bezweifeln - aber sehr!

Bode hatte den Band Goethes aus dem Regal geholt und blätterte darin verloren.

Wenn du gern willst, lieber Johannes , meinte Marie, so lies ruhig ein bißchen Faust vor. Es ist heute doch schon spät, und ich schlafe bald ein. Das wäre doch schade um die Erbauungsstunden.

Da legte Bode den Goethe weg, nahm mit einem hastigen Griff den Goldschnittband und begann eilig und laut zu lesen; anfänglich stand sein grimmiger Tonfall in merkwürdigem Gegensatz zu den sanftmütigen und verzuckerten Worten, die er las. - Bald aber wurde seine Stimme sanfter und plätscherte eintönig dahin; als Frau Marie, wie sie es geahnt hatte, eingeschlafen war, nahm er den Goetheband wieder vor und vertiefte sich in die literaturhistorische Einleitung des gelehrten Herausgebers.

Pastor Bode hatte einen Plan gefaßt.
[ V ]
Wenn Pastor Bode einmal einen Plan gefaßt hatte, so war er auch der Mann, ihn auszuführen. Er war nach Borytschew mit der Absicht gegangen, den Juden dort die Heilslehre zu bringen oder doch wenigstens an der Quelle die Seelen zu studieren, die er retten wollte. - Bislang aber hatte es ihm an jeder Gelegenheit gefehlt, mit den Juden in Fühlung zu kommen. Er suchte nach einem Anknüpfungspunkt und war überzeugt, daß eben nur der erste Anfang das Schwierige sei. -...
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