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Die schönste Version

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.07.2024
Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen. Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Introspektion: Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten. 'Ein berückendes Generationenporträt der Millennials' FAZ «Ich bin beeindruckt - von der Intensität dieses Romans und der Hartnäckigkeit, mit der Ruth-Maria Thomas das Schicksal ihrer Heldin Jella zu ergründen sucht.» Julia Schoch (Das Liebespaar des Jahrhunderts, dtv 2023) «Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon in meiner Nachwendejugend gegeben. Hier steckt so viel Wissen drin, was damals schmerzlich fehlte.» Hendrik Bolz (Nullerjahre, Kiwi 2022) «Dieser Roman ist jetzt schon eines meiner Highlights 2024. Ein Muss für uns und wirklich jeden Mann, der ansatzweise verstehen möchte, wie das Aufwachsen als Frau im Patriarchat uns kaputtmachen kann.» Louisa Dellert

Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren und in Cottbus aufgewachsen, war als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe tätig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. 2022 war sie Finalistin des Open Mike. In ihren Texten, die u.?a. im Rundfunk und in Literaturmagazinen erscheinen, beschäftigt sie sich immer wieder mit den Fallstricken weiblicher Sozialisation. Zuletzt erschien ihre Kurzgeschichte Glitzer in DAS GRAMM und wie ich frau bin bei SuKuLTuR.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDie späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen. Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Introspektion: Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten. 'Ein berückendes Generationenporträt der Millennials' FAZ «Ich bin beeindruckt - von der Intensität dieses Romans und der Hartnäckigkeit, mit der Ruth-Maria Thomas das Schicksal ihrer Heldin Jella zu ergründen sucht.» Julia Schoch (Das Liebespaar des Jahrhunderts, dtv 2023) «Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon in meiner Nachwendejugend gegeben. Hier steckt so viel Wissen drin, was damals schmerzlich fehlte.» Hendrik Bolz (Nullerjahre, Kiwi 2022) «Dieser Roman ist jetzt schon eines meiner Highlights 2024. Ein Muss für uns und wirklich jeden Mann, der ansatzweise verstehen möchte, wie das Aufwachsen als Frau im Patriarchat uns kaputtmachen kann.» Louisa Dellert

Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren und in Cottbus aufgewachsen, war als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe tätig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. 2022 war sie Finalistin des Open Mike. In ihren Texten, die u.?a. im Rundfunk und in Literaturmagazinen erscheinen, beschäftigt sie sich immer wieder mit den Fallstricken weiblicher Sozialisation. Zuletzt erschien ihre Kurzgeschichte Glitzer in DAS GRAMM und wie ich frau bin bei SuKuLTuR.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644019799
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum16.07.2024
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8710 Kbytes
Artikel-Nr.14237979
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Tag 1

Der Wartebereich: ein langer Gang, von dem Zimmer mit unregelmäßig verteilten Nummern abgehen. Der Boden: graues PVC, die Wände: holzgetäfelt. Eine meterlange Leuchtstoffröhre an der Decke surrt. Sie ergrellt den Raum, und obwohl es draußen hell ist, fühle ich mich, als sei es mitten in der Nacht.

Am Ende des Ganges ein kleines Fenster, es ist verdreckt, aber man kann die Rückseite einer alten Kaserne erahnen. Gegenüber von mir öffnet sich eine Tür. Zwei Polizisten in Uniform unterhalten sich lachend, laufen an mir vorbei. Ich bin erleichtert, noch nicht in eines dieser Büros zu müssen. Noch nicht sprechen zu müssen. Meine Hände zittern. Ich grabe sie tief in die Taschen meiner Jeans. Die Polizisten hinterlassen einen Geruch von Kaffee und Zigaretten. Die kurze, starke Sehnsucht, Rauch zu inhalieren, nur ein winziger Zug vorgetäuschte Entspannung. Ich schließe die Augen. Angeln quietschen. Ich zucke zusammen.

Ein Mann mit grau meliertem Haar und müdem Blick tritt in den Flur. Sein Aufruf wie ein Seufzer.

Jella Nowak?

Ich rühre mich nicht. Der Mann sieht mich direkt an, fragt diesmal lauter: Jella Nowak, häusliche Gewalt, wollen Sie das aufnehmen lassen?

Mir wird heiß. Mein Magen krampft sich zusammen. Direkt über meinem Magen liegt mein Hals, der brennt. Mein Körper besteht nur noch aus meinem Magen und meinem Hals. Zwei klopfende Punkte, die brennen, die stechen, die ziehen, gezogen haben, die mich auf diese Polizeiwache gezogen haben. Das bin ich diesem Körper schuldig, diesen Punkten, dass ich ihnen nachgebe, dass ich mich ziehen lasse. Dass ich jetzt eingreife. Da eingreife, wo er reingegriffen hat. Reingeschlagen hat. Reingedrückt hat. In meine Magenwürde. Und in meine Halswürde. In meine Körperwürde. Meine Alleswürde. Wie er vorhin mit seiner Faust in meinen Bauch gestoßen hat. In den Bauch, in dem meine Eierstöcke liegen. Den Bauch, den er so oft gestreichelt hat, wenn ich Regelschmerzen hatte. Den er manchmal, zum Scherz, geküsst hat und dann gesagt hat: In dir werden irgendwann meine ganzen Töchter und Söhne sein. Reingeboxt, aus Wut, zack, Faust rein. So einfach. Dumme Hure! Und Hände an meinem Hals. An meinem Atem. Mein Atem, der macht, dass Luft in meine Lungen kommt, der macht, dass ich lebe. Dorthin hat er seine Hände und dann einfach zugedrückt.

Ich atme ein, zu schnell, so schnell, dass meine Finger kribbeln, sich der Boden beugt und hebt. Jetzt bin ich nur noch Bauch und Hals.

Häusliche Gewalt. Jella Nowak?

Ich sehe in das Gesicht des Polizisten, will aufstehen, meine Beine verhaspeln sich ineinander, ich stolpere ihm über meine Tasche entgegen. Er dreht sich um, dreht mir seinen Rücken zu, ich kann die Ränder der Schweißflecken auf seinem hellblauen Hemd erkennen. Ich laufe ihm nach, bis er sich auf seinen Sessel hinter den Schreibtisch setzt, mit seinen Händen die Spanplatte abtastet, Kaffee vergessen murmelt, wieder aufsteht, den Raum verlässt. Allein bleibe ich in seinem Büro zurück. Auch hier wieder viel zu helles Licht aus Leuchtstoffröhren.

Der Schreibtisch ist voller Miniatur-Gegenstände. Ein winziger Schornsteinfeger, der auf einer 1-Cent-Münze klebt. Glücksschweinchen aus Marzipan, eingepackt in durchsichtige Folie. Bilderrahmen, die Rücken mir zugewandt. Sicher ist darauf seine kleine Familie zu sehen, was sollte auch sonst in so einem Bürobilderrahmen stecken. Hundefotos vielleicht.

Dieser Ort erinnert mich an all die Orte, die mir wegen ihrer Trostlosigkeit im Gedächtnis geblieben sind. Die Schulsporthalle am Freitagnachmittag, der Geruch von schwitzenden, parfümierten Teeniekörpern und noch elende einhundertzwanzig Minuten Bockspringen oder Seilhüpfen bis zum Wochenende. Das Klassenzimmer zur 1. Stunde im Winter, 7.30 Uhr, dunkel, kalt, der Kopf schläft noch.

Der Polizist kommt zurück, setzt sich auf seinen Drehstuhl, trinkt einen Schluck Kaffee, atmet laut aus, stellt die Tasse ab und blickt mir ins Gesicht. Er sieht müde aus, als hätte er zu kurz und zu schlecht geschlafen, zu viel und zu lang gearbeitet.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich sage nichts.

Bitte setzen Sie sich doch, sagt er und deutet mit seiner Hand in Richtung Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich nicke, schnell, setze mich auf den Stuhl, stoße mit dem Knie gegen die Tischplatte. Sofort schießen mir Tränen in die Augen.

Mein Knie hat die Kaffeetasse ins Wanken gebracht. Braune Brühe ist über den Rand geschwappt, bahnt sich ihren Weg zwischen den Aktenstapeln auf dem Tisch.

Es tut mir so leid, entschuldigen Sie bitte.

Ich spüre heiße Flecken in mein Gesicht kriechen. Das Ganze ist jetzt schon ein Desaster, am liebsten würde ich auf der Stelle umkehren, nie hierhergekommen sein.

Der Polizist antwortet mir nicht, versucht, die Akten aus der Schusslinie zu bringen, tupft mit Taschentüchern den Kaffee vom Holz.

Entschuldigung. Sage ich noch einmal.

Er wirft die Tücher in den Papierkorb.

Ist ja noch mal gut gegangen, sagt er, hebt den Blick und schaut mich an.

So, dann wollmer mal.

Mit wollen hat das hier alles wirklich nichts zu tun, denke ich und nicke.

Was ist denn passiert?

Ich stottere.

Mein Freund. Hat mich. Also mein Freund ist ausgerastet und hat mich ...

Der Polizist atmet wieder aus. Wahrscheinlich ist ihm gerade klar geworden, dass das mit mir länger dauern wird, als er dachte. Wieder sammeln sich Tränen in meinen Augen, ich schaue auf meine ineinandergefalteten Hände, die Knöchel weiß.

Also. Schritt für Schritt, sagt der Beamte, fast sanft, die Finger über der Tastatur schwebend.

Wie heißt denn Ihr Freund?

Mein Freund. Mein Freund? Nach dem, was gerade passiert ist, kann er nicht mehr mein Freund sein, denke ich, das geht doch nicht. Eigentlich muss er jetzt mein Ex-Freund sein, wir müssen jetzt getrennt sein, müssen es sein, nach so einer Sache kann man doch nicht mehr zusammen sein. Oder? Kann man nicht, wenn man noch einen Funken Selbstwertgefühl besitzt, kann man das nicht mehr.

Ich blinzele schnell. Jella Nowak.

Nicht Ihren Namen, den haben wir schon. Er lächelt mich an. Der Name Ihres Partners.

Yannick Brenner.

Seine Zeigefinger suchen die Buchstaben auf der Tastatur des Computers. Er tippt die einzelnen Tasten so hart an, als hätte ihm jede ein persönliches Unrecht getan. Es dauert lange. Ohne aufzublicken, fragt er weiter.

Was ist denn passiert, als er ausgerastet ist? Können Sie einmal. Er hält inne, sieht mich kurz an. Sein linkes Augenlid hängt ein bisschen. Können Sie versuchen, mir Schritt für Schritt zu erklären, was geschehen ist?

Ich will nicht. Aber natürlich will ich. Ich sitze ja. Hier. Um genau das zu tun.

Eine Maus in der Falle. Zum zweiten Mal heute.

Yannick kam in die Küche, als ich einen Salat gemacht habe.

Er unterbricht mich wieder, Blick immer noch auf die Tastatur gerichtet.

Sie wohnen zusammen? Wo wohnen Sie?

Ich nenne ihm die Adresse. Das Klackern, so laut.

Was ist passiert, nachdem er in die Küche kam?

Der Polizist schaut mir jetzt ins Gesicht. Sein Zeigefinger klopft auf den Schreibtisch. Ich starre den Finger an. Er folgt meinem Blick, hört mit dem Klopfen auf. Ich versuche, die Bilder wegzuschieben. Ich versuche, die Dinge, die passiert sind, so zu erzählen, als hätte ich sie im Fernsehen gesehen, Tagesschau, 20.00 Uhr, komm schon, Jella, tu so, als wäre es nicht dir passiert. Ich spreche schnell, meine Stimme mir ganz fremd und fern.

Und ich erzähle,

dass wir uns gestritten haben,

wie aus dem Sprechen ein Schreien wurde,

wie Yannick irgendwann auf mich losgegangen ist, mich angebrüllt, mir in den Bauch geboxt hat. Wie ich vor ihm zurückwich, bis ich am Fenster stand. Rechts neben mir der Küchentisch, links die Wand, ich in der Ecke, vor mir er, kein Weg nach vorne. Wie ich realisierte, dass ich in einer Sackgasse war, in eine Falle geraten.

Wie Yannick seine Hände um meinen Hals gelegt, zugedrückt und ich, immer weniger Luft. Wie ich nur noch Angst und dachte, scheiße, das war´s jetzt, scheiße, er vergisst sich, es ist nicht wie sonst, dieses Mal hat er sich nicht mehr unter Kontrolle, sein Gesicht so voller Hass, seine Hände so fest, dieser Streit war nicht wie die anderen, dieser Streit war ein Streit, nach dem es vorbei sein würde, mit uns, er vergisst sich und wird mich deshalb aus Versehen - so endet es jetzt, scheiße, ich werde einfach -

Bei der Stelle stocke ich, greife mir an den Hals. Panik in mir, überall, fängt in den Fingerspitzen an, ein rasendes Flattern, schnellt durch die Arme, schnürt mir die Kehle zu, rast in den linken Teil meines Brustkorbs und bleibt dort hängen, ein gehetzter Kolibri.

Ich höre wieder Yannicks Stimme, wie er mir zuzischt, die Augen zusammengekniffen, spüre seine Spucketröpfchen. Halt dein dummes Maul, du Hure, ich schwör´s dir, wenn du nicht endlich dein Maul hältst -

Es wäre fast vorbei gewesen mit mir -

schießt es mir durch den Kopf, und der Kolibri unter meiner linken Brust flattert so stark, dass mein Atem noch schneller geht, meine Fingerspitzen wieder taub werden, die Hände sich ineinander verkrampfen.

Und dann?

Verwirrt starre ich in die Augen des Polizisten. Sie sehen gelblich aus, der Übergang von der Iris zum Augenweiß ist blass.

Dann?, frage ich ihn zurück.

Sie haben gerade erzählt, dass Ihr Partner Ihnen die Hände um den Hals gelegt und Sie gewürgt hat. Zitiert er mit hochgezogenen Brauen aus seinem eigenen Protokoll.

Was ist dann...
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Autor

Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren und in Cottbus aufgewachsen, war als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe tätig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. 2022 war sie Finalistin des Open Mike. In ihren Texten, die u.¿a. im Rundfunk und in Literaturmagazinen erscheinen, beschäftigt sie sich immer wieder mit den Fallstricken weiblicher Sozialisation. Zuletzt erschien ihre Kurzgeschichte Glitzer in DAS GRAMM und wie ich frau bin bei SuKuLTuR.
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