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Ein ehrliches Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.07.2024
Willst du ein ehrliches Leben führen, oder spielst du weiter das falsche Spiel der Gesellschaft? Martin möchte alles hinter sich lassen: Die Fesseln der Kleinstadt, in der er aufwuchs, seine Mittelschicht-Herkunft, für die er sich schämt. Doch als er sich an der juristischen Fakultät in Lund einschreibt, führen ihm seine reichen Kommilitonen deutlich vor Augen, dass nicht für alle die gleichen Regeln gelten. Martins Sehnsucht nach intellektueller Verbundenheit, Authentizität, einem anderen Leben scheint sich erst zu erfüllen, als er auf einer Anti-Nazi-Demonstration in Malmö eine junge Frau kennenlernt. Max macht ihn mit ihren exzentrischen Freunden bekannt. Das Leben der Gruppe basiert auf radikalen und aufregenden Idealen, aber auch auf Lügen und immensen Risiken. Als Martin merkt, in was sie ihn hineinziehen, ist es bereits zu spät, um auszusteigen. Er ist einer von ihnen, einer der Banditen.  Ein Spannungsroman über Wahrheit, Täuschung und die Verlockungen eines Lebens außerhalb des Gesetzes.

Joakim Zander, 1975 in Stockholm geboren, wuchs in Söderköping an der schwedischen Küste auf und lebte in Syrien, Israel und den USA. Er studierte Jura in Uppsala, promovierte in Maastricht und arbeitete danach für das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in Brüssel und Helsinki.Sein Debütroman «Der Schwimmer» und Auftakt der Klara-Walldéen-Reihe erschien in 30 Ländern und war ein internationaler Bestseller, eine US-Verfilmung ist geplant. Nach den Folgebänden «Der Bruder» und «Der Freund» beschreitet der Autor mit seinem literarischen Spannungsroman «Ein ehrliches Leben» neue Wege, das Buch wird von Netflix prominent verfilmt. Der Autor lebt in Lund.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextWillst du ein ehrliches Leben führen, oder spielst du weiter das falsche Spiel der Gesellschaft? Martin möchte alles hinter sich lassen: Die Fesseln der Kleinstadt, in der er aufwuchs, seine Mittelschicht-Herkunft, für die er sich schämt. Doch als er sich an der juristischen Fakultät in Lund einschreibt, führen ihm seine reichen Kommilitonen deutlich vor Augen, dass nicht für alle die gleichen Regeln gelten. Martins Sehnsucht nach intellektueller Verbundenheit, Authentizität, einem anderen Leben scheint sich erst zu erfüllen, als er auf einer Anti-Nazi-Demonstration in Malmö eine junge Frau kennenlernt. Max macht ihn mit ihren exzentrischen Freunden bekannt. Das Leben der Gruppe basiert auf radikalen und aufregenden Idealen, aber auch auf Lügen und immensen Risiken. Als Martin merkt, in was sie ihn hineinziehen, ist es bereits zu spät, um auszusteigen. Er ist einer von ihnen, einer der Banditen.  Ein Spannungsroman über Wahrheit, Täuschung und die Verlockungen eines Lebens außerhalb des Gesetzes.

Joakim Zander, 1975 in Stockholm geboren, wuchs in Söderköping an der schwedischen Küste auf und lebte in Syrien, Israel und den USA. Er studierte Jura in Uppsala, promovierte in Maastricht und arbeitete danach für das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in Brüssel und Helsinki.Sein Debütroman «Der Schwimmer» und Auftakt der Klara-Walldéen-Reihe erschien in 30 Ländern und war ein internationaler Bestseller, eine US-Verfilmung ist geplant. Nach den Folgebänden «Der Bruder» und «Der Freund» beschreitet der Autor mit seinem literarischen Spannungsroman «Ein ehrliches Leben» neue Wege, das Buch wird von Netflix prominent verfilmt. Der Autor lebt in Lund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644016903
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum16.07.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse7016 Kbytes
Artikel-Nr.14238079
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erster Teil
1

Ich erinnere mich nur an wenige Momente in meiner Jugend, in denen ich mich nicht gelangweilt habe. Ich beklage mich nicht, daran war niemand schuld außer ich selbst, denn ich bin ganz normal aufgewachsen, in einer ganz normalen schwedischen Kleinstadt in Östergötland. Meine Kindheit fand in einem Siebzigerjahre-Einfamilienhaus aus braunem Klinker statt und in einer Grundschule aus rotem Klinker, die ein paar Jahre nachdem ich aufs Gymnasium gewechselt war abgerissen wurde und aus deren Trümmern sich, wie ein Phönix aus der Asche, ein von Neonröhren erleuchteter Supermarkt aus Fertigbauteilen erhob.

Abgesehen von Langeweile gibt es wenig, woran ich mich aus meiner Grundschulzeit erinnere: der Geruch von Radiergummi und feuchten Schuhen. Augen, die ich nur mit Gewalt offen halten konnte. Wursteintopf. Und dass ich grundsätzlich als Dritter ins Team gewählt wurde, wenn wir in der Mittagspause auf dem Rasen hinter der Schulcafeteria die Fußballmannschaften einteilten.

An eine Sache jedoch erinnere ich mich bis ins Detail: In meinem dritten Grundschuljahr stand eines Morgens der Kiesplatz vor den Schaukeln nach einem nächtlichen Wolkenbruch unter Wasser. Das Laub war schon von den Bäumen gefallen. Gelb und nass wirbelte es auf und blieb an unseren Schuhen und unserer Kleidung haften. Angesichts dieser abrupten Veränderung unserer unmittelbaren Lebenswelt gerieten wir alle außer Rand und Band. Als es zur ersten Pause läutete, stürmten wir hinaus, mit Gummistiefeln oder ohne, und befanden uns sofort im Krieg. Klasse 3a gegen Klasse 3b. Vielleicht hatten sich die Unterschiede zwischen uns mittlerweile verfestigt. Vielleicht lag es aber auch bloß daran, dass wir neun Jahre alt waren. Eine Zehn-Minuten-Pause lang drehte sich unser komplettes Leben darum, mit den Füßen so große Wassermassen wie möglich in Richtung unserer Gegner zu spritzen und sie zum Rückzug zu zwingen.

Ich erinnere mich nicht mehr hundertprozentig, wie es anfing, aber wie auf ein Signal hin stürmten die beiden kleinen Armeen von den entgegengesetzten Enden des Schulhofs aufeinander los. Auf dem überschwemmten Platz schwappte das Wasser über unsere Stiefelschäfte. Als die eisige Kälte durch unsere Socken drang, schnappten wir nach Luft und zögerten vielleicht eine Zehntelsekunde, aber nicht länger. Für die meisten war das unerwartete Chaos ein Spaß, ein Streich, der ein bisschen zu weit ging, ein Jux.

Ich war ein pflegeleichter Schüler. Fleißig. Die Schule fiel mir leicht. Ich hing meinen Tagträumen nach und löste Matheaufgaben und Lückentests trotzdem schneller und mit weniger Fehlern als die meisten meiner Klassenkameraden. Ein klein wenig stach ich heraus, mehr aber nicht. Doch in diesem Moment, in dieser Zehn-Minuten-Pause auf dem überschwemmten Schulhof, traten die endlosen Stunden im Klassenzimmer in den Hintergrund, und etwas anderes ergriff von mir Besitz. Etwas Größeres, Wilderes und Zornigeres. Als wären mein Lerneifer und das unauffällige Betragen, das ich im Unterricht an den Tag legte, nur eine Tarnung, eine Maske. Etwas, hinter dem ich mich verstecken konnte, weil ich mich nicht traute zu zeigen, dass ich in Wahrheit ein Monster war.

In den ersten Minuten war ich ein Held, ein Herkules an vorderster Front. Es kümmerte mich nicht, dass ich nass wurde, nichts konnte mich aufhalten, niemand mich zum Rückzug bewegen. Mit Füßen und Händen spritzte ich Wasserkaskaden auf und schlug Vega und Omar und den Rest der Parallelklasse in die Flucht.

«Vernichtet sie!», schrie ich meinen Klassenkameraden zu. «Wir machen keine Gefangenen!»

Meine Kraft wuchs, bis ich stärker war als Theo und Emil, die ADHS-Störenfriede aus unserer Klasse. Ich war haarscharf davor, die Kontrolle zu verlieren, unvernünftig und unbesonnen zu handeln. Fast fühlte ich mich frei.

Doch plötzlich traf mich eine Handvoll Kies an der Wange. Ich blieb stehen und schrie vor Schmerz auf. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Anton aus der Parallelklasse, sah sein rotblondes Haar und sein dämliches Grinsen.

Anton wurde jeden Morgen in einem frisch gewaschenen schwarzen BMW zur Schule gebracht. Die Einladungen zu seinen Geburtstagsfeiern waren heiß begehrt und wurden mit der gleichen Noblesse und Exklusivität vergeben wie Adelstitel.

«Nimm das, du Schwuli!», rief er mir mit seiner Piepsstimme zu.

Und in dem Moment verlor ich wirklich die Kontrolle. Ich weiß nicht, wie ich diesen perfekten runden Stein zu fassen bekam oder wie mir dieser perfekte Wurf gelang. Ich weiß nur, dass der Stein aus meiner Hand flog, dass er Anton am Hinterkopf traf und Anton, nur von seinen Händen und Armen geschützt, mit dem Gesicht voran in das schlammige Wasser fiel. Ich brüllte auf, in göttlichem Stolz und göttlicher Rache.

All die Ungerechtigkeit, die uns dieser dämliche Anton tagtäglich vor Augen führte: Nun hatte ich ihm seine rechtmäßige Strafe erteilt. Mit erhobenen Armen stürmte ich brüllend auf ihn zu. Der Anblick der Parallelklässler, die angesichts meiner unverhältnismäßigen Gewalt erschrocken zurückwichen, einen Moment wie erstarrt innehielten und schließlich geschlossen davonrannten, erfüllte mich mit Euphorie.

«Ihnen nach!», schrie ich meinen Klassenkameraden zu, ohne mich umzudrehen. «Sie fliehen!»

Ich warf mich auf den inzwischen heulend am Boden knienden Anton und versetzte ihm einen so heftigen Stoß, dass er mit einem Aufschrei zurück ins Wasser fiel.

«Siehst du, was passiert?», schrie ich. «Siehst du, was passiert, wenn du dich mit mir anlegst?»

Ich hob die Faust, um ihm geradewegs ins Gesicht zu schlagen, so wie ich noch nie jemanden geschlagen hatte. Doch irgendetwas stimmte nicht. Das Geräusch von platschendem Wasser und das laute Geschrei in meinem Rücken waren verstummt. Der Bann war gebrochen, ohne dass ich es bemerkt hatte.

«Kommt schon!», schrie ich über die Schulter. «Sie fliehen! Vernichtet sie!»

Ich stand auf und drehte mich um. Die anderen hatten sich unter das kleine Vordach vor dem Eingang zurückgezogen. Nur ich und Anton waren noch im Wasser, meine Füße und Beine waren bis auf die Haut durchnässt, meine Wangen brannten. Nur ich und der heulende, schniefende Anton zu meinen Füßen.

«Schluss jetzt!»

Lena, unsere Klassenlehrerin seit der ersten Klasse, kam aus dem Gebäude, ihr ungeschminktes Gesicht mit den dunklen Augen war müde und aufgebracht zugleich. Sie machte ein paar lange Schritte an mir vorbei, beugte sich zu Anton hinunter, legte ihm einen Arm um die Schulter und half ihm auf.

«Was ist denn in dich gefahren?», fauchte sie mich an. «Hast du den Verstand verloren? Ich erkenne dich ja gar nicht mehr wieder.»

Langsam trottete ich zum Eingang, auf das kaum unterdrückte Gekicher meiner Klassenkameraden zu. Eisige Scham, bei etwas derart Kindischem und Brutalem, bei etwas derart Entblößendem und Unverhohlenem ertappt worden zu sein, erfasste mich, doch all das verblasste im Licht der herben Enttäuschung, von denen verlassen worden zu sein, für die ich geglaubt hatte zu kämpfen.

 

Meine Kindheit hatte mir keine nennenswerten Widrigkeiten entgegengebracht. Aber ab der Mittelstufe fing ich an, sie herbeizusehnen, mit der Naivität eines Menschen, der nie etwas verloren hat. Meine Tagträume waren voller Bilder von Terroranschlägen und der Vorstellung, mein Vater oder meine Mutter würden sterben, womöglich durch Selbstmord, sodass sie mich auf diese Weise in abgrundtiefe Trauer stürzten. Aber ich malte mir nicht aus, wie mich diese Trauer traumatisieren, sondern wie sie mich vielmehr interessant machen würde. Doch die herbeigewünschten Schicksalsschläge blieben aus. Die Tage verstrichen. Der Herbst wurde zum Winter, der Winter zum Frühling und der Frühling zum Sommer, während ich auf der Stelle trat und auf Augenblicke wartete, die nicht kamen.

Dreimal in der Woche ging ich zum Fußballtraining, am Wochenende fanden die Spiele statt, und ich war ein ganz passabler Spieler, besser als der Durchschnitt. Das verlieh mir einen gewissen Status, den ich in die Freiheit ummünzte, mich den Kleinstadt-Gepflogenheiten nicht vollständig unterzuordnen. Ich strengte mich in der Schule an und lief in einem grünen Militärparka herum, den ich in Norrköping in einem Secondhandladen aufgestöbert hatte, und ich begann, alte Bands zu hören. The Clash, Wu-Tang Clan, Refused.

 

Als ich aufs Gymnasium kam, hängte ich meine Fußballschuhe pflichtschuldig an den Nagel und las stattdessen Bücher. Im ersten Jahr hatten wir in Schwedisch einige Wochen lang einen Vertretungslehrer. Er hieß Matts, und in gewisser Weise entsprach er, mit seinem Jeanshemd, seinem Man Bun und seiner schwarzen Hornbrille, einem wandelnden Klischee. Aber ich war am Ende meiner Weisheit angelangt, und was das Intellektuelle anging, nahm ich, was ich kriegen konnte. Matts redete von Hesse und von Kerouac, und was bitte, ist ein Klischee, wenn nicht das? Doch ich langweilte mich zu Tode, verschlang Steppenwolf und Unterwegs und bat um Nachschub.

Alle Bücher, die uns bis dahin in der Schule vorgesetzt worden waren, hatten von Wäldern und Armut gehandelt, von Småland und Värmland, von Fröding, Zwergen und vom Volksheim und ödeten mich zutiefst an. In den Büchern, die Matts uns empfahl, traf ich auf die Gefühle, von denen ich träumte. Ich las mich in der Stadtbücherei durch die «Rote Bibliothek», während sich...
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Autor

Joakim Zander, 1975 in Stockholm geboren, wuchs in Söderköping an der schwedischen Küste auf und lebte in Syrien, Israel und den USA. Er studierte Jura in Uppsala, promovierte in Maastricht und arbeitete danach für das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in Brüssel und Helsinki.Sein Debütroman «Der Schwimmer» und Auftakt der Klara-Walldéen-Reihe erschien in 30 Ländern und war ein internationaler Bestseller, eine US-Verfilmung ist geplant. Nach den Folgebänden «Der Bruder» und «Der Freund» beschreitet der Autor mit seinem literarischen Spannungsroman «Ein ehrliches Leben» neue Wege, das Buch wird von Netflix prominent verfilmt. Der Autor lebt in Lund. Ulla Ackermann, geboren 1978, studierte Skandinavistik und Germanistik in Münster/Westfalen und Lund. Nach dem Studium lebte sie mehrere Jahre in Stockholm. Seit 2015 arbeitet sie als freie Übersetzerin in Kiel und übersetzt Romane und Sachbücher aus dem Schwedischen und Norwegischen von u.a. Christoffer Carlsson, Maria Turtschaninoff und dem Autorenduo Pascal Engman & Johannes Selåker.Thomas Altefrohne, geb. 1991, hat in Münster/Westfalen Skandinavische Studien und Interdisziplinäre Niederlandistik studiert. Seit 2022 übersetzt er Literatur aus dem Schwedischen ins Deutsche.