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Eigentlich bin ich nicht so

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am13.08.2024
Familie ist Wahnsinn und Liebe zugleich. Es ist das Konfirmationswochenende von Linnea. Die Tischkarten liegen bereit, die Familie ist geladen, aber die Zusammenkunft verheißt nichts Gutes. Hanne, Linneas Tante, plant die Rückkehr in ihr Heimatdorf als großen Triumph. Sie ist nicht mehr zu Hause gewesen, seit sie damals «die Dicke» war. Inzwischen lebt sie in der Großstadt und führt eine glückliche Beziehung mit einer Frau. Zu Hause angekommen wird sie mit voller Wucht von der Vergangenheit eingeholt. Linneas Vater Bård ist der erfolgreiche Mann, der immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Als plötzlich alles anders läuft als geplant, gerät sein Leben aus den Fugen. Und Opa Nils will einfach nur gut sein. Doch was passiert, wenn gut nicht gut genug ist? Eigentlich bin ich nicht so ist ein so scharfsinniger wie unterhaltsamer Familienroman über die Angst vor den Blicken anderer, aber auch über die Sehnsucht, gesehen und geliebt zu werden. Und über das Risiko, andere Menschen in das eigene Leben zu lassen.

Marie Aubert, geboren 1979 in Oslo, debütierte 2016 mit dem Erzählband «Kann ich mit zu dir», der in Norwegen zum Bestseller avancierte und von der Presse gefeiert wurde, ebenso wie «Erwachsene Menschen», ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextFamilie ist Wahnsinn und Liebe zugleich. Es ist das Konfirmationswochenende von Linnea. Die Tischkarten liegen bereit, die Familie ist geladen, aber die Zusammenkunft verheißt nichts Gutes. Hanne, Linneas Tante, plant die Rückkehr in ihr Heimatdorf als großen Triumph. Sie ist nicht mehr zu Hause gewesen, seit sie damals «die Dicke» war. Inzwischen lebt sie in der Großstadt und führt eine glückliche Beziehung mit einer Frau. Zu Hause angekommen wird sie mit voller Wucht von der Vergangenheit eingeholt. Linneas Vater Bård ist der erfolgreiche Mann, der immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Als plötzlich alles anders läuft als geplant, gerät sein Leben aus den Fugen. Und Opa Nils will einfach nur gut sein. Doch was passiert, wenn gut nicht gut genug ist? Eigentlich bin ich nicht so ist ein so scharfsinniger wie unterhaltsamer Familienroman über die Angst vor den Blicken anderer, aber auch über die Sehnsucht, gesehen und geliebt zu werden. Und über das Risiko, andere Menschen in das eigene Leben zu lassen.

Marie Aubert, geboren 1979 in Oslo, debütierte 2016 mit dem Erzählband «Kann ich mit zu dir», der in Norwegen zum Bestseller avancierte und von der Presse gefeiert wurde, ebenso wie «Erwachsene Menschen», ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644012851
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum13.08.2024
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7901 Kbytes
Artikel-Nr.14238099
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Freitag
BÅRD

Noch zwei Tage, dann liegen die Karten offen. Vielleicht auch drei.

Nach der Arbeit fahre ich bei meinem Vater vorbei, um mir für Sonntag einen Klapptisch zu borgen. Ich muss ihn selbst in der Garage suchen, während mein Vater von draußen zuguckt, nicht mal abgewischt hat er den Tisch.

«Schönes Wetter», sagt er und nickt.

Ich schiebe Fia zur Seite, die hechelnd um meine Beine schwänzelt. Die Kinder liegen mir schon seit Jahren in den Ohren, dass sie einen Hund wollen, aber ich sage Nein, Ende der Diskussion.

«Streng genommen ist es ziemlich kalt», sage ich. «Für Mai.»

«Streng genommen», erwidert mein Vater grinsend.

«Ja, sonst ist es wärmer um die Zeit.»

Wir verstauen den Tisch im Kofferraum, ich muss die Rückbank umklappen. Ich sammle Eispapier von den Kindern ein, entdecke eine Basecap, die Sivert, glaube ich, schon gesucht hat, und ein dickes buntes Haargummi, bestimmt von Linnea.

«Na schön», sagt mein Vater. «Hattet ihr denn vor, Sonntag draußen zu feiern?»

«Nee», antworte ich. «So optimistisch sind wir nicht.»

Ich trete von einem Bein aufs andere, will endlich los.

«Musst bestimmt noch viel erledigen», sagt mein Vater mit diesem schiefen Halblächeln, bei dem mir die Kopfhaut juckt, klar muss ich das, klar muss man viel erledigen, bevor man die Bude voll hat. Er selbst hat Zeit ohne Ende und macht sich hier oben einen lauen Lenz, allein mit seinem dicken Labrador.

«Ja, ja», sagt er wieder, als ich nicht antworte. «Die Kinder werden groß.»

«Allerdings», erwidere ich.

«Schade, dass Sissel das nicht mehr erlebt», sagt er.

Ich drehe mich um und steige in den Wagen.

«Wann sollen wir heute Abend da sein?», fragt er.

«So um halb acht», antworte ich.

Er nickt und erklärt dann, er habe das Souterrain aufgeräumt, damit sie dort schlafen können.

«Schöne Grüße», sagt er, während ich mich anschnalle. «Wobei, wir sehen uns ja sowieso später.»

 

Mit dem Klapptisch im Kofferraum fahre ich nach Hause, vorbei an Feldern mit Blick auf den gesamten Ort. Heute ist die Luft so klar, dass ich bis zu den Neubauten am Kai sehen kann. Ich biege in die Siedlung ein und parke das Auto in der Garage. Unser Haus ist das schönste. Um den Garten hat sich früher Mama gekümmert, auch nachdem sie hier aus- und wir eingezogen waren. Sie kam vorbei, ganz zufällig mit alten Gartenhandschuhen in der Handtasche, und jätete die Beete und pflückte Äpfel von den beiden Apfelbäumen, wie sie es seit meiner Kindheit getan hatte. Sie kannte die Namen sämtlicher Rosen und verhätschelte sie geradezu, wusste genau, wann man sie zurückschneiden und zum Überwintern mit Stroh abdecken muss. Anfangs hatte Ellen protestiert, bestimmt aus verletztem Stolz, weil Mama sich weiterhin so verhielt, als gehörte der Garten ihr, dabei hat Ellen überhaupt keinen Sinn für Gartenarbeit, und ich war auch nie der große Gärtner, sodass es uns eigentlich gut in den Kram passte, wir hatten einen schönen Garten und mussten keinen Finger dafür rühren. Es fühlte sich fast wie Luxus an, an den üppigen Rosen vorbeizugehen, faustdicke Blüten in Rosa, Gelb und Rot, die Blätter dunkelgrün glänzend. Jetzt ist der Garten verwahrlost, um den Rasen kümmert sich der Mähroboter, damit er halbwegs passabel aussieht, aber in den Beeten wuchern Löwenzahn und Unkraut, die Rosensträucher sind halb verkümmert. All das sehe ich, während ich den Klapptisch aus dem Kofferraum hole, und spüre ein Ziehen im Magen, ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Aber an sowas kann ich jetzt nicht denken, bald wird alles anders.

 

«Hallo», rufe ich, während ich mich seitlich mit dem Tisch durch die Haustür zwänge.

«Hallo», antwortet Ellen aus dem Wohnzimmer.

Sie liegt ausgestreckt auf dem Sofa, ein Bein über dem anderen, auf dem Couchtisch steht ein Glas Weißwein. Sie winkt mit dem Fuß, wie sie es immer tut, tastet nach ihrem Telefon und blickt kaum auf, als ich mich mit dem Tisch abmühe.

«Geschafft», sage ich schließlich, schweißnass vom Tragen, und lehne den Tisch gegen die Wand.

«Prima», sagt sie.

Verdammt, sie hat nicht mal aufgeräumt. Seit mindestens zwei Stunden ist sie jetzt zu Hause, und trotzdem sieht alles noch genauso aus wie heute Morgen, das Wohnzimmer quillt über vom Kram der Kinder, überall Lego und Bücher, benutzte Gläser, alte Zeitungen auf dem Tisch, Staubmäuse entlang der Fußleisten. Ich quetsche mich zu Ellens Füßen aufs Sofa, trommle ein bisschen mit den Fingern auf meinen Knien. Früher fand ich es schön, wenn sie so dalag, den Kopf auf einem Arm und tiefenentspannt, fast ein bisschen sexy, dass sie sich nicht davon aus der Ruhe bringen ließ, wenn die Kinder und ich etwas von ihr wollten. In der oberen Etage poltern hastige Schritte über den Boden, Eirik oder Sivert, wahrscheinlich Eirik, er ist der Schnellere.

«Dir ist aber schon bewusst, dass wir Besuch bekommen?», frage ich.

«Bewusst?», erwidert Ellen und blickt auf. «Ja?»

Ich mache eine Geste über das Durcheinander, worauf sich ihre Miene verfinstert, sie setzt sich auf.

«Man wird ja wohl noch ein bisschen entspannen dürfen», sagt sie. «Es ist Freitag.»

«Wär halt schön, wenn´s hier nicht aussähe wie nach einem Bombeneinschlag», sage ich.

«Ich kümmere mich darum», sagt sie, den Blick aufs Telefon gerichtet.

«Aha», sage ich. «Und wann?»

«Entspann dich mal», sagt sie und sieht mich an.

Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, etwas Wütendes, reiße mich aber zusammen und sitze still da, ich habe es schon so oft gesagt, dass ich es selbst nicht mehr hören kann, außerdem nützt es ohnehin nichts.

«Ist Linnea da?», frage ich schließlich.

«Fräulein Fröhlich ist zu Hause, ja», sagt Ellen und nickt in Richtung von Linneas Zimmer.

«So schlimm?», frage ich.

«Unerträglich», sagt Ellen kopfschüttelnd.

«Schön, dass wir eine Party für sie schmeißen.»

«Ja, wird ein Mordsspaß», sagt Ellen, und da lächeln wir beide.

Ich höre mich normal an, rede, wie ich immer rede, und während wir gemeinsam lächeln, kommt es mir kurz so vor, als wäre alles wie früher. Sie merkt mir nichts an, hat keinen Verdacht geschöpft. Das erkenne ich an ihrem Lächeln, sie fühlt sich so sicher, mein Hals schnürt sich zusammen. Unbeholfen tätschle ich ihre Knie und stehe auf, gehe in die Küche und sehe die Geschirrberge, Krümel auf dem Boden, eine klebrige Pfütze auf der Arbeitsfläche, ich bleibe kurz stehen und atme tief durch die Nase aus, ehe ich die Spülmaschine ausräume. Gläser klirren gegen Gläser, Tassen gegen Tassen. Wir besitzen an die fünfzig Mumintassen in Gelb, Rot, Blau, Rosa und allen erdenklichen anderen Farben. Die einzigen Figuren, deren Namen ich kenne, sind Klein Mü und der Schnupferich, und dann ist da die schwarze Tasse, die ich bekomme, wenn Ellen ausnahmsweise mal am Wochenende den Frühstückstisch deckt, die mit Muminpapa mit Zylinder. Als ich spüle, was nicht in den Geschirrspüler darf, fällt mir ein, dass ich noch den Pizzateig fürs Abendessen machen muss, ich hätte mich auch kurz ausruhen sollen, doch ich bin zu aufgewühlt, hab Ameisen im Hintern, wie mein Vater zu sagen pflegt, besser, ich erledige alles sofort.

Ohne mich werden sie nach zwei, höchstens drei Tagen im Chaos versinken. Eirik und Sivert werden sich Käsebrote machen, und Butter und Käse nicht in den Kühlschrank zurückstellen, Krümel und Flecken auf der Arbeitsfläche, verschüttete Cola Zero auf dem Boden. Linnea wird ihre Klamotten in Bad und Wohnzimmer verteilen, Bremsspuren in der Kloschüssel, ein Berg aus Tausenden Schuhen und Stiefeln im Flur. Und Ellen, Ellen wird nicht mehr die ganze Zeit nur auf dem Sofa rumliegen können, aufs Telefon starrend, obwohl sie ein Buch in der Hand hält, ständig jammert sie, sie komme beim Lesen so langsam voran, kein Wunder, antworte ich. Sie wird nicht begreifen, wo das Chaos herkommt, warum sich urplötzlich überall schmutzige Wäsche und Teller mit Essensresten türmen. Himmel, was ist denn hier passiert?

Wie sollen sie klarkommen, falls ich abhaue? Wenn ich abhaue.

Das Haus gehört größtenteils mir, meine Eltern haben es gebaut, fünfundsechzig Prozent sind mein Eigentum, dafür gehört Ellen das Ferienhaus, so gesehen sollte nicht ich ausziehen müssen. Doch vor meinem inneren Auge erscheint das Haus genau so, ohne mich, die anderen rund um den Tisch, mein Stuhl leer, die Schränke ohne meine Schuhe und Klamotten, meine Bettseite ohne Decke und Kissen.

Mit dem kleinsten Topf habe ich am meisten zu kämpfen, weil Haferflocken darin kleben. Morgens kocht Ellen immer Porridge für Eirik und Sivert, mit Blaubeeren und etwas Honig, sie mampfen alles auf, und wer macht später den Topf sauber, wer? Die eingetrockneten Porridgereste sind so hart und scharfkantig, dass man sich dran schneiden kann. Ich nehme einen Stahlschwamm und rubble herum, doch schon bald bin ich leid, wie viel Zeit es kostet, wie langsam es geht. Ich lasse den Topf ins Spülwasser sinken und balle die Hände zu Fäusten, dann fische ich den Topf wieder heraus, trockne ihn halbherzig ab und stelle ihn in den Schrank, knalle die Schranktür zu und lausche in die...
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Autor

Marie Aubert, geboren 1979 in Oslo, debütierte 2016 mit dem Erzählband «Kann ich mit zu dir», der in Norwegen zum Bestseller avancierte und von der Presse gefeiert wurde, ebenso wie «Erwachsene Menschen», ihr erster Roman.Ursel Allenstein, 1978 geboren, übersetzt u.a. Sara Stridsberg, Johan Harstad und Tove Ditlevsen. 2011 und 2020 erhielt sie den Hamburger Förderpreis, 2013 den Förderpreis der Kunststiftung NRW und 2019 den Jane-Scatcherd-Preis für ihre Übersetzungen aus den skandinavischen Sprachen.Stefan Pluschkat, geb. 1982 in Essen, studierte Komparatistik und Philosophie in Bochum und Göteborg. Er übersetzt Romane, Kinder- und Sachbücher aus dem Schwedischen und Norwegischen und erhielt 2018 den Hamburger Förderpreis für Übersetzung.