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Der Wanderfalke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
218 Seiten
Deutsch
Matthes & Seitz Berlin Verlagerschienen am28.03.20241. Auflage
Wie kaum ein anderes Buch feiert dieses Meisterwerk der literarischen Naturbeobachtung die unerschöpfliche Vitalität der Natur. In den 1960 er Jahren war der Wanderfalke im Aussterben begriffen. In diesem Wissen beobachtete Baker über viele Jahre diese faszinierenden Vögel. Mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit beschreibt er in seinem als Tagebuch angelegten Bericht das Leben eines Wanderfalkenpaares in Ostengland. Tag für Tag folgt er den beiden, beschreibt die Gewohnheiten und Ängste der Raubvögel mit einer beispiellosen Mischung aus Poesie und Präzision - wie besessen davon, dem Geheimnis ihrer Anmut auf die Spur zu kommen. Dabei scheinen im Laufe der Beobachtung Mensch und Vogel zu verschmelzen. Baker wird nach und nach selbst zum falkengleichen Jäger, der die Zeichen in der Landschaft zu deuten weiß. Dieses erstmals 1967 veröffentlichte, in einer dichten, poetischen und zugleich lakonischen Sprache verfasste Buch besitzt die unvergleichliche existenzielle Wucht der Einsamkeit, aus der eine beglückende Beziehung zur Natur, einer Region, zu einem Raubvogel erwächst.

Über John Alec Baker, geboren 1926 in Chelmsford, Ostengland, wo er 1986 starb, ist wenig bekannt. Er arbeitete als Bibliothekar, widmete sein Leben aber weitgehend der Vogelbeobachtung. Neben »The Peregrine« veröffentlichte er nur ein weiteres Werk, The Hill of Summer.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWie kaum ein anderes Buch feiert dieses Meisterwerk der literarischen Naturbeobachtung die unerschöpfliche Vitalität der Natur. In den 1960 er Jahren war der Wanderfalke im Aussterben begriffen. In diesem Wissen beobachtete Baker über viele Jahre diese faszinierenden Vögel. Mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit beschreibt er in seinem als Tagebuch angelegten Bericht das Leben eines Wanderfalkenpaares in Ostengland. Tag für Tag folgt er den beiden, beschreibt die Gewohnheiten und Ängste der Raubvögel mit einer beispiellosen Mischung aus Poesie und Präzision - wie besessen davon, dem Geheimnis ihrer Anmut auf die Spur zu kommen. Dabei scheinen im Laufe der Beobachtung Mensch und Vogel zu verschmelzen. Baker wird nach und nach selbst zum falkengleichen Jäger, der die Zeichen in der Landschaft zu deuten weiß. Dieses erstmals 1967 veröffentlichte, in einer dichten, poetischen und zugleich lakonischen Sprache verfasste Buch besitzt die unvergleichliche existenzielle Wucht der Einsamkeit, aus der eine beglückende Beziehung zur Natur, einer Region, zu einem Raubvogel erwächst.

Über John Alec Baker, geboren 1926 in Chelmsford, Ostengland, wo er 1986 starb, ist wenig bekannt. Er arbeitete als Bibliothekar, widmete sein Leben aber weitgehend der Vogelbeobachtung. Neben »The Peregrine« veröffentlichte er nur ein weiteres Werk, The Hill of Summer.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751840187
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum28.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten218 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2772 Kbytes
Artikel-Nr.14248975
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Vorwort

Der Wanderfalke ist zweifelsohne ein Meisterwerk der nicht-fiktionalen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Als Elegie für einen Ort steht er neben Barry Lopez´ Arktischen Träumen (1986). In seiner Eigenart, die Melancholie und Schönheit aus der englischen Landschaft herauszuarbeiten, ist er vergleichbar mit W. G. Sebalds Die Ringe des Saturn (1995). Als Verschmelzung von Spirituellem und Elementarem kann man ihn mit Peter Matthiessens Auf der Spur des Schneeleoparden (1978) vergleichen. Und als Bericht über die Besessenheit eines Menschen von einem Tier ist er schlichtweg einzigartig. Ein Vorwort soll sein Buch natürlich in den höchsten Tönen loben, doch stelle ich hier keine pompösen Behauptungen auf. Mein Lobgesang trifft einfach zu.

Wenn man dem Buch so etwas Konventionelles wie eine Handlung zuschreiben möchte, dann lautete sie wie folgt: Zwei Wanderfalkenpaare kommen im Herbst zum Jagen in eine südenglische Küstengegend - ein abwechslungsreiches Gelände mit Marschen, Wäldern, Feldern, Flussniederungen, Watt, Flussmündung und Meer. Aus einem Grund, der nie ganz geklärt wird, ist der Erzähler von den Vögeln besessen. Von Oktober bis April ist er ihnen täglich auf der Spur und beobachtet sie beim Baden, Töten, Fressen und Schlafen. »Der Herbst eröffnet die Saison meiner Falkenjagd, der Frühling beendet sie, dazwischen funkelt der Winter wie der Bogen des Orion« (Autumn begins my season of hawk-hunting, spring ends it, and winter glitters between like the arch of Orion), so seine Worte. Das Buch berichtet von dieser Jagd in all ihren bewegten Wiederholungen.

Also die täglichen Aufzeichnungen eines Ornithologen, mögen Sie jetzt denken. Aber den Wanderfalken als eine wissenschaftliche Aufzeichnung zu charakterisieren, würde ihn ebenso auf ein Merkmal reduzieren, als nennte man Mrs. Dalloway einen Tagebucheintrag. Treffender ist es, den Text als ein langes, in einem dichten Stil verfasstes Prosagedicht anzusehen, so dicht, dass Grammatik und Syntax mitunter zerdrückt werden. Die Dramatik und Ortskunde würde ein minder begabter Autor auch auf tausend Seiten kaum unterbringen können. Dieses Buch trägt eine massiv verdichtete Energie in sich, wie Erdöl, Kohle oder ähnliche derartige Rohstoffe.

Über J.A. Baker selbst erfährt der Leser wenig. Alles, was im Wanderfalken geschieht, trägt sich innerhalb des Jagdgebiets der Wanderfalken zu. Die Handlung geht über diesen einen Landstrich nicht hinaus. Weshalb der Autor dem Falken folgt, wird nicht erläutert, es gibt keinen speziellen Auslöser. Auch ist kein Platz für einen anderen Menschen neben Baker selbst. Wir erfahren nichts darüber, wie er lebt, wenn er nicht beobachtet: Wir wissen nicht einmal, wo er schläft, nur wenig darüber, was er isst. All diese Informationen, das spüren wir, werden nicht zurückgehalten, um Interesse zu schüren, sondern weil sie unwichtig sind.

Unwichtig, da Der Wanderfalke nicht vom Beobachten eines Vogels erzählt, sontdern davon, wie man zum Vogel wird. Schon früh formuliert Baker sein Jagdmanifest:

Wohin er diesen Winter auch gehen mag, ich werde ihm folgen. Ich werde die Furcht und Freude seines Jagens teilen, und auch die Langeweile. Ich werde ihm folgen, bis meine bedrohliche Menschengestalt das wirbelnde Kaleidoskop, das die Sehgrube seiner glänzenden Augen füllt, nicht mehr in Angst verdunkeln lässt. Mein heidnischer Kopf soll im Winterlandboden versinken, auf dass er rein werde.

Hier, in diesen vier sonderbaren Sätzen, steckt der dramatische Kern des Buches. Baker hofft, durch rigorose, anhaltende und »reine« (purified) Konzentration auf den Wanderfalken seiner eigenen menschlichen Gestalt entfliehen und in die »glänzende« (brilliant) Wildheit des Vogels flüchten zu können.

Während die Jahreszeiten voranschreiten, intensiviert sich die Beziehung des Erzählers zum Vogel. Zunächst lernt er, die Falken auszumachen. Wanderfalken fliegen oft so schnell und in solcher Höhe, dass sie für das menschliche Auge vom Boden aus nicht zu sehen sind. Baker entdeckt aber, dass sich Wanderfalken lokalisieren lassen, weil sie andere Vögel in Unruhe versetzen, ähnlich wie sich die Position eines unsichtbaren Flugzeugs anhand seines Kondensstreifens bestimmen lässt. So schreibt er am 7. Oktober: »Wie flüchtige Flammen durchsengen die Falken den kalten Himmel und verschwinden spurlos im dunstigen Blau. Doch aus den unteren Luftschichten zieht eine Welle von Vögeln nach und schraubt sich durch eine weiße Spirale von Möwen in die Höhe.« (Evanescent as flame, peregrines sear across the cold sky and are gone, leaving no sign in the blue haze above. But in the lower air a wake of birds trails back, and rises upward through the white helix of the gulls.)

Indem er seine Verfolgungstaktik verbessert, kommt Baker immer näher an den Vogel heran. An einem Tag im November legt er seine Hand auf ein Stück Wiese, auf dem der Falke kurz zuvor gestanden hat, und verspürt »ein starkes Gefühl von Nähe, von Verbundenheit« (a strong feeling of proximity, identification). Im Dezember hat er sich bereits in eine Art wildes Tier verwandelt. Als er eines Nachmittags über ein Feld läuft, sieht er Federn im Wind treiben:

Eine tote Ringeltaube lag mit der Brust nach oben auf einem Ballen weicher, weißer Federn. Der Kopf war gefressen worden. [...] Die Knochen waren noch dunkelrot, das Blut noch feucht.

Ich kauerte mich über das Tier wie ein es ummantelnder Falke. Meine Augen kreisten flink, spähten nach den Köpfen herannahender Menschen. Unbewusst imitierte ich die Bewegungen des Falken, wie in einem archaischen Ritual; der Jäger, der sich in seine Beute verwandelt. [...] In diesen Tagen im Freien leben wir dasselbe rauschhafte, angsterfüllte Leben. Wir meiden die Menschen.

Die Personalpronomen erzählen die Geschichte - das ich wird zum wir , der Mensch geht in den Falken über.

Warum sollte ein Mann zum Vogel werden wollen? Mit acht Jahren war Baker an rheumatischem Fieber erkrankt, von dem er ein lebenslanges Arthritisleiden davontrug. Sein Zustand verschlechterte sich, die Krankheit breitete sich aus, von den Knien zur Hüfte, dann zu den Händen. Codein linderte die Schmerzen, löschte sie aber nicht aus, und er bekam zeitweilig Goldinjektionen in die Gelenke, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Als er den Wanderfalken schrieb, krampften und krümmten sich Bakers Hände zunehmend zusammen, so dass sie eher Krallen denn Fingern glichen. Mit dieser Enthüllung will ich mich nicht dem Wunsch des Buches nach Diskretion widersetzen, es ist ja stets zu spüren, dass der Erzähler an einer tiefen Wunde, ob seelisch oder körperlich, leidet, die seine Wahrnehmung mit »Trübnis« (dimness) und »Trostlosigkeit« (desolation) färbt, wie sie aber zugleich sein Bewusstsein für Schönheit schärft.

Bakers Krankheit erklärt auch bis zu einem gewissen Grad das zentrale Drama des »Jägers, der sich in seine Beute verwandelt« (the hunter becoming the thing he hunts). Denn wer sich mittels intensiver Fokussierung in ein anderes Wesen verwandelt, entkommt damit auf eine Art seinem eigenen Leiden. Es ist eine Selbstzerstörung, die zur Wiederauferstehung führt. Darin erinnert es an Keats´ berühmte Doktrin der »negativen Befähigung« (negative capability), jenes »poetischen« Vermögens, sich so umfassend in ein anderes Wesen zu entleeren, dass man nicht nur wie dieses Wesen denkt, sondern dazu wird. Keats´ Gedanken über dieses Thema wurden, wie der Zufall es will, von einem Vogel ausgelöst: »Oder wenn ein Sperling an mein Fenster kommt«, schreibt er im November 1817, »dann schlüpfe ich in seine Existenz und picke im Kies herum ... // [so] dass ich in kurzer Zeit ausgelöscht bin.«1 Selbstauslöschung war auch Bakers Ziel.

Doch nicht nur Baker hat in Der Wanderfalke zu leiden. Die Falken selbst sind bedroht. Das Buch erschien erstmalig im Jahr 1967. Bereits 1962 hatte Rachel Carson in ihrem Werk Der stumme Frühling die Weltöffentlichkeit gewarnt, wie verheerend sich der Einsatz von Pestiziden auf die Vogelbestände auswirkte. Ein Jahr später veröffentlichte der britische Greifvogelspezialist Derek Ratcliffe einen aufsehenerregenden Artikel über die schrecklichen Folgen der Agrarchemie für die Population der Wanderfalken in Großbritannien2. 1939 gab es laut Ratcliffes Aufzeichnungen siebenhundert Wanderfalkenpaare in Großbritannien; eine Erhebung aus dem Jahr 1962 zeigte einen Rückgang der Bestände um 50 %, wobei nur achtundsechzig Paare erfolgreich Junge großzogen. Die Jahre, in denen Baker die Feldforschung für sein Buch unternahm, waren die Jahre, in denen den Wanderfalken in...
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Autor

Über John Alec Baker, geboren 1926 in Chelmsford, Ostengland, wo er 1986 starb, ist wenig bekannt. Er arbeitete als Bibliothekar, widmete sein Leben aber weitgehend der Vogelbeobachtung. Neben »The Peregrine« veröffentlichte er nur ein weiteres Werk, The Hill of Summer.Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign und lebt als freie Schriftstellerin und Buchgestalterin in Berlin. Sowohl ihr Atlas der abgelegenen Inseln als auch ihr Bildungsroman Der Hals der Giraffe wurden von der Stiftung Buchkunst zum »Schönsten deutschen Buch« gekürt. Für ihr Verzeichnis einiger Verluste erhielt sie 2018 den Wilhelm-Raabe-Preis. Seit dem Frühjahr 2013 gibt sie die Reihe Naturkunden heraus.Andreas Jandl, 1975 geboren, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Redaktionsassistent, Dramaturg und Übersetzer aus dem Englischen und Französischen. Zu seinen Übersetzungen gehören Theaterstücke und Romane u.a. von Daniel Danis, Nicolas Dickner, Mike Kenny, Michael Mackenzie, Gaétan Soucy und Jennifer Tremblay.Frank Sievers, 1974 geboren, ist freier Übersetzer aus dem Englischen und Französischen und Theater-Performer. Zusammen mit Andreas Jandl erhielt er 2017 den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis für Der Wanderfalke von J. A. Baker.
Weitere Artikel von
Baker, John Alec