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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
484 Seiten
Deutsch
Hirnkosterschienen am30.03.20241. Auflage
'Alles beginnt mit der Vorstellung des Möglichen und des Unmöglichen und der Erzählung davon.' Über 400 Autorinnen und Autoren sind dem Aufruf gefolgt, sich mit dem Klima und möglichen Zukünften auseinanderzusetzen und diese literarisch vorzustellen. Jugendliche und Erwachsene, Profis und Erstveröffentlichende. In diesem Band sind 23 ausgewählte Erzählungen versammelt, allesamt Facetten einer möglichen Antwort auf die Frage: Wie wird das Leben in Deutschland, Europa und der Welt im Jahre 2050 aussehen? Der Literaturwettbewerb 'Klimazukünfte 2050' wurde vom Klimahaus Bremerhaven, dem Hirnkost Verlag und Fritz Heidorn ins Leben gerufen. Er wird unterstützt durch den Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller VS, Writers For Future, books 4 future und Respekt! - Die Stiftung.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
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Produkt

Klappentext'Alles beginnt mit der Vorstellung des Möglichen und des Unmöglichen und der Erzählung davon.' Über 400 Autorinnen und Autoren sind dem Aufruf gefolgt, sich mit dem Klima und möglichen Zukünften auseinanderzusetzen und diese literarisch vorzustellen. Jugendliche und Erwachsene, Profis und Erstveröffentlichende. In diesem Band sind 23 ausgewählte Erzählungen versammelt, allesamt Facetten einer möglichen Antwort auf die Frage: Wie wird das Leben in Deutschland, Europa und der Welt im Jahre 2050 aussehen? Der Literaturwettbewerb 'Klimazukünfte 2050' wurde vom Klimahaus Bremerhaven, dem Hirnkost Verlag und Fritz Heidorn ins Leben gerufen. Er wird unterstützt durch den Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller VS, Writers For Future, books 4 future und Respekt! - Die Stiftung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783949452949
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum30.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten484 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2273 Kbytes
Artikel-Nr.14267608
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Lisa Brenk
DIE KATASTROPHENMALERIN

Zufrieden streife ich meinen Pinsel im Farbenglas aus und trete einen Schritt zurück.

Ein neues Katastrophengemälde ist fertig. Für den Hintergrund wählte ich ein wunderbares Sturmwolkenblau. Darüber tanzt in goldglühenden Linien der Feuerwirbelsturm.

Ich strecke mich genüsslich, wie mein Stubentiger Celsius es gerne tut. Der liegt drüben am Holzofen, schnurrt schlaftrunken und beobachtet die Novemberflocken, die am Fenster vorbeitrudeln. Der Silberhalbmond wirft sein Leuchten in meine Dachwohnung. Ich nehme mir die Zeit, einen Blick hinauszuwerfen.

Es ist weit nach Mitternacht, und die nachtumhüllten Straßen liegen verlassen da.

Ich gieße mir eine Tasse Tee ein und begebe mich in meinen Lesesessel. Reibe mir Farbreste von der Haut und strecke die Füße auf dem Hocker aus.

Von meinem Ohrensessel aus kann ich einen guten Blick auf meine Galerie der Katastrophengemälde werfen.

Der Feuerwirbelsturm mit seinen goldglühenden Farben passt hervorragend zu den Hochwasserbildern in Meeresgrün. Zu den kraftdurchsprühten Schneelawinen-Porträts und den kontrastreichen Betonstadtwerken in Gewitternachtschwarz.

Ein leises Pochen an der Tür durchbricht die Stille.

»Herein!«, rufe ich, ohne den Blick von meinen Bildern zu nehmen.

Leise quietschend öffnet sich die Tür, ein kalter Hauch fährt in meine Stube.

Flüsterleise schleicht sich ein klapperbeiniger Mann herein. Die dürren Hände hält er hinter dem Rücken verschränkt, das harsche Gesicht ist blasskalt. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Was für ein merkwürdiger nächtlicher Besucher.

»Sie sind die Katastrophenmalerin.«

Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.

Ich nicke trotzdem und wackele mit meinen Füßen, die in dicken, handgestrickten Wollsocken stecken.

»Und wer sind Sie?«, frage ich zurück und nehme Celsius in Empfang, der auf meinen Schoß gesprungen ist, als wolle er mich vor dem Neuankömmling beschützen.

Sanft streichle ich durch sein wolkengraues Fell.

Der Mann dreht sich zu mir um und sieht auf mich herab.

»Mein Name tut an dieser Stelle nichts zur Sache. Ich bin aus rein geschäftlichen Gründen hier und nicht für eine Mitternachtsplauderei.«

»Hm. Also ich hätte nichts gegen eine Mitternachtsplauderei. In der Küche habe ich noch Zwetschgenkuchen und Sojaschlagsahne, wenn Sie Lust haben. In Zuckerlaune lässt es sich besser plauschen.«

Der klapperbeinige Mann verzieht das Gesicht, als sei Zwetschgenkuchen mit Schlagsahne eine üble Beleidigung. Er strafft die Schultern und sein Arm weist harsch auf meine Gemälde.

»Ich werde sie alle kaufen!«, sagt er bestimmt und zieht einen Geldbeutel aus schwarzem Leder hervor.

Mit flinken, geübten Fingern fährt er raschelnd durch altmodische Geldscheine. Ein Relikt aus der Vergangenheit. Er pflückt ein Bündel heraus und fächert es auf.

»Wie viel?«

Ich richte mich in meinem Sessel auf und verschränke die Arme. Lege den Kopf schräg und tue so, als müsse ich länger darüber nachdenken, dabei steht meine Antwort schon fest.

»Nun sagen Sie schon!«, drängt der Mann.

Er kommt etwas näher. In seinen Kleidern hängt der Geruch von abgeriebenen Autoreifen, geschmolzenem Plastik und ein rauchiger Hauch von Barbecue.

»Die Katastrophen sind nicht zu verkaufen«, sage ich mit fester klarer Stimme.

Die Miene des Mannes verhärtet sich.

»Alles hat seinen Preis! Sagen Sie mir wie viel!«

Er zieht noch mehr Geldscheine hervor und fuchtelt damit so wild vor meiner Nase herum, dass einige davonsegeln und auf den Holzdielen liegenbleiben.

Ich schenke dem armen Mann ein Lächeln und ziehe entspannt die Beine unter mich. Dann greife ich zu meiner Teetasse.

»Wollen Sie einen grünen Tee? Oder einen Holunderblütensaft?«

»Ich will diese Katastrophen!«, platzt es aus dem Mann heraus. »Ich will Ihre Lawinenporträts und Feuerstürme und vor allem die Dürremalereien. Die Meerwasserfluten, die Klimaflüchtlingsbilder und die Betonwüsten!«

Er dreht sich ruckartig zu meiner Galerie um und schleicht lauernd um meine Gemälde. Mit dürren Fingern streicht er über die Rahmen.

Mir läuft ein weiterer Schauer über den Rücken, als hätten die kalten Finger soeben meinen eigenen Nacken gestreift.

Ich räuspere mich.

»Diese Gemälde sind nicht zu verkaufen, und ehrlich gesagt befinde ich mich schon in einer guten Schlummerlaune.«

Ich gähne demonstrativ und verrücke Celsius um ein paar Grad. »Ohne die Bilder werde ich nicht gehen!«

Der Mann bleibt vor den Gemälden stehen und hebt den Zeigefinger.

»Wissen Sie, was da draußen los ist?«

»Auf meiner Dachterrasse?«, frage ich unschuldig.

»Nein, da draußen in der Welt.«

Er macht eine ausladende Geste.

»Nun, das Jahr 2050 neigt sich dem Ende zu. Die letzten Tage verstreichen wie ein Flügelschlag. Kerzen und Lichter werden bald die Dunkelheit erhellen. Eine bücherlustige Zeit bricht an, mit Morgennebelduft und Waffelbacken. Mit Puderzuckerschnee und Glanzgewimmel. Mit geheimnisdurstigen Herzen und zerstürmten Seelen.«

Ich male mit Worten meine liebste Jahreszeit für den nächtlichen Besucher. Doch meine farbfunkelnde Erzählung perlt an ihm ab wie an einem gut gewachsten Einschlagpapier.

Sein Gesicht bleibt leidzerknirscht. Die knochigen Glieder verschränken sich und falten sich wieder auf wie die Flügel einer Fledermaus.

»Humbug. Ich meine die Menschen. Ihr Verhalten. Ihre Einstellung. Das, was sie tun!«

Der Mann beginnt mit weiten Schritten auf- und abzugehen. Dreck bröckelt von seinen Stiefeln auf meinen gewebten Ringelteppich.

»Es hilft nichts, es hilft nichts. Ich brauche diese Katastrophen!«

Ein weiteres Händeringen.

»So geht das nicht weiter!«

Er beugt sich tief über eine Leinwand, als wolle er in die gemalten Fluten eintauchen.

Sein Schemen wächst an der Wand empor. Der flackernde Kamin lässt ein wahres Schattengewimmel erscheinen.

Celsius streckt seine Krallen aus. Ich spüre sie stechend in meinem Oberschenkel. Ich rutsche auf meinem Sessel herum.

»Es lief alles so gut. Ich hatte sie genau dort, wo ich sie haben wollte. Diese angenehm explosive Stimmung. Das Pulverfass, an dem nur ein Funke fehlte. Die herrliche Gedankenlosigkeit an einer Stelle, das Zerdenken an einer anderen. Wie sie sich taub stellten. Wie sie wegschauen konnten.«

Er wirbelt herum und streckt anklagend den Finger in meine Richtung.

Celsius grollt.

»Was habe ich damit zu tun?«, frage ich unschuldig lächelnd. »Ich bin eine Katastrophenmalerin, mehr nicht.«

Ich verspüre das Bedürfnis aufzustehen, also setze ich Celsius sanft auf den Boden und drücke den Rücken durch.

Draußen vor dem Fenster bricht bereits die Zwielichtstunde an.

»Nur eine Katastrophenmalerin!«, echot der Mann mit glücksfremder Miene.

»Was die Menschen da draußen tun, hat nichts mit meinen Werken zu tun«, behaupte ich und schreite zu meiner Galerie.

Werfe prüfend einen Blick auf meine Lawinenporträts. Beobachte die funkelnden Eiskristalle, an denen ich so lange gesessen habe. Celsius streicht mir um die Beine und lässt den Besucher dabei nicht aus den Augen.

»Außerdem gehe ich nicht so oft vor die Tür und unter Menschen. Ich brauche nur mein Atelier, die Dachterrasse und den kleinen Garten mit der Zitterpappel und der Silberweide. Den alten Apfelbaum und das Schilfgeflüster am Abendteich.«

Im Licht des Feuers wirken die Züge des Besuchers scharfkantig.

»Die Menschen haben ihre Angst verloren. Ihre Herzen sind plötzlich mit Mut und Hoffnung gefüllt«, zischt er, und ein Spucketropfen fliegt von seinen spröden Lippen.

»Ihre Augen sind wieder mit dem Funken der Neugierde beseelt. Sie trauen sich hinzusehen. Sie beginnen zu lieben und zu hoffen.«

Bei den letzten Worten überschlägt sich seine krächzende Stimme vor Abscheu.

»Wer, wenn nicht ich,...
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