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Fremde am Pier

von
Aw, TashpociaoÜbersetzungHollanda, Roberto deÜbersetzung
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.09.2024
»Wir wollen, dass der Fremde einer von uns ist, jemand, den wir verstehen können.« Tash Aw erzählt mit Blick auf seine malaysisch-chinesische Familie eine zutiefst persönliche Geschichte des modernen Asiens.
Vielleicht beginnt alles an der Universität in England. Da sitzt er beim Lunch inmitten von Kommilitonen, die ihren Stammbaum Generation um Generation herunterbeten können. Und er? Weiß nicht einmal genau, wo seine Großmutter aufgewachsen ist. Tash Aw macht sich auf die Suche, und was er findet, ist nichts weniger als der Kontinent, den er in sich trägt. Von einer Taxifahrt durch das heutige Bangkok über die Besuche bei Kentucky Fried Chicken im Kuala Lumpur seiner Kindheit bis zu den gefährlichen Bootsüberfahrten von China nach Malaysia, die seine Großväter in den Zwanzigerjahren antraten. Aw verwebt die Geschichten seiner Vorfahren mit seinen eigenen Erfahrungen, malt Bilder von ländlichen Dörfern und Nachtclubs in Megacitys. Er zeigt die schwindelerregende Vielfalt von Sprachen, Dialekten und Slangs und zeichnet damit das komplexe und lebendige Porträt Asiens.

Tash Aw wurde als Kind malaysischer Eltern 1971 in Taiwan geboren und wuchs in Kuala Lumpur auf. Er studierte Jura in Großbritannien, veröffentlichte mehrere Romane und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Commonwealth Writers' Prize und dem Whitbread First Novel Award, und zweimal für den Man Booker Prize nominiert. Sein Werk ist in 23 Sprachen übersetzt. Tash Aw lebt vorwiegend in der Provence und kommentiert u. a. für die »New York Times« und die BBC Kultur und Politik im südostasiatischen Raum.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

Klappentext»Wir wollen, dass der Fremde einer von uns ist, jemand, den wir verstehen können.« Tash Aw erzählt mit Blick auf seine malaysisch-chinesische Familie eine zutiefst persönliche Geschichte des modernen Asiens.
Vielleicht beginnt alles an der Universität in England. Da sitzt er beim Lunch inmitten von Kommilitonen, die ihren Stammbaum Generation um Generation herunterbeten können. Und er? Weiß nicht einmal genau, wo seine Großmutter aufgewachsen ist. Tash Aw macht sich auf die Suche, und was er findet, ist nichts weniger als der Kontinent, den er in sich trägt. Von einer Taxifahrt durch das heutige Bangkok über die Besuche bei Kentucky Fried Chicken im Kuala Lumpur seiner Kindheit bis zu den gefährlichen Bootsüberfahrten von China nach Malaysia, die seine Großväter in den Zwanzigerjahren antraten. Aw verwebt die Geschichten seiner Vorfahren mit seinen eigenen Erfahrungen, malt Bilder von ländlichen Dörfern und Nachtclubs in Megacitys. Er zeigt die schwindelerregende Vielfalt von Sprachen, Dialekten und Slangs und zeichnet damit das komplexe und lebendige Porträt Asiens.

Tash Aw wurde als Kind malaysischer Eltern 1971 in Taiwan geboren und wuchs in Kuala Lumpur auf. Er studierte Jura in Großbritannien, veröffentlichte mehrere Romane und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Commonwealth Writers' Prize und dem Whitbread First Novel Award, und zweimal für den Man Booker Prize nominiert. Sein Werk ist in 23 Sprachen übersetzt. Tash Aw lebt vorwiegend in der Provence und kommentiert u. a. für die »New York Times« und die BBC Kultur und Politik im südostasiatischen Raum.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641293581
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.09.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse1277 Kbytes
Artikel-Nr.14279000
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zwei

Meine beiden Großväter lebten an den Ufern breiter, schlammiger Flüsse tief im malaysischen Landesinneren, jeder auf einer Seite der dicht bewaldeten Bergkette, die das Land in zwei Hälften teilt. Der eine besaß einen Laden, der andere war Dorfschullehrer. Einer wohnte in Perak, in einer kleinen Stadt namens Parit, nicht weit von Batu Gajah, das wiederum nicht weit von Ipoh entfernt ist, der Hauptstadt des Bundesstaates. Der andere führte ein eher rastloses Leben und zog von einer abgelegenen Dschungelstadt zur nächsten - Tumpat, Temangan -, bevor er sich endgültig in Kuala Krai niederließ, im Herzen des islamischen Staates Kelantan an der entlegenen Nordostküste Malaysias. Einer war Hokkien, sprach Minnan und kam aus der Provinz Fujian, der andere stammte von der Insel Hainan, ganz im Süden von China, im Südchinesischen Meer, etwa auf halber Höhe der vietnamesischen Küste und nur ein paar Tage mit dem Schiff von Malaysia entfernt.

(Eine kurze Anmerkung: Hokkien, Hainanesisch; dazu kommen noch Kantonesisch, Hakka, Teochew. Die unterschiedlichen regionalen Wurzeln chinesischer Migranten in Südostasien. Merkt sie euch; sie sind wichtig für diese Geschichte.)

Meine Großväter hatten beide irgendwann in den 1920er-Jahren die gefährliche Bootsfahrt von Südchina zur malaiischen Halbinsel hinter sich gebracht. Sie waren gerade mal Teenager, als sie die Reise antraten: auf der Flucht vor einem China, das von Hungersnot geplagt im Bürgerkrieg zerfiel. Ich glaube nicht, dass ihre Familien sich mit Chinas politischen Wirren während der Warlord-Ära auskannten. Vielleicht wussten sie, dass die Qing-Dynastie vor Kurzem zu Ende gegangen war und sie keinen Kaiser mehr hatten. Aber sie hätten nicht verstanden, was es bedeutet, in den gerade erst entstandenen Ruinen einer tausendjährigen Kaiserherrschaft zu leben, hätten die Komplexität des zunehmend erbitterten Konflikts zwischen Chiang Kai-sheks nationalistischen Kuomintang und der aufkommenden Macht der Kommunistischen Partei nicht erfassen können. Es war ihnen nicht bewusst, dass sie in einer folgenschweren Zeit lebten, in einem Zeitalter, das alle anderen Zeitalter beenden sollte, zu Beginn eines Romans, dessen mittleren Kapiteln wir uns heute erst nähern. Sie lebten in einer Zeit, in der die Weichen dafür gestellt wurden, dass China hundert Jahre später die Vorstellungskraft der Welt würde beherrschen können; aber sie würden nicht miterleben, wie ihr Land zur Fabrik der Welt wurde, zum weltweit größten Konsumenten von Luxusgütern, zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, die nur die Macht der Vereinigten Staaten respektiert. In diesen wenigen Jahren hatten sie mit Blick auf ihre Zukunft als Erwachsene nur ein Ziel vor Augen: der erdrückenden Armut zu entkommen.

Und in jenen Zeiten führten die Wege zur Rettung fast unausweichlich in die warmen, fruchtbaren Länder, die sich südlich von China über einen riesigen Archipel erstreckten, wo die chinesischen Kaiser ein jahrhundertealtes Netz von Handelsrouten und uralten Beziehungen auf der Grundlage von Vasallen und tributpflichtigen Staaten aufgebaut hatten, mit den Häfen von Singapur und Malakka im Epizentrum. Dies war ein Land der Verheißung, das die Chinesen als Nanyang, südlicher Ozean, bezeichneten.

Manchmal, wenn ich in New York oder Shanghai ankomme, alten Hafenstädten, die Generationen von Einwanderern angezogen haben, ertappe ich mich dabei, wie ich mir die Ankunft meiner Großväter an den Docks von Singapur vorstelle, an einem unbekannten Ort, dessen Anblick und Geräusche dennoch unglaublich tröstlich gewesen sein müssen. Die Temperatur: heiß und feucht, genau wie in den langen Sommern ihrer Heimat. Hier wird es keine kühle Jahreszeit geben, keine kurze Verschnaufpause von Hitze und Regen, aber das wissen sie noch nicht. Die Landschaft: immergrüne Laubbäume und Wasserwege, die Nähe des Meeres. Auch das fast wie zu Hause. Es riecht nach feuchter Erde und faulender Vegetation; nach Essen, nach Möglichkeiten. Aber vor allem sind es die Menschen, die ihnen das Gefühl vermitteln, hier leben zu können. Dies ist eine britische Kolonie, aber auch eine Stadt des freien Handels, damals wie heute. Ausländer kommen leicht an, finden leicht Arbeit; sie bleiben. Nach achtzig Jahren Einwanderung aus China, seit der Einführung einer britischen Verwaltung und der Erschließung natürlicher Ressourcen durch die Kolonialregierung wimmelt es in Singapur von Chinesen - Fabrikarbeitern, Hafenarbeitern, Nachkommen der Zwangsarbeiter in den malaiischen Zinnminen und Plantagen, aber auch Händlern und Gewerbetreibenden, Künstlern und Schriftstellern. Es gibt chinesische Zeitungen, chinesische Geschäfte mit chinesischen Schildern in eleganten traditionellen Schriftzeichen, chinesische Schulen, sogar eine chinesische Bank - die Overseas Chinese Bank. Meine Großväter sind nicht allein, und sie sind tatsächlich mehrere Generationen davon entfernt, Pioniere zu sein.

Von hier aus suchen sie die Person auf, deren Name und Anschrift sie erhalten haben. Sie bewahren diese Informationen auf einem Zettel auf, es ist ihr wertvollster Besitz. Alle anderen Personen auf dem Schiff haben ein ähnliches Stück Papier mit dem Namen eines Verwandten oder vielleicht jemandem aus ihrem Dorf, der irgendwann in der Vergangenheit weggezogen ist und sich irgendwo in Nanyang niedergelassen hat. Doch wohin soll man gehen, wie findet man diese Kontakte? Noch kennt niemand die Geografie dieses fremden und doch vertrauten Ortes; weiß niemand, wie weit Kota Bharu von Singapur entfernt ist, oder ob Jakarta näher an Malakka liegt als Penang. Bangkok ist irgendwo nördlich von hier, aber wie weit entfernt? Sie stehen an den Docks und rätseln, wohin sie als Nächstes gehen sollen.

Fremde, verloren an einem Pier.

Ich denke oft an dieses Bild. Zum Beispiel, als ich vor ein paar Jahren in Marokko war und mich in Marrakesch mit einem jungen Mann unterhielt. Er hatte keine Arbeit und auch keine Hoffnung, eine zu bekommen. Er wollte nach New Jersey, weil er dort einen Onkel hatte. Er plante, irgendwie nach London zu gelangen und dann einfach ... nach Amerika »rüberzuspringen«. Oder als ich bei meinem letzten Besuch in Jakarta auf einen Taxifahrer traf, der meinte, Großbritannien und die Niederlande seien fünf, sechs Stunden von Indonesien entfernt, und es wäre vielleicht keine schlechte Idee, sich dort um einen Job zu bemühen. Ich erzählte ihm, dass der Flug vierzehn Stunden dauert; er glaubte mir nicht. Er pfiff durch die Zähne und sagte: Quatsch, in der Zeit könnte man bis nach Grönland kommen.

Meine Großväter. Fremde, verloren an einem Pier.

Jetzt sind diese regionalen Identitäten - Hokkien, Kantonesen, Teochew, Hainanesen - für die neuen Einwanderer aus China entscheidend. Dabei geht es nicht um Identität - jedenfalls noch nicht -, sondern ums Überleben. Ihr Heimatdorf und der Dialekt, den sie sprechen, sorgen dafür, dass sie in diesem neuen Land nicht untergehen. Später werden diese Merkmale die Richtung ihres neuen Lebens beeinflussen, sehr wahrscheinlich auch das ihrer Kinder und vielleicht sogar Kindeskinder. Denn die Person, deren Adresse sie jetzt suchen, wird ein Landsmann sein, ein Hokkien oder Kantonese, jemand, der ihnen zuerst ein Bett und etwas zu essen besorgen kann und dann über ein Netzwerk von Kontakten verfügt, die ihnen bei der Suche nach Arbeit helfen werden. Wenn es keine echten Blutsverwandten sind, werden sie für den frischgebackenen Migranten so etwas wie eine erweiterte Familie sein. Für den Rest ihres Lebens werden diese Neuankömmlinge ihre Adoptivfamilien in Erinnerung behalten, und auch die Herzlichkeit, die ihnen in diesen ersten Tagen entgegenschlug. Uncle, Auntie - so werden sie die älteren Mitglieder des Clans nennen. Das ist eine traditionelle chinesische Praxis, die hier in Nanyang besonders eifrig fortgeführt wird, sodass ihre Enkelkinder zwei Generationen später nicht mehr so genau wissen, ob jemand tatsächlich ihr Onkel oder ihre Tante ist, oder nur ein Fremder, der ihren Großvater einst bei sich aufgenommen hat.

Viel später werden diese großen zusammengestückelten Clans wie die baufälligen Häuser, in denen sie jetzt wohnen, zerfallen und weiterziehen. Es wird Familienfehden geben, und die Leute werden Dinge sagen wie: »Wir sind nicht einmal richtig mit ihr verwandt.« Familien driften auseinander, ihre Nachkommen heiraten, wandern nach Kanada, Australien oder in die Staaten aus und wissen nicht mehr, wie sie die Älteren ansprechen sollen, wissen nicht, welche respektvolle Anrede sie für jemanden verwenden sollen, der eine Generation über oder unter ihnen steht, sie beherrschen nicht mehr den Dialekt, der ihren Clan von anderen unterschied, wissen nicht einmal, was Teochew-Essen ist, finden garantiert nicht Xiamen auf einer Landkarte und, was am schlimmsten ist, können ihre eigenen Namen nicht auf Chinesisch lesen. Sie kommen vom College zurück und grüßen einen jungen Onkel - keinen echten, sondern einen generationellen, vielleicht jemanden, der auf die jüngeren Kinder aufgepasst hat, wenn die Eltern arbeiten gingen - mit einem lässigen »Hallo, Alter«. Sie konvertieren höchstwahrscheinlich zum Christentum. Heiraten vielleicht sogar Muslime. Es wird mühsam sein, sie daran zu erinnern, dass sie Hokkien oder Hakka sind oder was auch immer, und sie werden einem erklären, dass es nicht wirklich wichtig ist, was schon in Ordnung geht, weil sie jetzt in Sacramento, Vancouver oder Melbourne leben. Aber dann begegnen sie eines Tages einem jungen Weißen, der soeben sein Asienwissenschaftsstudium abgeschlossen und ein Auslandsjahr in Beijing verbracht hat und sie fragt: Welchen Dialekt sprecht ihr zu...

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Autor

Aw, TashpociaoÜbersetzungHollanda, Roberto deÜbersetzung
Tash Aw wurde als Kind malaysischer Eltern 1971 in Taiwan geboren und wuchs in Kuala Lumpur auf. Er studierte Jura in Großbritannien, veröffentlichte mehrere Romane und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Commonwealth Writers' Prize und dem Whitbread First Novel Award, und zweimal für den Man Booker Prize nominiert. Sein Werk ist in 23 Sprachen übersetzt. Tash Aw lebt vorwiegend in der Provence und kommentiert u. a. für die »New York Times« und die BBC Kultur und Politik im südostasiatischen Raum.