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Hertzmann's Coffee

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
311 Seiten
Deutsch
Weissbooks Verlagsgesellschafterschienen am26.07.2014
Ein altes jüdisches Ehepaar in New York: Hertzmann hat mit Kaffee gehandelt und ein Imperium aufgebaut, sein Dorale ist mit ihm lebenslang durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Jetzt ist es an der Zeit, die Firma an die Kinder zu übergeben. Doch es kommt zum Eklat, zum Streit um das Erbe. Plötzlich tun sich Brüche und Abgründe in der Familie auf. Über die Vergangenheit wurde nie gesprochen; 'happy families don't have a history' - das ist Doras und Yankeles Credo, daran haben sie sich zeit ihres langen Lebens gehalten, so hat es auch immer gut funktioniert, dieses Leben. Doch der Bruch mit den Kindern setzt etwas frei in Hertzmann. Er hat von youtube gehört. Von persönlichen Filmen im Internet. Er fasst einen Entschluss. Nachts setzt er sich, allein in seinem Studio, vor eine Videokamera - und erzählt. Hertzmann's Coffee ist eine große Familien- und Unternehmensgeschichte, eine Geschichte aus New York, Berlin und Caracas, eine Liebesgeschichte. Archaisch, bewegend, bildreich und voller Humor.

Vanessa F. Fogel, 1981 als Tochter einer Architektenfamilie in Frankfurt am Main geboren, wuchs in Deutschland, Israel und den USA auf und fühlt sich in allen drei Kulturen zugleich zu Hause. Sie studierte Komparatistik an der Cornell University in New York und Englisch mit einem Fokus auf Kreatives Schreiben an der Bar-Ilan Universität in Tel Aviv. Vanessa F. Fogel hat für Kunstgalerien, als Chefredakteurin des Graphis-Magazins und für einen international anerkannten Video-Künstler gearbeitet. Seit 2009 verbringt die Schriftstellerin viel Zeit in Tel Aviv. ??
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Produkt

KlappentextEin altes jüdisches Ehepaar in New York: Hertzmann hat mit Kaffee gehandelt und ein Imperium aufgebaut, sein Dorale ist mit ihm lebenslang durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Jetzt ist es an der Zeit, die Firma an die Kinder zu übergeben. Doch es kommt zum Eklat, zum Streit um das Erbe. Plötzlich tun sich Brüche und Abgründe in der Familie auf. Über die Vergangenheit wurde nie gesprochen; 'happy families don't have a history' - das ist Doras und Yankeles Credo, daran haben sie sich zeit ihres langen Lebens gehalten, so hat es auch immer gut funktioniert, dieses Leben. Doch der Bruch mit den Kindern setzt etwas frei in Hertzmann. Er hat von youtube gehört. Von persönlichen Filmen im Internet. Er fasst einen Entschluss. Nachts setzt er sich, allein in seinem Studio, vor eine Videokamera - und erzählt. Hertzmann's Coffee ist eine große Familien- und Unternehmensgeschichte, eine Geschichte aus New York, Berlin und Caracas, eine Liebesgeschichte. Archaisch, bewegend, bildreich und voller Humor.

Vanessa F. Fogel, 1981 als Tochter einer Architektenfamilie in Frankfurt am Main geboren, wuchs in Deutschland, Israel und den USA auf und fühlt sich in allen drei Kulturen zugleich zu Hause. Sie studierte Komparatistik an der Cornell University in New York und Englisch mit einem Fokus auf Kreatives Schreiben an der Bar-Ilan Universität in Tel Aviv. Vanessa F. Fogel hat für Kunstgalerien, als Chefredakteurin des Graphis-Magazins und für einen international anerkannten Video-Künstler gearbeitet. Seit 2009 verbringt die Schriftstellerin viel Zeit in Tel Aviv. ??
Details
Weitere ISBN/GTIN9783863370572
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum26.07.2014
Seiten311 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1151 Kbytes
Artikel-Nr.14280658
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe
CARACAS, VENEZUELA

Nur wer über sich und seine Zeit schreibt, schreibt über alle Menschen und alle Zeiten.
George Bernard Shaw
Wenn meine Mutter gestorben ist
Wenn meine Mutter gestorben ist, dann werde ich ganz allein sein auf der Welt. Der Satz läuft als Endlosschleife in meinem Kopf ab und klingt so zerkratzt wie eine alte Schallplatte von Oscar D'Leon. Heute Morgen habe ich ihn sogar aufgeschrieben. Während ich fein geschnittene Zwiebeln, Tomaten und Paprika andünstete, schrieb ich ihn in großen Buchstaben auf zwei gelbe Klebezettel. Den einen pappte ich an den Kühlschrank, dann stellte ich mich wieder an die Pfanne und verquirlte Eier unter das Gemüse.

Mein Perico gelingt mir fast immer, aber heute Morgen gelang er mir noch besser als sonst; er schmeckte würzig und herzhaft und erinnerte mich daran, wie sie das üblicherweise zubereitet hat. Als mein Teller leer war, ging ich ins Badezimmer und klebte den zweiten Zettel mitten auf den Spiegel über dem Waschbecken. Ich putzte mir die Zähne, während das gelbe Post-it mich widerwillig anstarrte. Drumherum spiegelte sich mein Gesicht; ich war der Rahmen, und es war das Bild. Als die Zahnpasta in meinem Mund schäumte, konnte ich Mama sagen hören: »Putz dir die Zähne, wenn du sie lange behalten willst«. Es war die Stimme, die sie vor über vierzig Jahren besaß, als ich noch ein Kind war.

Wenn meine Mutter gestorben ist, dann werde ich ganz allein sein auf der Welt. Mit diesem Gedanken wache ich auf und mit ihm schlafe ich ein, seit es passiert ist, vor wenigen Wochen, am ersten April.

Mit vollem Magen steige ich auf das mit roten Lehmziegeln gedeckte Dach meines Hauses. Ich stelle mich auf seine Plattform. Mein allerliebster Ort in ganz Caracas. Die Sonne ist untypisch heftig, und ich fühle, wie sich Schweiß auf meiner Stirn bildet. Ich trete an die Kante des Dachs und sehe mir die Nachbarhäuser an, kann aber kaum mehr erkennen als schützende Elektrozäune und himmelhohe Sicherheitstore.

Auf ihr Fenster habe ich eine uneingeschränkte Sicht; sie wohnt nur drei Häuser entfernt von mir und meinem Haus, das ich von meiner Großmutter geerbt habe, von ihrer Mutter, kurz nachdem meiner Großmutter zugestoßen war, was allen Menschen zustößt. Mamás Vorhänge sind fast komplett geschlossen, nur in der Mitte klafft ein schmaler Spalt, der den Anschein erweckt, als könne man durch ihn etwas Verborgenes sehen. Aber da ist nichts verborgen; ich weiß genau, was hinter dem Vorhang los ist. Sie liegt im Bett, bis zu ihrem Kinn bedeckt von einem weißen Baumwolllaken mit roter Blumenstickerei. Sie ist gelähmt oder erstarrt oder so reg- und leblos wie jedes Möbelstück in ihrem Zimmer. Genauso leblos wie der Patientenmonitor zu ihrer Rechten und der Tropf zu ihrer Linken. Sie ist das genaue Gegenteil von Maria, der scharfen Maria, der lebhaften Krankenschwester, die um meine Mutter herumscharwenzelt und sie hingebungsvoll pflegt.

»José-Rafael, du bist alles, was ich mir immer gewünscht habe«, hatte sie am Tag von Alejandros Beerdigung zu mir gesagt. Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, deckte Mamá mich zu. Sie saß auf der einen Seite meines Bettes, Vater auf der anderen. Keiner von beiden hatte bemerkt, dass ich keinen Pyjama trug, sondern ein ganz normales T-Shirt. Sie hatten nicht bemerkt, dass es sein T-Shirt war.

»Du bist mein liebes Kind«, sagte sie, bevor ich einschlief. Bei diesen Worten starrte Papá sie an, als hätte sie den Verstand verloren, und sie starrte zurück, als hätte sie ihn soeben gefunden. Ihre Blicke trafen sich irgendwo - in einer direkten Linie - über meinem Herzen. Ich liebte meine Mutter mehr für ihren Blick und Vater weniger für seinen.

Hier bin ich also und sammle meine Erinnerungen, wie wir als Kinder unsere Kronkorken gesammelt haben, und denke mir: Mierda, ein Mann in meinem Alter sollte seine Zeit nicht mit Kindheitserinnerungen verplempern, das ist nichts als lächerlich.

Meine Mutter meinte, was sie sagte, denn nachdem Alejandro nicht mehr da war, liebte sie mich noch stärker und kümmerte sich noch aufmerksamer um mich. Sie drückte mich öfter und fester an sich. Wann immer Mamá mich umarmte, stellte ich mir ihre Finger als Zauberstäbe vor, die mir alles gewährten, was ich mir wünschte: Brusthaar, einen unendlichen Vorrat an Taschenlampen, einen Bruder, der lebt.

Manche Leute haben, wenn sie an ihre Kindheit denken, einen bestimmten Geruch in der Nase; ich aber erinnere jene endlosen Umarmungen. In der Küche, wo der Reis auf dem Herd kochte, in der Warteschlange vor dem Kino, in der wir standen, um Karten für El Pez que Fuma zu kaufen, und unter den Palmen des Parque del Este - immerzu waren ihre Arme um mich geschlungen. Mamá hielt mich fest, als würde sie mich nie mehr loslassen; da fiel es mir leicht zu glauben, ich wäre alles, was sie sich je gewünscht hatte.

Ich schaue hinab auf eine Gruppe von Leuten, die einige Straßen weiter auf den Bus oder die camionetica warten. Zwischen ihnen stehen zwei Polizisten und ein paar Soldaten; ihre dunkelblauen und armeegrünen Uniformen bilden einen starken Kontrast zu den roten Hemden einiger Leute, die von hier oben aussehen wie blutige Striche. Eine verletzte Stadt; ich schüttele den Kopf. Ein Junge läuft barfuß durch die Menge bis zu einem Mangobaum, in dem andere Kinder herumklettern. Dann hält er an und versucht, auch eine Frucht zu schnappen.

Die meisten Menschen werden nie allein bleiben - nicht so wie ich. Sie haben einen entfernten Onkel, eine ungeliebte Schwester, ein Kind, das nicht mit ihnen spricht, oder eine liebevolle Großmutter; sie haben immerhin so viel. Oder vielleicht sogar eine gönnerhafte Tante, einen kleinen Bruder, der sie anhimmelt, oder einen Stiefcousin sechsten Grades. Irgendwen werden sie haben.

Der Mensch, auch wenn er noch so unabhängig ist, lebt vor allem für andere Menschen. Mit etwas Glück hat man mehr als eine Person, für die man lebt. »Das Leben will gelebt werden«, hat Ma immer gesagt. Aber leben ist nicht etwas, das du mit dir selbst tust; es ist keine Selbstbefriedigung.

In der Sekunde, in der es geschieht, werde ich allein bleiben wie ein ausgesetzter Welpe oder wie ein ins Heim abgeschobener Alzheimerpatient. Mierda; falls ich je Alzheimer bekomme, wird nicht einer da sein, der mich ins Heim abschiebt.

Zurück im Wohnzimmer kommt mir Carla in den Sinn. Ich gehe in mein Schlafzimmer, weil es mir naheliegender erscheint, hier an die schöne Carlita zu denken. Carla mit den Katzenaugen, den königlichen Wangenknochen und diesen Brüsten, die perfekt in meine Handflächen passten.

Es ist zehn Jahre her, dass sie mich verlassen hat. Nach ihr hat es andere Frauen gegeben, aber keine mehr, der ich so vertraute, die mich so faszinierte, und keine, die mich so erregte wie sie. Beim Gedanken an sie bekomme ich immer noch einen Steifen.

»Ich könnte dir das nie antun, José-Rafael«, sagte sie, während sie sich anzog. Ihre rosa Nippel stießen von innen gegen die hautfarbene Seide ihres Hemds.

»Ich tue es mir selbst an. Komm zurück ins Bett.«

»So einfach ist das nicht.« Sie steckte erst ein Bein in ihre Hose, dann das andere. Sie nahm den Reißverschluss fest zwischen Daumen und Zeigefinger und zog ihn hoch über den Unterleib. Während sie diese Bewegung ausführte, fragte ich mich, ob ich mir das nur einbildete oder ob sie tatsächlich körperliche Schmerzen hatte.

»Das ergibt doch keinen Sinn.« Ich setzte mich im Bett auf.

»Manchmal muss man das Jetzt der Zukunft opfern.«

»Manchmal auch nicht.«

Mit winzigen Schritten ging Carla am Fußende unseres Bettes auf und ab, dann blieb sie stehen. Sie hielt für ein paar Minuten inne, dann legte sie sich endlich wieder hin und kroch an mich heran. Nur ein paar Stunden später würde es nicht mehr unser Bett sein; es wäre wieder einmal nur meines.

Carla legte ihren Kopf auf meine Brust und schob ihre Hände unter den Kopf. Alles an ihren Bewegungen kam mir an jenem Tag intelligent vor.

»Ich könnte niemals leben mit dem Wissen, dich davon abgehalten zu haben, ein Kind zu haben.«

»Wir können adoptieren.«

»Du würdest es mir nie verzeihen. Auf lange Sicht würdest du mir vorwerfen, dir nicht das Kind geboren zu haben, das du wolltest. Ein eigenes Kind, dein Fleisch und Blut.«

»Aber ich will das nicht.« Was ich sagen wollte, war: Carlita, ich will dich noch viel mehr.

»Ich sehe doch, wie du kleine Jungs ansiehst.«

»Du weißt, warum ich sie so ansehe, mit diesem Blick«, sagte ich, »du weißt,...
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Autor

Vanessa F. Fogel, 1981 als Tochter einer Architektenfamilie in Frankfurt am Main geboren, wuchs in Deutschland, Israel und den USA auf und fühlt sich in allen drei Kulturen zugleich zu Hause.

Sie studierte Komparatistik an der Cornell University in New York und Englisch mit einem Fokus auf Kreatives Schreiben an der Bar-Ilan Universität in Tel Aviv.

Vanessa F. Fogel hat für Kunstgalerien, als Chefredakteurin des Graphis-Magazins und für einen international anerkannten Video-Künstler gearbeitet.

Seit 2009 verbringt die Schriftstellerin viel Zeit in Tel Aviv. ¿¿

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt