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'Wer nicht liebt, steht vor dem Nichts!'

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am28.08.2024
2024 - 60. Jahrestag des Deutschlandbesuchs Martin Luther Kings
Martin Luther King ist auch in Deutschland eine Ikone des gewaltfreien Widerstandes gegen Unterdrückung. Seine Lebensgeschichte ist vielfach erzählt. Weniger bekannt ist, wie sehr Kings Kampf für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit in seiner religiösen und spirituellen Haltung gründeten.
Dieser Spur folgt Michael Haspel in seinem Buch. Er macht sichtbar, wie sich in Kings Lebensweg und Widerstandskonzept religiöser Glaube, theologische Überzeugungen und politische Strategien gegenseitig beeinflussen und durchdringen. Glaube ist für King nicht ein Wohlgefühl des Getröstetseins, sondern eine Welthaltung der Liebe, die sich im Kampf für Gerechtigkeit bewährt.
Diese Botschaft verdient es, gerade angesichts der kommenden Jahrestage der Erinnerung an Martin Luther King neu gehört zu werden. Sie lädt ein zu einer befreiten und befreienden Spiritualität.
Ein frischer Blick auf die Motivation zum Widerstand bei Martin Luther King
Eine bisher zu wenig beachtete Perspektive auf sein Werk und sein Wirken
Ein Beispiel dafür, wozu Glaube und Theologie dienen können - auch heute


Dr. Michael Haspel lehrt als außerplanmäßiger Professor Systematische Theologie am Martin-Luther-Institut der Universität Erfurt und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

Klappentext2024 - 60. Jahrestag des Deutschlandbesuchs Martin Luther Kings
Martin Luther King ist auch in Deutschland eine Ikone des gewaltfreien Widerstandes gegen Unterdrückung. Seine Lebensgeschichte ist vielfach erzählt. Weniger bekannt ist, wie sehr Kings Kampf für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit in seiner religiösen und spirituellen Haltung gründeten.
Dieser Spur folgt Michael Haspel in seinem Buch. Er macht sichtbar, wie sich in Kings Lebensweg und Widerstandskonzept religiöser Glaube, theologische Überzeugungen und politische Strategien gegenseitig beeinflussen und durchdringen. Glaube ist für King nicht ein Wohlgefühl des Getröstetseins, sondern eine Welthaltung der Liebe, die sich im Kampf für Gerechtigkeit bewährt.
Diese Botschaft verdient es, gerade angesichts der kommenden Jahrestage der Erinnerung an Martin Luther King neu gehört zu werden. Sie lädt ein zu einer befreiten und befreienden Spiritualität.
Ein frischer Blick auf die Motivation zum Widerstand bei Martin Luther King
Eine bisher zu wenig beachtete Perspektive auf sein Werk und sein Wirken
Ein Beispiel dafür, wozu Glaube und Theologie dienen können - auch heute


Dr. Michael Haspel lehrt als außerplanmäßiger Professor Systematische Theologie am Martin-Luther-Institut der Universität Erfurt und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641306458
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum28.08.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse2544 Kbytes
Artikel-Nr.14290389
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2.

Die Kraft der Liebe

Kings Konzept des aktiven gewaltfreien Widerstandes

Der aktive gewaltfreie Widerstand gegen Rassismus und Unterdrückung ist eines der Markenzeichen Kings und der Bürgerrechtsbewegung.1 Das Vorbild dafür waren die gewaltfreien Aktionen Mahatma Gandhis im indischen Befreiungskampf gegen die britische Kolonialmacht. Nachdem King davon überzeugt war, den Weg des aktiven gewaltfreien Widerstandes zu gehen, hat er ein Konzept entwickelt, das wichtige Elemente von Gandhis Ansatz aufgreift. Allerdings ist Kings Konzept entscheidend vom christlichen Verständnis der Nächstenliebe (agape) geprägt. Denn für King ist es die Liebe, welche eine verändernde Kraft zum Positiven hat. Er ist davon überzeugt, dass durch die in der Gewaltfreiheit manifeste Nächstenliebe aus Rassisten Menschen werden können, die mit allen anderen Menschen respektvoll umgehen. Er vertraute darauf, dass Hass durch Liebe überwunden werden kann: »Wir müssen dem Hass mit Liebe begegnen. Wir müssen der physischen Gewalt mit spiritueller Kraft entgegentreten.«2 Vielleicht könnte man sogar sagen, dass es Kings Verständnis von Feindesliebe war, selbst den schlimmsten Feind nicht zu hassen. Liebe ist demnach, wie er öfter sagte, kein Gefühl, sondern eine Haltung, die auch in Gegnerinnen und Gegnern noch Kinder Gottes erblickt. Davon lebt das Konzept des aktiven gewaltfreien Widerstands3, das King in sechs Punkten erläutert:

»Erstens muss betont werden, dass gewaltfreier Widerstand keine Methode für Feiglinge ist. Denn es ist Widerstand.«4 Deshalb sollte man nicht denken, diese Methode könne man aus Feigheit wählen. Sie ist zwar in körperlicher Hinsicht passiv, aber spirituell aktiv gegen das Übel. In den Trainings für die gewaltfreien Protestaktionen wurde immer deutlich gemacht, dass man sich nur daran beteiligen solle, wenn man sich auch wirklich dazu in der Lage sehe. Für Menschen, die sich das nicht zutrauen oder zumuten mochten, wurden andere Aufgaben der Beteiligung und Unterstützung gesucht.

Zweitens ist es nicht die Absicht, das Gegenüber zu besiegen oder zu demütigen, sondern beim Gegenüber Freundschaft und Verständnis zu gewinnen. Denn das Ziel ist langfristig die versöhnte Gemeinschaft (beloved community).5

Drittens ist beabsichtigt, gegen die Strukturen des Bösen vorzugehen und nicht gegen Personen, die Böses tun. Nicht die Rassisten sollen besiegt werden, sondern der Rassismus.

Dazu ist - viertens - die Bereitschaft notwendig, eher selber Gewalt zu erleiden, als Vergeltung zu üben. Hier stimmt King völlig mit Gandhi überein, dass diese Bereitschaft zum Leiden essenziell sei. Dahinter steht die jeweils allerdings unterschiedlich begründete Vorstellung, dass Leiden um eines moralischen Zieles willen, erlösend bzw. befreiend (redemptive) ist.6

Deshalb ist - fünftens - im Konzept des aktiven gewaltfreien Widerstandes für King wichtig, dass nicht nur körperliche Gewalt ausgeschlossen wird, sondern auch spirituelle. Deshalb soll gegenüber Feinden nicht nur keine Gewalt angewendet werden, sondern auch der Hass auf sie ist zu vermeiden. Angesichts der jahrhundertelangen Unterdrückung, Misshandlung und Demütigung Schwarzer Menschen im Süden der USA durch Weiße ist dies keine geringe Zumutung. Aber in Kings Perspektive ist dies ganz zentral: Die Liebe hat verändernde Kraft. Deshalb sollen Menschen auch ihre Widersacher lieben im Vertrauen darauf, dass dies auch diese Menschen verändert.

Wichtig ist dabei, dass Nächstenliebe (agape) kein Gefühl der Zuneigung ist, sondern die Einsicht und die daraus erwachsende Haltung, dass alle Menschen Ebenbilder bzw. Kinder Gottes sind und ihnen deshalb Würde zukommt. Dies entfaltet er in einer Predigt mit dem Titel »Feindesliebe«: »Das bedeutet ganz einfach, dass etwas Gutes in den Schlimmsten von uns und etwas Böses in den Besten von uns ist. Wenn wir das verstehen, dann sind wir weniger geneigt, unsere Feinde zu hassen. [...] Wir wissen, dass Gottes Bild auf unerklärliche Weise in sein Wesen eingeprägt ist. Dann lieben wir unsere Feinde, weil wir verstehen, dass sie nicht vollkommen böse sind und dass sie nicht außerhalb der Reichweite der erlösenden Liebe Gottes sind.«7

Insofern hat die Feindesliebe in Kings theologischem Verständnis eine gewisse Zwangsläufigkeit. Gott hat allen Menschen gleiche Würde und Wert zugeeignet. Dafür stehen die biblischen Bilder von der Gottebenbildlichkeit bzw. dass alle Menschen Gottes Kinder sind. Deshalb gilt die Liebe Gottes allen Menschen, um sie zu erlösen. Entsprechend ist auch die Nächsten- und Feindesliebe gegenüber allen Menschen gefordert. Zu dieser theologischen Auffassung vom Menschen gehört einerseits ein universales Verständnis von Würde und Gleichheit, das King in der Tradition der Schwarzen Kirchen kennengelernt und durch sein Studium der personalistischen Theologie und Philosophie vor allem in Boston vertieft hat. Dies verbindet er jedoch mit der andererseits von Reinhold Niebuhr übernommenen Einsicht in die bleibende Macht der Sünde. Dies mag für Ohren, welche die lutherische und reformierte Sündenlehre kennen, nicht besonders spektakulär klingen. Da King neben dem Bostoner Personalismus8 sehr stark vom liberalen Social Gospel9 geprägt wurde, das eine optimistische Auffassung des Menschen vertrat, ist diese realistische Auffassung des Menschen aber nicht selbstverständlich. In der Verschränkung beider Perspektiven liegt ein besonderes Charakteristikum der Theologie Kings.

Kings Konzept der Feindesliebe und sein ganzer Ansatz des aktiven gewaltfreien Widerstandes basieren auf starken theologischen Voraussetzungen. Denn der sechste grundlegende Aspekt ist die Überzeugung, dass »das Universum auf der Seite der Gerechtigkeit ist«. Deshalb können die »gewaltfrei Protestierenden Leiden ohne Vergeltung erdulden. Denn sie wissen, dass sie in ihrem Kampf für Gerechtigkeit kosmischen Beistand haben. [...] Es gibt eine schöpferische Kraft im Universum, die darauf hinarbeitet, die unverbundenen Teile der Realität in ein harmonisches Ganzes zu transformieren.« Für King ist klar, dass diese schöpferische Kraft ein »personaler Gott mit unvergleichbarer Macht und unendlicher Liebe«10 ist. Kings Verständnis der Liebe und der Gewaltfreiheit setzt also voraus, dass es einen personalen Gott gibt (egal wie man ihn oder sie nennt), der oder die für eine gerechte Ordnung sorgt, und zwar mit dem Mittel der Liebe. Diese Liebe, so kann man ergänzen, zeigt sich in der Liebe Jesu und soll die Nächsten- und Feindesliebe der Menschen untereinander hervorbringen. Neben der »positiven« Gottesvorstellung ist hier auch so etwas wie eine gegebene moralische Ordnung vorausgesetzt. Der Glaube motiviert die Menschen, diese gerechte Ordnung durch gerechtes Handeln zu stärken oder wiederherzustellen, denn Ungerechtigkeit, wie etwa der Rassismus, ist Sünde. Es ist bei King im Grunde also eine evangelikale Glaubenshaltung festzustellen, die ganz eng mit dem Streben nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit verbunden ist.

Für Kings Verständnis des zivilen Ungehorsams ist weiter wichtig, dass er mit Thomas von Aquin zwischen gerechten und ungerechten Gesetzen unterscheidet. Wie wir gesehen haben, betont er immer wieder, dass der Protest in Einklang mit der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung der Vereinigten Staaten steht. Diese betonen ja die Gleichheit aller Menschen und das Verbot jeglicher rassistischer Diskriminierung. Da die Jim-Crow-Gesetze in den Südstaaten aber offensichtlich gegen die Verfassung verstoßen, sind sie in Kings Augen unrechtes Recht. Das Ziel ist also, die Werte der Verfassung gegen die unrechten Segregations-Gesetze durchzusetzen. Dazu ist es in Kings Perspektive auch erlaubt, aktiven gewaltfreien Widerstand zu leisten.11

Gewaltfreiheit aus Prinzip oder als Mittel zum Zweck?

King selbst führt immer wieder aus, dass er nicht von Anfang an konsequenter Anhänger der Gewaltfreiheit war. Sein Weg zur Gewaltlosigkeit ist von ihm12 und anderen13 vielfach dargestellt worden. Er hatte sich zwar in seinem Studium mit den Ansätzen zivilen Ungehorsams bei Gandhi und Thoreau beschäftigt, allerdings wohl kaum für sich daraus ein richtiges System entwickelt.14 King sieht rückblickend in einem Vortrag Mordecai Johnsons über dessen Indienreise und die Methode Gandhis, den er wohl 1950 gehört hat, den Impuls, der ihn zur Wertschätzung der Ansätze Gandhis15 führte: »Durch diese Betonung Gandhis von Liebe und Gewaltfreiheit fand ich die Methode für gesellschaftliche Reformen, nach der ich viele Monate gesucht hatte. [...] Ich entwickelte das Gefühl, dass dies die einzige moralisch und praktisch geeignete Methode war, die für Unterdrückte in ihrem Befreiungskampf zugänglich ist.«16

Aber noch zu Beginn des Busboykotts in Montgomery verfügte King weder über ein systematisches philosophisches bzw. theologisches Konzept der Gewaltfreiheit noch über solide Kenntnisse in der Methode des aktiven gewaltfreien Protests. King besaß zu Beginn des Protestes in Montgomery selbst noch eine Waffe. Die Methoden des aktiven gewaltfreien Widerstandes wurden von...

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