Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Wir melden uns vom Abgrund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Verlag Antje Kunstmannerschienen am30.03.20221. Auflage
»Ein genialer Solist«, »ein Poet am Ball«, »einzigartig« - kein anderer Fußballreporter ist so inständig mit Lob bedacht worden wie Günther Koch. »Wir melden uns vom Abgrund« ist eine Liebeserklärung an den Fußball und an die Sprache und das Zeugnis eines exemplarischen Lebens für den Sport. Günther Kochs Radioreportagen von Champions-League-Spielen und seine Einsätze in der ARD-Bundesligaschlusskonferenz sind legendär. Selbst Köln-, HSV- und Hertha-Fans erkennen seine Stimme sofort. »Hallo, hier ist Nürnberg! Wir melden uns vom Abgrund!«: Diese zwei Sätze vom letzten Spieltag der Bundesligasaison 1998/99 sind ins kollektive Fußballgedächtnis eingegangen, genauso wie Kochs Reportage vom ersten Bundesliga-Geisterspiel 2004 zwischen Alemannia Aachen und dem 1. FC Nürnberg. Jürgen Roth kennt Günther Koch seit mehr als zwanzig Jahren, er hat für dieses Buch intensive Gespräche mit ihm geführt, ihn zum Training des FCN und zu Stadionführungen begleitet. Und er hat auch die Stimmen der sogenannten normalen Fans und von vielen prominenten Weggefährten eingefangen.

Jürgen Roth, geb. 1968, studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Tübingen und Frankfurt am Main. Er lebt als Schriftsteller in Frankfurt am Main. Jüngst erschienen ist Vielleicht Hunsrück Jahresroman (Leipzig 2020).
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

Klappentext»Ein genialer Solist«, »ein Poet am Ball«, »einzigartig« - kein anderer Fußballreporter ist so inständig mit Lob bedacht worden wie Günther Koch. »Wir melden uns vom Abgrund« ist eine Liebeserklärung an den Fußball und an die Sprache und das Zeugnis eines exemplarischen Lebens für den Sport. Günther Kochs Radioreportagen von Champions-League-Spielen und seine Einsätze in der ARD-Bundesligaschlusskonferenz sind legendär. Selbst Köln-, HSV- und Hertha-Fans erkennen seine Stimme sofort. »Hallo, hier ist Nürnberg! Wir melden uns vom Abgrund!«: Diese zwei Sätze vom letzten Spieltag der Bundesligasaison 1998/99 sind ins kollektive Fußballgedächtnis eingegangen, genauso wie Kochs Reportage vom ersten Bundesliga-Geisterspiel 2004 zwischen Alemannia Aachen und dem 1. FC Nürnberg. Jürgen Roth kennt Günther Koch seit mehr als zwanzig Jahren, er hat für dieses Buch intensive Gespräche mit ihm geführt, ihn zum Training des FCN und zu Stadionführungen begleitet. Und er hat auch die Stimmen der sogenannten normalen Fans und von vielen prominenten Weggefährten eingefangen.

Jürgen Roth, geb. 1968, studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Tübingen und Frankfurt am Main. Er lebt als Schriftsteller in Frankfurt am Main. Jüngst erschienen ist Vielleicht Hunsrück Jahresroman (Leipzig 2020).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783956144790
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.03.2022
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7512 Kbytes
IllustrationenMit zahlreichen Fotos
Artikel-Nr.14297284
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

27. APRIL 2018

Freitagnachmittag. Die Sonne über den Kiefernwäldern, die am ausfransenden Südrand Nürnbergs kleben und der Unersättlichkeit der indolenten Stadtplaner noch - noch - widerstehen, sticht auf alles Lebende und Wachsende ein, als sei sie gewillt, Nürnberg, das »Dürerhauptquartier« (Philipp Moll), in Málaga zu verwandeln.

Ich fahre mit Günther Koch vom grauslich anheimelnden Stadtteil Langwasser, von dieser einesteils human anmutenden, andernteils horribel verhauenen sozialdemokratischen Architekturwürfeleiassemblage, hinüber zum Vereinsgelände des 1. FC Nürnberg. Es sind nur ein paar Kilometer.

Die erste Mannschaft des Club trainiert heute. Vor vier Tagen hat sie bei Holstein Kiel, einem Konkurrenten um den Aufstieg in die erste Liga, voller Verve 3:1 gewonnen. Günther Koch ist hochgestimmt, vermutlich ist es auch die ganze Stadt Nürnberg - sofern Städte hochgestimmt oder, vice versa, niedergedrückt sein können. Ich hege da meine Zweifel, aber man lernt ja bekanntlich nie aus.

Günther Kochs Auto ist selbstverständlich weinrot-schwarz lackiert und mit dezenten Vereinsemblemen verziert.


Kurz vorm Spieltag ist dann also Geheimtraining.

Das haltet ihr wie die Bayern?

Ja. Aber nicht so oft.

Darfst du zum Geheimtraining gehen?

Ja, ja.

Als Aufsichtsrat darfst du schon ...

Ja. Aber ich laß es nicht drauf ankommen. Als der [Hermann] Gerland bei uns

Trainer war, hab´ ich mal ein Geheimtraining beobachtet. Am Tag danach haben sie die Bayern mit einem Freistoßtrick überlistet, der zu einem Elfmeter führte. Da war ich dabei.

Und der Trick war von dir?

Nein. Leider nicht. Leider nicht.


Auf der CD Wir rufen Günther Koch! - Ausgewählte Radioreportagen (Rough Trade/I Saw Hans Walitza Kick That Ball Records 1997) findet sich die etwa zwanzigminütige Montage »Fahren Sie rechts raus! - Kleine Club-Geschichte«, in der auch der zweite Bundesligasieg in der Historie des FCN gegen den FC Bayern mit vier Toren Differenz gewürdigt wird (4:0, eben unter Hermann Gerland - gut vier Monate später schmiß ihn der in übler Nachrede und in psychischen Zermürbungstechniken geübte Präsident Gerd Schmelzer raus; der erste Sieg mit vier Toren Unterschied, das 7:3, datiert, wie man weiß, vom 2. Dezember 1967).

Am 25. November 1989 ist das Spielfeld schneebedeckt, der Ball ist rotorange, und Günther Koch hat das (verdiente) Glück, bei drei Treffern live drauf zu sein. Und er liefert wahre Kabinettstücke ab - rasant, makellos, begeistert, sämtliche Aspekte einer Livereportage mühelos und fließend miteinander verbindend: die furiose Schilderung, die Erläuterung, die objektive Einordnung, die geschichtliche Kontextualisierung, und weil diese Glanzvorstellung, die das aufregende Geschehen auf dem Platz spiegelt, weil diese Meisterleistung noch nicht zu genügen scheint, schreit er sogar ein Tor erfolgreich herbei.

In der 34. Minute fällt das 1:0, und Koch beschreibt seine Entstehung:


Freistoß für die Nürnberger, Torentfernung zum Bayern-Tor fünfundzwanzig Meter, da steht der Kristl, in der Mauer steht der Wirsching! Vielleicht lupfen s´ ihn über die Mauer, wer weiß, wer weiß, jetzt läuft einer an, jetzt wird er drübergelupft! Zum Wirsching! Da muß er Elfmeter geben!! Der ist gehalten worden!! Elfmeter für Nürnberg!! Vollkommen klar! Diese Variante des Freistoßes haben sie im Training geübt. In der Mauer der Bayern steht Wirsching. Am Ball, beim Freistoß, der ausgeführt wird, stehen drei Club-Spieler: Kristl und der, von dem man glaubte, daß er schießen würde, mit der Nummero 5 Thomas Brunner. Aber der, der schießt nicht, der hebt den Ball über die Mauer [das war Martin Schneider], Wirsching löst sich, das ham sie gestern am Neuen Zabo einige Male geübt, er löst sich aus der Mauer Richtung Bayern-Tor und wird umgerissen von Kohler. Strafstoß. Und jetzt aufpassen, liebe Leut´. Aufpassen, liebe Bayern-Fans, aufpassen, liebe Club-Fans, jetzt entscheidet sich´s. Wahrscheinlich schon die vorentscheidende Situation im Städtischen Stadion! [Wie er´s nur ahnt ...] Vierunddreißig Minuten sind gespielt! Thomas Brunner, der Spielführer, für die Nürnberger läuft an gegen Aumann, jetzt haut er drauf! Tooor!! Eiins zu nuulll für Nürnberg! Und ausgerechnet gegen die Bayern aus München! Also, das kann ein farbiges, ein interessantes, ein schönes Spiel werden. Das war´s aus dem Städtischen Stadion, erste Direkteinblendung für Bayern 1, Rückruf ins Funkhaus.


Der Moderator im Studio, Siegfried Schuller, kommt nicht umhin, den Ball aufzunehmen: »Ja, das mag wohl ´n interessantes Spiel werden. Die Reportage, die war auf jeden Fall spannend und aufregend. Übrigens, wenn Sie es nicht ganz mitbekommen haben am Anfang: Da spiel´n zwei bayerische Mannschaften, aber das Herz des Reporters schlägt halt hörbar für die Cluberer, im Moment zumindest noch.«

Bayern 3 hatte am Tag vor dem »Lokalspiel« (Koch) in Sport aktuell einen gebauten Beitrag von Günther Koch übers Abschlußtraining des FCN gesendet. Kaum zu glauben, daß derlei mediale Mätzchen des sinnlosen Vorberichtens mit vor Banalität ächzenden O-Tönen ab und an schon Ende der Achtziger getrieben wurden. Koch servierte den Hörern denn auch zum Beispiel solchen Quark, der im kleinen vorwegnahm, mit welchen Nullitäten heute Gackerfiguren wie Uli Köhler und Torben Hoffmann (und wie sie alle heißen mögen) auf Sky Sport News HD vierundzwanzig Stunden am Tag die Welt verpesten: »Es ist kalt bei uns im schönen Nürnberg. Vereinzelt verirren sich sogar bereits Schneeflocken. Und der Boden im Städtischen Stadion ist drei Zentimeter tief gefroren.« Man denke: Der Boden ist exakt drei Zentimeter tief gefroren! »Ob das eventuell einen Vorteil für die Cluberer gegen die spieltechnisch sicher überlegenen Landeshauptstädter darstellen könnte?« Was für eine Frage. Es ließe sich gewißlich auch darüber sinnieren, ob die vereinzelt sich in Nürnberg verirrenden Schneeflocken einen Vorteil für die Landeshauptstädter darstellen könnten, weil die Landeshauptstädter entschieden öfter als die kümmerlichen Mittelfrankenhauptstädter zum Skifahren in die Alpen brummen und darob mit derartigen Wetterverhältnissen sehr viel besser klarkommen.

Ist Kochs Frage bereits gaga, so ist es die Überleitung zum nächsten Interviewschnipsel - die bedeutungsschwangere Rasenspökenkiekerei halb fortspinnend, halb sogleich in die Tonne tretend - erst recht: »Der kampfstarke Thomas Brunner, der Spielführer, hält allerdings nicht viel von harten Bodenspekulationen.« Den O-Ton sparen wir uns, genauso wie einen weiteren Vorbericht über den »lustigen Club-Kader« (Koch; Martin Schneider, erfahren wir da unter anderem, wolle seinem Sternzeichen Schütze alle Ehre machen). Jedenfalls sind Reflexionen über die Bodenbeschaffenheit während der Liveübertragung schließlich tatsächlich angebracht (»Der größte Gegner noch der harte Boden, noch deshalb, weil er sich vielleicht bei entsprechender Behandlung durch die Fußballspieler im Laufe der Zeit aufweichen könnte. Die gefrorene Bodendecke ist etwa nur zwei, drei Zentimeter dick. Also, es könnte noch besser werden«), und Günther Koch beweist sehr früh, daß er ein unvergleichliches Gespür für die Latenz eines Spiels hat und daher in Jürgen Kohler den entscheidenden Schwachpunkt des FC Bayern ausmacht: »Wirsching wird gehalten [durch eine rüde Ringereinlage von Kohler]! An Wirsching merkt man ganz klar, daß die Bayern-Abwehr laufend Probleme hat« - nämlich vornehmlich, weil Kohler mit Wirsching nicht zu Rande kommt.

Es folgt die (obige) Schilderung des 1:0, kurz danach ein erstes Resümee: »So energisch und so kampfstark, wie der Club heute spielt, hat er wochenlang nicht mehr gespielt. Also, Bayern scheint die, das richtige Rezept zu sein, um die Cluberer wieder auf das zu besinnen, was sie können: kampfstarken, attraktiven Fußball zu bieten, auch wenn´s dann vielleicht schiefgehen sollte.« Die »55.000 Zuschauer«, die höchstens 47.000 sein können, sehen die »FCN-Akteure, die, wie gesagt, lange, lange Wochen zu Hause kein Tor mehr gespielt [sic!] haben« (dergleichen Versprecher sind einerseits läßlich und andererseits eben auch auf anheimelnde Weise der Hingerissenheit des Reporters geschuldet), und weil sich etwas Schönes anbahnt, interviewt Günther Koch vor der zweiten Hälfte wie aufgedreht und in Reporterkampfeslaune eine Runde gewichtiger Gestalten: den Präsidenten des FC Bayern, Fritz Scherer, den Vizepräsidenten des FCN, Sven Oberhof, den Nürnberger Oberbürgermeister Peter Schönlein »mit dem feschen Stirnbandl«, Dieter Hoeneß und andere - und den unsterblichen Max Morlock:


Das is´ doch selbstverständlich. Wenn Sie sog´n, ich soll ans...

mehr