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Das Okapi

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
692 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am07.04.20241. Auflage
Zwei junge Männer treten gemeinsam ins Leben - der eine eher konventionell veranlagt, der andere von ruheloser Brillanz. Dann begegnet ihnen als Bote aus einer scheinbar versunkenen Vergangenheit ein Okapi, woraus ein Rätsel erwächst, das sich nur Stück für Stück entschlüsseln lässt, um zu einer atemberaubenden Entdeckung hinzuführen. Eine wundersame Geschichte, eingebettet in eine kunstvolle Schnitzeljagd, mit Streifzügen durch einige der großen Fragen der Zeit; schließlich das Protokoll einer Freundschaft, die in einer Tragödie endet. Darüber entsteht ein literarisches Zeugnis, das vom Zauber der Musik ebenso spricht wie von der Schönheit der Natur, das aber vor allem der ewigen Suche des Menschen nach seiner Rechtfertigung ein Denkmal setzt.

Michael Koch ist Jurist und war 35 Jahre für das Auswärtige Amt tätig, davon die letzten 17 Jahre als deutscher Botschafter in verschiedenen Funktionen. Der Vater dreier Kinder lebt mit seiner Frau in Berlin zusammen mit einem blonden Hovawart und einer schwarzen Katze. An seinem ersten Roman hat er 20 Jahre gearbeitet.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR25,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextZwei junge Männer treten gemeinsam ins Leben - der eine eher konventionell veranlagt, der andere von ruheloser Brillanz. Dann begegnet ihnen als Bote aus einer scheinbar versunkenen Vergangenheit ein Okapi, woraus ein Rätsel erwächst, das sich nur Stück für Stück entschlüsseln lässt, um zu einer atemberaubenden Entdeckung hinzuführen. Eine wundersame Geschichte, eingebettet in eine kunstvolle Schnitzeljagd, mit Streifzügen durch einige der großen Fragen der Zeit; schließlich das Protokoll einer Freundschaft, die in einer Tragödie endet. Darüber entsteht ein literarisches Zeugnis, das vom Zauber der Musik ebenso spricht wie von der Schönheit der Natur, das aber vor allem der ewigen Suche des Menschen nach seiner Rechtfertigung ein Denkmal setzt.

Michael Koch ist Jurist und war 35 Jahre für das Auswärtige Amt tätig, davon die letzten 17 Jahre als deutscher Botschafter in verschiedenen Funktionen. Der Vater dreier Kinder lebt mit seiner Frau in Berlin zusammen mit einem blonden Hovawart und einer schwarzen Katze. An seinem ersten Roman hat er 20 Jahre gearbeitet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783759754172
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum07.04.2024
Auflage1. Auflage
Seiten692 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.14336002
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ERSTES KAPITEL ANFÄNGE 1.
An einem von Wärme durchtränkten Augusttag des Jahres 2002 starb mein Freund Hans Mertens, ein Versteher der Menschen und der Welt, wie ich einem zweiten, ihm nur annähernd Ebenbürtigen nie begegnet bin. Behördlicherseits wurde die Ursache seines Ablebens einem »Herzversagen« zugeschrieben. Ich weiß es indes besser als die verschleiernde Lakonik der Bürokratensprache: mein Freund, dessen Vermögen zur gedanklichen Durchdringung kompliziertester Sachverhalte ohne Beispiel war, ist nach meiner Überzeugung auf allerdings nicht einfach zu erklärende Weise an sich selbst zugrunde gegangen.

Sein Tod hat mich tief erschüttert. Dies zunächst und vor allem anderen deswegen, weil wir seit unserer Knabenzeit einen ungewöhnlich herzlichen, ja recht eigentlich einen brüderlichen Umgang pflegten - und mich der Name Hans Mertens auf allen Stationen meines bisherigen Erdenwegs begleitet hat. All' das war allgemein bekannt, und so war es mir ein Leichtes hinter der konventionellen Fassade meiner Trauer den Schrecken, ja das Entsetzen zu verbergen, das die Ereignisse, welche zu seinem Ende führten, und die ich besser kannte, als sonst ein Mensch, mir selbst dann eingeflößt hätten, hätte ich gleichsam nur beiläufig von ihnen erfahren, ohne mit dem Akteur als Mensch intim bekannt gewesen zu sein.

Hans Mertens besaß in ganz seltenem Maße eine Begabung, ihrem objektiven Erscheinungsbild nach belanglose Ereignisse mittels einer mir manches Mal ans Wundersame grenzenden Apperzeption in einer Weise tief zu empfinden, die in krassem Widerspruch zu dem bescheidenen äußeren Kleid solcher Vorgänge stand; und diese Eigenschaft zeichnete bereits den Jüngling aus. Ich erinnere mich an ein Vorkommnis in seinem Elternhaus - ich war damals vielleicht fünfzehn Jahre alt und er ein nachdenklicher, eher schüchterner Sechszehnjähriger. Von dem weiteren Kontext dieser Begebenheit kann ich nichts mehr angeben, nur das wie in einem Alten Meister fixierte Tableau dieser eingefrorenen kleinen Szene hat sich mir bewahrt: Hans´ Vater, ein groß gewachsener und in jeder Hinsicht stattlicher Herr, steht leicht gebeugt im diffusen Licht einer Deckenlampe bei schon stark voran geschrittener Abenddämmerung - es ist wohl Winter, will mir bei näherem Nachdenken scheinen - und er müht sich, eine auf einer Anrichte aufgestellte, altertümliche Standuhr aufzuziehen, die sich aus irgendeinem Grunde diesen Bemühungen widersetzt. Die zwei Brüder meines Freundes, seine jüngere Schwester und dann auch ich - als ständiger Begleiter des jüngsten Sohns beinahe zur Familie gehörend - stehen im Kreis um den Hausherren, begierig darauf wartend, selber einen Versuch machen zu dürfen, um das kostbare alte Stück wieder in Gang zu setzen, während jeder von uns mit lauter Stimme und in der Überzeugung, nur er wisse Bescheid, Ratschläge gibt, wie dabei zu verfahren sei. Schließlich gelingt es: die »alte Dame«, so wurde die Uhr von dem Vater meines Freundes respektvoll tituliert, läuft wieder; alles lacht und ist zufrieden. Hans' Mutter ruft zu Tisch, da sehe ich ihn stehen, meinen Freund - ein wenig im Hintergrund hält er sich, und anders als alle anderen ist er ganz still geblieben. Später erklärte er mir, bei der Betrachtung dieser kleinen Szene - und der Leser ist nun mein Zeuge geworden, der Vorfall war doch rundheraus nichtig! - habe ihn ein überwältigendes Glücksgefühl erfasst. Ihm sei bewusst geworden, was es bedeute, einer Familie anzugehören, und auf dieser Grundlage teilzuhaben an einer gemeinsamen Aufgabe. Mir schien diese Auslegung eigenwillig und auf eine ungesunde Weise exaltiert, nicht zuletzt weil er selbst bei dem Vorgang doch ganz passiv geblieben war; gleichzeitig empfand ich dem zum Trotz ehrfürchtige Bewunderung.

Zu jener Zeit sahen wir uns täglich und verbrachten jeden Tag mindestens zweimal zwanzig Minuten im Gespräch. Warum kann ich so präzise Zeitangaben machen? Nun, sein Elternhaus war so zu der von uns gemeinsam besuchten Schule gelegen, dass er die Strecke zwischen jenem und dieser zu Fuß zurücklegen konnte. Ich hingegen musste für meinen Schulweg den Bus benutzen, dem ich an einer Station entstieg, die unmittelbar auf dem von dem Freund genommenen Weg lag. So wartete der von uns beiden, der an der Haltestelle zuerst eintraf, auf den anderen, um sodann den Schulgang gemeinsam fortzusetzen, zwanzig Minuten hin und ebenso nach der Schule zurück, entlang einer Straße, die obwohl ohne eine sie auszeichnende Besonderheit mir in allen ihren belanglosen Einzelheiten in Erinnerung geblieben ist. Im Schulbetrieb selbst sahen wir uns über Jahre selten, weil Hans und ich, wenngleich im gleichen Schuljahr, Parallelklassen besuchten. Eine Ausnahme galt nur für den Sportunterricht, den die Schulverwaltung wohl aus Personalmangel so organisiert hatte, dass Parallelklassen gemeinsam unterrichtet wurden. Und allein einem durch diesen Umstand herbeigeführten Zufall verdankten wir auch unser Kennenlernen. Der Sportlehrer hatte dazu aufgefordert, zwei Fußballmannschaften zu bilden, die sodann gegeneinander antreten sollten; rasch gesellten sich ohne jeden äußeren Eingriff zwei Gruppen zueinander, deren jede danach trachtete, sich der als besonders spielstark eingeschätzten Mitschüler zu versichern. Ich war im Sport immer schwach gewesen und hatte daraus eine bewusst zur Schau gestellte Verachtung für jede Art von körperlicher Betätigung werden lassen; so stand ich unbeteiligt am Rande des Spielfelds, von keiner der beiden Seiten aufgefordert, ihr beizutreten und solches auch nicht erwartend. Indes stellte ich fest, dass nicht nur ich von beiden Mannschaften verschmäht worden war; denn schräg gegenüber auf der anderen Seite stand ein anderer Junge, ebenso wie ich offensichtlich von seinen Klassenkameraden jeden Werbens für unwürdig befunden. Der Lehrer hatte uns wohl schlicht vergessen, und so blieben wir beide uns selbst überlassen, während das Spiel schließlich gestartet wurde. Mertens hatte mich zunächst gar nicht als einen Schicksalsgenossen wahrgenommen. Als er mich schließlich auf der anderen Seite des Spielfeldes bemerkte, schlenderte er langsam zu mir herüber, etwas linkisch, aber paradoxerweise zugleich entschlossen.

Wir verharrten nebeneinander stehend einige Minuten in Schweigen, bevor Mertens mich ohne jede vermittelnde Herleitung fragte: »Und wie heißt du?«

Ich nannte ihm meinen Namen, Werner Güstrow, und er mir den seinen.

»Ich mag Sport nicht«, erläuterte ich etwas von oben herab. »Sport ist nur etwas für die, die nichts im Kopf haben. Und dabei sollte doch klar sein, dass der Kopf wichtiger ist als der Körper.«

»So?«, meinte Mertens.

Und nach einem längeren Schweigen, während dessen wir beide scheinbar angestrengt das Geschehen auf dem Spielfeld beobachteten, fuhr er fort: »Ich würde lieber sagen, dass die Seele wichtiger ist als sowohl der Kopf wie der Körper. Ich weiß nicht, warum der, der besser rechnen kann, mehr Achtung verdient, als der, der meinethalben schneller läuft. Was zählt ist doch nur, ob einer ein anständiger Kerl ist.«

Ich sah mich durchschaut und widerlegt mit meinem albernem Hochmut. Aber Mertens bewies schon damals neben überlegenem psychologischem Scharfsinn eine bei wenigen Ausnahmen stets vorauszusetzende Bereitschaft, dem Gegenüber entgegenzukommen.

»Aber du hast natürlich recht«, lenkte er ein, »wenn du feststellen wolltest, dass ich genauso wenig mit Sport im Sinn habe wie offensichtlich du. Ein gutes Gespräch ist mir da allemal deutlich lieber.«

Ich weiß nicht mehr, worüber wir damals im Anschluss an diesen Wortwechsel sprachen. Ich weiß aber ganz sicher, dass bereits jenes erste von zahllos weiteren Gesprächen für mich ein reines Vergnügen war. Die meisten Menschen sind gänzlich außerstande, in ihrem Denken von subjektiven Zwecken abzusehen; so mutiert ihnen jeder Gedankenaustausch unter der Hand zur kümmerlichen Rechtfertigung bloß psychologisch determinierter Befindlichkeiten, deren subjektive Qualität geleugnet und mit dem Mäntelchen vermeintlich rational begründeter Allgemeinverbindlichkeit versehen wird. Erst recht gilt dies für jedes Sprechen, das ja idealerweise nur die objektivierte Form von Denken sein sollte, während tatsächlich die Gegenwart einer anderen Person als Zuschauer dieses Denkens das Bedürfnis nach Selbstrechtfertigung des Sprechenden meistenteils verstärkt und mithin der eben beschriebenen Zweckentfremdung jeden echten Nachdenkens zusätzlich den Weg bahnt. Bei Mertens hingegen war das Denken stets eine umfassend unabhängige Instanz, vor deren Gerichtshof das, was bewiesen werden sollte, allezeit sich zu beugen hatte gegenüber dem, was bewiesen werden konnte. Während den meisten Menschen eine Unterhaltung aus Unvermögen zu einem Austausch über bloß in den Stand von Meinungen gehobene Empfindungen verkommt, die gegenübergestellt, aber nie...
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