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Das Wesen des Lebens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am28.08.2024
Drei Jahrhunderte, ein mächtiges, friedliebendes Geschöpf und die Lebenswege der Menschen, die von ihm angezogen sind. Iida Turpeinen erzählt in »Das Wesen des Lebens« ausgehend von der ausgestorbenen Stellerschen Seekuh von obsessiven Sammlern und rastlosen Wissenschaftlern, von begeisterten Naturschützern und den Frauen, die an Naturerforschungen immer schon beteiligt waren. Sie zeigt, wie wir Menschen vom unbedingten Begehren nach Erkenntnis angetrieben werden - und wie wir dafür die unwiderrufliche Zerstörung der Natur in Kauf nehmen. Ob auf Großer Nordischer Expedition in der Beringsee im 18. Jahrhundert, 100 Jahre später in der russisch-amerikanischen Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska oder Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Vogelinseln vor Helsinki: Turpeinen lässt uns mit ihrer berührenden Erzählkunst unsere Welt und das Wunder des Lebens mit neuen Augen sehen und verstehen, wie alles mit allem verbunden ist.  »Dieses Buch werden Sie bewegt und mit angehaltenem Atem lesen.«  Helsingin Sanomat Aus dem Finnischen übersetzt von Maximilian Murmann

Iida Turpeinen, geboren 1987, ist fasziniert von den literarischen Möglichkeiten wissenschaftlicher Forschung sowie von den Kuriositäten und verblüffenden Details, die sich in der Wissenschaftsgeschichte finden lassen. Sie lebt in Helsinki und arbeitet derzeit an einer Dissertation über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Literatur. Schon Turpeinens frühe Kurzgeschichten über die Beziehung zwischen Mensch und Tier wurden mit Preisen ausgezeichnet, »Das Wesen des Lebens« ist ihr erster Roman, der derzeit in über 20 Sprachen übersetzt wird und jetzt schon das erfolgreichste finnische Debüt aller Zeiten ist.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDrei Jahrhunderte, ein mächtiges, friedliebendes Geschöpf und die Lebenswege der Menschen, die von ihm angezogen sind. Iida Turpeinen erzählt in »Das Wesen des Lebens« ausgehend von der ausgestorbenen Stellerschen Seekuh von obsessiven Sammlern und rastlosen Wissenschaftlern, von begeisterten Naturschützern und den Frauen, die an Naturerforschungen immer schon beteiligt waren. Sie zeigt, wie wir Menschen vom unbedingten Begehren nach Erkenntnis angetrieben werden - und wie wir dafür die unwiderrufliche Zerstörung der Natur in Kauf nehmen. Ob auf Großer Nordischer Expedition in der Beringsee im 18. Jahrhundert, 100 Jahre später in der russisch-amerikanischen Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska oder Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Vogelinseln vor Helsinki: Turpeinen lässt uns mit ihrer berührenden Erzählkunst unsere Welt und das Wunder des Lebens mit neuen Augen sehen und verstehen, wie alles mit allem verbunden ist.  »Dieses Buch werden Sie bewegt und mit angehaltenem Atem lesen.«  Helsingin Sanomat Aus dem Finnischen übersetzt von Maximilian Murmann

Iida Turpeinen, geboren 1987, ist fasziniert von den literarischen Möglichkeiten wissenschaftlicher Forschung sowie von den Kuriositäten und verblüffenden Details, die sich in der Wissenschaftsgeschichte finden lassen. Sie lebt in Helsinki und arbeitet derzeit an einer Dissertation über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Literatur. Schon Turpeinens frühe Kurzgeschichten über die Beziehung zwischen Mensch und Tier wurden mit Preisen ausgezeichnet, »Das Wesen des Lebens« ist ihr erster Roman, der derzeit in über 20 Sprachen übersetzt wird und jetzt schon das erfolgreichste finnische Debüt aller Zeiten ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104920276
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum28.08.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse5182 Kbytes
Artikel-Nr.14433436
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


53°3´55 N 158°37´32 E

Kamtschatka, Ferner Osten Russlands

1741

Alle Forschungsreisen beginnen mit einer Tasse Tee. Kapitän-Kommandeur Vitus Bering füllt die Tasse, und aus ihr trinkt der Theologe, Naturforscher und seltsame Kauz Georg Wilhelm Steller. Der Kapitän füllt die Tasse, weil er einen Auftrag hat. Der glanzvolle Imperator hatte ihn aufgefordert, einen Seeweg zu suchen, die Route von Asien nach Amerika zu kartieren, und Bering begab sich auf die Reise. Er begab sich vor zwanzig Jahren auf die Reise, verließ die Küste und segelte in die unbekannten Gewässer des Nordens, doch es herrschte immerzu Nebel, das Wetter war schlecht, die Wasservorräte versiegten, und sie drehten um. Bering kehrte mit einer exakteren Karte der Halbinsel Kamtschatka zurück, aber der obere Teil der Weltkarte bleibt weiterhin leer, und Peter der Große scheidet aus der Welt, ohne zu erfahren, wo die Grenze der Neuen Welt verläuft.

 

Der Imperator stirbt, die Idee nicht. Man muss es erneut versuchen, und zwar besser. Kaiserin Anna erteilt den Befehl, und nun schwimmen auf der Awatscha-Bucht zwei Schiffe, Swjatoi Pjotr und Swjatoi Pawel, Sankt Peter und Sankt Paul. Auf ihnen findet eine hundertköpfige Besatzung Platz. Um ihre Segel zu bedienen, braucht es zwanzig Mann, ringsherum zimmert man einen Hafen, Baracken, Werkstätten, notdürftige Unterkünfte zusammen, alles außer den Schiffen schmutzig, klein und kalt.

 

Für die Große Nordische Expedition wurden drei Wissenschaftler auserwählt, angesehene Gelehrte der neuen Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften. Man stattete sie großzügig aus. Zu ihrem Gefolge zählten sechs Assistenten, sechs Landvermesser, zwei Zeichner und dreizehn Soldaten, ein Dolmetscher, ein Arzt, ein Techniker, ein Trommler sowie Führer, Ruderer und Träger. Sie hatten eine wissenschaftliche Bibliothek bestehend aus Hunderten von Bänden bei sich, neun Schlittenladungen Instrumente, vier Teleskope, fünf Astrolabien, zwanzig Thermometer, siebenundzwanzig Barometer, zweihundertsechzehn Pferde sowie fässerweise hochwertigen Rheinwein. Sie verließen die Hauptstadt unter angemessenem Jubel, die Gruppe hatte erst achttausend Kilometer Sibirien vor sich, danach das unbekannte Meer.

 

Als die Professoren in Jenisseisk ankommen, sind sie bereits viele Jahre unterwegs. Lange und beschwerliche Jahre, und sie sind noch nicht einmal bei der Hälfte angelangt. In Jakutsk bricht in ihrer Unterkunft ein Feuer aus, in dem gesammelte Proben und Aufzeichnungen verbrennen. Die Arbeit von Jahren in Flammen aufgegangen, und langsam haben alle genug. Der Astronom überwirft sich mit dem Ethnographen, und je weiter sie nach Osten kommen, desto schlimmer wird alles, am Ende trifft man eine Entscheidung. Die Professoren setzen ein Schreiben an die Akademie auf, ersuchen eine Freistellung von ihrer Aufgabe und warten gar nicht erst auf die Antwort, sondern lenken ihre Pferde nach Westen.

 

Die Naturforscher des Kapitäns sind nach Hause umgekehrt, doch auf der Reise begegnen sie einem Forscher, den die Kargheit Sibiriens nicht zu berühren scheint. Der sonderbare Mann macht sich nichts aus Puder und Perücken, er trinkt sein Bier und Met aus demselben Becher, ist aber geschickt in seiner Arbeit, spricht kenntnisreich von den Gräsern und Vögeln, die der Kälte des Ostens trotzen. Professor Gmelin empfiehlt den Mann an seiner Stelle, und Bering tut, was er tun muss. Er schreibt einen freundlichen, nachdrücklichen Brief und lädt Georg Wilhelm Steller zu sich in den Hafen von Awatscha ein.

 

Der Naturforscher, Theologe und seltsame Kauz Georg Wilhelm Steller sitzt aufrecht in seinem Stuhl. Er trägt seine besten Kleider, doch das hat nicht viel zu sagen, vier Jahre Sibirien hinterlassen ihre Spuren. Er ist mit einem Hundegespann angekommen und versucht sich nicht anmerken zu lassen, wie wohlig der trockene Raum ist, der warme, starke Tee. Die Akademie der Wissenschaften hat Steller den Auftrag gegeben, die Tiere, Pflanzen und wertvollen Steine Kamtschatkas zu kartieren, doch der Osten hat in ihm ein Feuer entfacht. Er hat die Steppen und Berge gesehen, er ist über den Baikal gerudert, jetzt will er weiter und hat um Erlaubnis gebeten, nach Japan zu segeln. Eine Forschungsreise ist eine Forschungsreise, nicht wahr, witzelt der Kapitän, schenkt dem Wissenschaftler ein, und Steller hebt die Tasse an seine Lippen und trinkt.

 

Steller sammelt für den Aufbruch seine Ausrüstung zusammen, doch es gibt Verzögerungen, unvorhergesehene Hindernisse. Das Auffüllen der Essensvorräte dauert länger als erwartet; der Schiffszwieback verschwindet auf dem Weg zum Hafen, auch die ersatzweise gefertigte Ration kommt nicht an, und die für Transporte zuständigen Korjaken beginnen zu revoltieren - jede Lieferung in den hintersten Winkel Sibiriens braucht Zeit, und auch der für Transporte zuständige Kommandeur Kolesow erleichtert ihnen die Arbeit nicht. Er ist ein Mann, der lieber alles morgen erledigen will, weil man heute einen trinken kann, und Steller wartet, flucht und wartet und verfasst derweil eine Studie über die örtlichen Fische.

 

Steller wartet fünf Monate. Zwanzig langsame und zähe Wochen, die er hätte nutzen können, um die unbekannten Arten Nippons zu studieren, doch dann kommt der ersehnte Tag. Ein Teil der Ausrüstung fehlt, doch sie können nicht länger warten, sie müssen aufbrechen, damit sie es vor Anbruch der Herbststürme zurückschaffen, und am neunundzwanzigsten Mai gehen die Schiffe in der Bucht vor Anker, um günstiges Wetter abzupassen. Am vierzehnten Juni kommt guter Wind auf, Swjatoi Pjotr und Swjatoi Pawel beginnen ihre Reise Richtung Alaska.

 

Das Kommando lässt die Korken knallen. Auf den Wangen der Offiziere glüht eine Begeisterung, die Bering von seinem eigenen Gesicht kennt, als er vor zwanzig Jahren die Reise antrat. Die jungen Männer stellen sich die Reichtümer unbekannter Länder vor, Inseln, Buchten und Berge, die man nach ihnen benennen wird, die Bewunderung und Achtung in den Augen adliger Töchter, womöglich der Kaiserin persönlich, wenn sie von ihren Abenteuern berichten werden, doch Bering weiß um die gleichförmigen Tage, die vor ihnen liegen, um die versiegenden Essensvorräte und stürmischen Nächte, in denen sie beten werden, dass ihr Leben von dem sicher scheinenden Untergang verschont bleibt. Zuletzt war er ein Mann im besten Alter, aber jetzt spürt er alle sechs Jahrzehnte in seinen Knochen; die Jungen feiern, doch Bering erkennt den Schatten in den Augen von Schiffsmeister Kitrow. Er war ebenfalls vor zwanzig Jahren dabei und weiß, worauf sie sich einlassen.

 

Der Kapitän verlässt die Gesellschaft. Er will nicht anstoßen, er braucht Wind und Meer und geht an Deck. Der Hafen ist kaum noch zu sehen, hinter ihm zeichnet sich die Spitze des Korjakskaja Sopka in all ihrer Pracht ab. Der Anblick ist imposant, der Sonnenuntergang wunderschön, doch Bering kehrt ihm den Rücken und beschließt, den Rest seines Lebens in warmen, komfortablen Räumen zu verbringen.

 

Steller ist ein studierter Naturforscher, aber kein vornehmer Herr. Der Sohn eines Nürnberger Kantors wird nicht zum Champagner eingeladen, weshalb er sich der Arbeit widmet, die Vögel und Gewächse des Meeres notiert, die von den Wellen getragen werden. Er hat die Strömungen beobachtet und Berechnungen angestellt, und als er den Kapitän erblickt, eilt er zu ihm, berichtet von seiner Schlussfolgerung, dass es am besten wäre, den Kurs des Schiffs mehrere Striche nach Nordwesten zu korrigieren, doch Bering blickt auf das sich entfernende Festland und scheint seine Worte nicht zu hören.

 

Sie verlassen die Küste, und der Nebel hüllt das Schiff in einen undurchdringlichen Schleier. Er wird nur von dem Ruf eines vorbeigleitenden Seevogels durchschnitten, Nieselregen benetzt das Deck und die Stoffe, die Kleider liegen schwer und nass auf der Haut, nichts hält mehr warm. Sieben Tage lang undurchdringliches, nasses Dunkel, doch schließlich kommt Wind aus Südost, und der Nebel löst sich auf. Sie gehen auf das Deck, wollen die Sonne sehen, doch dann spüren sie ein Unbehagen in der Magengrube. Vor ihnen liegt die leere See. Die Schiffe der Expedition sind in dem Nebel auseinandergedriftet. Sie halten tagelang Ausschau nach der Swjatoi Pawel, doch vergebens. Der andere Heilige ist weg und damit die Hälfte der Ausrüstung der Großen Nordischen Expedition.

 

Zu beobachten gibt es reichlich. Auf den Wellen treiben Seegewächse, die nur in flachen Gewässern gedeihen, Steller sieht Meerestiere und Vögel, die sich nie weit von der Küste wegtrauen, und er schildert seine Beobachtungen dem Kommando, verlangt, den Kurs zu ändern, doch die Offiziere ziehen die Augenbrauen hoch. Wie kann sich einer, der zum ersten Mal auf See ist, einbilden, dass er das Meer besser kenne als sie, und der Kapitän beteiligt sich nicht an dem Streit. Er will seine Offiziere nicht verärgern, sie haben Freunde in Petersburg.

 

Steller sieht, wie einer der...
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Autor

Iida Turpeinen, geboren 1987, ist fasziniert von den literarischen Möglichkeiten wissenschaftlicher Forschung sowie von den Kuriositäten und verblüffenden Details, die sich in der Wissenschaftsgeschichte finden lassen. Sie lebt in Helsinki und arbeitet derzeit an einer Dissertation über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Literatur. Schon Turpeinens frühe Kurzgeschichten über die Beziehung zwischen Mensch und Tier wurden mit Preisen ausgezeichnet, »Das Wesen des Lebens« ist ihr erster Roman, der derzeit in über 20 Sprachen übersetzt wird und jetzt schon das erfolgreichste finnische Debüt aller Zeiten ist.Maximilian Murmann, geboren 1987, studierte in München, Helsinki und Budapest Finnougristik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik. 2018 erfolgte seine Promotion. Er übersetzt aus dem Finnischen und Estnischen u. a. Jaan Kross, Karl Ristikivi, Eeva-Liisa Manner, Juhani Karila und Sofi Oksanen und lebt in München.