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Luftschlösser

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Arche Literatur Verlagerschienen am17.04.20241. Auflage
»Luftschlösser ist kein Roman, den man einfach liest; es ist ein Buch, das man bewohnt.« Pulitzer-Preisträger Hernan Diaz Mit großer Zärtlichkeit erzählt Hilary Leichter von Liebe und Verlust, von den fragilen Galaxien, in denen unsere Gefühle wohnen, und von der uralten Sehnsucht nach einer alles überdauernden Verbindung. Annie und Edward leben mit ihrer kleinen Tochter Rose in einer winzigen Stadtwohnung. Als eines Abends Annies Kollegin Stephanie zu Besuch kommt, ist etwas anders als sonst: Hinter der Tür des verstaubten Wandschranks verbirgt sich auf einmal eine wunderschöne Terrasse. Die drei sind überglücklich. Doch welchen Preis müssen sie für diesen wahr gewordenen Traum bezahlen? Während Jahrzehnte früher immer mehr Arten aussterben und die Ehe zwischen Annies Eltern bröckelt, zeigen sich in dem Haus, in dem Stephanie aufwächst, unerklärliche Risse an den Wänden. Hat Stephanie etwas mit dem schrecklichen Unfall zu tun, der bald darauf ihre Familie erschüttert?

Hilary Leichter, geboren 1985, erhielt zahlreiche Stipendien, unter anderem von der New York Foundation for the Arts und von der Folger Shakespeare Library. Im Sommer 2022 übernahm sie die Picador-Gastprofessur für Literatur an der Universität Leipzig. Ihre Texte erschienen im ?New Yorker?, der ?New York Times?, dem ?Harper's Magazine? und vielen anderen. Hilary Leichters Debütroman ?Die Hauptsache? wurde hochgelobt, für zahlreiche Preise nominiert und auch im deutschsprachigen Raum viel beachtet. Leichter unterrichtet Literarisches Schreiben an der Columbia University und lebt in Brooklyn.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

Klappentext»Luftschlösser ist kein Roman, den man einfach liest; es ist ein Buch, das man bewohnt.« Pulitzer-Preisträger Hernan Diaz Mit großer Zärtlichkeit erzählt Hilary Leichter von Liebe und Verlust, von den fragilen Galaxien, in denen unsere Gefühle wohnen, und von der uralten Sehnsucht nach einer alles überdauernden Verbindung. Annie und Edward leben mit ihrer kleinen Tochter Rose in einer winzigen Stadtwohnung. Als eines Abends Annies Kollegin Stephanie zu Besuch kommt, ist etwas anders als sonst: Hinter der Tür des verstaubten Wandschranks verbirgt sich auf einmal eine wunderschöne Terrasse. Die drei sind überglücklich. Doch welchen Preis müssen sie für diesen wahr gewordenen Traum bezahlen? Während Jahrzehnte früher immer mehr Arten aussterben und die Ehe zwischen Annies Eltern bröckelt, zeigen sich in dem Haus, in dem Stephanie aufwächst, unerklärliche Risse an den Wänden. Hat Stephanie etwas mit dem schrecklichen Unfall zu tun, der bald darauf ihre Familie erschüttert?

Hilary Leichter, geboren 1985, erhielt zahlreiche Stipendien, unter anderem von der New York Foundation for the Arts und von der Folger Shakespeare Library. Im Sommer 2022 übernahm sie die Picador-Gastprofessur für Literatur an der Universität Leipzig. Ihre Texte erschienen im ?New Yorker?, der ?New York Times?, dem ?Harper's Magazine? und vielen anderen. Hilary Leichters Debütroman ?Die Hauptsache? wurde hochgelobt, für zahlreiche Preise nominiert und auch im deutschsprachigen Raum viel beachtet. Leichter unterrichtet Literarisches Schreiben an der Columbia University und lebt in Brooklyn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783037901496
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum17.04.2024
Auflage1. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.14438107
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Terrasse

Das alte Fenster bot einen herrlichen Ausblick auf Gelber Baum, vom Stamm bis zum Wipfel. Sie nannten ihn Gelber Baum, obwohl der Ginkgo nur eine Woche im Jahr gelb war, bevor die fächerförmigen Blätter beim leisesten Windhauch zu Boden raschelten. Annie und Edward standen mit ihrer Tochter am Fenster und sagten: »Da! Gelb!« Aber sie war noch zu klein, um das Wort nachzusprechen. Aufmerksam guckte sie hinaus und berührte die Scheibe. Sie wischten die Fingerabdrücke weg und küssten die Finger, die die Abdrücke hinterlassen hatten. Dann fielen die Blätter, und die Szenerie war nicht mehr dieselbe. Manche Ansichten zeigen nicht einmal die Hälfte von dem, was gesehen werden muss.

Als die Miete unbezahlbar wurde, mussten sie etwas an ihrer Wohnlage ändern. Lage ist alles. Annie dachte darüber nach, über ihre Lebenslage. Sie hatten nicht annähernd genug gespart für eine Maklerprovision, geschweige denn eine Kaution.

»Sieht kleiner aus, als es ist«, sagte Edward, als er sie durch die neue Wohnung führte. Ein dämmriges, unregelmäßiges Viereck. »Du musst nur ein bisschen Geduld haben, irgendwann wächst sie dir vielleicht ans Herz!«

»Willst du damit sagen, sie könnte buchstäblich wachsen?«, fragte Annie.

Die neue Wohnung bot keinen Ausblick auf Gelber Baum. Die in sich gekehrten Fenster waren vergittert und drängten sich um einen Lichtschacht, den Edward Taubentunnel nannte. Edward und Annie dachten sich für ihre Welt gern Eigenwörter aus: Gelber Baum, Taubentunnel, Schrankmysterium. Schrankmysterium war Annies Wort für das Mysterium, das ihr einziger, aus allen Nähten platzender Wandschrank war. Was würde einem beim Öffnen wohl entgegenrauschen? Es war ein echtes Rätsel. Auch für ihr Baby suchten sich Edward und Annie ein Wort aus. Das Baby-Wort war Rose.

Annie trug Rose vor die Brust gebunden, während sie auspackte und zusammengefaltete Umzugskartons und Windeln in das Schrankmysterium stopfte, und sie hielt sie dabei ganz fest, für den Fall, dass sich das Tragetuch lösen sollte, wie ein Schal durch einen Windstoß, und das Baby zu Boden zu fallen drohte.

»Vorsicht«, sagte sie, zu sich selbst und niemandem sonst.

Irgendwann einmal, erklärte Edward, würde ihnen ein Plätzchen unter freiem Himmel gehören. Ein Flecken Gras zum Spielen, ein Topf für die Kräuter. Das hatten sie auch in der Wohnung davor gesagt und in der Wohnung davor, und sie sagten es noch immer, vielleicht nicht mehr so überzeugt. Es sei zwar eng, sagte Edward, aber dadurch auch vertraut und gemütlich, oder? Doch, stimmte Annie ihm zu. Insgeheim glaubte sie, dass der fehlende Platz ein Anzeichen für die Zukunftsaussichten war, die ihr fehlten, ein abschließendes Urteil über falsch gesetzte Prioritäten und lauwarme Entscheidungen. Aber inzwischen hatte sich dieses Urteil im Grunde ihres Herzens eingerichtet, wo es unbedeutend geworden war, und nur, wenn sie sich besonders niedergeschlagen fühlte, landete der Ellbogen der Ernüchterung zwischen ihren Rippen. In vielerlei Hinsicht konnten sie sich glücklich schätzen. Sie waren gesund und zufrieden und guter Dinge. Sie hatten ihr gesamtes Erspartes für den Umzug ausgegeben, sogar die Münzen aus dem Schraubglas unter der Spüle. Sie hatten jetzt eine andere Spüle und ein leeres Glas für neue, funkelnde Münzen.

Edwards Arbeitsweg war jetzt kürzer, und seine Firma hatte einen eigenen Kindergarten. Als Annies unbezahlter Mutterschaftsurlaub zu Ende ging, fuhr sie mit dem Bus zum Büro und traf Stephanie, die in der Zwischenzeit Annies Kunden übernommen hatte, vor dem Eingang.

»Die verschollene Mutter ist wieder da!«, sagte Stephanie.

»Wo bleibt die Kapelle?«, fragte Annie.

»Oh, die Majoretten sind oben. Und stell dir vor, die Flöten sind raus, weil schwanger.«

»Alle?«

»Toutes des flûtes«, sagte Stephanie.

Stephanie ging mit Annie durchs Foyer und führte sie dann von einer Etage zur nächsten, was Annie seltsam vorkam, bis ihr klar wurde, dass ihre Schlüsselkarte in ihrer Abwesenheit deaktiviert worden war. Sie holten ihr am Empfang eine neue.

»Lass uns nachher zusammen essen«, sagte Stephanie. »Die Zukunft hält was Süßes für mich bereit.«

»Sag mal, steht der Kopierer woanders?«, fragte Annie.

»Nein, aber dein Schreibtisch.«

Später aßen sie Sandwiches und Chips aus kleinen Tüten und unterhielten sich über den Umbau des Marketing-Teams, die neuen, piekfeinen Stühle im Konferenzraum und den Wasserspender, der noch immer außer Betrieb war. Annie wollte wissen, wie es um ihre Kunden stand. Sie erwartete einen kollegialen Hilferuf, der ihr zu verstehen geben würde, dass sie unentbehrlich war.

»Was soll ich sagen?«, sagte Stephanie. »Du hast nichts verpasst.«

»Komm doch vielleicht mal zum Abendessen vorbei«, sagte Annie.

»Oh, nein, nein«, sagte Stephanie. »Ich will keine Umstände machen.«

»Doch, mach uns Umstände, bitte! Dann müssten wir endlich unseren Tisch zusammenbauen.«

Als Annie nach Hause kam, teilte sie Edward mit, dass sie einen Tisch kaufen mussten. Sie bezahlten mit der Kreditkarte. Annie schnitt Servietten aus altem Stoff aus, deckte ein, Gläser, Gabeln, das Service ihrer Großmutter, das sie vor Kurzem ausgepackt hatte. Alle Teller waren mit einem kleinen goldenen Tier verziert.

»Ich hab Wein mitgebracht!«, sagte Stephanie, als sie sich durch die Wohnungstür zwängte und Edward die Hand gab. »Na, wer bist du denn?«, sagte sie zu Rose. Rose antwortete, indem sie Stephanie ihr Spielzeug hinhielt.

Annie wollte instinktiv erklären, warum die Wohnung so klein war. Die Gegend, die Firma, der Kindergarten, ein Schnäppchen! Und dann würde sie Edward ein Zeichen geben, damit er sich für den Platzmangel entschuldigte, dafür, wie eng es war, eng auf die sympathische Art, für die bunten Bälle und Tüten und Teddys auf dem Boden.

Aber Stephanie kam ihr zuvor: »Wollen wir nicht draußen essen? Es ist so ein schöner Abend!«

Stephanie öffnete die Tür, die eigentlich die Schranktür war, und eine mit funkelnden Lichterketten geschmückte Terrasse kam zum Vorschein. An ihrem Geländer sammelten und verzweigten sich knorrige Ranken, blühten, schossen die Fassade hoch.

Annie sah die Terrasse zum ersten Mal, Edward auch. Hatten sie sie die ganze Zeit übersehen? Nein, das war unmöglich.

»Was ist das denn?«, flüsterte Annie. Mit Rose auf der Hüfte spähte sie auf die Terrasse (ihre Terrasse?), wo ein Tisch und vier Stühle standen, ein Grill und ein strapazierfähiger Schirm, den man aufspannen konnte, wenn nachmittags die Sonne schien. Alles sah teuer und makellos aus, wie gerade erst gekauft oder gerade erst erdacht. Es war, als würde Annie eine verloren geglaubte Brille auf ihrem Kopf wiederfinden.

»Schrankmysterium trifft es genau«, sagte Edward, der hinter sie getreten war.

»Immobilienmysterium«, flüsterte Annie. Sie sahen sich an und gingen zusammen durch die Terrassentür. (So breit die Tür! So groß die Terrasse!) Beide blieben sie unverletzt, unverändert, ein warmer Herbstabend umfing sie.

Stephanie bewunderte die Aussicht, die nicht zur Lage der Wohnung passte. Kein Taubentunnel weit und breit. Obwohl ihr Teil des Gebäudes nach Osten ging, hatten sie den Sonnenuntergang vor Augen, oder was davon übrig war. Stephanie schien den geografischen Widerspruch nicht zu bemerken.

»Der Wahnsinn«, sagte sie.

»Wir hatten so ein Glück!« Annie stellte den Wein auf den Tisch.

Stundenlang saßen sie auf der Terrasse, füllten ihre Gläser und Teller immer wieder aufs Neue. Je länger sie blieben, umso fester fühlte sich der Boden unter ihren Füßen an. Rose war auf Edwards Schoß eingeschlafen, und aus Sorge, er könnte sie wecken, wenn er aufstünde, ließ er sie weiterschlafen und blieb sitzen. Zuerst hatte sich eine große Anspannung bemerkbar gemacht, gefolgt von überwältigender Ruhe. Die Gefühle wechselten sich in Annie ab, bis sie schließlich erloschen und sie von dem erschöpften, schläfrigen Glück eines ausgelassenen Vormittags auf dem Spielplatz erfüllt wurde. Vom Glück, im Freien zu sein. Natürlich hätte sie sich bewegen können, aber sie wollte nicht. Ihre Arme und Beine waren schwer und selig. Oh, und wie er sich auf ihrer Stirn anfühlte, der Wind, der einen schwachen Lagerfeuergeruch aufkommen ließ und über ihr Gesicht hinwegwehte.

Später am Abend half Stephanie beim Abräumen, und Annie und Edward brachten sie die Treppe hinunter.

»Hat Spaß gemacht, vor allem mit der Kleinen hier«, sagte Stephanie und zupfte an Roses Fuß.

»Schön, dass du da warst«, sagte Edward.

»Das nächste Mal kommt ihr zu mir!«, sagte Stephanie.

»So machen wir´s«, sagte Annie und schloss Stephanie in die Arme. Sie konnte es kaum erwarten, die Terrasse ganz für sich allein zu haben, für sich und Edward und Rose, ihre Familie. Vielleicht würden sie draußen schlafen. Wie verwegen! Nur um sicherzugehen, dass es die Terrasse wirklich gab.

Als sie in die Wohnung zurückkamen, war die Terrasse verschwunden.

Annie öffnete und schloss die Schranktür, wieder und wieder und wieder, in der Hoffnung, es würde sich wiederholen, was längst in unerreichbare Ferne gerückt zu sein schien.

»Vielleicht ist sie nur da, wenn wir Gäste haben«, sagte Annie.

»Oder es ist nur dieses eine märchenhafte Mal passiert«, sagte Edward und warf seine Hose neben das Bettchen, das neben dem Herd stand, der neben dem Tisch stand, für den sie wirklich nicht genug Platz hatten, weder in der Wohnung noch auf der Kreditkarte.

»Der Abend war großartig«, sagte er....
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Hilary Leichter, geboren 1985, erhielt zahlreiche Stipendien, unter anderem von der New York Foundation for the Arts und von der Folger Shakespeare Library. Im Sommer 2022 übernahm sie die Picador-Gastprofessur für Literatur an der Universität Leipzig. Ihre Texte erschienen im >New YorkerNew York TimesHarper's MagazineDie Hauptsache