Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Henriette - Ärztin gegen alle Widerstände

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am11.09.20242024
Als Henriette 1834 auf Sylt das Licht der Welt erblickt, scheint ihr ein Dasein im Schatten eines Mannes vorbestimmt. Allerdings steckt sie ihre Nase in Romane und lernt heimlich Latein, statt sich auf ihre hausfraulichen Pflichten vorzubereiten. Weil ihre Familie in Not gerät, fügt sie sich in die Ehe mit einem reichen Gutserben, der sich als gewalttätiger Trinker entpuppt. Mittellos flieht sie nach Berlin. In der pulsierenden Metropole nimmt die beharrliche Henriette ihr Schicksal selbst in die Hand: Sie will nach Amerika, um Zahnärztin zu werden!

Sabine Trinkaus wuchs im hohen Norden hinter einem Deich auf. Zum Studium verschlug es sie ins Rheinland, wo sie nach internationalen Lehr- und Wanderjahren sesshaft und heimisch wurde. Seit 2007 schreibt sie Kurzgeschichten, Kriminalromane und Thriller, außerdem erschienen Hörspiele und Theaterstücke aus ihrer Feder. Die beeindruckende Lebensgeschichte von Henriette Hirschfeld-Tiburtius inspirierte sie zu ihrem ersten historischen Roman.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR4,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextAls Henriette 1834 auf Sylt das Licht der Welt erblickt, scheint ihr ein Dasein im Schatten eines Mannes vorbestimmt. Allerdings steckt sie ihre Nase in Romane und lernt heimlich Latein, statt sich auf ihre hausfraulichen Pflichten vorzubereiten. Weil ihre Familie in Not gerät, fügt sie sich in die Ehe mit einem reichen Gutserben, der sich als gewalttätiger Trinker entpuppt. Mittellos flieht sie nach Berlin. In der pulsierenden Metropole nimmt die beharrliche Henriette ihr Schicksal selbst in die Hand: Sie will nach Amerika, um Zahnärztin zu werden!

Sabine Trinkaus wuchs im hohen Norden hinter einem Deich auf. Zum Studium verschlug es sie ins Rheinland, wo sie nach internationalen Lehr- und Wanderjahren sesshaft und heimisch wurde. Seit 2007 schreibt sie Kurzgeschichten, Kriminalromane und Thriller, außerdem erschienen Hörspiele und Theaterstücke aus ihrer Feder. Die beeindruckende Lebensgeschichte von Henriette Hirschfeld-Tiburtius inspirierte sie zu ihrem ersten historischen Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783734930188
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.09.2024
Auflage2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse2070 Kbytes
Artikel-Nr.14440649
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Sylt, 1838

Immer wieder fauchten zornige Böen vom Meer über die Insel - letzte Ausläufer des Sturms, der in der Nacht über Sylt gewütet und unheimlich um das Strohdach des Pastorats der St. Niels­kirche geheult hatte. Henriette hatte sich trotzdem nicht gefürchtet, fast nicht jedenfalls. Sie war immerhin schon vier und - obwohl klein und zart geraten - ziemlich mutig und stark.

Sie legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zum Himmel, an dem der Wind die grauen Wolken in immer kleinere Fetzen riss. Tastete gedankenverloren nach den dunklen Strähnen, die sich aus ihrem langen, dicken Zopf gelöst hatten. Auch das war das Werk des Windes, keine Frage, denn es war ein tadelloser Zopf gewesen. Sie hatte ihn ganz allein geflochten. Normalerweise half ihr Mutter dabei. Aber als diese gerade dabei gewesen war, Henriettes Haar mit kräftigen Strichen zu bürsten, war Emilie in ihrem Bettchen aufgewacht und hatte geplärrt.

Darum hatte Mutter sich kümmern müssen, denn Emilie war noch sehr klein, gerade mal zwei Jahre alt. Anders als Henriette konnte sie noch gar nichts allein. Während Mutter für Emilie Milch aufgewärmt hatte, hatte Henriette einfach allein weitergemacht und sich einen sehr guten Zopf geflochten. Mutter hatte ein bisschen skeptisch geschaut, als sie ihr stolz das Ergebnis präsentierte. Aber dann hatte sie Henriette mit einem Lächeln dafür gelobt, dass sie ein so braves Mädchen war, und ihr erlaubt rauszugehen, um im Garten des Pastorats auf Paul zu warten.

Paul war ihr Freund. Sie spielten jeden Tag zusammen, meistens holte er sie direkt nach dem Frühstück ab. Heute allerdings ließ er auf sich warten. Während Henriette die lästigen Strähnen zurück in den Zopf zu stopfen versuchte, wanderte ihr suchender Blick über den schmalen Sandweg. Wo blieb er denn nur? So langsam wurde ihr die Warterei zu bunt! Sie erhob sich von dem kleinen Gartenmäuerchen, machte ein paar unschlüssige Schritte. Vielleicht sollte sie zum Hof von Pauls Vater gehen, um nachzuschauen, wo er steckte. Aber dort würde sie bestimmt Harm in die Arme laufen. Der war Knecht bei Pauls Vater. Und ein Riese - bestimmt zwei Meter groß und breit wie ein Schrank. Er war immer grummelig, konnte Kinder nicht leiden. Henriette hatte keine Lust, sich anraunzen zu lassen.

Sie drehte sich um, ging wieder ein paar Schritte, nun in die andere Richtung, und dachte daran, dass es ihr streng verboten war, allein über die Insel zu stromern. Das durfte sie nur mit ihren großen Brüdern oder eben mit Paul. Aber Carl und Otto hockten drin in Vaters Arbeitszimmer, weil sie Unterricht hatten. Und Paul ließ sich ja wirklich bitten heute, es war zum Auswachsen. Es war wohl eigentlich nichts dagegen einzuwenden, wenn sie ein kleines Stückchen vorging - nur bis zum Haus vom alten Brodersen vielleicht, das war ja nicht weit. Dort konnte sie beim Warten wenigstens das Tor anschauen, das kein gewöhnliches Tor war. Es bestand nämlich nicht aus Holz, sondern aus weißen, sonnengebleichten Knochen. Walknochen waren das, der Kiefer eines Wals, riesengroß - das Tor war so hoch, dass sogar Harm mühelos aufrecht darunter hindurchspazieren konnte.

Der alte Brodersen hatte es gebaut, weil er früher Walfänger gewesen war. Genau wie Henriettes Großvater Teunis Hansen Teunis. Der Vater ihrer Mutter war gestorben, bevor sie auf die Welt gekommen war. Aber Mutter hatte ihr erzählt, dass er auf großen Schiffen übers Meer gesegelt war, bis ganz nach Grönland, um dort im eisigen Wasser nach riesigen Walen zu jagen. Henriette hatte noch nie einen echten Wal gesehen. Vater hatte ihr Bilder gezeigt, auf denen man erahnen konnte, wie gigantisch sie waren. Hier am Tor sah man es allerdings besser - und wann immer Henriette davorstand, war sie sehr stolz auf ihren Opa, ihren Uropa und auch auf ihren Ururopa, denn der war ebenfalls ein Walfänger gewesen. Sehr stark und mutig, genau wie Mutter, die bestimmt genauso einen hervorragenden Walfänger abgegeben hätte. Henriette hatte sie einmal gefragt, warum sie lieber die Frau von Pastor Pagelsen geworden war, statt nach Grönland zu den Walen zu segeln, obwohl es Tradition in ihrer Familie war. Daraufhin hatte Mutter allerdings nur gelacht und gesagt, dass Frauen keine Walfänger sein könnten und dass es doch gut war, dass sie hier auf der Insel geblieben sei. Denn wenn sie mit einem großen Schiff nach Grönland gesegelt und nicht Frau Pastor Pagelsen geworden wäre, dann gäbe es keinen Carl, keinen Otto, keine Emilie und auch keine Henriette, und das wäre jammerschade. Da musste Henriette ihr recht geben, denn sie fand es ziemlich gut, dass es sie gab - und auch Carl und Otto und sogar Emilie, obwohl man mit der noch nicht viel anfangen konnte. Trotzdem hatte sie beschlossen, dass sie, wenn sie groß war, lieber Walfänger sein wollte als irgendjemandes Frau.

»Na, min Deern!« Der alte Brodersen war aus seiner Tür getreten und schwenkte zum Gruß seine Pfeife. »Ganz allein unterwegs? Wo ist denn dein lütter Freund?«

»Moin, Kapitän Brodersen!« Henriette winkte zurück. »Er ist ...« Sie zögerte. »Er kommt schon«, nuschelte sie eilig. Eine schlaue Antwort, denn das war ja keine Lüge. Paul würde kommen, jeden Moment sogar. Ganz wohl war ihr trotzdem nicht dabei. Was, wenn Brodersen am Sonntag nach dem Gottesdienst Vater oder Mutter erzählte, dass er sie ganz allein getroffen hatte? Das würde ein schlimmes Donnerwetter geben, das stand fest. Allerdings war Brodersen keiner, der viele Worte machte. Auch jetzt schien es ihm zu reichen mit der Unterhaltung, denn er ließ sich auf der Bank neben seiner Haustür nieder, steckte die Pfeife in den Mund und begann so eifrig zu schmauchen, dass sein bärtiges Gesicht hinter dichten Rauchschwaden verschwand. Er schien ihre Anwesenheit schon vergessen zu haben. Trotzdem kam es Henriette klüger vor, sich schnell aus seinem Blickfeld zu bewegen. Aus den Augen, aus dem Sinn, dachte sie, während sie eilig weiterlief, immer weiter, bis sie die Dünen erreichte. Damit hatte sie die Grenze der wohlwollenden Deutung überschritten - ab hier konnte es keinen Zweifel an ihrem Ungehorsam geben.

Eben darum war es jetzt wohl sinnlos, weiter auf Paul zu warten. Eigentlich konnte sie weiterlaufen bis zum Strand und nachsehen, was für Schätze der nächtliche Sturm angespült hatte. Schon war sie am Friedhof angelangt, den ihr Vater in den Dünen hatte anlegen lassen. Der Friedhof der Heimatlosen, die hier begraben wurden, weil sie keinen Namen mehr hatten. Weil sie dort draußen über Bord gegangen waren, jämmerlich ertrunken in der kalten Nordsee, die sie dann an den Strand von Sylt getragen und dort abgelegt hatte. Arme Seelen, denen Pastor Pagelsen und die Gemeinde der Nielskirche ein christliches Begräbnis schenkten, nachdem irgendwer sie am Strand gefunden hatte, nach einer stürmischen Nacht ...

Henriette schluckte. Sie war mutig, keine Frage, aber Otto, der im letzten Jahr tatsächlich einmal einen Toten in der Brandung gefunden hatte, hatte ihr allerhand grausige Geschichten erzählt - von aufgedunsenen Körpern, grüner Haut und schlimmem Gestank. Womöglich war es keine gute Idee, einen solchen Fund zu riskieren, wenn man ganz allein unterwegs war. Womöglich war es nicht einmal eine gute Idee, an so etwas zu denken, wenn man hier am Friedhof stand und der Wind um die schlichten Grabkreuze fauchte. Blöder Paul! Wo war er denn, wenn man ihn brauchte?

»Henni!« Als hätten ihre ungeduldigen Gedanken ihn angelockt, drang nun sein Rufen an ihr Ohr. Ihr Ärger löste sich auf, genau wie die vage Furcht. Sie lief ihm entgegen und stockte dann, blieb stehen - und starrte ihn an.

»Henni!« Sein schweres Atmen verriet, dass er den ganzen Weg gerannt sein musste. »Warum hast du denn nicht auf mich gewartet?«

Das habe ich, wollte sie sagen. »Was hast du da?«, fragte sie stattdessen entgeistert und deutete auf seine Beine. Eine überflüssige Frage, denn sie hatte ja Augen im Kopf.

»Da staunst du, was?« Paul warf sich in die Brust. »Die Großmutter hat sie mir genäht. Eine echte Hose - und auch ein Hemd, es ist aus Leinen, schau!« Er trat einen Schritt näher, um Henriette einen besseren Blick auf die Pracht zu gönnen. »Ich kann ja nicht mehr in einem Kittel herumlaufen wie ein kleines Kind«, erklärte er. »Ich bin ja nun ein Junge!« Mit jedem Wort schien er ein paar Zentimeter zu wachsen. Wenn er sich noch ein bisschen mehr aufplusterte, würde er wohl platzen, dachte Henriette verstimmt. Sie sah an sich hinunter und betrachtete ihren Kittel. Noch nie hatte sie darüber nachgedacht, was sie Morgen für Morgen anzog. Natürlich hatte sie bemerkt, dass Carl und Otto keine Kittel trugen, sondern Hosen, so wie Paul jetzt. Aber sie hatte sich nie groß Gedanken darüber gemacht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihre Brüder je in einem Kittel gesehen zu haben. Anders als Paul, der nur drei Tage vor ihr Geburtstag hatte und darum nur unwesentlich größer war als sie. Der nun trotzdem vor ihr stand und grinste, als ob seine dämliche Hose aus purem Gold wäre.

»Ja, nun ...«, sagte sie. Etwas Besseres fiel ihr in diesem Moment nicht ein. Sie war zu beschäftigt mit dieser Ungerechtigkeit, die ihr mit jeder Sekunde empörender schien. Wie war es nur möglich, dass Paul eine Hose bekam und sie nicht? Hatte Mutter vielleicht so viel mit Emilie zu tun, dass sie vergessen hatte, sich darum zu kümmern? Das konnte sein, immerhin sagte sie oft, dass sie gar nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand. Andererseits vergaß Mutter zwar manchmal Kleinigkeiten, aber nie die wirklich wichtigen Dinge. Regte sich Henriette womöglich voreilig auf? Tat sie Mutter unrecht, die...

mehr

Autor

Sabine Trinkaus wuchs im hohen Norden hinter einem Deich auf. Zum Studium verschlug es sie ins Rheinland, wo sie nach internationalen Lehr- und Wanderjahren sesshaft und heimisch wurde. Seit 2007 schreibt sie Kurzgeschichten, Kriminalromane und Thriller, außerdem erschienen Hörspiele und Theaterstücke aus ihrer Feder.
Die beeindruckende Lebensgeschichte von Henriette Hirschfeld-Tiburtius inspirierte sie zu ihrem ersten historischen Roman.