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9 Grad

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
253 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am30.08.20241. Aufl. 2024
Über die Kraft der Kälte, das Zurückfinden zu sich selbst, echte und sprengbare Grenzen im Leben und Freundschaften, die bereichern

Neun Grad hat das Wasser, als Josie sich zum ersten Mal in den Fluss wagt, um ihrer schwer kranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe - und was machen Grenzerfahrungen mit einem? Elli Kolb erzählt es in ihrem bewegenden Roman.









Elli Kolb, geboren 1986, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Nordische Philologie in München und Göteborg. Heute lebt sie in Fürth, nicht weit von einem Fluss entfernt. Wenn sie nicht gerade dort (eis)badet, bloggt sie auf understandingly.de über Mind-Body-Connections und mentale Gesundheit, vor allem auch über das Potenzial von Eisbaden bei Depressionen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextÜber die Kraft der Kälte, das Zurückfinden zu sich selbst, echte und sprengbare Grenzen im Leben und Freundschaften, die bereichern

Neun Grad hat das Wasser, als Josie sich zum ersten Mal in den Fluss wagt, um ihrer schwer kranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe - und was machen Grenzerfahrungen mit einem? Elli Kolb erzählt es in ihrem bewegenden Roman.









Elli Kolb, geboren 1986, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Nordische Philologie in München und Göteborg. Heute lebt sie in Fürth, nicht weit von einem Fluss entfernt. Wenn sie nicht gerade dort (eis)badet, bloggt sie auf understandingly.de über Mind-Body-Connections und mentale Gesundheit, vor allem auch über das Potenzial von Eisbaden bei Depressionen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751761321
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum30.08.2024
Auflage1. Aufl. 2024
Seiten253 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1108 Kbytes
Artikel-Nr.14446683
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Die Dämmerung hatte die Farbe von frischen blauen Flecken, die sich bald ineinander auflösen würden. Doch noch spiegelten sie sich im See wider und drängten sich durch die hohen Fenster zu uns ins Foyer, wo wir zu dritt warteten. Wenn ich mich nicht täuschte, konnte ich sie in den Augen von Rena und Anton sogar als eine Art Schmerz herumwandern sehen. Aber ich beschloss zu glauben, dass es eine gute Art Schmerz war, die Art von Schmerz, die irgendwann vorübergehen würde.

Wir standen in der Kassenschlange eines Schwimmbads, in das uns Rena bestellt hatte. So etwas war in unserer Freundschaft noch nie vorgekommen - dass Rena uns extra an einen Ort eingeladen hatte, um uns dort etwas zu erzählen, das sich angeblich sonst nirgendwo vermitteln ließ.

Genau so hatte sie es gesagt: »Wenn ihr nicht kommt, kein Problem. Aber dann werdet ihr es nie erfahren - oder erfahren vielleicht schon, aber ihr werdet es nicht verstehen.«

»Und was, wenn du es uns erzählst, und wir kapieren es trotzdem nicht, weil wir schlicht und ergreifend zu doof sind?«, hatte Anton gefragt, aber Rena hatte nur das Gesicht verzogen und gesagt, in diesem Fall sei sie wahrscheinlich ein bisschen enttäuscht, aber dann wisse sie wenigstens, dass sie mit uns in Zukunft im Prinzip nur noch über so etwas wie Fast Food reden könne. Kein Problem.

Trotzdem sah ich ihr an, wie angespannt sie war. Auch ich war an diesem Tag unerklärlich nervös; in meinem Kopf und in meinem Bauch pochte eine Art Countdown.

Rena bezahlte für uns alle den Eintritt und ging voraus zu den Umkleidekabinen. An der Fensterfront, die einen lang gezogenen Blick auf den See und die davor eingelassenen Schwimmbecken freigab, stoppte sie. Es war Anfang November, und draußen wehte seit Tagen unablässig ein Wind, der durch die Bäume fuhr und die Oberfläche des Sees neben dem Schwimmbad aufwirbelte. Das Wasser sah stürmisch und gleichzeitig unzugänglich aus. Mir erschloss sich absolut kein Grund, dort hineinzuspringen, wie andere Badegäste das taten.

Rena deutete auf die zitternden Arme und Beine und schreckgeweiteten Pupillen der Menschen auf dem Steg und sagte: »Da sind wir nachher auch.«

»Sind wir nicht«, sagte Anton.

»Sind wir doch«, sagte Rena triumphierend. »Heute geht ihr mit mir in die Sauna.«

»Fuck«, sagte Anton, mehr zu mir als zu Rena.

Nun war uns endgültig klar, dass irgendetwas mit Rena nicht stimmte. Seit sie vor zwei Wochen in der Bibliothek umgekippt war, hatte sich etwas an ihr verändert. Ich kam einfach nicht mehr an sie heran.

Bei unseren gemeinsamen Mittagessen in der Mensa hatte sie zwar ihren Kopf an meine Schulter gelehnt, obwohl sie das sonst nie tat. Aber wenn ich dann den Arm um sie gelegt und gefragt hatte, ob alles in Ordnung war, war sie abrupt wieder von mir abgerückt, hatte sich auf eine förmliche Weise aufrecht hingesetzt wie eine Stewardess und gesagt, klar, sie sei nur müde.

»Ist es wegen der Sache in der Bibliothek?«, hatte ich gefragt, aber da hatte Rena nur einen großen Schluck von meinem Kaffee genommen, auf die Tischplatte geschaut und den Kopf geschüttelt.

Fünf Minuten später kuschelte sie sich wieder an mich und sagte: »Du hast es gut, Josie, du hast ein gutes Leben. Du bist eine tolle Freundin. Und deine Haare riechen auch gut, weißt du das?«

»Rena«, sagte ich. »Schau mich mal an. Und jetzt mal Klartext, okay? Was ist denn los mit dir? Irgendetwas ist doch los mit dir!«

Als sie immer noch nichts sagte, nahm ich mein Handy, öffnete Google Earth und hielt Rena den Bildschirm direkt vor die Augen.

Keine Reaktion.

»Lebst du noch?«, fragte ich. »Du musst doch jetzt irgendwo auf den Erdball tippen und dir einen Ort aussuchen.«

So wie immer, schloss ich in Gedanken an, sagte es aber nicht. Normalerweise spielten wir das Spiel mit dem Globus, den Rena einmal von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, aber wenn wir unterwegs waren, ging es mit Google Earth auch.

»Mach du«, sagte Rena.

Ich tippte blind irgendwo hin. Es war mitten im Pazifik, weit und breit keine Insel.

»Was würdest du da jetzt tun?«, fragte ich trotzdem.

»Einfach irgendwie überleben.«

»Ich würde auf dem Deck eines Segelboots liegen, aufs Wasser gucken und Meerwind einatmen«, sagte ich. »Dann würde ich versuchen, dir über Rauchzeichen ein Selfie von mir zuzuschicken.«

»Ein Selfie über Rauchzeichen, klar, warum nicht?«, sagte Rena.

»Weil es kein Netz gibt«, sagte ich. »Würdest du dich nicht freuen, ein riesiges Porträt von mir aus Rauch zu bekommen?«

»Doch, doch, natürlich«, sagte Rena pflichtschuldig. »Was siehst du auf dem Segelboot?«, fragte sie dann.

»Ich bin umgeben von Wellen«, sagte ich. »So viele, dass man sie gar nicht mehr zählen kann, in allen Blauschattierungen, die man sich vorstellen kann. Ich bin umgeben von so viel Blau, dass der Himmel und das Wasser komplett austauschbar geworden sind.«

Wir spielten dieses Spiel fast jeden Tag. Rena, weil sie unstillbares Fernweh hatte, oder vielleicht auch, weil es sie an ihren Vater erinnerte; ich, um gemeinsam mit Rena eine Parallelwelt aufzumachen. Ich fand Parallelwelten generell gut.

Rena seufzte. »Das klingt schön.«

So wortkarg war sie sonst nie, deswegen war ich mir sicher, dass irgendetwas passiert war. Auch die Idee, in die Sauna zu gehen, passte nicht zu Rena. Wenn wir gemeinsam im Schwimmbad waren, dann eigentlich nur, um im Warmwasserbereich abzuhängen und über unser mehr oder weniger vorhandenes Liebesleben zu reden - »mehr oder weniger vorhanden«, weil es zwar da war, aber nicht besonders beeindruckte.

»Ich meine, immerhin haben wir überhaupt ein Liebesleben«, hatte ich einmal während einer unserer Thermalbad-Sessions konstatiert. »Wir könnten noch schlimmer dran sein. Aber warum zur Hölle ist es so schwer, jemanden zu finden, den man wirklich mag?«

»Das Leben ist hart, Josie«, hatte Rena erwidert, und Anton hatte gesagt: »Carpe diem, nutzet den Tag, meine lieben Freundinnen, ihr nutzt den Tag einfach nicht gut genug«, und dann war er schnell weggeschwommen, weil er Angst hatte, von uns untergetaucht zu werden.

Jetzt öffnete Rena die Tür zur Damenumkleide. »So, hinein mit dir«, sagte sie zu mir. Und zu Anton: »Wir sehen uns gleich, ja?«

Anton schlurfte ohne große Begeisterung davon, ich seufzte und ging durch die Tür, die Rena mir immer noch aufhielt.

»Warum ausgerechnet Sauna?«, fragte ich. »Warum, Rena?«

»Das schaffst du schon, Josie, okay?«, sagte sie.

»Ich hasse es jetzt schon.«

»Hör doch einfach mal kurz auf zu denken«, sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln. »Vertrau mir. Wir denken sowieso alle viel zu viel nach. Das ist quasi das Hauptproblem der Moderne.«

»Das Hauptproblem der Moderne?«, fragte ich belustigt. Ihre Doktorarbeit hatte in ihrem Leben nun offenbar völlig die Regie übernommen. Sie schrieb über Marcel Prousts Zeitkonzept in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, was ihr meiner Meinung nach nicht besonders guttat. Zum einen kommandierte ihre Doktormutter sie ständig herum und beauftragte Rena sogar dann, bei Symposien und Vorträgen Kaffee für alle Beteiligten zu kochen, wenn Rena selbst einen Vortrag hielt. Zum anderen musste sie ständig die Gliederung ihrer Arbeit ändern, weil die Doktormutter öfter mal ihre Meinung wechselte, was besonders dann vorkam, wenn sie schlechte Laune hatte. Zum anderen hatte ich das Gefühl, dass Rena von ihren Recherchen zur literarischen Moderne verschluckt wurde und nun alles mit ihren Modellen erklären wollte, auch wenn wir uns schon längst nicht mehr in der Moderne, sondern der Postmoderne befanden. Die Postmoderne ignorierte Rena einfach.

Rena sah mich mit einem würdevollen Blick an und stieg in einer eleganten Bewegung aus ihrer Jeans.

»Ich denke nur einfach gerade darüber nach«, sagte sie. »Privat, quasi. Dass man so viel kontrollieren will, einfach weil man denkt, dass man es mit dem Wissen, das man hat, auch kann. Aber dann stellt sich heraus, dass -«

»Dass das Leben einfach so passiert«, sagte ich. »Ich weiß schon.«

In der Umkleidekabine war es so eng, dass ich immer jemanden berührte, egal, wie vorsichtig ich mich bewegte. Der erzwungene Körperkontakt machte mich fertig; am liebsten hätte ich mich sofort wieder angezogen und wäre gegangen, raus aus der warmen, trockenen Luft, weg von dem, was Rena uns erzählen wollte, irgendwohin, wo ich mich nicht vor anderen ausziehen musste. Im Hintergrund summte ein Föhn, ich zog mir den Pullover über den Kopf, versuchte, dabei nicht aus Versehen meinen Bauch anzuschauen, und trotzdem war mit einem Mal alles wieder da: das Gefühl, mich voller Weichheit nach allen Seiten auszubreiten, ohne feste Kontur, ohne feste Form.

Reiß dich zusammen, Josie, sagte ich mir innerlich, da stehst du drüber! Dein Körperbild ist nur eine Folge von manipulativen Marketingstrategien. Im Mittelalter wäre deine Figur ganz große Klasse gewesen. Oder wenigstens in der Renaissance.

Unter meinen nackten Füßen spürte ich die Fugen der warmen Fliesen.

Dein Körperbild ist nur eine Folge von Marketingstrategien, wiederholte ich leise im Kopf. Ich dachte, wenn ich es nur oft genug wiederholte, würde es mich irgendwann beruhigen. Rena, Anton und ich hatten uns schon oft über das Thema unterhalten, ohne dass es mich in irgendeiner Form weitergebracht hätte.

»Es ist ja nicht deine...

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Elli Kolb, geboren 1986, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Nordische Philologie in München und Göteborg. Heute lebt sie in Fürth, nicht weit von einem Fluss entfernt. Wenn sie nicht gerade dort (eis)badet, bloggt sie auf understandingly.de über Mind-Body-Connections und mentale Gesundheit, vor allem auch über das Potenzial von Eisbaden bei Depressionen.
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