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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
237 Seiten
Deutsch
Matthes & Seitz Berlin Verlagerschienen am18.04.20241. Auflage
Die letzten zwei Jahre im Leben eines Familienhunds, durchzogen von Erinnerungen und mit Seitenblicken auf den gebrechlichen Vater der Erzählerin - Stoff für ein Buch, das viele Fragen stellt und so nüchtern-prosaische wie poetische Antworten bereithält. Die drei Töchter der Erzählerin und ihr Mann, der »Hundehasser«, aber auch die drei Hunde, der Vogel und alle anderen Haustiere bilden eine Familie mit einzigartigen Persönlichkeiten. Ihnen allen verleiht die Autorin eine Stimme, begibt sich auf ihre Augenhöhe und zeichnet in kuriosen wie rührenden, amüsanten und nachdenklichen Anekdoten das Bild dieser besonderen Familienkonstellation, wobei oft ein übler Gestank über der Szene liegt. Dabei überlegt sie: Was bedeuten Fürsorge, Verantwortung und Zuneigung zwischen Mensch und Tier? Wie weit reicht das gegenseitige Verstehen? Wo sind Grenzen, wo werden sie überschritten? Das offenbart sich am südkalifornischen Familienwohnsitz ebenso wie in Japan, wo der alte Vater die Tage mit seinem Hund verbringt.  Mit Geduld und Zurückhaltung wird hier beobachtet und zugleich mit Witz, Selbstironie und Sprachgewalt aus den ineinandergreifenden Perspektiven von Mensch und Hund erzählt. Selten hat jemand so offen und schonungslos über Leben und Sterben nachgedacht.

Hiromi Ito, 1955 in Tokyo geboren, zählt zu den wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart. In den 1980er Jahren hatte sie sich zunächst als innovative Lyrikerin mit neuartigen Themen und Sprechweisen einen Namen gemacht. Nach ihrer Scheidung siedelte sie 1997 in die USA über und gründete dort mit dem jüdisch-britischen Künstler Harold Cohen und ihren drei Töchtern eine neue Familie. Seither pendelt sie zwischen den Kontinenten. Mit ihren Langgedichten, Romanen und Essays sprengt sie Gattungsgrenzen. Ihr Roman Dornauszieher, 2007 publiziert, wurde mit zwei wichtigen Preisen ausgezeichnet, einem für Lyrik und einem für erzählende Literatur. Ito ist auch als Illustratorin und Manga-Kritikerin bekannt und lehrt literarisches Schreiben an der Waseda-Universität, Tokyo.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDie letzten zwei Jahre im Leben eines Familienhunds, durchzogen von Erinnerungen und mit Seitenblicken auf den gebrechlichen Vater der Erzählerin - Stoff für ein Buch, das viele Fragen stellt und so nüchtern-prosaische wie poetische Antworten bereithält. Die drei Töchter der Erzählerin und ihr Mann, der »Hundehasser«, aber auch die drei Hunde, der Vogel und alle anderen Haustiere bilden eine Familie mit einzigartigen Persönlichkeiten. Ihnen allen verleiht die Autorin eine Stimme, begibt sich auf ihre Augenhöhe und zeichnet in kuriosen wie rührenden, amüsanten und nachdenklichen Anekdoten das Bild dieser besonderen Familienkonstellation, wobei oft ein übler Gestank über der Szene liegt. Dabei überlegt sie: Was bedeuten Fürsorge, Verantwortung und Zuneigung zwischen Mensch und Tier? Wie weit reicht das gegenseitige Verstehen? Wo sind Grenzen, wo werden sie überschritten? Das offenbart sich am südkalifornischen Familienwohnsitz ebenso wie in Japan, wo der alte Vater die Tage mit seinem Hund verbringt.  Mit Geduld und Zurückhaltung wird hier beobachtet und zugleich mit Witz, Selbstironie und Sprachgewalt aus den ineinandergreifenden Perspektiven von Mensch und Hund erzählt. Selten hat jemand so offen und schonungslos über Leben und Sterben nachgedacht.

Hiromi Ito, 1955 in Tokyo geboren, zählt zu den wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart. In den 1980er Jahren hatte sie sich zunächst als innovative Lyrikerin mit neuartigen Themen und Sprechweisen einen Namen gemacht. Nach ihrer Scheidung siedelte sie 1997 in die USA über und gründete dort mit dem jüdisch-britischen Künstler Harold Cohen und ihren drei Töchtern eine neue Familie. Seither pendelt sie zwischen den Kontinenten. Mit ihren Langgedichten, Romanen und Essays sprengt sie Gattungsgrenzen. Ihr Roman Dornauszieher, 2007 publiziert, wurde mit zwei wichtigen Preisen ausgezeichnet, einem für Lyrik und einem für erzählende Literatur. Ito ist auch als Illustratorin und Manga-Kritikerin bekannt und lehrt literarisches Schreiben an der Waseda-Universität, Tokyo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751809788
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum18.04.2024
Auflage1. Auflage
Seiten237 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1448 Kbytes
Artikel-Nr.14498039
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 1
Hundeherz
Hundeherz

Ich sollte mich wohl beeilen mit dem Schreiben, bevor mich Take allein zurücklassen wird.

Take ist eine Deutsche Schäferhündin im reifen Alter von dreizehn Jahren. Und ich ein Mensch von sechsundfünfzig, als Hund wäre ich längst tot. Es ist fünfzehn Jahre her, dass ich mit meinen Kindern nach Südkalifornien gezogen bin, und eineinhalb Jahre später kam Take. Mit anderen Worten: Fast mein ganzes Leben hier habe ich mit diesem Hund verbracht.

Heute ging ich wieder mit Take im nahegelegenen Park spazieren. Dabei schlagen wir unwillkürlich immer denselben Weg ein. Die Strecke sind wir denkbar oft gegangen, seit sie klein war. Stur, wie wir beide sind, müssen wir den angefangenen Weg bis zum Ende gehen. Um sie zu entlasten, nehme ich in letzter Zeit das Auto für die Strecke zum Park und wieder zurück. Wir drehten also unsere Runde und kehrten zum Wagen zurück. Da merkte ich, der Schlüssel ist weg. Hatte ihn wohl unterwegs verloren. Als ich die Strecke zurückgehen wollte, wurde Take störrisch und bewegte sich nicht vom Fleck.

Take kehrt nicht gern um, sie nimmt auch nicht gern einen anderen Weg. Zudem war sie heute mehr gelaufen als sonst, ihre Gelenke müssen geknirscht haben. Ich kann Take nicht einfach hier stehen lassen, auch wenn ich weiß, dass Widerstand zwecklos ist. Also tat ich, was ich in solchen Situationen oft tue: Ich nahm ihr die Leine ab und ging los, ohne mich umzudrehen. Nun folgte sie mir widerwillig.

Take lässt mich nicht im Stich. Nie, egal, zu welcher Tageszeit, egal, wie fest sie an der Leine zieht und mich wissen lässt, da geht nichts - sobald ich ohne Leine loslaufe, hat sie keine andere Wahl, als mir zu folgen. Es ist der innere Hund, der sie dazu treibt. Dem Willen des Besitzers kann man sich widersetzen, das Hundeherz aber ist unbezwingbar.

Langsam, die Augen am Boden, trottete sie voran, getrieben von ihrer Hundenatur. Ich lief weiter und munterte sie auf: »Komm schon, Take, wir sind gleich da.«

Denselben Weg war ich schon vor dreizehn Jahren gegangen, damals mit rücksichtsvollem Blick, ob es das junge Hündchen schaffen könne. Tome, meine Jüngste, war fast drei Jahre alt, konnte aber noch nicht so lange am Stück laufen, also nahm ich den Buggy mit. Take war gerade erst, mit vier Monaten, bei uns eingezogen, ich war noch unsicher im Umgang mit ihr, und sie vertraute mir noch nicht ganz. Manchmal wollte auch ihre Welpenenergie explodieren. Wenn ich sie von der Leine ließ, lief sie weg und kam nicht mehr zurück. Wenn ich sie verfolgte, lief sie erst recht weiter. So schob ich auf meiner Verfolgungsjagd den Kinderwagen mit meinem Kleinkind darin in voller Fahrt durch die Gegend.

Eines Tages wurde Take auf halber Strecke müde. Sie sah mich mit traurigem Blick an, und als ich auf Japanisch fragte »Magst du einsteigen?«, nickte sie und kletterte ohne zu zögern auf den Wagen. Also nahm ich mein Kind auf den Arm und schob den Buggy mit dem Hund heim. Damals war sie richtig süß. Sie hatte große Ohren, die schön gerade hochstanden. Als sie erwachsen wurde, schrumpften ihre Ohren. Ach was, große Ohren können natürlich nicht wieder kleiner werden, es sah in ihrem jungen Gesicht, das klein und schmal war, nur so aus, als habe sie große Ohren. Als sie heranwuchs, wurde ihr Gesicht größer und die Ohren im Verhältnis dazu kleiner.

Dann wuchs Take zum Junghund heran. In dieser Zeit war es schwer, ihre Energie unter Kontrolle zu halten. Meine Aufgabe war es, morgens mit ihr spazieren zu gehen. Am Nachmittag war Sarako dran. Kurz nach der Umstellung auf Winterzeit wurde es rasch dunkel. Ich achtete immer sehr auf die Zeit für den Hundespaziergang im Winter.

Damals begannen wir mit dem Training. Dafür war Sarako, meine zweite Tochter, zuständig, aber sie war noch in der Junior High School und hatte weder Führerschein noch Geld, also war ich es natürlich, die Take zu den Trainingskursen brachte und bezahlte. Und ich war es auch, die morgens mit ihr Gassi ging, sie fütterte und sie in allen Einzelheiten des Lebens unterwies.

Takes Hundeschule war ein vollwertiges Ausbildungszentrum, wo auch Polizeihunde trainiert wurden. Ein Deutscher Schäferhund kann aggressiv sein und braucht, um ihn unter Kontrolle zu halten, ein gründliches Gehorsamkeitstraining, heißt es, sowie ein Angriffstraining, um ihn zu stoppen, wenn er aggressiv wird. Also ließen Sarako und ich die Sache nicht schleifen, sondern fuhren jeden Samstag mit ihr zur Hundeschule. Anfangs klappte nicht mal der Befehl »Sitz!«. Sobald Sarako sich umdrehte, stand sie auf, wenn man sie rief, bockte sie und lief weg, versteckte sich manchmal hinter mir oder floh zurück in den Wagen. »Take will einfach nicht gehorchen, ich glaub, sie pubertiert«, meinte Sarako, die selber mitten in der Pubertät steckte, ein ums andere Mal mit weinerlicher Stimme. Nachdem sie diese Befehle beherrschte, machten wir fleißig allerlei fortgeschrittene Übungen mit ihr, zum Beispiel einen Bösewicht (einen Trainer mit Schutzkleidung) furchteinflößend anzubellen, den Bösewicht zu verfolgen und ihn auf Zuruf von Sarako anzugreifen oder den Angriff auf ihren Zuruf hin zu stoppen.

Das Belltraining hat sich immer dann als nützlich erwiesen, wenn wir Gäste hatten, und das Angriffstraining hat zumindest in einem Fall geholfen. Bei einem Spaziergang biss sie einen Parkwächter, der Sarako kontrollieren wollte. Wir Eltern gingen in den Park und entschuldigten uns, aber der Wachmann redete merkwürdig vage und verworren, und Sarako erzählte uns später, wie dieser Parkwächter sein Amt missbraucht hatte, indem er sie, ein Mädchen, das allein unterwegs war, verfolgte, belästigte und zum Weinen brachte. Take wurde von allen gelobt: »Gut so, du hast sie beschützt.«

Ein andermal hatte sie einen Elektriker gebissen, der zu Renovierungsarbeiten mit einer langen Messlatte ins Haus kam. Der Elektriker war ein Bösewicht, ein »Fremder«, ein »Mann mit einer Waffe« und ein »Eindringling«, so wie es ihr beigebracht worden war, also waren sich alle einig, dass es so kommen musste (der Elektriker war auch ein Hundehalter), und die Sache wurde beigelegt.

Damals war Take stark und groß und konnte alles. Mit mir ging sie im Park spazieren, aber wenn Sarako, Take und Tome rausgingen, machten sie alles Mögliche, zum Beispiel zu zweit auf dem Roller stehen und sich von Take den Hügel hinunterziehen lassen. Verletzungen gab´s jede Menge, aber auch jede Menge Spaß.

Wenn die Freundinnen von Sarako und Tome mitkamen, weckte das in Take ihr über viele Generationen geprägtes Hundeherz, sie rannte umher und umkreiste die Mädchengruppe. Wann immer ein Kind aus der Gruppe ausscherte, rannte sie zu ihm und versuchte, es wieder zu den anderen zurückzubringen. Man konnte förmlich hören, wie sie zählte: »eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei, oh, da fehlt ja eine!«

Das Rudel zusammenzuhalten und zu zählen, gehört zum Wesen von Schäferhunden. Ihr Stammbaum wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland festgelegt. Es heißt, die Rasse entstand aus einer Mischung aus lokalen Schäferhunden und Wölfen. Im Ersten Weltkrieg wurden sie für militärische Zwecke eingesetzt, sie überraschten mit ihren Fähigkeiten und wurden anerkannt, und so verbreitete sich die Rasse über die ganze Welt, aber warum auch immer, in England heißt er Elsässer und nicht Deutscher Schäferhund.

In Hundebüchern wird er als stark, groß, klug, treu, gelehrig beschrieben, als geschickter Verteidiger und fähig, Home-Runs zu schlagen wie ein Rekordhalter in der Baseball Hall-of-Fame, was ich aufgrund meiner Eindrücke im Alltag nur bestätigen kann. Er kann so viel mehr als die kleinen Hunde, die Shiba Inus und Spitz-Mischlinge, die ich bisher hatte. Es ist eine wahre Freude. Mal abgesehen von ihrer übermenschlichen Begeisterung für Essen und Spaziergänge lebt es sich ansonsten ziemlich ähnlich wie mit Menschen. In ihren mittleren Lebensjahren lag Take oft mit melancholischer Miene in ihrem Hundebett, und Familie und Freunde, die vorbeikamen, flüsterten: »Vielleicht solltest du ihr Antidepressiva geben.« Wirklich ziemlich menschlich. Als sie noch älter wurde, kam sie aus ihrer Depression heraus. Vielleicht hatte sie sich abgefunden. Auch meine Mutter war schon in jungen Jahren depressiv und reizbar, aber im Alter, als sie im Krankenhaus lag und bettlägerig wurde, erholte sie sich von ihrer Depression (kurz nachdem eine Lähmung ihrer Gliedmaßen eingesetzt hatte, fiel sie in eine weitere Depression, überwand sie aber schließlich) und beendete ihr Leben als fröhliche und friedliche alte Frau. Vielleicht ist das bei Take ja genauso.

Der Park bestand aus einer großen Rasenfläche, einem Eukalyptushain und einem Areal mit einheimischer Vegetation dahinter. Wir erschlossen uns das Gelände in alle Richtungen. Doch schließlich wurde die Rasenfläche zu einem...
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Autor

Hiromi Ito, 1955 in Tokyo geboren, zählt zu den wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart. In den 1980er Jahren hatte sie sich zunächst als innovative Lyrikerin mit neuartigen Themen und Sprechweisen einen Namen gemacht. Nach ihrer Scheidung siedelte sie 1997 in die USA über und gründete dort mit dem jüdisch-britischen Künstler Harold Cohen und ihren drei Töchtern eine neue Familie. Seither pendelt sie zwischen den Kontinenten. Mit ihren Langgedichten, Romanen und Essays sprengt sie Gattungsgrenzen. Ihr Roman Dornauszieher, 2007 publiziert, wurde mit zwei wichtigen Preisen ausgezeichnet, einem für Lyrik und einem für erzählende Literatur. Ito ist auch als Illustratorin und Manga-Kritikerin bekannt und lehrt literarisches Schreiben an der Waseda-Universität, Tokyo.Irmela Hijiya-Kirschnereit, Japanologin, publiziert zu Literatur und Kultur Japans auf Deutsch, Englisch und Japanisch. Zwischen 1990 und 2000 gab sie die 34-bändige Japanische Bibliothek im Insel-Verlag heraus. Aus dem Japanischen hat sie Romane, Erzählungen und Lyrik übersetzt, u.a. von Enchi Fumiko, Nosaka Akiyuki, Oba Minako, Oe Kenzaburo. Ihre Auswahl an Lyrik und Prosa von Hiromi Ito (»Mutter töten«, 1993) war weltweit die erste in Buchform erschienene Übersetzung zu dieser Autorin.Irmela Hijiya-Kirschnereit, Japanologin, publiziert zu Literatur und Kultur Japans auf Deutsch, Englisch und Japanisch. Zwischen 1990 und 2000 gab sie die 34-bändige Japanische Bibliothek im Insel-Verlag heraus. Aus dem Japanischen hat sie Romane, Erzählungen und Lyrik übersetzt, u.a. von Enchi Fumiko, Nosaka Akiyuki, Oba Minako, Oe Kenzaburo. Ihre Auswahl an Lyrik und Prosa von Hiromi Ito (»Mutter töten«, 1993) war weltweit die erste in Buchform erschienene Übersetzung zu dieser Autorin.