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Unser soziales Gehirn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Klett-Cotta Verlagerschienen am07.09.2024
»Wir müssen sozialem Miteinander wieder mehr Raum geben, damit wir körperlich und psychisch gesund bleiben: Let's sync!«Dr. Nicole Strüber Die renommierte Neurobiologin Nicole Strüber erklärt die erstaunlichen Prozesse unseres Gehirns und verdeutlicht, warum Nähe zu anderen Menschen so wichtig ist. Denn ein geregeltes und erfülltes Miteinander nimmt immer weniger Raum in unserem Alltag ein - dies wiederum gefährdet unsere körperliche und psychische Gesundheit. Wir erleben es überall: Kinder in unzureichend betreuten Kitagruppen, auf Effizienz getrimmtes Familienleben,WhatsApp-Nachrichten statt spontanem Besuch, Videokonferenz statt persönlicher Besprechung, mit Stoppuhr ablaufende Arzttermine und Pflegebehandlungen - wir verbringen immer weniger Zeit in einem wirklichen Miteinander. Unser Gehirn benötigt diesen Austausch jedoch. Wir synchronisieren uns, und es werden Botenstoffe wie Oxytocin ausgeschüttet. All dies fördert unsere Entspannung, unsere Gesundheit, unsere Bereitschaft zu Veränderung, unsere Empathie und unser Vertrauen in andere. Und es lässt uns im Miteinander andere verstehen und mit ihnen kooperieren. Miteinander fördert Miteinander: Let's snyc! Nicole Strüber vereint neuestes Forschungswissen mit der aktuellen Situation - und fordert ein politisches und gesellschaftliches Umdenken. 

Dr. Nicole Strüber ist Neurobiologin. Sie ist als Wissenschaftsautorin und Referentin im Rahmen von Vorträgen und Seminaren tätig. Zusammen mit Gerhard Roth veröffentlichte sie das erfolgreiche Sachbuch »Wie das Gehirn die Seele macht«. 2016 erschien ihr Buch »Die erste Bindung«, 2019 ihr Buch »Risiko Kindheit«. Die erfahrene Rednerin zu Themen aus der Hirnforschung ist einem breiten Publikum bekannt. Online findet man sie unter: nicolestrueber.de
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

Klappentext»Wir müssen sozialem Miteinander wieder mehr Raum geben, damit wir körperlich und psychisch gesund bleiben: Let's sync!«Dr. Nicole Strüber Die renommierte Neurobiologin Nicole Strüber erklärt die erstaunlichen Prozesse unseres Gehirns und verdeutlicht, warum Nähe zu anderen Menschen so wichtig ist. Denn ein geregeltes und erfülltes Miteinander nimmt immer weniger Raum in unserem Alltag ein - dies wiederum gefährdet unsere körperliche und psychische Gesundheit. Wir erleben es überall: Kinder in unzureichend betreuten Kitagruppen, auf Effizienz getrimmtes Familienleben,WhatsApp-Nachrichten statt spontanem Besuch, Videokonferenz statt persönlicher Besprechung, mit Stoppuhr ablaufende Arzttermine und Pflegebehandlungen - wir verbringen immer weniger Zeit in einem wirklichen Miteinander. Unser Gehirn benötigt diesen Austausch jedoch. Wir synchronisieren uns, und es werden Botenstoffe wie Oxytocin ausgeschüttet. All dies fördert unsere Entspannung, unsere Gesundheit, unsere Bereitschaft zu Veränderung, unsere Empathie und unser Vertrauen in andere. Und es lässt uns im Miteinander andere verstehen und mit ihnen kooperieren. Miteinander fördert Miteinander: Let's snyc! Nicole Strüber vereint neuestes Forschungswissen mit der aktuellen Situation - und fordert ein politisches und gesellschaftliches Umdenken. 

Dr. Nicole Strüber ist Neurobiologin. Sie ist als Wissenschaftsautorin und Referentin im Rahmen von Vorträgen und Seminaren tätig. Zusammen mit Gerhard Roth veröffentlichte sie das erfolgreiche Sachbuch »Wie das Gehirn die Seele macht«. 2016 erschien ihr Buch »Die erste Bindung«, 2019 ihr Buch »Risiko Kindheit«. Die erfahrene Rednerin zu Themen aus der Hirnforschung ist einem breiten Publikum bekannt. Online findet man sie unter: nicolestrueber.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608123586
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum07.09.2024
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4912 Kbytes
Artikel-Nr.14499531
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2 Biochemie des Miteinanders - Oxytocin, Dopamin und Co.


Eben rief mich einer meiner Söhne an, erzählte von einem ziemlich verzwickten Konflikt mit seinem Zwillingsbruder. Mein Sohn war aufgebracht, gestresst. Ich versuchte in abwechselnden Telefonaten mit den beiden zu vermitteln. Mit jeder Minute, die ich mich mehr in diese Diskussion verstrickte, stieg die Konzentration an Stresshormonen in meinem Blut. Ich spürte es. Gleichzeitig wusste ich: Meine beiden brauchen mich gerade. Bald hatte ich das Gefühl, mein Blut würde vor lauter Stresshormonen beginnen zu blubbern. Ich war kurz davor, mich selbst zu streiten und beendete das Telefonat. Nun spürte ich mein eigenes Bedürfnis, mit jemanden zu reden, über diesen Streit meiner Kinder und über die Aussichtslosigkeit meiner Vermittlungsversuche.

Immer dann, wenn irgendetwas Wichtiges in unserer Umwelt oder in uns selbst passiert, werden im menschlichen Gehirn Stoffe ausgeschüttet, die die Arbeitsweise unseres Gehirns beeinflussen, sogenannte neuromodulatorisch wirksame Stoffe. Sie beeinflussen, wie wir uns fühlen und wie wir auf unsere Welt reagieren. Bei einem Streit machen sie uns konzentriert, in der Konfrontation mit Gefahren wachsam, sie lassen uns einander vertrauen oder motivieren uns zu Handlungen, wenn eine Belohnung winkt. In Situationen des Miteinanders ist vor allem ein Stoff wichtig: das Oxytocin.

Wenn ich mit meiner Freundin im Restaurant sitze, wir beide uns berichten, wie es uns jenseits von Smalltalk und Freundlichkeiten wirklich geht oder wenn ich ihr von meinen Diskutier-Zwillingen erzähle, dann schütten wir Oxytocin aus. Wir merken es zwar nicht, aber das Oxytocin steuert uns durch diese soziale Situation. Wir alle kennen diese Bubble. Wir reden mit jemandem, zunächst bleibt die Unterhaltung an der Oberfläche, »schönes Wetter heute«, »unglaublich, wie voll es hier ist«, etwas später gewinnt das Gespräch an Tiefe. Wie läufts im Job, was macht der Nachwuchs, die Eltern, das Knie? Vielleicht sind auch ein paar Schwierigkeiten Thema. Wir öffnen uns, vertrauen einander: Und schwups sind wir in der Bubble. Unsere Aufmerksamkeit ist voll auf unser Gegenüber gerichtet. Wir bekommen nicht mehr mit, was um uns herum geschieht. Würde uns jemand beobachten, dann fiele ihm auf, dass wir häufig die gleichen Bewegungen machen. Uns gleichzeitig durch die Haare fahren, gleichzeitig einen Schluck aus unserem Glas nehmen. Typisches Bubble-Verhalten eben.

Auch wenn gefühlte Bubbles wissenschaftlich nicht gut untersucht werden können, dürfte dieses Gefühl, sich miteinander in einer Bubble zu befinden, mit einer erhöhten Oxytocinfreisetzung einhergehen. Denn gezeigt hat die Wissenschaft, dass vertrauensvolle Gespräche von einer solchen begleitet werden.

In populären Medien wird das Oxytocin oft als Bindungshormon bezeichnet. Es fördert den Aufbau von Bindungsbeziehungen und wurde besonders intensiv im Hinblick auf seine Rolle beim Aufbau der Eltern-Kind-Beziehung beforscht. Über diese Rolle als vereinender Klebstoff hinaus beeinflusst das Oxytocin jedoch auch grundsätzlich, wie wir soziale Situationen erleben und uns darin verhalten. Es ist nicht nur ein Bindungshormon, sondern auch ein Sozialhormon. Auf diese beiden Funktionen und weitere beteiligte Stoffe wollen wir nun im Detail schauen.

Hinweis: In den letzten Jahren wurde deutlich, dass in der Forschung häufig nur eines der Geschlechter in den Fokus genommen wurde, dass etwa Medikamente nur an Männern erprobt wurden oder elterliches Verhalten vor allem am Beispiel der Mütter erforscht wurde. Der Stoff Oxytocin wird sowohl bei Männern als auch bei Frauen ausgeschüttet und sicherlich, wenngleich dies meines Wissens unerforscht ist, auch bei non-binären Personen - wobei fraglich ist, ob im Falle künftiger Einbindung in die Forschung ausreichend große Stichprobengrößen zusammenkommen würden. Der Stoff fördert sowohl bei Männern als auch bei Frauen die soziale Wahrnehmung und das angemessene Verhalten im sozialen Miteinander und hat bei beiden weitere Funktionen, auf die ich später eingehen werde. Dennoch kann er bei Männern und Frauen auch unterschiedliche Wirkungen haben, etwa auf den Umgang mit ihrem Kind - wie wir gleich sehen werden. Auch die Höhe der Oxytocinfreisetzung und die Verteilung der Rezeptoren, die den Stoff nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip binden, unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Hinzu kommt, dass sich Freisetzung und Wirkung bei Frauen auch innerhalb des monatlichen Zyklus unterscheiden und zudem in verschiedenen Lebensphasen, etwa Schwangerschaft, Mutterschaft und Wechseljahren, verschieden sind. So kann beispielsweise in den Wechseljahren eine Verringerung der Oxytocinfreisetzung für viele Wechseljahresbeschwerden verantwortlich sein. Auch empfängnisverhütende Mittel können die Oxytocinfreisetzung beeinflussen. So kann es geschehen, dass in einer Studie Geschlechtsunterschiede in der Oxytocinfreisetzung gefunden werden, diese aber nach Berücksichtigung der Verabreichung dieser Mittel nicht mehr vorhanden sind. All diese Unterschiede und Eventualitäten werden nicht Fokus dieses Buches sein, und ich werde mitunter verallgemeinern, um grundlegende Prozesse transportieren zu können.

Biochemie der Bindung


Bekannt ist Oxytocin für seine Wirkung unter der Geburt. Es wird im Körper der werdenden Mutter ausgeschüttet und fördert die Kontraktionen der Gebärmutter. Das Kind wird geboren. Auch unmittelbar nach der Geburt wird es ausgeschüttet, sowohl bei der Mutter als auch beim Kind. Es hilft beiden, sich vom Stress der Geburt zu erholen, sich aufeinander einzulassen und langsam eine Bindung aufzubauen. Und wenn der Vater hinzukommt, schüttet auch sein Gehirn Oxytocin aus, er beginnt, sich an das Kind zu binden (siehe Strüber 2024).

Auch jenseits der Geburt wird das Oxytocin im Miteinander von Eltern und Kind in den Gehirnen aller Beteiligten ausgeschüttet: beim Kuscheln, in Situationen gegenseitiger Hautberührungen, beim Stillen, im vertrauensvollen Miteinander und im Spiel von Eltern und Kind. Im elterlichen Gehirn fördert es deren elterliches Verhalten.

Während nun Eltern und Kind oder auch eine andere Bezugsperson und das Kind miteinander umgehen, während sie kuscheln, spielen oder auch mal unterschiedlicher Meinung sind - etwa, wenn das Kind gestillt werden möchte, die Mutter aber gerade Auto fährt -, dann beginnen sie, eine Bindung miteinander aufzubauen. Es wird fest abgespeichert, dass man zueinander gehört. Das Kind lernt, wer für es da ist, wer es schützt, wer es mit Nahrung versorgt und wer ihm Liebe schenkt. Die Eltern haben im Idealfall ein tiefes Gefühl der Verantwortung für das Kind und sind hochmotiviert, für es zu sorgen.

Neben Oxytocin spielt auch der Stoff Dopamin eine Rolle für den Aufbau der Bindung. Dopamin gehört zum Belohnungssystem des Gehirns und signalisiert uns, was gut für uns ist. Nehmen wir bewusst oder unbewusst etwas wahr, dass wir mit einem schönen Erlebnis verbinden, zum Beispiel ein Café, in dem wir eine besonders gute Cremetorte gegessen haben, dann wird von Zellen im sogenannten Striatum Dopamin ausgeschüttet. Bei mir selbst ist es nicht nur eine cremige Torte, die mein Dopamin zum Sprudeln bringt, sondern auch Käse, Wein, Musik und vieles weitere. Bei anderen sind es Sammelobjekte: Comics, Bücher, Schallplatten, Barbiepuppen, Münzen, Bilder von Zügen, marokkanische Teegläser, Nachttöpfe - die Auswahl ist endlos. Sieht man das Objekt der Begierde, geht es los: Das Dopamin tritt den Kampf mit dem Portemonnaie an und gewinnt nicht selten.

Wenn es gewinnt und wir die Belohnung in den Händen halten, dann werden körpereigene Opioide, etwa die Endorphine, ausgeschüttet. Auch die Opioide gehören zum Belohnungssystem, sie bringen das »Mögen«, das »Genießen« hervor. Dopamin hingegen das »Wollen«. Es motiviert uns, uns so zu verhalten, dass wir Belohnungen erhalten, ein schönes Ereignis wiedererleben. Auch in weniger prägnanten Situationen motiviert das Dopamin unser Handeln. Habe ich eine Haarsträhne im Gesicht, motiviert es mich, diese Haarsträhne zur Seite zu schieben. Und es motiviert mich auch, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wenn ich im kalten Winter morgens um sieben auf dem Weg zur Arbeit bin. Schließlich ist es schön warm dort, und am Ende des Monats kommt das Gehalt.

Zurück zum Aufbau der Bindungsbeziehung. Das Zusammenwirken dieser Stoffe verankert nicht nur die Bindungsbeziehung von Eltern und Kind im Gehirn, sondern auch weitere Beziehungen, in denen wir uns anderen verbunden fühlen: Geschwister, romantische Partner, enge Freunde. Wenn unser soziales Gehirn lernt, wer gut für uns ist, mit wem wir also eine Bindung eingehen sollten, dann wirken Oxytocin, Dopamin und die Opioide zusammen. Oxytocin wird im Miteinander ausgeschüttet und aktiviert das Dopaminsystem. Das Erleben des Miteinanders mit der Person, in deren Beisein Oxytocin ausgeschüttet wird, erhält den Stempel »Das ist schön« verbunden mit der Motivation, das Miteinander zu wiederholen. Genauso wie in unserem Gehirn unbewusst eine Verknüpfung zwischen der Torte und einer effizienten Kalorienversorgung hergestellt wird, und wir weiterhin motiviert sind, Torte zu essen, entsteht eine Assoziation der Bindungsperson mit dem Gefühl des Wohlbefindens. Wir sind motiviert, mit dieser Person Zeit zu verbringen, haben in...
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Autor

Dr. Nicole Strüber ist Neurobiologin. Sie ist als Wissenschaftsautorin und Referentin im Rahmen von Vorträgen und Seminaren tätig. Zusammen mit Gerhard Roth veröffentlichte sie das erfolgreiche Sachbuch »Wie das Gehirn die Seele macht«. 2016 erschien ihr Buch »Die erste Bindung«, 2019 ihr Buch »Risiko Kindheit«. Die erfahrene Rednerin zu Themen aus der Hirnforschung ist einem breiten Publikum bekannt.