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Wie ein wilder Gott

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Zsolnay-Verlagerschienen am19.08.20241. Auflage
Nach 'Der letzte Sommer in der Stadt' der neue Roman von Gianfranco Calligarich - über Afrika, Eroberer und unermessliche Gier
'Ein gut siebzigjähriger Nichtstuer', der pensionierte Präsident der Geographischen Gesellschaft, schaut 1933 vom Fenster seiner Villa in Rom auf eine Gartenmauer. An ihr ziehen wie auf einer Leinwand die Bilder sowohl seines eigenen Lebens als auch die des berühmten italienischen Afrikaforschers Vittorio Bottego (1860 bis 1897) vorbei.
Bottego hat auf mehreren gewagten Expeditionen das weitgehend unbekannte Abessinien und die Flüsse Juba und Omo entdeckt, auf denen Gold, Marmor und Elfenbein transportiert wurden. Sein Leitspruch war der aller Eroberer: 'Zerstören oder zerstört werden.'
Im melancholischen Ton des Beobachters und mit beißender Ironie erzählt der selbst in Asmara geborene Calligarich von der erschreckend aktuellen Gier nach Reichtum und der Gefährlichkeit von Macht.

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextNach 'Der letzte Sommer in der Stadt' der neue Roman von Gianfranco Calligarich - über Afrika, Eroberer und unermessliche Gier
'Ein gut siebzigjähriger Nichtstuer', der pensionierte Präsident der Geographischen Gesellschaft, schaut 1933 vom Fenster seiner Villa in Rom auf eine Gartenmauer. An ihr ziehen wie auf einer Leinwand die Bilder sowohl seines eigenen Lebens als auch die des berühmten italienischen Afrikaforschers Vittorio Bottego (1860 bis 1897) vorbei.
Bottego hat auf mehreren gewagten Expeditionen das weitgehend unbekannte Abessinien und die Flüsse Juba und Omo entdeckt, auf denen Gold, Marmor und Elfenbein transportiert wurden. Sein Leitspruch war der aller Eroberer: 'Zerstören oder zerstört werden.'
Im melancholischen Ton des Beobachters und mit beißender Ironie erzählt der selbst in Asmara geborene Calligarich von der erschreckend aktuellen Gier nach Reichtum und der Gefährlichkeit von Macht.

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783552075382
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum19.08.2024
Auflage1. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3999 Kbytes
Artikel-Nr.14508303
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




2 Ein ansteckender Schatten


Es gibt Menschen, die, das kann ich als alter Mann aus Erfahrung sagen, einen ansteckenden Schatten haben. Bei ihnen wird der Schatten nämlich nicht an eine Wand oder aufs Straßenpflaster geworfen, sondern auf ihren Nächsten, so dass dieser das Gefühl bekommt, sein Leben sei nicht zufriedenstellend. Das war schon bei General Gandolfi in der Garnison von Asmara der Fall gewesen, und nun auch bei Doria, als Bottego in der Geographischen Gesellschaft auftauchte.

Jetzt, da Herbst ist und die Gartenmauer von nur wenigen dürren Zweigen durchzogen wird, die sich in den Zementspalten festklammern, wie um die Zeit zu überdauern, in der sie üppig und grün gewesen sind, eignet sie sich gut als Projektionswand für Erinnerungen. Und versetzt mich in die Zeit zurück, in der auch ich sozusagen üppig und grün gewesen bin, um es einmal blumig-poetisch auszudrücken. Und so kann ich ihn hier, von meinem Arbeitszimmer eines alten Müßiggängers aus, noch einmal deutlich sehen: den Eintritt Bottegos und seines ansteckenden Schattens in mein Büro, nachdem er den Park der großen Villa der Geographischen Gesellschaft durchquert hatte.

Vor meinem Schreibtisch ein Mann von dreißig Jahren, so alt wie ich, in Uniform, mit den Rangabzeichen eines Hauptmanns, die er während des Afrikafeldzugs erhalten hatte, und mit einer Ledermappe unter dem Arm, in der sich die Landkarten von Äthiopien und drei Empfehlungsschreiben für die Erforschung des Juba befanden. Denn in der Mappe waren neben dem Brief von General Gandolfi noch zwei mit prominenten italienischen Namen. Die der Journalisten Edoardo Scarfoglio und Matilde Serao, den Eigentümern der bekanntermaßen kolonialismusfreundlichen neapolitanischen Zeitung Il Mattino, zu denen Bottego, einer Eingebung folgend, die er während des Rückwegs nach Italien auf dem Dampfschiff gehabt hatte, nach seiner Ankunft in Neapel hatte Kontakt aufnehmen können.

Er war in die Zeitungsredaktion gegangen, ohne allerdings vorgelassen zu werden, da zu viel zu tun war, hatte aber den Rat eines auf typisch neapolitanische Art sympathischen, verständnisvollen Pförtners erhalten.

»Kommen Sie nach sechs in die Galleria«, so dessen Rat, der sich auf die große Einkaufspassage Galleria Umberto I bezog, wo das Ehepaar jeden Abend nach Redaktionsschluss einen stärkenden Aperitif zu sich nahm.

Und so kam es zwischen den vielen Menschen in der marmornen Galleria unter der Kuppel aus Glas und Eisen zu Bottegos Begegnung mit der Serao und Scarfoglio. Die zwei saßen an einem Tisch in einem der vielen Cafés, wo die Serao, eine junge, kräftige Frau mit Übergewicht, deren Körperfülle ihr viel Rigorosität verliehen hatte, und Scarfoglio, ein eleganter Gentleman mit Schnauzbart, Krawatte und Spazierstock mit silbernem Knauf, als glühende Kolonialisten sofort begeistert von diesem jungen Hauptmann in Uniform waren, der mit den Plänen zur Erforschung des Juba, die er aus seiner Mappe gezogen hatte, soeben aus Afrika eingetroffen war.

Nach unzähligen Fragen zu seinem Leben in Afrika dann Scarfoglios Aufforderung: »Kommen Sie morgen Vormittag in der Zeitungsredaktion vorbei und holen Sie sich beim Pförtner unsere Empfehlungsschreiben ab.« Ein Satz, der mit einem kräftigen Händedruck von den beiden besiegelt wurde, wobei der von der fülligen Serao noch kräftiger war als der von Scarfoglio.

Also waren auch diese zwei, Scarfoglio und die Serao, seinem Schatten zum Opfer gefallen. Und das Gleiche geschah dem Marchese Doria in seinem Büro in der Geographischen Gesellschaft.

Zwei Dinge faszinierten Doria. Expeditionen und Wagemut. Denn auch er hatte ein Leben als Forschungsreisender durch verschiedene Regionen der Welt und vor allem durch den Orient hinter sich, bevor er damit anfing, sesshaft hinter dem Schreibtisch der Geographischen Gesellschaft zu altern. Daher wirkte, wie schon beim alten General in Asmara und dann bei Scarfoglio und der Serao in der Galleria Umberto I, Bottegos dunkler Schatten besonders stark auf Doria, während der die Landkarten Äthiopiens und die Pläne zur Erforschung des Juba studierte.

Diese Pläne ließen nichts außer Acht. Sie berücksichtigten nicht nur seine Nebenflüsse, die Beschaffenheit des Flussbetts, das Klima, die womöglich vorhandenen Nutzpflanzen und das Wesen und die Bräuche der Einwohner, sondern auch das Vorrecht auf die erkundeten Territorien.

Alles wies darauf hin, dass die Gebiete am Juba fruchtbar und ertragreich waren und es, falls der Fluss schiffbar war, möglich sein könnte, die Erzeugnisse aus diesen Regionen in die Städte am Indischen Ozean zu bringen, die unter italienischer Hoheitsgewalt standen, und sie von dort aus in die Heimat zu schaffen, was neue Absatzmärkte und einen Prestigegewinn für das Land versprach. Und nicht nur das. Italien könnte sich auch Gebiete aneignen, in die man die Flüchtlingsströme lenken konnte, die sich in jenen Jahren wegen der Wirtschaftskrise zunehmend in Richtung Amerika und anderer reicher, nach Arbeitskräften hungernden Länder bewegten. Und so die ohnehin schon mächtigen Nationen, die Italien früher oder später ökonomisch vernichten konnten, mit menschlichem Kapital versorgten.

»Bleibt nur noch zu klären, wie man den Fluss erreichen kann«, hatte Doria mit einer für ihn völlig untypischen Aufregung gesagt. Offensichtlich hatte Bottegos Schatten Doria an dessen mittlerweile aufgegebene Expeditionen erinnert, und so beugten sich die beiden Männer über den Schreibtisch, fuhren auf der Suche nach Reiserouten mit dem Zeigefinger über die Landkarte von Äthiopien und erörterten drei Wege, die ich mir in meiner Funktion als Sekretär eifrig notierte.

Der erste und kürzeste sah den Marsch der Karawane von der somalischen Küste des Indischen Ozeans bis zum Juba vor, von wo aus es zur Erkundung seiner Quellgebiete flussaufwärts weitergehen sollte. Doch die bekannte Abneigung der Somali gegen Italien und das Scheitern aller früheren Expeditionen auf dieser Route hatten gezeigt, dass sie wegen der Feindseligkeit der Ureinwohner - aller Wahrscheinlichkeit nach von Menelik geschürt, der keine Expeditionen in seinen Territorien duldete - die gefährlichste war.

»Vielleicht lieber die Route ab Djibouti«, hatte Doria vorgeschlagen, dessen Zeigefinger weiter suchend über die Karte gefahren war. »Mit einem Marsch durch das Gebiet von Harar, etwa tausend Kilometer bis zum Mittellauf des Flusses auf striktem Kurs von Norden nach Südwesten und dann weiter stromaufwärts bis zur Quelle«, hatte er so aufgeregt gesagt, als sollte er selbst dorthin aufbrechen. Aber Djibouti sei in französischem Besitz, hatte er hinzugefügt. Und die Franzosen würden einer italienischen Expedition wohl kaum Aufenthalt gewähren, könnte es doch ihre ohnehin großen Schwierigkeiten mit Menelik, wie alle in Afrika agierenden Nationen sie hatten, weiter zuspitzen.

Bleibe also nur die dritte Route. Mit Start in Berbera am Golf von Aden, das, mit leidlichen Beziehungen zu Menelik, unter britischem Protektorat stehe, und dann der Weitermarsch in den Ogaden, in ein Wüstengebiet, das allerdings so schrecklich sei, dass nur wenige einheimische Karawanen den Mut hatten, es zu durchqueren.

»Aber wie dem auch sei«, hatte Doria abschließend gesagt und mit einem gewissen Bedauern die Wanderung seines Zeigefingers über die Landkarte beendet, »egal, welche Reiseroute wir wählen, sie muss von der Regierung finanziert werden, weshalb wir besser sofort an die Arbeit gehen, bevor wieder irgendetwas dazwischenkommt«, womit er die Regierungskrisen meinte, die das Land regelmäßig erschütterten.

Diese Dringlichkeit veranlasste Doria, die Pläne am nächsten Tag an Ministerpräsident Crispi zu senden, auf dessen kolonialistische Einstellung er setzte.

Ein Schachzug, nach dem nur eine Woche später, was angesichts der bürokratischen Schwerfälligkeit der Politik kaum zu glauben war, ein Brief Crispis mit folgendem Inhalt eintraf: »Glücklich, Ihnen mitteilen zu können, dass die geographisch wie auch politisch...


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Autor

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.