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Als sie sich noch nicht kannten

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
91 Seiten
Deutsch
epublierschienen am29.04.202411. Auflage
Julien entwirft in der Stille seines Glaspalasts am Fleet, Elli sitzt wieder verlassen in Barmbek; Thies wird auf dem Empfang an der Elbchaussee glänzen, im selbstgewählten Berliner Exil feiert Harriet ihre Unabhängigkeit. Und während Henning schon längst duhn unter dem elterlichen Weihnachtsbaum liegt, schwört Siegfried sich in der U-Bahn nach Hause zum achtundvierzigsten Mal: Nächstes Jahr wird alles besser, ganz bestimmt! »Als sie sich noch nicht kannten« ist Ouvertu?re, Teaser, Vorspiel zur bislang unveröffentlichten Romantrilogie »Sex und Sozialkritik«. Mit einem Kapitel aus »Julien Lemaire«, dem ersten Teil der Trilogie, gewann Gabriel Gerling 2023 beim 3. LITFEST homochrom in Köln den Publikumspreis in der Kategorie Romane.

lebte in Köln, Berlin, Hamburg und Itzehoe und zurzeit wieder in Köln; Buchhändlerlehre, Studium (Germanistik, Anglistik, Geschichte in Köln; Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaften, Soziologie in Hagen); hat gearbeitet als Arbeitsvermittler, Bäckereiverkäufer, Buchhändler, Datenqualitätsmanager, Dozent für Deutsch, Englisch und Geschichte, Kellner, Konzeptioner, Putzkraft, Texter, typografischer Gestalter ... und die ganze Zeit über geschrieben
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextJulien entwirft in der Stille seines Glaspalasts am Fleet, Elli sitzt wieder verlassen in Barmbek; Thies wird auf dem Empfang an der Elbchaussee glänzen, im selbstgewählten Berliner Exil feiert Harriet ihre Unabhängigkeit. Und während Henning schon längst duhn unter dem elterlichen Weihnachtsbaum liegt, schwört Siegfried sich in der U-Bahn nach Hause zum achtundvierzigsten Mal: Nächstes Jahr wird alles besser, ganz bestimmt! »Als sie sich noch nicht kannten« ist Ouvertu?re, Teaser, Vorspiel zur bislang unveröffentlichten Romantrilogie »Sex und Sozialkritik«. Mit einem Kapitel aus »Julien Lemaire«, dem ersten Teil der Trilogie, gewann Gabriel Gerling 2023 beim 3. LITFEST homochrom in Köln den Publikumspreis in der Kategorie Romane.

lebte in Köln, Berlin, Hamburg und Itzehoe und zurzeit wieder in Köln; Buchhändlerlehre, Studium (Germanistik, Anglistik, Geschichte in Köln; Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaften, Soziologie in Hagen); hat gearbeitet als Arbeitsvermittler, Bäckereiverkäufer, Buchhändler, Datenqualitätsmanager, Dozent für Deutsch, Englisch und Geschichte, Kellner, Konzeptioner, Putzkraft, Texter, typografischer Gestalter ... und die ganze Zeit über geschrieben
Details
Weitere ISBN/GTIN9783759809193
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum29.04.2024
Auflage11. Auflage
Seiten91 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1224 Kbytes
Artikel-Nr.14578376
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Harriet
 

»Traditionen muss man fortführen, ihr legt doch so großen Wert darauf! Und ich bleibe Weihnachten eben traditionell in Berlin.«

»Wie? Was ist denn das für ein Unsinn?! Seit wann überhaupt?«

»Seit letztem Jahr. Und das ist kein Unsinn, sondern Fakt.«

»Oh, ich bitte dich!«

Harriet sah ihre Schwester um Fassung ringen. Das amüsierte sie zwar, aber ihr Herz schlug schneller, denn es war schon ein Schritt, den sie da tat! Sie hielt ihr Handy ein bisschen auf Abstand - nicht, weil Helen laut wurde, sondern weil Harriet fürchtete, aus Gedankenlosigkeit oder Versehen mit der Wange aufzulegen. Das war ihr schon zweimal passiert, beide Male hatte es im Anschluss einen Eklat gegeben, weil die jeweilige Gesprächspartnerin - in einem Fall Helen, im anderen ihre Mutter - geglaubt hatte, sie habe das Gespräch absichtlich beendet. Ihr heutiges Telefonat hätte sie am liebsten sofort abgebrochen, denn es führte zu nichts: Helen begriff einfach nicht, dass sich Harriet an Weihnachten nicht in Hamburg sah. Aber ihrer Schwester das zu erklären!

Im vergangenen Jahr hatte ihr der Zufall geholfen: Erst litt sie unter einer mittelschweren Grippe, dann fiel ein Zug nach dem anderen aus, eine Mitfahrgelegenheit fand sich nicht, und zu fliegen kam für Harriet als Unterstützerin der Klimabewegung aus Prinzip nicht infrage. Natürlich waren sie enttäuscht, aber je nun: Höhere Gewalt, was wollte man machen! Leider erfreute sich Harriet seitdem bester Gesundheit, und weder das Wetter noch die Deutsche Bahn boten ihr einen Grund zur Absage. Also musste sie entweder lügen oder sagen, wie es war. Sie hatte aber noch nie gut lügen können, zudem war sie eine Freundin klarer Worte. Gott sei Dank hielt ihre Familie sie von klein auf für überspannt; indem Harriet sich auf diese Überspanntheit berief, konnte sie sagen:

»Weihnachten ist nun mal nichts mehr für mich. Erstarrte Rituale, sinnfreier Konsum, verkrampfte Konversation mit Leuten, die einem nichts bedeuten ...«

»Wir bedeuten dir nichts?!«

»Ach, Helen, ich meine doch nicht euch! Aber du weißt doch, wie es ist. Am Ende sitzt man immer neben Brakelmanns oder Tante Edith, und darauf kann ich wirklich verzichten!« Oder neben deinem Mann, hätte sie beinahe gesagt; der Gedanke an ihren geistlosen Schwager ließ sie zum Weinglas greifen.

»Meine Güte, was hast du denn immer mit Brakelmanns!«

»Ich kann sie nicht ausstehen, und sie mich schon gar nicht.«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Wenn sie mich schon immer nach Berlin fragt, dieser Unterton allein, Helen! Und dann sagt sie sofort, die Stadt sei ja so verkommen.«

»Ja nun, wo sie recht hat?«

»Ach!«, rief Harriet unwirsch. »Du erinnerst dich aber schon, wie sie vom Adlon geschwärmt hat? Als sie zuletzt ihren furchtbaren Patensohn besucht haben und er sie zum Afternoon Tea ausgeführt hat?«

»Warst du nicht auch eingeladen?«

»Natürlich, ich hatte leider keine Zeit. Leider! Aber kannst du mir mal sagen, was am Adlon verkommen sein soll?«

»Ach, das meinte sie doch nicht! Und wieso furchtbar, ich finde, Jon ist ein ganz attraktiver Typ.«

»Er ist doch seit einiger Zeit politisch aktiv«, sagte Harriet spitz, «und stell dir vor, neulich hatte ich eine Einladung im Briefkasten - zum Gänseessen! Bei der FDP! Widerlich!«

»Was hast du denn jetzt gegen die FDP? Oder meinst du die Gänse? Isst du immer noch kein Fleisch?«

»Und wenn ich dann Brakelmann gegenüber erwähne, dass ich grün gewählt habe, kuckt er mich an, als hätte ich ganz schlimmen Ausschlag.«

Welche Welten mittlerweile zwischen ihnen lagen; dass ihre Schwester das einfach nicht begreifen wollte! «Abgesehen davon finde ich Jon kein bisschen attraktiv. - Und nein, ich esse immer noch kein Fleisch.«

»Was musst du auch immer mit Politik anfangen, es gibt doch hundert andere Themen.«

»Worüber soll ich mich mit diesen Leuten unterhalten?«

»Diese Leute! Harriet, die kennst du jetzt seit-«

»Das ist kein Grund. Im wirklichen Leben hätte ich mit ihnen nichts zu tun.«

»Nichts mehr, meinst du wohl«, sagte Helen boshaft.

Harriet seufzte. «Dann eben nichts mehr.« Vielleicht lag es nicht am Wollen, sondern am Können. Es hatte ja keinen Zweck.

»Dein letztes Wort?«

»Definitiv.«

»Also gut. Oder nicht gut. Und wie erkläre ich das unseren Eltern?«, fragte Helen in gekränktem Ton, als ob sie persönlich für das Gelingen des Weihnachtsfests verantwortlich wäre. Heimlich dachte Harriet, dass es Helen sowieso nicht um sie als Person ging, sondern um Harriet, die der Vollständigkeit halber dazu gehörte und jetzt allen durch ihren Trotz die Stimmung verdarb.

»Das musst du nicht, das mach ich schon selbst.«

»Ich bin gespannt, was Wolfram dazu sagt. Und Mama wird natürlich enttäuscht sein!«

»Ich weiß, aber es ist eben nicht zu ändern.«

»Und was fängst du dann mit dir an, so ganz allein in Berlin?«

»So ganz allein! Dass ich Freunde habe, kannst du dir wohl nicht vorstellen?«

 

Das mach ich schon selbst. Leicht gesagt! In diesem Moment hatte sie wirklich geglaubt, sie könne die Angelegenheit mit einem sachlichen Anruf erledigen. Aber nach Helens angefasster Reaktion war ihr bewusst, ihre Absage glich einer Revolte. Das musst du jetzt durchziehen, dachte sie, sonst nehmen sie dich überhaupt nicht mehr ernst. Zwei Tage lang schob sie das Telefonat vor sich her, währenddessen dachte sie sich alle möglichen Kommunikationsstrategien aus. Weil sie aber im Gegensatz zu ihrer Schwester auch das Taktieren nicht beherrschte und Helen ihr zudem morgens und abends Nachrichten schickte (»Hast du schon mit ihnen gesprochen?«), schenkte sie sich abends ein Glas Wein ein und nahm ihr Handy. Allein dass sie Alkohol brauchte, um ihre Aufgabe zu bewältigen, sprach doch dafür, dass am Konzept Weihnachten etwas nicht stimmen konnte!

Marianne machte aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl.

»Aber was haben wir dir denn getan, dass du-«

»Ihr habt mir nichts getan, es ist nur ... Mir ist einfach nicht danach, weißt du? Dieses ganze Blankenese, diese Gesellschaft, ich fühle mich mittlerweile so unwohl damit.«

»Unwohl?«

»Unfrei meine ich.«

Das war nicht nur Wasser auf die Mühlen ihrer Mutter, sondern auch viel zu abstrakt für sie. Dieses Kind, hörte Harriet sie schon zu Tante Edith sagen, weiß der Himmel, was mit ihr nicht stimmt. Sie schafft sich immer Probleme, wo überhaupt keine sind!

»Und außerdem ist es für dich doch auch angenehmer, wenn du für eine Person weniger kochen musst. Die ganze Mühe, die du dir immer machst, und jedes Mal bist du danach erschöpft und drei Tage krank!«, fügte sie deshalb hinzu, in der Hoffnung, ihre Mutter damit überzeugen zu können.

»Eine Person mehr oder weniger, das macht mir nun wirklich nichts aus«, widersprach Marianne, »und es ist absolut keine Mühe für mich, im Gegenteil. Du weißt doch, wie gern ich die Gelegenheit nutze, selbst zu kochen! Abgesehen davon isst du doch sowieso kaum etwas. Bist du immer noch Vegetarierin?«

Harriet trank einen großen Schluck. Ihre Mutter tat ihr nun doch leid; in einem Anfall von Verständnis sagte sie: »Ihr könntet auch zu mir nach Berlin kommen, das wäre doch mal was anderes!« Sie bereute den Vorschlag, kaum, dass er ausgesprochen war. Aber ihre Befürchtung, ihre Eltern könnten das für eine gute Idee halten und tatsächlich samt Schwester (und Schwager!) anreisen, erwies sich als unnötig, denn auf Hamburg war natürlich Verlass.

»Nun werd man nicht albern, Kind, wie stellst du dir das vor? Ich kann Brakelmanns ja schlecht sagen, dass wir dieses Jahr in Berlin feiern!«

»Um die geht es doch gerade! - Weißt du, wenn wir mal ganz unter uns blieben, en famille, nur wir vier«, sagte Harriet, vor allem ohne deinen schrecklichen Schwiegersohn, »das fände ich-«

»Das schlag dir man gleich aus dem Kopf«, unterbrach Marianne, »du weißt genau, dass so etwas nicht geht.«

»Eben«, und damit war die Diskussion beendet, »und deshalb bleibe ich lieber hier. Marianne, ich weiß, das macht dich traurig, aber wenn du es nicht verstehst, dann akzeptiere es bitte wenigstens.«

»Wir akzeptieren deine Meinung immer! Und ich begreife auch nicht, wieso du uns ständig unterstellst, wir würden dich nicht verstehen. Das ist nicht schön.«

»Tut mir leid, bei mir kommt es eben so an.«

»Und übrigens habe ich dich schon mehrmals gebeten, mich nicht Marianne zu nennen. Was hast du gegen Mama? Ich sagte neulich noch zu Edith, recht ist mir das eigentlich nicht.«

Von ihrem Vater wenigstens hatte sie gehofft, dass er sie verstünde; er kannte doch seine Jüngere und machte sich selbst gern lustig über Konventionen. Aber was Weihnachten betraf, war mit Wolfram nicht zu spaßen.

»Tja, das musst du wissen, Mädchen«, sagte er ernst, »wenn du glaubst, dass du dir damit einen Gefallen tust.«

»Das hat doch mit Gefallen nichts zu tun! Ich will selbst entscheiden, ob ich Weihnachten feiere oder nicht, und wenn ja, dann wie und wo. Und mit wem! Ich bin ein freier Mensch.«

»Ganz wie du meinst«, sagte Wolfram. »Aber mit deiner Autonomie kann es nicht weit her sein, wenn du sie durch drei Tage Kaffeetrinken in...

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lebte in Köln, Berlin, Hamburg und Itzehoe und zurzeit wieder in Köln;Buchhändlerlehre, Studium (Germanistik, Anglistik, Geschichte in Köln; Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaften, Soziologie in Hagen);hat gearbeitet als Arbeitsvermittler, Bäckereiverkäufer, Buchhändler, Datenqualitätsmanager, Dozent für Deutsch, Englisch und Geschichte, Kellner, Konzeptioner, Putzkraft, Texter, typografischer Gestalter... und die ganze Zeit über geschrieben
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