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Oberösterreich für Entdecker

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Amalthea Signum Verlagerschienen am02.05.20241. Auflage
Abenteuerlich, skurril, einzigartig »Ich wollte ein Buch über ein Land schreiben, es wurde eines über Menschen.« Für Reisephilosoph Michael Schottenberg heißt es einmal mehr, Unbekanntes zu »erfahren«. Vom Inn bis zum Böhmerwald, vom Sengsengebirge bis ins Salzkammergut braust er auf seiner roten Vespa durch Oberösterreich und staunt über dessen Vielseitigkeit. Menschen vertrauen ihm ihre Lebensgeschichten an, die zur Biografie eines Landes werden: vom Pinsdorfer Tierpräparator Höller, in dessen Dachboden Thomas Bernhard einen Roman schrieb, über die Holzkünstlerin Annerose R., die mit ihrer Kettensäge Frauenfiguren schnitzt, oder die Titanic-Beauftragte Lisa Maria, die in ihrer Toilette ein Privatmuseum betreibt, bis hin zum Linzer Domeremiten, der sich als der Autor selbst entpuppt. Ein Buch voller Reiselust und Lebensweisheit: In »Schottis« Wunderwelt zu blicken, heißt ein Land, seine Bewohnerinnen und Bewohner verstehen und lieben zu lernen. Mit zahlreichen Extra-Tipps und Reisefotos in Farbe

Michael Schottenberg, geboren in Wien, prägte als Schauspieler, Regisseur, Drehbuch- und Bühnenautor das österreichische und internationale Kulturleben. Zehn Jahre Direktor des Volkstheater Wien, zahlreiche Preise. Seit 2015 als Reisender und Autor unterwegs, 2019 Publikumsliebling bei »Dancing Stars«. Seit 2020 ist er wöchentlich als Reise-Experte im »Studio 2« (ORF 2) zu sehen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextAbenteuerlich, skurril, einzigartig »Ich wollte ein Buch über ein Land schreiben, es wurde eines über Menschen.« Für Reisephilosoph Michael Schottenberg heißt es einmal mehr, Unbekanntes zu »erfahren«. Vom Inn bis zum Böhmerwald, vom Sengsengebirge bis ins Salzkammergut braust er auf seiner roten Vespa durch Oberösterreich und staunt über dessen Vielseitigkeit. Menschen vertrauen ihm ihre Lebensgeschichten an, die zur Biografie eines Landes werden: vom Pinsdorfer Tierpräparator Höller, in dessen Dachboden Thomas Bernhard einen Roman schrieb, über die Holzkünstlerin Annerose R., die mit ihrer Kettensäge Frauenfiguren schnitzt, oder die Titanic-Beauftragte Lisa Maria, die in ihrer Toilette ein Privatmuseum betreibt, bis hin zum Linzer Domeremiten, der sich als der Autor selbst entpuppt. Ein Buch voller Reiselust und Lebensweisheit: In »Schottis« Wunderwelt zu blicken, heißt ein Land, seine Bewohnerinnen und Bewohner verstehen und lieben zu lernen. Mit zahlreichen Extra-Tipps und Reisefotos in Farbe

Michael Schottenberg, geboren in Wien, prägte als Schauspieler, Regisseur, Drehbuch- und Bühnenautor das österreichische und internationale Kulturleben. Zehn Jahre Direktor des Volkstheater Wien, zahlreiche Preise. Seit 2015 als Reisender und Autor unterwegs, 2019 Publikumsliebling bei »Dancing Stars«. Seit 2020 ist er wöchentlich als Reise-Experte im »Studio 2« (ORF 2) zu sehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783903441279
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum02.05.2024
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.6
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse16144 Kbytes
Artikel-Nr.14578992
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Eine kleine Geschichte über die Freiheit

Mariendom Linz, Domplatz 1, 4020 Linz

Der Weg beginnt hinter einer schmalen, unauffälligen Holztür am Beginn des Kirchenschiffes. Stufe um Stufe arbeite ich mich hoch, den Windungen der Treppe folgend, die kein Ende nehmen will. Als ob sich hier alles um sich selbst dreht. Es ist beschwerlich, in den Himmel hinaufzusteigen. Ich klettere durch eine senkrechte Röhre, von deren Ende schwacher Lichtschein zu mir dringt. Die Wahrheit ist, ich sehe gar kein Licht. Um mich abzulenken, denke ich mir das einfach so. Höhenangst und Klaustrophobie sind lange schon mein Thema. Der Turm des Linzer Mariendoms ist hoch, vor allem aber eng. Zumindest das Stiegenhaus. Es ist nicht die Anstrengung, die mir den Atem raubt, es ist meine innere Unruhe. Das Gefühl, festzustecken, macht mir Angst. Mein Rucksack füllt die komplette Breite der Steigleiter aus, sodass es schon rein physikalisch kein Zurück mehr gibt. Ich schließe die Augen. Wie oft habe ich diesen Traum schon geträumt. Düstere Geister, Schwarzalben, umgeben mich, eklige, kleine Biester, die den Menschen nichts Gutes wollen.

Kommen Sie! , sagt eine Stimme.

Ich komme. Ich öffne die Augen und steige weiter. Stufe um Stufe.

Ich möchte eine Geschichte über Eremiten schreiben , sagte ich einer freundlichen Dame am Telefon.

Wie schön!

Haben Sie einen Platz frei?

Sie wollen tatsächlich zu uns kommen?

Ja , sagte ich, tatsächlich.

Ein paar Tage später bin ich da. Die Turmwächterin stapft unmittelbar vor mir. Auch sie kämpft mit ihrer Kondition, kein Wunder, sie trägt einen unförmigen Rucksack, in dem sich die Mahlzeiten befinden, die mich in den nächsten vierundzwanzig Stunden versorgen werden. Ich schleppe Leichteres: Bettzeug, Handtuch und ein paar persönliche Dinge, die mir das Überleben in achtundsechzig Metern Höhe erträglich machen. Für die nächsten Tage bin ich als Turmeremit in der Himmelsklause des zehnthöchsten Sakralbauwerkes der Welt engagiert. Die Rolle habe ich mir selbst ausgesucht, also kann ich sie auch nicht zurücklegen - obwohl ich kurz davor bin.

Die Idee des Turmeremiten, an der der Kunstkurator Hubert Nitsch federführend beteiligt war, wurde im Rahmen der Kulturhauptstadt Linz09 geboren - und sie war in jeder Beziehung atemberaubend. Nirgendwo gab es Vergleichbares. In der Türmerstube des Mariendomes wurde eine Eremitage eingerichtet, um sie Menschen zur Verfügung zu stellen, die die Einsamkeit suchen. Der Raum der Stille liegt weit oberhalb der quirligen Altstadt und versteht sich als ein Ort, der unserer Beschleunigungsgesellschaft einen notwendigen Gegenentwurf anbietet. Mit dem Kopf oberhalb der Wolken hat man die Möglichkeit, in größtmöglicher Abgeschiedenheit über sich und sein Leben nachzudenken, über Sinn und Unsinn, Rückzug und Achtsamkeit, Bedürfnis und Orientierung. Jeder, der den Fluchtweg aus dem Schwungrad seiner Karriere sucht, findet hier das vielleicht Wichtigste vor - sich selbst. Das Bestechende an dem Gedanken ist: Man verbleibt inmitten des Alltags und könnte ihm doch ferner nicht sein. Die Oase der Ruhe liegt erhaben über allen Dächern, weit oberhalb des Kirchenschiffes, fern der Erde, nahe der Unendlichkeit. Die Idee sprach sich wie ein Lauffeuer herum. Entsprechend begehrt sind die Zeitfenster, die den Ruhesuchenden übers Jahr zur Verfügung stehen.

Die Schönheit des Himmels

Seit ich davon hörte, ließ mich die Idee dieses spirituellen Ortes nicht los. Du bist verrückt , sagten meine Freunde. Bin ich nicht , antwortete ich, wusste aber, dass sie recht hatten. Natürlich führte mich das Leben als Reiseautor oft schon an die Grenzen meiner Belastbarkeit. Vieles musste ich am eigenen Leib ausprobieren, um darüber zu berichten. Meine diesbezüglichen Abenteuer, Höhlenbegehungen wie Himmelsritte, waren Mutproben der besonderen Art: die Fahrt in einem Fesselballon über die Ebene von Bagan in Zentralburma, die Seilrutsche über das Dschungeldach bei Chiang Mai oder über die Blaue Stadt Jodhpur in Rajasthan, die tief unter der Erde liegende Hang-Sung-Sot-Höhle am Chinesischen Meer. Nie aber hätte ich gedacht, dass ich mich freiwillig und im Vollbesitz meines Verstandes tagelang in eine neun Quadratmeter kleine Zelle knapp unterhalb des Himmels sperren lassen würde. Diese Entscheidung überfordert mich turmhoch.

Die Klause

Geht´s? , fragt mich die nette Dame.

Klar , röchle ich. Halbzeit. Die Lungenflügel brennen. Zu meiner Beruhigung rasselt auch der gegnerische Atem. Der Zwischenstopp ist mit Bedacht gewählt, denn der Aufstieg ist bei Weitem noch nicht geschafft. Wir stehen im riesigen Dachboden oberhalb des Kirchenschiffes, und ich betrete die Bodenbretter, von denen ich mir einbilde, dass sie etwas instabil sind - Höhenangst. Die nächste Pause legen wir unmittelbar neben der riesigen, acht Tonnen schweren Immaculata-Glocke ein. Im Stock darüber hängen weitere sechs Glocken. Ab jetzt geht es auf offenen Steigleitern weiter. Durch den Rost der Trittstufen habe ich einen prächtigen Ausblick nach unten. Ein letztes Mal schraube ich mich um mich selbst. Wir sind da.

Die Stube ist für jeden geöffnet , sagt die Bergführerin und schließt den Adlerhorst auf.

Jederzeit? , frage ich.

Gegen Voranmeldung. Wir sind ja kein Hotel.

Der Ausblick raubt mir den Atem. Linz von oben. Unmittelbar vor meiner Stube führt ein schmaler Gang um die Kirchturmspitze herum. Oh mein Gott, wie nahe bin ich dir. Die Welt erscheint von hier oben klein, als könnte ich sie mit der Hand umschließen. Ich bekomme den Schlüssel nebst ein paar Bibelsprüchen anvertraut, dann betrete ich die beiden letzten Stufen in Richtung Ewigkeit und lasse mich aufs Bett fallen. Das Einzige, was jetzt noch bleibt: Lachen. Aus vollem Hals. Wir beide sehen uns an und lachen.

Die Turmfrau instruiert mich, wie ich in den nächsten Tagen zu meinen Mahlzeiten komme - indem ich die Himmelstreppe hinunter und mit einem schwer bepackten Rucksack wieder hinaufsteige - und welche Sicherheitsvorschriften während meines Aufenthaltes zu beachten sind, immerhin bin ich nachts, wenn der Dom schließt, das einzig verbleibende Crew-Mitglied an Bord des Kirchenschiffes. Wer kann das schon von sich behaupten? Und ganz Linz weiß davon, verrät doch das beleuchtete Turmfenster meine Anwesenheit: Der Eremit wacht über die Ruhe seiner Schutzbefohlenen.

Dem nicht genug, überreicht mir meine Kommandantin jetzt auch noch das Rote Telefon . Mit einem geheimen Codewort lässt sich im Falle der feindlichen Übernahme des Flaggschiffes christlicher Nächstenliebe der heiße Draht zur Zentrale des Österreichischen Wachdienstes aktivieren. Und sollte ich der extremen Abgeschiedenheit wegen selbst Hilfe beanspruchen, darf ich ihn auch für mich in Anspruch nehmen - eine Steigleiter ist schnell ausgefahren, sie steht Tag und Nacht zur Verfügung.

Linz von oben

Augenblicke später fällt die Tür ins Schloss. Draußen verhallen ihre Schritte in dem gewaltigen, nach allen Seiten hin offenen Himmelstreppenhaus. Ich bin alleine. Ich wollte es so. Allerdings, so sicher bin ich mir gerade auch nicht mehr. Viele vor mir wagten das Abenteuer. Viele werden es nach mir wagen. Dennoch, irgendwie bin ich mir gerade selbst der Nächste. Ohrenbetäubender Lärm. Es ist zwölf. Die glorreichen Sieben tun ihr Bestes. In ihrem Klang vermeine ich so etwas wie Zärtlichkeit zu hören, als wollten mich die Glocken willkommen heißen.

In einem kleinen Buch lese ich, dass das Linzer Projekt an eine alte christliche Tradition anknüpft. Aber ist sie nur christlich? In vielen Kulturkreisen und Religionen gab und gibt es Menschen, die eine Zeit lang, manchmal auch lebenslang, in völliger Abgeschiedenheit leben. Man nennt sie Wüstenväter oder Wüstenmütter. Ihre Erfahrung schenkt den Menschen Trost. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in ein paar Tagen auch nur eine halbwegs intelligente Lebensweisheit parat haben werde.

Schon nach wenigen Stunden spüre ich es: Etwas fällt von mir ab. Hier oben erscheint manches leichter als ein paar Stockwerke darunter. Ich stehe auf dem schmalen Rundgang vor meinem Fenster, und es hat den Anschein, als wäre die Welt unter mir weiter entfernt als das strahlende Sonnendach über mir. Vielleicht muss man ja wirklich nur die Düsternis durchqueren, um die Helle zu finden. Mein Gang durch den engen Treppenschlauch hat mich der Unendlichkeit nähergebracht.

Es dämmert, und die Menschen machen sich bereit...
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Autor

Michael Schottenberg, geboren in Wien, prägte als Schauspieler, Regisseur, Drehbuch- und Bühnenautor das österreichische und internationale Kulturleben. Zehn Jahre Direktor des Volkstheater Wien, zahlreiche Preise. Seit 2015 als Reisender und Autor unterwegs, 2019 Publikumsliebling
bei »Dancing Stars«. Seit 2020 ist er wöchentlich als Reise-Experte im »Studio 2« (ORF 2) zu sehen.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt