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Das kleine Gehege

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
BoD - Books on Demanderschienen am03.05.20242. Auflage
Der Autor schöpft in seinen Erzählungen aus der Fülle des Lebens - zu dem allerdings auch Abschiede, Trennungen, Ab­stürze gehören. Erotische Verführungen wechseln sich ab mit Geschichten, die sich mit den letzten Lebensjahren beschäftigen. Auch Schulzeiten und dort gemachte Erfahrungen spielen eine Rolle in diesem prallen Geschichtenbuch.

Konrad Pauli, geboren 1944 in Aarberg (Schweiz), Lehrerausbildung, wiederholte Arbeit bei Zeitungsredaktionen, lebt heute in Bern. Er veröffentlichte zahlreiche Prosabände, zuletzt »Ein Heldenleben«, »Seit jeher un­terwegs«, »Marcos Blicke ins Seeland«, »Weitergehen«, »Ein Romantiker in nüchterner Zeit«, »Atempause«, »Eva und Josef«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,80
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDer Autor schöpft in seinen Erzählungen aus der Fülle des Lebens - zu dem allerdings auch Abschiede, Trennungen, Ab­stürze gehören. Erotische Verführungen wechseln sich ab mit Geschichten, die sich mit den letzten Lebensjahren beschäftigen. Auch Schulzeiten und dort gemachte Erfahrungen spielen eine Rolle in diesem prallen Geschichtenbuch.

Konrad Pauli, geboren 1944 in Aarberg (Schweiz), Lehrerausbildung, wiederholte Arbeit bei Zeitungsredaktionen, lebt heute in Bern. Er veröffentlichte zahlreiche Prosabände, zuletzt »Ein Heldenleben«, »Seit jeher un­terwegs«, »Marcos Blicke ins Seeland«, »Weitergehen«, »Ein Romantiker in nüchterner Zeit«, »Atempause«, »Eva und Josef«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783759744241
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum03.05.2024
Auflage2. Auflage
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse417 Kbytes
Artikel-Nr.14605973
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

HEUTE ALLEIN

Sie kam von der Arbeit nach Hause und wusste gleich, dass sich etwas verändert hatte. Sie ging auf die Suche. Auf dem Nachttischchen fand sie den Zettel: »Ich bin ausgezogen«, las sie. »Ich liebe dich nicht mehr.« Hat er mich denn jemals geliebt? Mag sein. Aber jetzt meldete er sich ab. Seine wenigen Sachen schien er mitgenommen zu haben. Einerlei.

Nun auch er. Niederlage reihte sich an Niederlage. Sie war es gewohnt. Sich jedoch daran zu gewöhnen, war nicht leicht. Sie wurde dazu gezwungen. Sollte sie womöglich erleichtert sein? Andere jubelten in solcher Lage von wiedergewonnener Freiheit und neuen Möglichkeiten. So viele Mög lichkeiten hatte sie ausprobiert und zu leben versucht. Und sich von jeder neuen Möglichkeit Beständigkeit, Liebe und Geborgenheit versprochen. Verlangte sie zu viel? Sie verlangte gar nichts, sie hoffte bloß. Es gab doch welche, die blieben jahrelang, ein Leben lang zusammen. Sie wäre schon mit weniger zufrieden gewesen.

»Ich bin ausgezogen. Ich liebe dich nicht mehr. Kurt.« Er hatte sich entschieden, hatte sie fallen lassen wie einen faulen Apfel. Es sah so aus, als sei sie tatsächlich von Fäulnis befallen. Eine Fünfzigjährige war nicht mehr zwanzig. Dafür konnte sie nichts. Ihr wurde schwindlig. Sie setzte sich an den Bettrand. Nein, nur nicht hier sitzen bleiben. Die Bettwäsche musste sie wechseln. Als wäre dies die erste Notwendigkeit. Gestern noch hatten sie sich geliebt. Geliebt? Während er in ihr war, hatte er bestimmt schon gewusst, dass ... Oder fällt man einen solchen Entscheid in Minutenfrist?

Sie ging ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa. Erschöpft lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Nein, sie wollte nicht sehen, was sie mit geschlossenen Augen sah. In den weißen Vorhängen strahlte die Abendsonne. Es war die Stunde, in der man nach draußen ging zum kleinen Spaziergang. Lange hatte man in diesem Spätwinter auf die Sonne warten müssen. Jetzt war sie da - und er war weg. Nichts konnte sie dagegen tun. Würde sie ihn heute, morgen vermissen? Acht Jahre waren sie zusammen gewesen. Und sie hatte gedacht ... Der Schock war nicht aus heiterem Himmel gekommen. Aber so drastisch? Nicht jeder Wechsel war ein Neuanfang. Altlasten und sich selbst schleppte man mit, brachte sie ein ins angeblich Neue. Und Befangenheiten wuchsen ins Ungeheure. Nicht nochmals! Zu kompliziert und schmerzhaft wird alles, zu ungewiss der Weg der Gemeinsamkeit. Wenn´s denn eine Gemeinsamkeit wäre. Aber wer wusste das, wer vermochte dies zu erraten, im Voraus?

Wenn doch die lang ersehnte Sonne endlich verschwände, die Dämmerung und Nacht sie umfinge. Doch selbst in der Finsternis brannten grell die Lichter. Hinter den Augen und im Gemüt wartete kein Erlöschen. Auf dem Küchentisch stand die Tasche mit den Einkäufen. Sie hatte weder die Lust noch die Kraft, sie auszupacken. Aber etwas musste sie doch tun. Bloßes Nichtstun war unerträglich. Kein hilfloser Vorsatz half weiter. In welche Richtung sie auch ginge, es wäre die falsche. Und was ist die richtige? Sie wagte nicht, daran zu glauben. Sie war frei. Er war weg und hatte sie sitzen lassen. Sie war verwirrt. Sie durfte es sein, aber ging´s ihr wirklich unter die Haut? Wär´s der Richtige gewesen, dann wäre sie, wie man so sagt, am Boden zerstört gewesen. Aber immerhin acht Jahre. Anzeichen eines Mangels an Liebe hatte es immer gegeben. Sie hatte das hingenommen. Keine, keiner war vollkommen und fehlerfrei. Aber so ... Hätte sie aufmerksam auf ihre Gewissensstimme gehört, was hätte sie unternommen, anders gemacht? Von sich aus hätte sie ihm den Laufpass wohl nicht gegeben. War´s nun besser so? Was hatte sie verloren, was gewonnen? Weder das Eine noch das Andere vermochte sie abzuwägen. Sie hatte Kopfschmerzen. Dagegen war etwas zu tun. Aber gegen deren Ursache ...

In den weißen Vorhängen verblasste die Sonne. Sie hoffte, dass es morgen regnen würde. In den Regen sich einwickeln wie in einen Mantel. Die Aussicht auf einen blauen Himmel steigerte die Angst, die Haltlosigkeit. Hatte Kurt ihr Halt gegeben? Wovor hatte sie Angst? Sie sollte vernünftig sein. Die Vernunft wollte ihr befehlen, die Lage genau zu überdenken und ihre Möglichkeiten zu erforschen. Ob das Vernünftigsein gelänge und genügte? Sie saß still und sah sich um. Ihr wurde schwindlig. Die Hausschuhe beim Schirmständer hatte er vergessen mitzunehmen. Sie würde sie morgen entsorgen. Ent-Sorgen. Sorgen ade! Weg mit der Hinterlassenschaft - die Sorgen aus dem Sinn. Und er? Was tat er jetzt, in diesem Augenblick? Nicht ihr Problem. Was sollte sie das kümmern? Aber sie war voller Sorge. Um ihn oder um sich selbst? Er hatte gewählt. Damit musste er zurechtkommen. So wie sie auch. Jeder auf seine Weise.

Die Art, wie er gegangen war, passte zu ihm. Oft schon war er gegangen, ohne sie zu verlassen. Vielleicht käme er zurück. Wie auch schon. Doch diesmal würde sie ihm den Gefallen nicht tun. Er würde staunen. Sie musste ihm dies zumuten. So wie er ihr Vieles zugemutet hatte. Aber jetzt war Schluss. War es so - oder glaubte sie bloß daran? Von Frauen wusste sie, die wollten am Dienstag ihr Leben von Grund auf ändern; am Donnerstag war man müde oder sonstwie abgelenkt oder neuerdings versöhnlich gestimmt, bis das Wochenende die alte Katastrophe ausschüttete - und am Dienstag flammte das schüchterne Flämmchen zu aller Veränderung wieder auf. So verging die Zeit - und die meisten blieben kleben in den alten Verhältnissen.

Hatte sie Angst vor dem Alleinsein? Natürlich. Sie hatte aber auch Angst vor falscher Zweisamkeit. Doch sie wollte nicht allein sein. Freilich war sie es auch mit Kurt oft gewesen. Zu zweit allein sein, das war das Schlimmste. Allein allein sein? Das müsste gehen. Wenigstens eine Zeitlang. Sie lief in die Küche, war sich ihrer Schritte nicht sicher. Sie torkelte und fasste sogleich den Entschluss, dieses Torkeln zu genießen. Warum nicht ein Glas Wein trinken? Es brächte sie ins Gleichgewicht. Vielleicht ein bisschen mehr? Sie lachte in sich hinein. Betäuben wollte sie sich nicht, aber herausfinden, ob ihr noch Flügel wüchsen. Vielleicht rief er sie an, um ihr zu sagen, es tue ihm leid, er habe es sich anders überlegt. Aha! Liebe, zumindest Zuneigung, nährte sich aus anderen Vorräten. Er hatte sie allein gelassen, und jetzt wollte sie allein sein. Sie würde seinen Anruf nicht entgegennehmen.

Langsam packte sie ihre Tasche aus. Beim Einkauf hatte sie an das gemeinsame Abendessen gedacht. Womöglich bei Kerzenlicht. Das Fleisch stopfte sie ins Gefrierfach. Hunger? Nein, aber etwas musste sie essen. Sie hatte sich darauf eingestellt. Sie griff nach einer Pfanne, aber sie war ihr zu schwer. Stattdessen ging sie unter die Dusche, blieb lange darunter stehen. Dann zog sie sich um, schlüpfte in Kleider für ein besonderes Ausgehen. Das Sommerröckchen stand ihr gut, auch die halb hochhackigen Schuhe gefielen ihr. Zwar tat ihr darin der Fuß weh, zumeist aber nur die ersten Schritte. Sie ging zum Spiegel und fasste den Entschluss, sich selbst zu gefallen. Sie lachte auf. Wär´s besser gewesen mit ihm? Doch wohl nicht. Nicht mehr. Vieles hatte sie vor sich hergeschoben. Zu lange schon. All das Verschobene holte sie jetzt ein - oder lag schon hinter ihr. Was war denn gewesen, dass es so rasch verflogen war? Konnte sie ihrer Erleichterung, ihrer Beschwingtheit, ihrem Lachen trauen? Je höher hinauf, umso tiefer der Fall. Ach, was - sie war vorher schon unten gewesen.

Sie füllte das Glas nach, legte eine CD ein, war erleichtert, dass die Kopfschmerzen nachließen und fing an zu tanzen. Ohne ihn glückte der Tanz besser. Einen Tänzer aber wünschte sie sich. Schließlich war sie müde und ließ sich aufs Sofa fallen. Streckte die Beine von sich. Nicht alles sollte sich wiederholen. Ganz an die Anfänge wollte sie nicht zurück. Sie musste aufpassen. Hinter den Augen drückten die Tränen. Auch mit ihm hatte sie im Stillen oft geweint. Hatte gedacht, manches, wenn nicht alles, werde besser mit der Zeit. Mit der Zeit ... Er hatte sich mit ihr eingerichtet in seinem Unvermögen. Seine Schuld war es nicht. Ein Versuch war´s gewesen, ein acht Jahre dauernder Versuch.

Als wäre das Leben eine Versuchsanordnung. Nun ja, in gewisser Weise traf das zu. Wie kamen andere Paare damit zurecht? Kannten sie das Glück? Das dauerhafte? Oder wenigstens die Geborgenheit? Zärtlichkeit? Eine Art Verschworenheit für Gemein sames. Ein Ausschwärmen ins Leben - zu Hause und draußen.

Leicht hatte sie es von Anfang an nicht gehabt. Jung hatte sie geheiratet; nach der Geburt der zweiten Tochter dann der Autounfall. So wenig hatte es gebraucht, um den Mann und Vater ihrer Kinder zu verlieren. Nun waren die Töchter verheiratet. Sie waren ihrer Wege gegangen. Dann für kurze Zeit Stefan, später Roland - nun für acht Jahre Kurt. An Vielem trug sie wohl die Schuld. Aber mit der Schuldenlast hatte sie nun nichts mehr im Sinn. Fort damit.

Aber sie wusste: So rasch ging das nicht. Endlich raffte sie sich auf, zupfte den Rock zurecht, frischte das...
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Konrad Pauli, geboren 1944 in Aarberg (Schweiz), Lehrerausbildung, wiederholte Arbeit bei Zeitungsredaktionen, lebt heute in Bern. Er veröffentlichte zahlreiche Prosabände, zuletzt »Ein Heldenleben«, »Seit jeher un­terwegs«, »Marcos Blicke ins Seeland«, »Weitergehen«, »Ein Romantiker in nüchterner Zeit«, »Atempause«, »Eva und Josef«.