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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Arctis Verlagerschienen am11.09.20241. Auflage
Es sind die Augenblicke, die uns zu dem machen, was wir sind Moud ist siebzehn, queer und lebt in Los Angeles bei seinem Vater Saeed, dem er sich nie besonders nahe gefühlt hat. Als sie gemeinsam den sterbenskranken Großvater im Iran besuchen, sieht sich Moud plötzlich mit unerwarteten Geheimnissen seiner Familie konfrontiert. Über seinen Vater Saeed, der als Student an den Protesten gegen das Schah-Regime beteiligt war, in die USA emigrieren musste und dort von seiner amerikanischen Großmutter die schockierende Geschichte seiner Eltern erfährt. Über seine Ur-Großmutter, die ihren Sohn Bobby einst in die scheinbar märchenhafte Welt Hollywoods trieb, bis dessen Karriere als Schauspieler aufgrund seiner Homosexualität zu platzen droht. Moud ist gezwungen, seine Familie, seine Kultur und sich selbst mit neuen Augen zu betrachten.

Abdi Nazemian hat sich als Autor vor allem durch seine Jugendbücher einen Namen gemacht. Sein Roman 'Like a Love Story' (2019) wurde mit dem ?Stonewall Honor? ausgezeichnet. Er arbeitet zudem als Drehbuchautor, unter anderem für Filme wie 'The Artist's Wife' oder 'The Quiet' sowie für Fernsehserien wie 'Ordinary Joe' oder 'The Village'. Abdi Nazemian lebt mit seinem Mann, seinen zwei Kindern und Hund Disco in Los Angeles.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextEs sind die Augenblicke, die uns zu dem machen, was wir sind Moud ist siebzehn, queer und lebt in Los Angeles bei seinem Vater Saeed, dem er sich nie besonders nahe gefühlt hat. Als sie gemeinsam den sterbenskranken Großvater im Iran besuchen, sieht sich Moud plötzlich mit unerwarteten Geheimnissen seiner Familie konfrontiert. Über seinen Vater Saeed, der als Student an den Protesten gegen das Schah-Regime beteiligt war, in die USA emigrieren musste und dort von seiner amerikanischen Großmutter die schockierende Geschichte seiner Eltern erfährt. Über seine Ur-Großmutter, die ihren Sohn Bobby einst in die scheinbar märchenhafte Welt Hollywoods trieb, bis dessen Karriere als Schauspieler aufgrund seiner Homosexualität zu platzen droht. Moud ist gezwungen, seine Familie, seine Kultur und sich selbst mit neuen Augen zu betrachten.

Abdi Nazemian hat sich als Autor vor allem durch seine Jugendbücher einen Namen gemacht. Sein Roman 'Like a Love Story' (2019) wurde mit dem ?Stonewall Honor? ausgezeichnet. Er arbeitet zudem als Drehbuchautor, unter anderem für Filme wie 'The Artist's Wife' oder 'The Quiet' sowie für Fernsehserien wie 'Ordinary Joe' oder 'The Village'. Abdi Nazemian lebt mit seinem Mann, seinen zwei Kindern und Hund Disco in Los Angeles.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783038801818
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.09.2024
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1467 Kbytes
Artikel-Nr.15120831
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Saeed

1978


Teheran


»Komm schon, Sechser-Pasch«, flüstert Baba, während er seinen Würfelbecher schüttelt, als wäre er ein Musikinstrument. Mein Vater verwandelt alles in Musik. »Parvaneh, komm her. Ich brauche dich.« Maman erscheint wie gerufen, hält einen Bauplan in der Hand und pustet ohne Aufforderung in Babas Würfelbecher.

»Ich bin erledigt«, sage ich mit einem kläglichen Lächeln.

Maman stellt sich hinter mich. Sie legt mir eine Hand auf die Schulter und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel. »Keine Sorge, ich werde auch in deinen Würfelbecher pusten. Ich habe genügend Glück für meine beiden Lieblingsmänner.«

Baba lässt die Würfel auf den Tisch rollen. Wie erwartet hat er einen Sechser-Pasch. Mit einem diebischen Grinsen entfernt er vier Backgammonsteine von seiner Seite des Spielbretts. »Jetzt du, mein Sohn.«

Ich halte meinen Würfelbecher hoch, damit Maman hineinpusten kann. Als ich den Becher schüttle, klingt nichts nach Musik. Zwar hat mir Baba beigebracht, die richtigen Tasten auf dem Piano zu treffen und an den Saiten der Tar zu zupfen, aber in einen Künstler wird er mich niemals verwandeln. Dafür bin ich einfach nicht gemacht. Peyman sagt, alle Kinder müssen in mindestens einer Hinsicht das Gegenteil ihrer Eltern werden, und ich finde, damit hat er recht. Allerdings habe ich manchmal das Gefühl, ich bin in jeder Hinsicht das Gegenteil meiner Eltern.

Ich würfele eine Zwei und eine Eins. »Oh, komm schon«, rufe ich in gespielter Verzweiflung. »Das werde ich jetzt niemals aufholen.«

»Komm wieder an meine Seite, Parvaneh.« Baba lächelt verschmitzt. »Dein Glück scheint nur mir zu helfen.«

»Untersteh dich, Maman«, sage ich und zu ihrer Rettung läutet es an der Tür.

Als ich aufstehen will, knarzt unter mir der alte Holzstuhl.

»Spielt nur weiter, ich geh schon«, sagt Maman.

»Wenn es mein Schüler ist, bittest du ihn, im Musikzimmer zu warten?« Baba würfelt eine Drei und eine Zwei und dann verzieht er das Gesicht.

»Tja, ja, ja«, sage ich. »Sieht aus, als wäre deine Glückssträhne vorbei.«

Ich höre, wie Maman die Tür öffnet und Peyman herzlich begrüßt. Ihre Schritte kommen näher und der Rhythmus wechselt, als sie die knarzenden Holzdielen verlassen und den farbenprächtigen Teppich betreten, der eine Geschichte aus SchÄhnÄme verbildlicht.

»Wer gewinnt?«, fragt Peyman beim Reinkommen. Er trägt einen schwarzen Caban und hält ein großes, bedecktes Tablett in den Händen.

»Eins zu eins«, sage ich. »Aber Baba ist kurz vor dem Untergang. Was ist auf dem Tablett?«

»Hausgemachtes Yakh dar Behesht, für euch.« Peyman überreicht Maman das Tablett.

Ehe Maman das Tablett auf den langen hölzernen Esstisch stellt, lugt sie unter das Tuch. »Bitte richte deiner Mutter aus, dass sie nicht für jeden deiner Besuche etwas für uns zubereiten muss.«

»Ich kann es ihr gerne ausrichten, aber sie wird nicht auf mich hören.«

Dann, mit einem vielsagenden Blick, wendet sich Peyman an mich. »Wir sollten gehen, Saeed, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.«

»Wo wollt ihr denn hin?«, fragt Maman.

»Bitte sagt, dass ihr ein bisschen Spaß haben werdet«, kommt uns Baba zuvor. »Ihr seid noch jung und die Jugend ist dazu da, um genossen zu werden.«

»Sollen wir das Brett hier stehen lassen und morgen weiterspielen?«, frage ich. Mit einem Nicken steht Baba auf. Er knipst ein Licht an und die Glühbirne erhellt die Kalligrafie auf der Lampe. »Du hast das Thema gewechselt«, sagt Baba. »Wohin wollt ihr?«

»In die Bibliothek«, sage ich. »Wir sind mit ein paar Freunden zum Lernen verabredet.« Ich schaue weder Baba noch Maman an. Ich hasse es, sie anzulügen, aber was bleibt mir anderes übrig? Wenn sie wüssten, wohin ich gehe, würden sie mich nicht lassen. Meine Eltern haben eine sehr offene Einstellung. Sie ermutigen mich, auszugehen und mich in Teherans Cafés und Restaurants zu vergnügen, in denen immer jede Menge los ist. Sie verbieten mir nur eine einzige Sache: die Teilnahme an den Protesten, die sich über die ganze Stadt ausbreiten.

»Du bist achtzehn Jahre alt und machst nichts anderes, als zu studieren«, sagt Baba zu mir. Dann wendet er sich an Peyman. »Und du scheinst mir ein lebenslustiger Mensch zu sein. Kannst du unseren Sohn nicht überzeugen, ein bisschen lockerzulassen und ab und zu mal seine Jugend zu genießen?«

Peyman lacht. »Ich wünschte, meine Eltern wären mehr wie Sie. Von denen kriege ich ständig zu hören, dass ich mehr lernen, härter arbeiten und an meine Zukunft denken soll.« Peyman lässt locker, und zwar ziemlich oft. Doch im Gegensatz zu mir hat er das verblüffende Talent, die Uni, die Proteste und die Nachtclubs unter einen Hut zu kriegen, ohne dabei je den Fokus zu verlieren.

»Mehr lernen?«, fragt Maman mit einem Lächeln. »Ihr zwei besucht doch schon die beste technische Universität unseres Landes. Ihr habt ja sogar Sommerkurse belegt.«

Es klingelt wieder an der Tür. »Das muss mein neuer Schüler sein«, sagt Baba. Auf dem Weg zur Tür hält er noch einmal inne und dreht sich zu uns um.

»Deine Mutter und ich wollen nicht, dass du die ganze Zeit Party machst. Oder die ganze Zeit studierst. Oder überhaupt irgendetwas die ganze Zeit tust. Wir wollen, dass du Balance findest. Wenn du keine Balance im Leben hast ... wenn du dich nur auf ein einziges Ziel fixierst ...« Es klingelt ein zweites Mal. Baba scheint in Gedanken versunken.

»Babak«, sagt Maman sanft.

Er schüttelt seinen Tagtraum ab und geht weiter Richtung Tür, um seinen Schüler zu begrüßen.

Als die beiden auf dem Weg zu Babas Musikzimmer sind, greift Maman nach meinem Mantel, der über dem Stuhl im Esszimmer hängt, und legt ihn mir über die Schultern. Sie streicht den Kragen glatt. »Soll ich dir einen Schal bringen?«, fragt sie.

»Ich werd´ okay sein«, sage ich.

»Die Nächte werden schon kälter.« Maman schaut mir in die Augen. Ihr zärtlicher Blick verunsichert mich.

Der Klang von Babas Tar schwebt uns entgegen und verzaubert unsere Wohnung. Dann, nach einer kurzen Pause, hören wir den neuen Studenten auf der Tar spielen, der die Saiten in ein kreischendes Folterinstrument verwandelt.

»Oh, wow.« Peyman verzieht in gespieltem Schock das Gesicht, was Maman und mich zum Lachen bringt. »Wenn wir den Schah überzeugen wollen, seine Politik zu ändern, haben wir hier wohl den Schlüssel gefunden«, sagt Peyman. »Wir zwingen ihn einfach, so lange dem schlimmsten Tarspieler der Welt zuzuhören, bis er einlenkt.«

Maman schüttelt lachend den Kopf. »Ihr wärt überrascht, wie schnell Babak einen schrecklichen Musiker in einen anständigen Musiker verwandelt.«

Ich will sagen, dass sie vielleicht überrascht wäre, wie schnell eine Masse junger Studenten dasselbe mit unserer Regierung anstellen kann. Aber ich darf es nicht sagen. Weil sie nicht wissen darf, dass wir auf dem Weg zu einem Protest sind. Ich wünschte, ich könnte meinen Eltern erklären, dass ich mich selten so lebendig fühle wie dort, wo sich meine Stimme im Chor meiner Mitstudenten erhebt.

 

Peymans Auto parkt neben meinem in der Einfahrt. »Steig ein«, befiehlt er.

»Ich bin mit Fahren an der Reihe«, sage ich. Wir beide lieben unsere Paykans. Unsere Eltern schenkten sie uns, als wir an der Uni angenommen wurden, und wir wollen immer beide derjenige sein, der das magische Gefährt durch die quirligen Straßen Teherans manövriert.

Ich parke den Wagen fünf Gehminuten vom Shahyad-Platz entfernt und wir laufen im Gleichschritt auf den Protest zu, an der Seite der anderen Studenten, die alle dasselbe Ziel haben. Peyman begrüßt unsere Kameraden herzlich. Er ist ein sozialer Typ und schließt überall Freundschaften. Das ist wohl der Grund, warum ich mich so glücklich schätzen kann, dass er mich zu seinem besten Freund gewählt hat.

Als Peyman mit zwei Jungs redet, die er vom Fußballspielen kennt, entdecke ich das bezauberndste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. Ihr langes schwarzes Haar leuchtet. Ihre olivfarbene Haut strahlt. Es ist, als würde sie Licht versprühen.

»Saeed«, ruft Peyman meinen Namen aus.

Ich bin völlig in ihrem Bann, bis ihr das Haargummi, mit dem sie sich gerade einen Pferdeschwanz machen will, aus der Hand fällt. Ich stürze vor, um das Haargummi für sie aufzuheben und ihr zurückzugeben, als wäre es eine seltene Kostbarkeit.

»Danke«, sagt sie und wickelt das Haargummi um ihren Pferdeschwanz.

»Saeed!«, brüllt Peyman jetzt. »Komm her, ich will dich meinen Fußballkumpels vorstellen.«

Verlegen schaue ich das Mädchen an. »Ich, ähm, muss gehen. Das ist mein Freund ...«

»Schön, dich kennenzulernen, Saeed«, sagt das Mädchen und ihre hellbraunen Augen schimmern. Dann geht sie weg und ist nur noch ein Körper in der Menge, die auf den Protest am Shahyad-Platz zusteuert.

»Warte, wie heißt du?«, rufe ich hinter ihr her, aber sie ist schon zu weit entfernt, um mich zu hören.

Peyman stellt mich seinen Freunden vom Fußball vor, dann laufen wir auf den Platz zu und ich schimpfe mit ihm. »Du hast mich gerade eben von dem schönsten Mädchen weggezogen, das ich je gesehen habe.«

Peyman zuckt mit den Achseln. »Ich konnte sie nicht richtig sehen, aber wenn sie so umwerfend ist, wie du sagst, dann ist sie definitiv außerhalb deiner Liga.«

Ich schlage ihm auf die Schulter, ein bisschen zu hart. »Beeil dich. Ich muss sie finden.«

Peyman lächelt beeindruckt. »Na, wow. Kommt mein bester...
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