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Vorbild Helmut Schmidt?

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
Deutsch
E.S. Mittler & Sohnerschienen am05.06.2024
Corona-Pandemie und Überflutungen, Kriege und Migrationsströme, Klima- und Energiekrise: So präsentiert sich das 2020er-Jahrzehnt. Ende kaum absehbar. Was würde Helmut Schmidt jetzt tun? Fehlt an Deutschlands Spitze eine Führungsfigur seines Formats? Schmidts Nimbus als Krisenmanager entstand vor allem 1962, bei der Sturmflut an der Nordseeküste, und im Terrorherbst 1977: Der Kanzler ließ den entführten Lufthansa-Jet 'Landshut' in Mogadischu stürmen, und die Geiseln dort kamen frei. Schmidts entschiedenes Auftreten und seine klare Sprache sind Kult. Kann Helmut Schmidt der Politik ein Vorbild sein - zeitlos, in Gegenwart und Zukunft?

Sven Felix Kellerhoff, M.A., leitet seit 2003 das Geschichtsressort der WELT-Gruppe in Berlin und seit 2012 den History-Channel WELTGeschichte; schrieb zahlreiche Sachbücher zu Themen des 20. Jahrhunderts, zuletzt Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht (2023). Helmut Stubbe da Luz, Dr. phil. habil., lehrt als Privatdozent Geschichte an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg; zeigt in der Universitätsbibliothek seit 2013 historische Ausstellungen, jeweils mit Begleitband, zuletzt 'Extreme Situationen, schnelle Entscheidungen': Helmut Schmidt gegen Sturmflut und RAF-Terror (2022); (als Hrsg.) Ausgebombt! Hamburgs Gomorrha 1943 und die Folgen (2023).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR24,95
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextCorona-Pandemie und Überflutungen, Kriege und Migrationsströme, Klima- und Energiekrise: So präsentiert sich das 2020er-Jahrzehnt. Ende kaum absehbar. Was würde Helmut Schmidt jetzt tun? Fehlt an Deutschlands Spitze eine Führungsfigur seines Formats? Schmidts Nimbus als Krisenmanager entstand vor allem 1962, bei der Sturmflut an der Nordseeküste, und im Terrorherbst 1977: Der Kanzler ließ den entführten Lufthansa-Jet 'Landshut' in Mogadischu stürmen, und die Geiseln dort kamen frei. Schmidts entschiedenes Auftreten und seine klare Sprache sind Kult. Kann Helmut Schmidt der Politik ein Vorbild sein - zeitlos, in Gegenwart und Zukunft?

Sven Felix Kellerhoff, M.A., leitet seit 2003 das Geschichtsressort der WELT-Gruppe in Berlin und seit 2012 den History-Channel WELTGeschichte; schrieb zahlreiche Sachbücher zu Themen des 20. Jahrhunderts, zuletzt Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht (2023). Helmut Stubbe da Luz, Dr. phil. habil., lehrt als Privatdozent Geschichte an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg; zeigt in der Universitätsbibliothek seit 2013 historische Ausstellungen, jeweils mit Begleitband, zuletzt 'Extreme Situationen, schnelle Entscheidungen': Helmut Schmidt gegen Sturmflut und RAF-Terror (2022); (als Hrsg.) Ausgebombt! Hamburgs Gomorrha 1943 und die Folgen (2023).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783813210408
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum05.06.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse4587 Kbytes
Artikel-Nr.15513353
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Führung ist Führung - Vorwort

"Helmut-Schmidt-Momente" - typisch, vorbildhaft, gigantisch - Editorial

Vom Krisenmanager zur Lichtgestalt - Helmut Schmidt in der öffentlichen Meinung

Politische Führung in Extremsituationen - Historische Anmerkungen

Ein Kampf auf Biegen und Brechen - Helmut Schmidt und die RAF

Verbrecher erpressen den Staat - was tun? Das Leben der Geiseln und die Staatsräson

Rettung aus höchster Not - Der "übergesetzliche Notstand"

Gegen das Grundgesetz verstoßen? - Der "Schmidt-Sturmflut-Mythos" und "Mogadischu"

"Die Sache ausschießen" - Helmut Schmidts Entscheidung zum "Landshut"-Sturm in Mogadischu 1977

Orientierung in Extremlagen - Helmut Schmidts Marburger Rede 2007

Führung in der Zeitenwende - Kontinuitäten zwischen Helmut Schmidt und Olaf Scholz

Helmut Schmidt - Aktualität und Vorbildhaftigkeit
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Leseprobe



FÜHRUNG IST FÜHRUNG

Vorwort

Gerhart Baum

Vorbilder ... Als ich 1972 ins Bonner Innenministerium kam, als Parlamentarischer Staatssekretär, hatte ich mich schon fast zwei Jahrzehnte lang politisch betätigt, unter anderem als Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und in verschiedenen Parteiämtern. Wir wollten eine Republik des Grundgesetzes aufbauen. Wir wollten das Land verändern. Wir waren Reformliberale. Wir wollten die sozialliberale Koalition und wir wollten uns von den Nationalisten trennen, die es in der FDP noch gab. Wir haben die FDP verändert mit Scheel, Genscher und vielen anderen. Ein ganzes Programm der FDP hat dieses sozialliberale Lebensgefühl 1971 verfestigt - das Freiburger Programm. Wir wollten Willy Brandt, diesen charismatischen Friedenskanzler. Diesen verließen am Ende langsam die Führungskräfte. Ich erinnere mich an eine Kabinettssitzung, in der eine schwierige Frage erörtert wurde. Irgendwann sahen alle den Kanzler an, in der Erwartung, dass er die Diskussion zusammenfasste. Er wusste nicht weiter. Da griff Helmut Schmidt ein und übernahm gewissermaßen die Führung. Brandt war ein ganz anderer Typ. Oft schwebte er in anderen Sphären. Das Alltagsgeschäft einer Koalition - das war nicht mehr seine Sache. Für die RAF-Krise wäre er wohl nicht der richtige Mann gewesen.

Realität und Disziplin

Aber Schmidt war in dieser Situation der richtige Kanzler. Helmut Schmidt war ein Macher, mittendrin in der Realität. Er disziplinierte sich selbst und erwartete Disziplin auch von anderen. Er hatte oft nicht viel Verständnis für uns Jüngere, die wir ja auch geträumt haben - von einem besseren Deutschland und von einem Europa, das sich entwickelte. Natürlich merkte Schmidt, dass die Jugend rebellierte. Aber er hatte wenig Verständnis dafür, dass Demonstranten sich auf Straßenbahngleise setzten, um Tariferhöhungen zu verhindern oder gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Die Bewegung der Achtundsechziger, deren Elan - das alles war ihm nicht so nah. Herr Baum , sagte er einmal, Sie sind sehr liberal und mir sogar ein bisschen zu liberal. Ich war ja ein Linksliberaler, ein Bürgerrechts- und Umweltliberaler. Schmidt gehörte zu denen, die uns Menschenrechtler etwas skeptisch betrachteten. Das interessiere in China doch niemanden, hat er mir mal gesagt. Und mit Umweltschutz war bei ihm nicht viel zu machen.

Krisenkanzler Helmut Schmidt

Helmut Schmidt war ein Krisenkanzler. Zu Hamburg, zur Flutkatastrophe 1962, kann ich nicht viel sagen. Schmidt hat wohl das Heft in die Hand genommen. Er hat sich auch, wie man oft hört, über hemmende Vorschriften hinweggesetzt. So habe ich ihn später allerdings nicht kennengelernt. Dann kam die Ölpreiskrise, 1973/1974. Da war Schmidt Finanzminister, ab 1974 dann Bundeskanzler. Die Ölpreiskrise hat er mit großer Sachkenntnis gemeistert. Als Krisenkanzler war er dann in hohem Maße gefordert durch den RAF-Terror. Der erreichte 1977 seinen Höhepunkt. Schmidt hat mutige Entscheidungen getroffen und dafür gesorgt dass der Staat sich nicht erpressen ließ. Er opferte Schleyer - das war eine Entscheidung, die er vor allem gegenüber der Familie vertreten musste und vor dem Bundesverfassungsgericht. Und wenn die Erstürmung der Lufthansa-Maschine in Mogadischu gescheitert wäre - das ganze Flugzeug war mit Sprengkörpern bestückt -, dann hätte er seinen Rücktritt eingereicht; dessen bin ich mir sicher. In der Maschine befanden sich fast 90 Menschen.

Richtlinienkompetenz und Mehrheitsverhältnisse

Wie hat Helmut Schmidt in normalen Zeiten regiert? Brauchen wir heute einen neuen Schmidt? - Jede Zeit ist anders. Eine solche Ballung von Krisen, auf die man sich nicht vorbereiten konnte, die gab es damals nicht. Die sozialliberale Koalition - zwei statt heute drei Partner - hatte mitunter Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Das geschah ziemlich geräuschlos, bis in der Endphase die Gemeinsamkeiten geringer wurden. Schmidt, sein Partner Genscher und sein ganzes Kabinett praktizierten einen anderen Regierungsstil. Das Ergebnis: Zweifel an der Handlungsfähigkeit gab es kaum. Entscheidungen wurden viel besser vorbereitet als heute - eben nicht durch öffentliche Profilierung der Kontrahenten, sondern durch gründliche interne Vorbereitung. Hätte ich auf einem der vielen Politikfelder des Bundesinnenministeriums eine Rakete in die Öffentlichkeit geschossen, hätte Schmidt sofort reagiert. Kabinettssitzungen wurden sorgfältig vorbereitet, bei wichtigen Entscheidungen in Kontakt mit den Regierungsfraktionen. Heute kritisieren diese mitunter Beschlüsse der Regierung, kaum sind sie getroffen. Es mag ja reizvoll sein, ein neues Paket , etwa im Steuerrecht, auf die Bühne und zur Diskussion zu stellen. Aber was auch immer herauskommt - am Ende bleibt der Eindruck: Die streiten mehr untereinander als mit der Opposition. Das ist Gift in Zeiten, in denen Menschen ohnehin von Angst und Unsicherheit bestimmt werden.

Ausschlaggebend ist, dass der Kanzler und seine Mannschaft vertrauensbildend handeln. Ich wage die Behauptung: Dass sich Minister nicht nur am Kabinettstisch, sondern auch in der Öffentlichkeit streiten - einen solchen Vertrauensbruch hätte es in dieser Dimension unter Schmidt nicht gegeben. Schmidt war immer voller Tatkraft.

Ein Wort zur Richtlinienkompetenz des Kanzlers. Sie wird vielfach überschätzt. Ich habe nie erlebt, dass Schmidt zu Genscher gesagt hätte, das machen wir jetzt so und so. Ich habe Sitzungen miterlebt, in denen Genscher sagte: Herr Bundeskanzler, haben Sie denn mit dieser Meinung eine Mehrheit im Parlament? Und damit war die Diskussion zu Ende. Eine solche Position war mitunter auch gegenüber Kohl notwendig.

Schmidt war sehr von sich selbst überzeugt, zeigte also einen Hauch von Selbstbewusstsein, das nicht von Zweifeln angekränkelt war. Er verbarg auch nicht, dass er vieles besser wusste als seine Gesprächspartner. Doch er vertrug Widerspruch, ja, er forderte ihn gelegentlich heraus. Er hörte zu, er ließ sich bremsen. Es ist besser, einen Kanzler zu haben, der sich bremsen lässt als einen, den man schieben muss.

Die Kabinettssitzungen waren minutiös vorbereitet, aber Schmidt hat dennoch diskutieren lassen. Darüber konnten Stunden vergehen, mitunter wurde dann Mittagessen bestellt. Das war anders als bei Kohl, wo nach einer halben Stunde alles abgenickt wurde.

Schmidts Grenzen

Mit einer seiner Grundüberzeugungen passt Helmut Schmidt heute nicht mehr in die Zeit - ich habe es schon kurz erwähnt. Er war der Meinung, dass es eine Anmaßung sei, anderen Völkern beizubringen, wie sie zu leben hätten - und das in Bezug auf China. Oft habe ich mit ihm darüber diskutiert. Natürlich sollten wir uns jeder anmaßenden Arroganz enthalten. Aber die heutige Zeit und viele andere schweren Verletzungen der Menschenwürde in der Vergangenheit fordern uns heraus, diese ethischen Grundlagen der Völkergemeinschaft und unseres Grundgesetzes zu verteidigen. Schmidt hielt Leute wie mich für Träumer , die er mit ihren Utopien eher beim Arzt als in der Politik sehe. Auch in dieser Hinsicht bevorzugte er entschlossenes Handeln. Nur: Friedenssicherung war ihm wichtiger als deren Verbindung mit dem Schutz der Menschenwürde.

Wie steht es mit seinen Niederlagen? Er hatte sie, wie jeder Politiker. Er hat sich nicht lange bei ihnen aufgehalten.

Gescheitert ist Helmut Schmidt am Ende an seiner eigenen Partei. Das ist durch die Art des Koalitionswechsels 1982 zunächst verdeckt worden. Natürlich hat die FDP die Koalition unter Umständen verlassen, die meine Freunde und ich selbst nicht gebilligt haben. Aber die SPD hat ihrem Kanzler die Zustimmung zu einem wesentlichen Element seiner Außenpolitik letztlich verweigert: Es ging um den NATO-Doppelbeschluss. Der war ein Kernstück der Außenpolitik von Schmidt und Genscher, speziell der unverzichtbaren Westbindung unseres Landes. Schmidt hat Druck auf die Sowjetunion ausgeübt. Und ich bin überzeugt, eine Deutsche Einheit hätte es ohne Schmidt und den NATO-Doppelbeschluss nicht gegeben, jedenfalls zu jener Zeit nicht.

Irgendwann hat Führung auch mal ein Ende. Die Jungen in der SPD, unter anderem Gerhard Schröder, wollten nicht nur aus der NATO raus, sondern auch aus der Koalition. Sie nahmen in Kauf, dass Kohl kommen und lange bleiben würde. Sozialdemokraten und Liberale hatten in der Wirtschafts- und Sozialpolitik am Ende erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Sie waren aber nicht unüberbrückbar. Da hat Schmidt Ende August 1982 seinen Wirtschaftsminister, Otto Graf Lambsdorff von der FDP, aufgefordert, einmal aufzuschreiben, was die Liberalen aus seiner Sicht eigentlich wollten. Schmidt war ja klar, was der Wirtschaftsliberale Lambsdorff aufschreiben würde. Er wusste auch, dass die Sozialliberalen in der FDP von Lambsdorffs Standpunkt abwichen. Das Lambsdorff-Papier lag...

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