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Schwimmende Steine

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
202 Seiten
Deutsch
BoD - Books on Demanderschienen am09.06.20241. Auflage
Wer Peter Seibelt nicht kennt, und das sind die meisten, weiß auch nichts über die Tragödie, die ihn über fünfzig Jahre seines Lebens verfolgt hat. Pit Ferman kennt ihn. Denn er war es, der Peters Biografie im Kriminalroman Schaafswinter aufgezeichnet hat. Der Anlass, ihn zu besuchen, ist jedoch ein anderer. Peter Seibelt stellt Lampen aus den Rahmen alter Zimmerkachelöfen her, und solch eine Lampe wünschen sich Pit und seine Frau Eliza für ihr Haus. Dabei ergibt sich aus Peters Erzählungen, dass seine Tragödie vermutlich viel früher ihren Anfang genommen hatte als selbst Pit wusste.

Pit Ferman wurde 1953 in Kappelrodeck im Land Baden-Württemberg geboren. Er lebte über dreißig Jahre in Basel in der Schweiz und arbeitete für ein deutsches Transportunternehmen. Nach Versetzung in den Ruhestand zog er mit seiner Ehefrau nach Deutschland zurück. Pit Ferman ist Vater zweier Kinder, die beide in der Schweiz leben.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,49

Produkt

KlappentextWer Peter Seibelt nicht kennt, und das sind die meisten, weiß auch nichts über die Tragödie, die ihn über fünfzig Jahre seines Lebens verfolgt hat. Pit Ferman kennt ihn. Denn er war es, der Peters Biografie im Kriminalroman Schaafswinter aufgezeichnet hat. Der Anlass, ihn zu besuchen, ist jedoch ein anderer. Peter Seibelt stellt Lampen aus den Rahmen alter Zimmerkachelöfen her, und solch eine Lampe wünschen sich Pit und seine Frau Eliza für ihr Haus. Dabei ergibt sich aus Peters Erzählungen, dass seine Tragödie vermutlich viel früher ihren Anfang genommen hatte als selbst Pit wusste.

Pit Ferman wurde 1953 in Kappelrodeck im Land Baden-Württemberg geboren. Er lebte über dreißig Jahre in Basel in der Schweiz und arbeitete für ein deutsches Transportunternehmen. Nach Versetzung in den Ruhestand zog er mit seiner Ehefrau nach Deutschland zurück. Pit Ferman ist Vater zweier Kinder, die beide in der Schweiz leben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783759763228
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum09.06.2024
Auflage1. Auflage
Seiten202 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse393 Kbytes
Artikel-Nr.15589122
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Winter 1958/1959

Ich hauchte ein Loch in die Eisblumen am Küchenfenster, bis ich mit beiden Augen hinausschauen konnte. Draußen war alles weiß. Es lag meterhoher Schnee.

Gestern Abend noch hatte mein Papa in einer waghalsigen Aktion die Schneemassen vom schrägen Dach unter dem Küchenfenster geräumt, bevor es unter der Last zusammenbrechen konnte. Zur Sicherheit hatte er ein Seil um den Bauch gebunden, und Mama hielt mal am Fenster, mal am Balkon nebenan das andere Ende fest. Ich hatte mithelfen wollen, aber nicht gedurft. Dabei war ich der Leichteste von der ganzen Familie. Mit einem Seil um den Bauch wäre ich auch gerne auf dem Dach herumgestiefelt.

Das Dach war so breit wie das Haus und überdeckte die Scheune. Den Schopf, wie wir heute noch sagen. Er beherbergte den Schweine- und den Hühnerstall, unter einer Reihe Glasziegel die Hasenställe, die Güllegrube für die zwei Plumpsklos, und alle Geräte, die man auf dem Land für Feld und Garten brauchte. Das waren nicht wenige, und von manchen hatte ich keinen Schimmer, für was sie gut waren.

Vom Schopf aus führte geradeaus eine Tür in den Hinterhof, auf der linken Seite eine zweite Tür, vielmehr ein Tor, durch das der Leiterwagen und Opas Schubkarren passten. Schubkarren besaß er mehrere. Durch eine dritte Tür rechts neben dem Hühnerstall gelangte man in den umzäunten Hühnerhof.

Während ich über das Dach, den verschneiten Hinterhof mit den Zwetschgenbäumen und den oberen Mattenweg schaute, bemerkte ich, dass an einem Fenster des oberhalb gelegenen neuen Hauses ebenfalls ein Guckloch freigehaucht war. Wenn mich nicht alles täuschte, lugten dort zwei Augen zu mir herüber. Ich winkte mit der Hand vor meinem Gesicht, und dort drüben winkte eine kleine Hand zurück. Das Mädchen Susi. Ich kicherte.

Mama fragte, was es zu lachen gäbe. Ich sagte: Susi hat mir gewunken. Kann ich raus zum Spielen?

Sie schaute auf die Küchenuhr, die über der Tür zum Schlafzimmer hing. Aber wenn die Kirchturmuhr zwölf schlägt, kommst du heim.

Bis zwölf waren es noch über eineinhalb Stunden. Obwohl ich noch nicht zur Schule ging, kannte ich die Uhr und konnte bis zwölf zählen. Und dank der Salamander-Lurchi-Abenteuerhefte konnte ich mit fünf Jahren auch richtig lesen.

Die Kirchturmuhr bestimmte den Takt des Lebens in Weinbuch. Man richtete sich nach dem Glockenschlag oder nach dem Geläute. Ausreden, man hätte den Schlag nicht gehört, grenzten an Frechheit. Weinbuch war ein sehr ruhiger Ort. Es gab weder lauten Verkehr noch irgendwelche geräuschintensiven Maschinen. Fast alle Arbeiten wurden per Hand verrichtet. Selbst im entlegensten Winkel wusste man, was die Stunde geschlagen hatte.

Waren Susi und ich morgens allein, begnügten wir uns mit der ganz kurzen Schlittenbahn beim Raiffeisenmarkt. Eineinhalb Stunden würden reichen, um mit dem Schlitten ein paarmal den steilen Hang hinunterzufahren. Ob es bis zum Bach reichen würde, bezweifelte ich. Dafür lag der Schnee viel zu hoch. Und auch den Hang mussten wir zuerst vom Hochschnee befreien, um einigermaßen schlitteln zu können. Bald sahen wir aus wie Schneemänner.

War für die älteren Kinder vom Mattenweg die Schule aus und die Hausaufgaben gemacht, pilgerten wir, die Schlitten im Schlepptau, gemeinsam zum Gimpelbach. Meist trafen wir dort auf andere Kinder, mit denen sich die Schulgänger unter uns verabredet hatten. So fanden sich bis zu zwanzig Nasen ein, die alle nur eins im Sinn hatten: Schlittenfahren.

Die Bahn begann oben bei der Lourdes-Grotte, von wo es gleich rasant bergab ging. Mit ordentlichem Zahn drauf düsten wir zuerst beim Maler Wamser vorbei, dann am Gustavenhof. Ab dort wurde die Strecke etwas flacher, aber man hatte noch genug Tempo drauf, dass einem die Augen tränten. Als nächstes ließen wir den Pferdehändler Trunk rechts unten hinter uns liegen, dann den Bauernhof der Baslers links oben, bevor wir zur sogenannten Todeskurve kamen. Dort nämlich bog die Bahn scharf nach rechts ab, quer durch den Hof des Karlebauern, und zum Schluss nochmal einen kurzen Schuss hinunter bis zur Hauptstraße. Dort endete der Spaß, weil gegenüber das umzäunte Freigelände der Raiffeisengenossenschaft eine Weiterfahrt verhinderte.

Wer an der Todeskurve nicht aufpasste und die Geschwindigkeit nicht drosselte, der landete unweigerlich in einem Stapel Reisigbündel, die der Karlebauer dort aufgeschichtet hatte und zum Schnapsbrennen benötigte.

Mit am lustigsten war, wenn wir eine Kette aus zusammengehängten Schlitten bildeten. Zehn oder zwölf hintereinander den Gimpelbach hinunterbretterten, weil es den jeweils Letzten mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Todeskurve in den Reisigstapel schleuderte. Dann war das Gelächter groß. Es gab aber keinen, der sich dagegen sträubte, der letzte in der Schlange sein zu müssen, denn insgeheim hofften alle, dass es ihm gelingen würde, die Kurve irgendwann zu meistern. Dafür durfte ein jeder einmal die Lokomotive des Schlittenzugs sein. Als Lokomotive legte man sich bäuchlings auf den Schlitten, fuhr also Kopf voran, und hängte die Füße in den nachfolgenden Schlitten. Was für eine Gaudi, und was für eine Ehre.

Wenn die Dunkelheit hereinbrach, mussten wir heim. Aber man munkelte, dass sich abends halbstarke Jugendliche im Gimpelbach trafen, zum Teil mit Fackeln und Schnaps ausgerüstet, und dort bis spät in die Nacht heiße Schlittenfahrten veranstalteten.

Es gab noch eine andere Schlittenbahn in der Nähe. Sie reichte vom Mattenweg zwischen Rosis Haus und dem Haus des dicken Willi Käshammer zur Hauptstraße hinunter, über diese hinweg, und links vor dem Raiffeisenmarkt den Grasbuckel hinunter bis zum Bach. Hundertdreißig Meter im besten Fall. Der beste Fall trat ein, wenn an der Hauptstraße kein Auto gefahren kam. Ende der fünfziger Jahre sahen wir selten Autos.

Diese Bahn war jedoch noch nicht präpariert. Das heißt, es lag zu viel Schnee. Für Susi und mich allein wäre es unmöglich gewesen, den Weg freizuräumen. Der motorisierte Schneepflug der Gemeinde fuhr hier gar nicht durch, weil keiner der Anwohner ein Auto besaß, das eine geräumte Straße erfordert hätte. Also mussten Susi und ich uns mit der ganz kurzen Bahn begnügen. War aber auch nicht schlecht.

Der Schnee reichte mir bis zu den Schultern. Und Susi mit den dunkelbraunen Haaren und den zwei Zöpfen bis an die Nasenspitze. Sie wartete schon vor ihrem Haus. Ich drückte einen Schneeball zurecht. Wenn er mir richtig aus der Hand flutschte, schaffte ich einen Wurf bis an ihre Kellertür.

Als Fünfjähriger war mir der Unterschied, der Mädchen und Buben ausmachte, freilich unbekannt. Wenn Mama sagte, dass das oder jenes Kind ein Mädchen sei, dann musste das wohl so sein. Ein Kind war ein Mädchen, wenn oder weil es Zöpfe oder einen Pferdeschwanz, einen Rock oder ein Kleid und eine Umbindeschürze trug, wie Susi. Heute trug sie Stiefel, dicke Strümpfe und einen wollenen Rock, darüber eine dicke Jacke, gestrickte Fausthandschuhe und eine Zipfelmütze.

Mein Schlitten mit dem aufgenagelten Jutesack als Sitzfläche war der schnellste. Meinte ich jedenfalls. Irgendwie aber schien Susis Schlitten genauso schnell zu sein wie meiner. Wenn wir auf Kommando gleichzeitig losfuhren, kamen wir auf die Sekunde nebeneinander unten an. Auch als wir die Schlitten tauschten, stellten wir keinen Unterschied fest. Es half meinem Schlitten auch nichts, dass ich die Kufen mit Kerzenwachs einschmierte. Er wurde nicht schneller. Susis Schlitten war sogar bequemer zu fahren, denn seine Sitzfläche bestand aus geflochtenen Sisalschnüren.

Unsere Schlitten waren vom Leitermacher im Dorf gebaut worden. Die Davoser Rodelschlitten, wie sie später überall in Mode kamen, kannten wir nur von unserer Freundin Rosi. Sie besaß schon einen, lang wie ein Viererbob. In den Augen von uns anderen taugte er aber nichts. Und obwohl Rosi ihn anpries wie Weihnachtsplätzchen vom vergangenen Jahr, lehnten wir es rundweg ab, mit ihm zu fahren. Gut, bei Tiefschneeverhältnissen mochte er mit seinen breiten Kufen Vorteile haben. Wir aber bevorzugten die eisigen Pisten, wie wir sie zum Beispiel in der Kirchgasse vorfanden. Oder im Gimpelbach. Und dort schlingerte der Davoser wie ein Eisstock unlenkbar übers Eis.

Als ich abends nach Hause kam, herrschte in Omas Küche dicke Luft. Wegen des hohen Schnees mussten Omas Hühner im Hühnerstall bleiben, bis Opa den Hühnerhof freigeräumt hatte.

Die Wohnsituation in unserem Haus war folgende: Oma und Opa lebten im Hochparterre. Sie hatten eine Küche und ein Schlafzimmer. Daneben lag die gute Stube, die höchstens an Sonn- und Feiertagen betreten wurde. Oder wenn Besuch da war. Dann gab es noch den unteren Hausflur mit dem Treppenhaus.

Meine Eltern, meine ältere Schwester Cornelia und ich wohnten im ersten Stock. Es gab eine Küche und ein Schlafzimmer. Im dritten Zimmer hauste Konrad, der jüngere Bruder meines Papas. Dazu gehörte der Hausflur im...
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