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So gehn wir denn hinab

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Verlag Antje Kunstmannerschienen am12.09.2024
Ein so gewaltiger wie zärtlicher Roman, der von den Schrecken der Sklaverei erzählt und von Annis, einer jungen Frau, die in sich die Stärke, Zuversicht und - Widerstandskraft findet, um sich selbst zu befreien. Annis wird in Sklaverei geboren. Als sie noch ein Kind ist, verkauft ihr Vater, der Plantagenbesitzer, ihre Mutter und, ein paar Jahre später, auch sie an die Sklavenhändler. Von den Reisplantagen South Carolinas treiben sie Annis und ihre Mitgefangenen zu den Sklavenmärkten von New Orleans. Aneinander gekettet und der Brutalität ihrer Aufseher sowie den Naturgewalten ausgesetzt, kämpfen sich die Geschundenen Hunderte Kilometer durch ein erbarmungsloses Land. Die »Lady«, die Annis schließlich kauft, ist für ihre Grausamkeit und Willkür gefürchtet. Auf ihrer Zuckerrohrplantage muss Annis fortan schuften und jeder Funke von Widerstand wird hart bestraft. Trost und Hoffnung findet Annis in der Liebe ihrer Mutter, die sie immer noch im Herzen trägt, und in der Erinnerung an die Geschichten, die ihre Mutter ihr von ihrer Großmutter Aza erzählte, einer afrikanischen Kriegerin. Sie handeln von einer Welt jenseits der gnadenlosen Wirklichkeit, einer Welt voller Mythen und Geister; aus ihnen schöpft Annis die Kraft, sich ihren Peinigern zu widersetzen, und den Willen, sich aus der Sklaverei zu befreien. Als sie auf Bastian trifft, der mit einer Gruppe der Sklaverei entkommener Frauen und Männer in der Wildnis Louisianas lebt, nimmt der Gedanke an Flucht immer konkretere Gestalt an und Annis entschließt sich, für ein Leben in Freiheit alles zu riskieren.

Jesmyn Ward, geb. 1977, wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der Tulane University in New Orleans. Jesmyn Ward ist die erste Frau und die erste Afroamerikanerin, die zweimal mit dem wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet wurde: für Vor dem Sturm (Kunstmann, 2013) und für Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt (Kunstmann, 2018). Sie erhielt außerdem u.a. den MacArthur Genius Grant und den Library of Congress Prize for American Fiction.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextEin so gewaltiger wie zärtlicher Roman, der von den Schrecken der Sklaverei erzählt und von Annis, einer jungen Frau, die in sich die Stärke, Zuversicht und - Widerstandskraft findet, um sich selbst zu befreien. Annis wird in Sklaverei geboren. Als sie noch ein Kind ist, verkauft ihr Vater, der Plantagenbesitzer, ihre Mutter und, ein paar Jahre später, auch sie an die Sklavenhändler. Von den Reisplantagen South Carolinas treiben sie Annis und ihre Mitgefangenen zu den Sklavenmärkten von New Orleans. Aneinander gekettet und der Brutalität ihrer Aufseher sowie den Naturgewalten ausgesetzt, kämpfen sich die Geschundenen Hunderte Kilometer durch ein erbarmungsloses Land. Die »Lady«, die Annis schließlich kauft, ist für ihre Grausamkeit und Willkür gefürchtet. Auf ihrer Zuckerrohrplantage muss Annis fortan schuften und jeder Funke von Widerstand wird hart bestraft. Trost und Hoffnung findet Annis in der Liebe ihrer Mutter, die sie immer noch im Herzen trägt, und in der Erinnerung an die Geschichten, die ihre Mutter ihr von ihrer Großmutter Aza erzählte, einer afrikanischen Kriegerin. Sie handeln von einer Welt jenseits der gnadenlosen Wirklichkeit, einer Welt voller Mythen und Geister; aus ihnen schöpft Annis die Kraft, sich ihren Peinigern zu widersetzen, und den Willen, sich aus der Sklaverei zu befreien. Als sie auf Bastian trifft, der mit einer Gruppe der Sklaverei entkommener Frauen und Männer in der Wildnis Louisianas lebt, nimmt der Gedanke an Flucht immer konkretere Gestalt an und Annis entschließt sich, für ein Leben in Freiheit alles zu riskieren.

Jesmyn Ward, geb. 1977, wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der Tulane University in New Orleans. Jesmyn Ward ist die erste Frau und die erste Afroamerikanerin, die zweimal mit dem wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet wurde: für Vor dem Sturm (Kunstmann, 2013) und für Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt (Kunstmann, 2018). Sie erhielt außerdem u.a. den MacArthur Genius Grant und den Library of Congress Prize for American Fiction.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783956146152
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum12.09.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse735 Kbytes
Artikel-Nr.16997227
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ERSTES KAPITEL
MAMAS KÄMPFENDE HÄNDE

Die erste waffe, die ich je hielt, war die Hand meiner Mutter. Damals war ich ein kleines Kind mit weichem Bauch. In jener Nacht weckte mich meine Mutter und führte mich hinaus in die Carolina Woods, tief in den Wald, zwischen die raunenden Bäume, schwarz geworden vom Weggang der Sonne. Die Knochen ihrer Finger: Schwerter in der Scheide, aber das wusste ich da noch nicht. Wir gingen bis zu einer kleinen Lichtung mit einem vom Blitz verbrannten Baum, weit weg von dem weitläufigen, cremefarbenen Haus meines Sires hinter den Reisfeldern. Weg von meinem Sire, der so weiß wie meine Mutter dunkel ist. Weg von dem Mann, der sagt, er besitzt uns, dem Mann, der meine Mutter antreibt, bis sie nur noch ein schwarzer Strich in der düsteren, engen Küche seines Hauses ist, wo sie die meisten wachen Stunden verbringt und Essen für ihn und seine beiden dicklichen, milchbleichen Kinder kocht. Ich war feingliedrig wie ein Vögelchen, mein Kopf berührte die Schulter meiner Mutter. In dieser Nacht vor langer Zeit kniete sich meine Mutter zwischen die Wurzeln des gespaltenen Baums und grub zwei lange, dünne Äste aus: Einer war am Ende angespitzt wie ein Speer, der andere geschlängelt und ungeschickt behauen.

»Da, nimm«, sagte meine Mutter und warf mir den krummen zu. »Den hab ich geschnitzt, als ich klein war.«

Ich verfehlte ihn, und der schartige Stock fiel ratternd auf die Erde. Ich hob ihn auf, umklammerte ihn so fest, dass die rauen Knubbel schmerzhaft drückten, und dann ließ meine Mutter den anderen dunklen Ast herabsausen. Sie hatte mich noch nie geschlagen: weder mit der Hand noch mit einem Stock. Schmerz flammte in meiner Schulter auf, durchzuckte gleich darauf auch die andere.

»Der hier«, knurrte sie leise unter dem Zischen ihrer Waffe, »hat meiner Mama gehört.« Ihr Speer war eine schwarze Peitsche in der Nacht. Ich ging zu Boden. Kroch rückwärts, krabbelte in das Unterholz, das diesen mitternächtlichen Ruinenraum umgab. Meine Mutter lauerte. Während sie mir im Gebüsch nachstellte, sprach sie mit mir, erzählte mir eine Geschichte: »Bleibt unser Geheimnis, das hier. Meins und deins. Kann uns keiner wegnehmen.« Ich wagte kaum zu atmen, duckte mich noch tiefer. Der Wind strich kreisend durch die Bäume.

»Du bist die Enkeltochter einer Kriegerin. Sie war mit dem Fon-König verheiratet, wurde von ihrem Daddy weggeschenkt, weil er so viele Töchter hatte, und er war reich. Der König hielt sich Tausende von Kriegerinnen. Die beschützten ihn, gingen für ihn auf die Jagd, kämpften für ihn.« Sie stocherte in dem Gebüsch über mir herum. »Die Kriegerinnen waren mit dem König verheiratet, aber ihr Ehemann war der Säbel, die Machete ihr Geliebter. Du bist mein Kind, Kind von meiner Mama. Von meiner Mutter, der Kämpferin - Azagueni hieß sie, aber ich hab sie Mama Aza genannt.«

Mama legte ihren Speer hin, stand da mit geöffneten Handflächen. Sie schimmerten silbern. »Komm, Annis. Komm raus, dann bring ich es dir bei.« Langsam kroch ich vorwärts, ihre Hiebe brannten immer noch. »Vergiss deinen Stock nicht«, sagte sie. Ich schob mich ein Stück zurück, ehe ich mich hochrappelte. Draußen blieb ich auf Zehenspitzen stehen, einen Fuß vor dem anderen, bereit, jederzeit wegzulaufen. Darauf gefasst, dass sie mich wieder schlagen würde. »Gut«, sagte sie mit Blick auf meine Füße, mein schwankendes Tänzeln. »Gut.«

Von jener Nacht bis zu dieser bin ich gewachsen. Ich kann jetzt auf den Kopf meiner Mutter hinabschauen, auf ihre dunklen Schultern, so schön und rund wie die Türknäufe, die ich im Haus meines Sires poliere. Meine Mutter hat zwar ein paar graue Haare, aber ihre Finger sind immer noch stark wie Dolche und sie hält sich aufrecht, steht schlank und kerzengerade im fahlen Licht des Vollmonds. Hierher, auf unsere versteckte Lichtung mit dem ausgebrannten Baum in der Mitte, kommen wir nur in den wenigen Nächten im Monat, in denen der Mond so hell scheint, dass wir kein Feuer brauchen. Meine Mutter inspiziert meine Hände, drückt jede einzelne Schwiele, massiert meine Handflächen. Ich bin zwar jetzt größer und breiter als sie, aber ich stehe noch genauso still wie das Kind mit den Zahnlücken von damals, genieße ihre Berührung, öffne mich ihrer Zärtlichkeit.

»Lange Finger hast du.« Meine Mutter klopft auf meine Handfläche, und meine Finger schließen sich schnell. »Heute Nacht übst du mit meinem Stock.«

»Hier«, sagt meine Mutter, als sie die Waffe ausgräbt, die Mama Aza ihr vermacht hat. Ihre geschlossene Hand gleitet über den langen Ast, der geschwärzt und warm vom Fett ihrer Hände ist, und von Mama Azas zuvor. Mama Aza hat Mama beigebracht, wie man damit kämpft, wollte unbedingt dieses Können, das sie von den Schwester-Ehefrauen auf der anderen Seite des großen Ozeans gelernt hatte, weitergeben.

Mama wirft mir die Waffe zu und nimmt ihren Kinderstock: gezackt wie ein Blitz. Ich schwitze, Angst beißt in meinen Achseln. Das Herz klopft mir in den Ohren. Mama lässt ihren Stock zischen, und wir fangen an zu kämpfen: Mit jeder Drehung, jedem Hieb, jedem Stoß wird meine Mutter feuriger, ist kaum wiederzuerkennen: Sie wird zu einer lechzenden, züngelnden Flamme. Es gefällt mir nicht, aber das spielt keine Rolle, denn ich muss parieren, abblocken, zustoßen. Die Welt ist nur noch ein Peitschen und Sirren, und wir wirbeln und drehen uns mit.

Als wir in dieser Nacht in unsere Hütte zurückkommen, die wir uns mit einer anderen Familie teilen, schlafen Nan und ihre zwei älteren Kinder. Die beiden kleinen sind wach, sie können nicht aufhören zu weinen. Unter ihren Decken halten sie einander umklammert, ihr Atem wird von Schluchzern zerhackt, während ihre Mutter und ihre Geschwister schlafen. Nan hat ihre Liebe zu ihren vier Kindern immer umgeleitet, hat sie auf ein Rinnsal gedrosselt, eine gelegentliche Milde in ihren Anweisungen: sei still, schsch, nicht weinen, und der Rest ihrer Zuwendung besteht nur aus Ohrfeigen und Fäusten. Sie will nicht lieben, was sie nicht behalten darf. Meine Mutter streckt einen Arm nach mir aus, wir kuscheln uns ein, und ehe sie einschläft, ergreife ich ihre Hand. Mama ist eine Frau, die ihr weiches Herz verbirgt: eine Frau, die mir mit laubraschelnder Flüsterstimme Geschichten erzählt, eine Frau, die mich wie eine Schwefellaterne durch die Finsternis der Welt geleitet, eine Frau, die mir ein Geschenk macht, wenn sie sich einmal im Monat selbst entblößt, um mir das Kämpfen beizubringen.

am nächsten morgen weckt mich meine Mutter vor Sonnenaufgang; vom Schwitzen in der Nacht riecht sie nach Heu, Magnolien und frischem Wildfleisch. Ich bin erschöpft. Am liebsten möchte ich mich umdrehen, mir unsere Decke über den Kopf ziehen und noch ein bisschen Schlaf schlucken, aber Mama streicht mir mit fester Hand über den Rücken.

»Annis, mein Kind. Wach auf.«

Also ziehe ich mich an und stopfe mir noch die Bluse in den Rock, während wir zum Haus meines Sires gehen. Schlecht gelaunt schlurfe ich hinter meiner Mutter her, die ein Stück vor mir geht, und kämpfe meinen Groll nieder. Mama rennt fast: Sie muss schnell an den Herd, muss das Feuer anzünden und schüren, den Ofen anheizen, um fürs Frühstück zu backen. Ich weiß, dass sie genauso zum Haus befohlen ist wie ich, mit allem, was ich sortieren, abliefern und sauber machen muss, um ihr an diesem Vormittag zu helfen, aber ich bin gereizt und müde - bis meine Mutter anfängt zu hinken, ein leichtes Seitenstechen in ihrem Gang sichtbar wird. Auch sie hat Schmerzen von gestern Nacht. Ich laufe zu ihr, schiebe meine Hand in den Knick ihres Ellbogens und streichle ihren Arm. Schaue hinunter auf die feinen Härchen in ihrem Ohr, auf ihr geflochtenes Haar.

»Mama?«, sage ich.

»Manchmal hab ich Lust auf Süßes«, haucht sie und klopft mit den Fingern an meine Hand. »Du auch?«

»Nah«, sage ich. »Ich mag Salz.«

»Mama Aza hat immer gesagt, Lust auf Süßes ist nicht gut. Ich war dauernd dahinter her, hab so viel süße Beeren gepflückt, dass meine Finger ganz fleckig wurden, rot und blau.« Mama seufzt. »Jetzt gerade kann ich an nichts anderes denken als an Süßes.«

Das Haus meines Sires ist riesig, innen ächzt und knarrt es. Meine Mutter beugt sich über den Herd. Ich sammle Holz und hole Wasser und trage beides nach oben, schaue dabei ins Zimmer der Töchter meines Sires. Sie sind meine Halbschwestern; ich weiß das, seit meine Mutter mir das Kämpfen beibringt, aber immer noch plagen mich jeden Morgen Neid und Abscheu, wenn ich sie bediene. Sie schlafen mit offenen Mündern, ihre Wangen sind rosig, und ihre Augenlider zucken wie Fische im flachen Wasser. Ihr rotes Haar ist wild und zottelig. Sie werden schlafen, bis ihr Vater sie mit einem Klopfen an der Tür weckt, lange nach dem ersten Morgenrot. Ich unterdrücke meine Gefühle und lasse mir nichts anmerken.

Mein Erzeuger sitzt im Morgenmantel am Schreibtisch. In seinem Zimmer riecht es muffig nach kaltem Rauch und altem Schweiß.

»Annis«, sagt er und nickt mir zu.

»Sire«, sage ich.

Ich rechne damit, dass sein Blick wie jeden Morgen über mich hinweggleitet, so wie Wasser über einen glatten Stein fließt. Aber er richtet die Augen direkt auf mich, sein Blick hakt sich fest und folgt mir dann durch das Zimmer, während ich seine Waschschüssel fülle, seine Kleidung einsammle, seinen Nachttopf aufhebe. Er taxiert mich auf dieselbe Art wie seine Pferde, mit einer Aufmerksamkeit, die so prüfend und konzentriert ist wie seine Hand auf...
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Autor

Jesmyn Ward, geb. 1977, wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der Tulane University in New Orleans. Jesmyn Ward ist die erste Frau und die erste Afroamerikanerin, die zweimal mit dem wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet wurde: für Vor dem Sturm (Kunstmann, 2013) und für Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt (Kunstmann, 2018). Sie erhielt außerdem u.a. den MacArthur Genius Grant und den Library of Congress Prize for American Fiction.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt