Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Des Schicksals leiser Tanzschritt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
neobookserschienen am30.07.2024
Mehr als zwei Jahrzehnte hat der Autor seine Tätigkeit in unterschiedlichen Bereichen der Arbeitswelt für sich skizziert, da diese Unmittelbarkeit es schwer hatte, in der DDR veröffentlicht zu werden. Seit dem Ende seiner beruflichen Laufbahn greift er in den vorliegenden Erzählungen und Skizzen wie schon in seinen vorangegangenen Erzählungsbänden 'Lied der Grasmücke', 'Du hoffst, und ich gehe', 'Aus den Notizen eines Ange-passten', 'Immer den Fluss entlang', 'Der Kuckuck lebt noch', 'In der Herberge zum Steppenwolf' auf diese Notizen zurück.

Fritz Leverenz wurde 1941 in Berlin geboren, erlernte in einer Eisengießerei Former. 1959 bis 1963 NVA, anschließend Fachabitur und Studium für Sport und Geschichte in Potsdam. Danach arbeitete er als Lehrer, gab aber 1982 den Lehrerberuf wegen ideologischer Gängelei auf, begann zu schreiben und arbeitete als Erzieher in einem Jugendwohnheim für sozial gefährdete Jugendliche und nach Auflösung des Heimes, bis 2005 als Erzieher an einer Sprachheilschule. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
mehr

Produkt

KlappentextMehr als zwei Jahrzehnte hat der Autor seine Tätigkeit in unterschiedlichen Bereichen der Arbeitswelt für sich skizziert, da diese Unmittelbarkeit es schwer hatte, in der DDR veröffentlicht zu werden. Seit dem Ende seiner beruflichen Laufbahn greift er in den vorliegenden Erzählungen und Skizzen wie schon in seinen vorangegangenen Erzählungsbänden 'Lied der Grasmücke', 'Du hoffst, und ich gehe', 'Aus den Notizen eines Ange-passten', 'Immer den Fluss entlang', 'Der Kuckuck lebt noch', 'In der Herberge zum Steppenwolf' auf diese Notizen zurück.

Fritz Leverenz wurde 1941 in Berlin geboren, erlernte in einer Eisengießerei Former. 1959 bis 1963 NVA, anschließend Fachabitur und Studium für Sport und Geschichte in Potsdam. Danach arbeitete er als Lehrer, gab aber 1982 den Lehrerberuf wegen ideologischer Gängelei auf, begann zu schreiben und arbeitete als Erzieher in einem Jugendwohnheim für sozial gefährdete Jugendliche und nach Auflösung des Heimes, bis 2005 als Erzieher an einer Sprachheilschule. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756585199
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum30.07.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse1539 Kbytes
Artikel-Nr.17252739
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Der Major



















Fritz Leverenz







Des Schicksals leiser Tanzschritt













Für Jacqueline und Georg







©HeRaS Verlag, Rainer Schulz, Berlin 2024

www.herasverlag.de

Layout Buchdeckel Fritz Leverenz

ISBN 978-3-95914-096-6













... und nun, da ich an eine Arbeit geraten bin, die sogar noch herrlicher ist als das Amlebensein selbst, möchte ich nicht ein einziges unwahres Wort äußern.

William Saroyan in: Mein Ich auf Erden

1934







Es steht zu keiner Zeit ein Glück so fest, dass es nicht von einem Windhauch oder dem Hauch eines Kindes umgestürzt werden könnte; wieviel weniger jetzt!

Wilhelm Raabe, Chronik der Sperlingsgasse , Pro Domo , 1864



















Die Puppenspielerin

In den aufwühlenden Monaten nach dem Fall der Berliner Mauer warb die Puppenspielerin, Frau Mosel, an der unverputzten Ziegelwand eines Hauses im Prenzlauer Berg mit einem Plakat für ihr kleines Theater:




Jetzt N E U !

Koffertheater

Frau Mosel

Berlin, DDR-xxxx Tel. xxx

spielt S C H N E E W I T T C H E N

Dieses bekannte Märchen der Brüder Grimm wird bei uns als

Puppenspiel aufgeführt.

Weiterhin ist ein Kasperspiel im Repertoire:

D E R G O L D S A C K

Gretel wird vom Teufel überlistet, aber mit Hilfe der Kinder bekommt der Kasper den Goldsack wieder zurück.

Ausstattung: B. und G. W.

Demnächst kommt ein orientalisches Märchen ins Programm.

Figuren: Paul Z.

Wir spielen für die Altersstufe 4 - 12 Jahre

Wir empfehlen unser Programm für Kulturhäuser, Schulen, zur Feriengestaltung,

in Betrieben, zu Kinderfesten usw.

Technische Bedingungen: Für die Bühne wird ein Spielraum von 3x4 m benötigt. Zur Stromversorgung genügt eine Steckdose 220 V.

Programmkosten ca. 150,- M (zuzüglich Transportkosten)

Zulassungsnummer: xxxx/ April 91




Ein Klapptransparent auf dem Gehweg führte zum Eingang ihrer kleinen Parterrewohnung um die Ecke, denn die Wohnung war das Puppentheater. Die Jalousien der Fenster waren hochgezogen, und stellte man sich auf die Zehenspitzen, konnte man hineinschauen. Die Fensterscheiben waren beschlagen, doch man konnte erkennen, dass es drinnen recht gemütlich eingerichtet war. Die mit bunten Girlanden geschmückte Wohnungstür, die ja jetzt eine ehrwürdige Theatertür darstellte, stand in Erwartung der Besucher offen. Frau Mosel stand bekleidet mit einer Jacke aus bunten Flicken und einem schwarzen Hut mit weiter Krempe hinter einem kleinen Tresen, auf dem eine Pinocchiopuppe mit einem Werbezettel in der Hand saß, und begrüßte freundlich jeden Besucher persönlich.




Das kleine Puppentheater schaute ganz verlegen auf die Kreuzung mehrerer Straßen, denn noch vor wenigen Monaten fungierte es als konspirative Wohnung für die heimliche Polizei. Frau Mosel hatte sie nach einer Bewerbung bei der Abteilung Kultur des Rates des Stadtbezirks von den Mitgliedern des Runden Tisches zugewiesen bekommen.

Die Wohnungen in den oberen Stockwerken tratschten über die kleine Wohnung. Das haben wir gern , sprach die zweite Etage, sich erst bei den Mächtigen hochdienen wollen und jetzt den dicken Kulturmaxen spielen.

Weit ist sie ja nicht gekommen , spöttelte die dritte Etage, parterre bleibt eben parterre! Die vierte Etage trug die Nase jetzt noch höher als früher und sagte zu den Spatzen in der Dachrinne: Dieses Getratsche der unteren Ränge muss ich mir nun zu jedem neuen Puppenspiel anhören. Da unterhalte ich mich doch lieber mit gebildeten Leuten wie euch und dem Schornstein.

Das Haus aber redete ja schon immer so, und die kleine Parterrewohnung war es nicht anders gewohnt. Insgeheim aber wünschten sich die oberen Etagen, auch ein Puppentheater zu sein. Und fühlten sie sich unbeobachtet, schauten sie neugierig auf sie herab.

Das Theater besaß lange nicht so viel Platz wie ihre oberen Nachbarn, machte sich aber mit seinen drei Räumlichkeiten so hübsch und weit wie es nur konnte. Eine Kammer links neben der Eingangstür diente als Garderobe, und hatte immer tagelang zu erzählen von den Leuten, die ihre Mäntel und Jacken bei ihr abhängten. Die Küche dahinter hatte eine Nebentätigkeit angenommen, und wenn der Kaffee gekocht war oder hin und wieder das Mittagessen für Frau Mosel, dann wirkte sie als Kasse und Kiosk für Werbeschriften und Süßigkeiten und wurde gern von Kindern besucht. Der größere Raum rechts, das ehemalige Wohn- und Schlafzimmer, musste seine Bequemlichkeit aufgeben und als Bühne und Zuschauerraum herhalten. Das fiel ihm sichtlich schwer: er gähnte den halben Tag und wurde erst munter, wenn der kleine Vorhang sich hob. Dann aber brüstete er sich vor Kammer und Küche mit seinem blanken frisch versiegelten Fußboden aus Fichtenholz und den vier klarlackierten Holzstufen, auf denen karierte Kissen lagen. Sie waren vorgesehen als Sitzflächen für kleinere und größere Zuschauer.

Das eine Fenster war halb verhängt mit einer Gardine, davor stand auf hohem Stativ ein Bühnenscheinwerfer. Im Hintergrund des Zimmers neben dem schwarz verdunkelten zweiten Fenster aber stand der Zweck des ganzen Hauses das eigentliche Theater , ein riesiger aufgeklappter Seemannskoffer auf zwei Handwagenrädern. Der Deckel zeigte innen eine bunte bewaldete Bergkulisse und außen die hübschen Zimmerchen des Zwergenhäuschens. Davor breitete sich das Unterteil des Koffers als Bühne, verhangen mit braunem Sacktuch. Sie war die kleinste aber lauteste Person in der Wohnung, denn Frau Mosel ließ hinter ihr mit heller Stimme die Marionetten als Märchenfiguren sprechen. Da kam es mitunter zu derben Streitigkeiten.

Das eigentliche Puppentheater , sagte die Kofferbühne, bin ich. Was wisst ihr schon von der Welt. Mit mir und dem Scheinwerfer und dem sprechenden Dingsda , und sie zeigte auf ein Holzstativ mit einem nachgebildetem Spiegel aus Silberfolie, geht unsere Meisterin zwölf Mal jährlich auf Tournee.

Hach, wie übermütig , sprach der Kofferdeckel, dass ich nicht lache, sobald ich mich zur Ruhe lege, siehst du mich - und die Berglandschaft bei Nacht. Die Kofferbühne schwieg kleinlaut, diese Tatsache hatte sie übersehen, da der Deckel oft tagelang durcharbeitete und offenstand. Während der Vorführung, wendete Frau Mosel mehrmals den Kofferwagen, und die Kulisse wechselte zwischen den Bergen und dem Inneren des Zwergenhäuschens.

An Ruhetagen hingen die Marionetten an Leisten aufgereiht an den Wänden. Darunter wurden sie auf einem Plakat, als Muster der Verkaufsausstellung des Puppenbauers Herrn Wegner, handgeschnitzt nach Plänen unserer Puppenspieler, Verkaufswert von etwa fünfhundert bis siebenhundert Mark , auch zum Kauf angeboten.

Als Kindergärtnerinnen mit zwei Gruppen Vierjähriger eintrafen, half der Sohn der Puppenspielerin, ein schlanker schwarzhaariger junger Mann, mit einem Freund, Anoraks und Jacken abzunehmen. Frau Mosel verkaufte indessen die Eintrittskarten, und die Kinder mit ihren Betreuerinnen nahmen auf den Stufen Platz.

Schließlich hielt jeder Besucher eine Eintrittskarte in der Hand, und Frau Mosel kam und eröffnete die Vorstellung. Am heutigen Vormittagsprogramm spielen wir Schneewittchen , und am Nachmittag: Fatima - Ein orientalisches Märchen.

Sie war Anfang vierzig, mittelgroß, wirkte jugendlich frisch, und sah mit ihrem braunem gekräuselten langen Haar aus, als käme sie eben aus dem Regen. Sie trug jetzt ein tailliertes schwarzes seidenes Kleid mit rundem Ausschnitt und schwarze Ballettschuhe und sah recht hübsch und feierlich aus.

Eine Kindergärtnerin flüsterte zu den Kindern: Gleich kommen die Kasperlepuppen. Ein Mädchen begann zu weinen, als sie das hörte. Aber sie sollen nicht kommen. Ich war doch gar nicht unartig. Ach, was! , sagte die Kindergärtnerin, weißt du das denn nicht? Die Kasperlepuppen kommen nur zu artigen Kindern. Sie nahm die Kleine auf den Schoß und trocknete ihre Tränen, bis sie aufhörte zu schluchzen.

Frau Mosel schaltete das Deckenlicht aus, den Scheinwerfer ein, gab sich eine bös schmeichelnde kratzige Stimme, verwandelte sich in eine Puppenspielerin und begann als die Königin Stiefmutter das Märchen zu erzählen.

Was ist los? , fragte das große Zimmer und gähnte. Es war eben durch die kratzige Stimme aufgewacht. Was höre ich dafür unangenehme Töne? Ich dachte, man hätte mich nach dem Mauerfall schon ordentlich durchgelüftet. Aber mir scheint, es geistern noch immer finstere Hinterlassenschaften, unerfüllte konspirative Aufträge in mir herum. Das möchte ich durchaus nicht dulden. Ich protestiere!

Ich habe von all dem nichts gewusst , sagte die vierte Etage. Sie hatte ein gutes Gedächtnis, und kannte diesen Satz schon seit dem letzten Weltkrieg. Da sie aber keine menschliche Stimme besaßen, hörte sie auch niemand der Anwesenden.

So spielte Frau Mosel die...
mehr

Autor

Fritz Leverenz wurde 1941 in Berlin geboren, erlernte in einer Eisengießerei Former.1959 bis 1963 NVA, anschließend Fachabitur und Studium für Sport und Geschichte in Potsdam.Danach arbeitete er als Lehrer, gab aber 1982 den Lehrerberuf wegen ideologischer Gängelei auf, begann zu schreiben und arbeitete als Erzieher in einem Jugendwohnheim für sozial gefährdete Jugendliche und nach Auflösung des Heimes, bis 2005 als Erzieher an einer Sprachheilschule.Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.