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Raucherecke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
290 Seiten
Deutsch
BoD - Books on Demanderschienen am31.07.20241. Auflage
Wenn beiläufige Begegnungen das Leben nachhaltig verändern. Nach fünf Jahren mit Nick wacht Ella eines Morgens als Single auf. Er hat Schluss gemacht. Mit nur fünf Worten. Fragen, Selbstzweifel und Alleinseins-Ängste quälen die 27-Jährige. Wie lange dauert Trennungsschmerz? Ist Alleinsein ein Makel? Und warum hat Nick sie überhaupt verlassen? Wo auch immer das Leben Ella nach der Trennung hintreibt, landet die Online-Journalistin in der Raucherecke. Dort trifft sie auf unterschiedlichste Menschen. Fremde, die als feuergebende Randfiguren auftauchen und sie inspirieren, triggern oder aufbauen. Und Bekannte, denen Ella immer wieder begegnet. Die Gespräche mit ihnen lassen Ellas Mut und Lebenslust auflodern und sie erfährt immer mehr über die wichtigste Person in ihrem Leben - sich selbst. Ein Roman, der Mut macht, sich neu zu erfinden.

Anke Weber, geboren 1967 in Hannover, ist Journalistin und Autorin. Sie war über zwanzig Jahre Radio-Redakteurin und hat mehrere Romane veröffentlicht. Ihre wöchentliche Kolumne über das Landleben erscheint seit Jahren in verschiedenen Tageszeitungen. Die Autorin lebt im Aller-Leine-Tal in Norddeutschland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWenn beiläufige Begegnungen das Leben nachhaltig verändern. Nach fünf Jahren mit Nick wacht Ella eines Morgens als Single auf. Er hat Schluss gemacht. Mit nur fünf Worten. Fragen, Selbstzweifel und Alleinseins-Ängste quälen die 27-Jährige. Wie lange dauert Trennungsschmerz? Ist Alleinsein ein Makel? Und warum hat Nick sie überhaupt verlassen? Wo auch immer das Leben Ella nach der Trennung hintreibt, landet die Online-Journalistin in der Raucherecke. Dort trifft sie auf unterschiedlichste Menschen. Fremde, die als feuergebende Randfiguren auftauchen und sie inspirieren, triggern oder aufbauen. Und Bekannte, denen Ella immer wieder begegnet. Die Gespräche mit ihnen lassen Ellas Mut und Lebenslust auflodern und sie erfährt immer mehr über die wichtigste Person in ihrem Leben - sich selbst. Ein Roman, der Mut macht, sich neu zu erfinden.

Anke Weber, geboren 1967 in Hannover, ist Journalistin und Autorin. Sie war über zwanzig Jahre Radio-Redakteurin und hat mehrere Romane veröffentlicht. Ihre wöchentliche Kolumne über das Landleben erscheint seit Jahren in verschiedenen Tageszeitungen. Die Autorin lebt im Aller-Leine-Tal in Norddeutschland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783759773814
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum31.07.2024
Auflage1. Auflage
Seiten290 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse761 Kbytes
Artikel-Nr.17254354
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kiosk Linie 5

Najah hätte sich kaum ein unglücklicher dreinblickendes Wesen vorstellen können, als sie Ella auf den Türöffner drücken und matt die Stufen in den umgebauten Straßenbahnwaggon steigen sah.

»Mädchen! Du siehst aus wie ein vom Regen zerfleddertes Eichhörnchen.«

Ella versuchte ein Lächeln.

»Kaffee?«

»Zigaretten«, erwiderte Ella.

»Hier, nimm erst mal eine von mir.« Najah hielt Ella die Schachtel hin, steckte sich selbst eine an und öffnete das Kippfenster hinter sich. Sie rauchte nur in Ausnahmefällen im Kiosk. Dass dies ein solcher war, sah sie Ellas verquollenen Augen an. Ohnehin war bei dem Wetter kaum jemand unterwegs und der nächste Bus kam erst in zwanzig Minuten. Mit einem Ansturm von Kundschaft war nicht zu rechnen.

Najah klemmte ihre Zigarette in den Aschenbecher und setzte Wasser auf. Falls Ella reden wollte, würde ein Kaffee sicher helfen. Ohne erneut nachzufragen, zählte sie löffelweise das feine Pulver in die silberne Kanne. Sie vermisste die zerbeulte Dallah ihrer Großmutter, die sie in Syrien hatte zurücklassen müssen. Aus der Messing-Kanne hatte der Kaffee aromatischer geschmeckt. Zumindest bildete sie sich das ein. Während sie etwas Kardamom zum Kaffee gab, bemerkte Najah das Zittern der Hand, mit der Ella ihre Zigarette zum Mund führte. Noch nie hatte sie die junge Frau so aufgelöst gesehen. Fahrig. Verstört. Hoffentlich war niemand gestorben. Daran dachte Najah immer zuerst, wenn etwas offensichtlich Schlimmes passiert war. Dass jemand gestorben sein könnte.

Im Wasserkocher begann es zu rauschen. Najah nahm einen schnellen Zug von ihrer Zigarette, klemmte sie zurück in den Aschenbecher, goss das Wasser auf und rührte den Kaffee um. Als sie die Kanne hochnahm und auf den Gaskocher stellte, fuhr ihr ein Schmerz ins Handgelenk. Das war in letzter Zeit häufiger passiert. Bisher hatte Najah es ignoriert. Auch jetzt ging sie darüber hinweg und griff erneut nach ihrer noch qualmenden Zigarette.

»Nicht viel los heute?«, fragte Ella, nur um etwas zu sagen.

»Nein. Bei dem Wetter.«

Rauchend richteten beide den Blick nach draußen, wo der vom Wind gepeitschte Regen die zarten Blütenrispen der Spiersträucher zerpflückte. Ella hatte das Gefühl, dass das Leben gerade genau das mit ihr machte.

»Schade um die schönen Blüten«, sagte Najah. »Gestern war das noch so eine Pracht.«

Gestern, dachte Ella. Ihre Unterlippe bebte. Hastig zog sie an der Zigarette. Sie wollte auf keinen Fall in Tränen ausbrechen.

In der silbernen Dallah begann der Kaffee zu brodeln. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Gebräu überkochen konnte, drosselte Najah die Gasflamme. Ella sah zu, wie sie hinter dem Tresen hantierte. Wie sie karamellisierte Cashewkerne in ein Schälchen schüttete, Tassen auf Unterteller stellte, Löffel zurechtlegte und alles auf einem Tablett anordnete. Solange das Klappern und Klimpern für Geräusch sorgte, war es nicht nötig, zu sprechen. Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Najahs Kippe klemmte noch in einer der Vertiefungen. Wie eine Metapher. Noch nicht halb aufgeraucht und schon von selbst erloschen. War das mit Nicks Liebe zu ihr passiert? Wie lange er Anlauf genommen hatte, für seine fünf Worte. Mit Belanglosigkeiten über den Tag war er eingestiegen. Irgendwas an der Druckmaschine hatte geklemmt. Seine ausführliche Schilderung, wie er dem Fehler auf den Grund gegangen war, hatte Ella durch sich durchrauschen lassen. Erst während er von Veränderungen, nicht nur in seinem Business, gesprochen hatte, war sie hellhörig geworden. Vielleicht war es der Klang seiner Stimme gewesen. Oder sein Blick? Wahrscheinlich die vielen nervös gerauchten Zigaretten. Intuitiv hatte sie geahnt, dass da etwas Ungutes auf sie zurollte.

Najah schenkte den Kaffee ein, brachte das Tablett zu dem schmalen Holztisch und setzte sich davor auf die Bank, wobei sie mit der flachen Hand auf den Platz neben sich klopfte.

Wenn Ella sich wegen des mangelnden Vorrats an Zigaretten zu Hause noch selbst verflucht hatte, so war sie jetzt sicher, dass ihr an diesem beschissenen Tag nichts Besseres hätte passieren können. Der ausrangierte Triebwagen mit seinem honigwarmen Licht erschien ihr wie ein Kokon. Als würde die Welt da draußen nicht existieren. Hörbar atmete sie ein und aus. Ein Seufzer wie ein Versuch, das Erlebte abzuschütteln.

»So schlimm?« Najah stand auf, holte ein Frotteehandtuch und rubbelte die Nässe aus Ellas Haaren.

Matt zuckte Ella mit den Schultern. »Wie lange dauert Trennungsschmerz?«

Najah hörte auf zu rubbeln. »Wie lange hat die Liebe gedauert?«

»Nicht lange genug. Fünf Jahre. Plus ein paar Wochen.« War es tatsächlich erst im März gewesen, als Nick ihren Jahrestag vergessen hatte? Im Rückblick kam es Ella wie ein Vorzeichen auf die vergangene Nacht vor, das sie hätte bemerken müssen. Vier Mal hatte er diesen Tag zu etwas Besonderem gemacht. Letztes Jahr mit einem Picknick in einer ehemaligen Fabrikhalle. Nick war Meister darin, Lost Places aufzuspüren. Er hatte ihr die Augen verbunden und sie auf dem Gepäckträger seines Fahrrades durch die halbe Stadt gefahren. Es war ein trockener, aber kalter Tag gewesen. Die Arme um seinen Körper geschlungen, die Wange an seinen Rücken geschmiegt, hatte sie versucht, den Weg anhand der Geräusche, Gerüche und Fahrbahnbeschaffenheit zu erraten. Das Verkehrsgeräusch hatte bald ab- und das Vogelgezwitscher zugenommen. Statt Asphalt hatte Ella Schotter unter den Reifen gespürt. Nick hatte sie absteigen lassen und in ein Gebäude geführt. Es war zugig. Aber sobald er ihr die Augenbinde abgenommen hatte, wurde Ella von einer Welle wärmender Zuneigung überwältigt. Auf dem Boden lag Nicks große Matratze, über der er eine Patchwork-Decke ausgebreitet hatte. Daneben vier Stumpenkerzen und ein Holzbrett mit Käse, Weintrauben und Baguette. Das konnte Nick: Üppigkeit durch Minimalismus erzeugen. Immer wieder hatte er auf diese Weise ihre Liebe befeuert. Drei Worte auf einem abgerissenen Zettel. Zwei miteinander verbundene Kirschen auf dem Tellerrand. Ein Herz aus Rasierschaum auf dem Badezimmerspiegel.

»Das ist lange.« Najah rubbelte wieder. Gedankenverloren. Und blieb die wahre Antwort schuldig.

»Du kennst die Antwort nicht«, stellte Ella fest.

»Wenn jemand stirbt, so heißt es, dauert die Trauer ein Jahr. Ein erstes Weihnachten ohne den geliebten Menschen, ein erster Geburtstag, ein erstes Eis, ein erster Sommer. In diesem einen Jahr erinnerst du dich jeden Tag. So war es vor ein paar Tagen. So war es letzte Woche. Letzten Monat. Und irgendwann: So war es vor einem Jahr. Danach hört es nicht auf. Aber es verwässert. Mit jedem Jahr etwas mehr.«

»Klingt traurig«, murmelte Ella nur, obwohl sie längst wusste, wie seltsam sich Geburtstage oder sogar ganze Jahreszeiten anfühlten, wenn der Tod einen Platz im Leben einnahm.

»Es IST traurig.« Najah verbot sich jeden Gedanken an die Vergangenheit. Das Bild, das sich ihr aufdrängte - die abgewinkelten Beine, der aufgerissene Mund - schüttelte sie mit der gewohnten Vehemenz ab. Sie musste nach vorne schauen. Najah legte das Handtuch zur Seite, setzte sich wieder und schob Ella eine Kaffeetasse zu. »Trink. Solange er noch heiß ist.«

Ella umfasste die Tasse mit beiden Händen. Als könnte deren aufgeheizte Keramik den kalten Schock der Nacht in Wärme umwandeln. Mit der Zeitverzögerung einer schlechten Internetverbindung nahm sie Najahs Antwort wahr: Es IST traurig.

Hinter den kürzesten Sätzen verbergen sich oft die längsten Geschichten. Für den Moment, den ein letzter Wassertropfen braucht, um sich von der Armatur zu lösen und im Waschbecken zu landen, wollte Ella Najah fragen. Nach der Geschichte hinter den drei Wörtern. Stattdessen brachte sie nur einen weiteren Seufzer hervor. »Also bin ich jetzt ein Jahr lang traurig?«

Insgesamt betrachtet, würde es vielleicht so sein. Doch Najah hatte es sich zu eigen gemacht, die Zeit in kleinste Abschnitte zu zerlegen und sich von einer guten Sache zur anderen zu hangeln. Vom Anblick einer Blüte zum Schluck gesüßten Tees im Mund. Vom Duft gerösteter Nüsse zur Buchlektüre am Abend. Aufmunternd tätschelte sie Ellas Hand, wobei sie sich wieder einmal ihrer eigenen faltig gewordenen Haut bewusst wurde. »Du darfst nicht aufhören, die Momente zu lieben. Jeder Tag ist gut zu dir.«

Ella nippte an ihrem Kaffee, vorsichtig, um sich nicht die Lippen zu verbrühen, schmeckte den Kardamom und lächelte. »Kardamom ist gut zu mir.«

»Komm her, du verunglücktes Eichhörnchen.« Najah zog Ella zu sich heran und hielt sie eine Weile fest. Und solange es jemanden gibt, der einen in unsicheren Momenten festhält, ist ein Tag nicht ganz verloren. Jedenfalls fühlte sich Ella ein bisschen geborgen und weniger allein in Najahs Armen. Sie schloss die Augen und ließ...
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Anke Weber, geboren 1967 in Hannover, ist Journalistin und Autorin. Sie war über zwanzig Jahre Radio-Redakteurin und hat mehrere Romane veröffentlicht. Ihre wöchentliche Kolumne über das Landleben erscheint seit Jahren in verschiedenen Tageszeitungen. Die Autorin lebt im Aller-Leine-Tal in Norddeutschland.