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Miß Rockefeller filmt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Andhoferschienen am29.08.2024
Miß Rockefeller filmt von Artur Landsberger ist ein faszinierender Roman, der die Leser in die glamouröse und zugleich turbulente Welt des frühen 20. Jahrhunderts entführt. Der Roman, der 1920 veröffentlicht wurde, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Literatur dieser Zeit und bietet einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die die Ära prägten. Die Geschichte dreht sich um die ambitionierte und entschlossene Marga Eichler, die fest entschlossen ist, ihrem Ehemann Dr. Eichler zu einer erfolgreichen Karriere im Auswärtigen Amt zu verhelfen. Doch Dr. Eichlers Karriere scheint aufgrund fehlender Adelstitel und finanzieller Mittel ins Stocken geraten zu sein. In einem verzweifelten Versuch, die Karriere ihres Mannes voranzutreiben, stößt Marga eines Abends zufällig auf eine Kinovorstellung, die ihr eine unerwartete Möglichkeit eröffnet. Landsberger nutzt die Figur der Marga Eichler, um die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu hinterfragen und die Herausforderungen und Erwartungen, denen Frauen in dieser Zeit gegenüberstanden, zu beleuchten. Marga ist eine starke, entschlossene Frau, die bereit ist, unkonventionelle Wege zu gehen, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre Begegnung mit der Filmwelt eröffnet ihr nicht nur neue Möglichkeiten, sondern stellt auch die traditionellen Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Normen in Frage. Der Roman ist nicht nur eine spannende Geschichte über Ehrgeiz und Entschlossenheit, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Strukturen der Zeit. Landsberger gelingt es, die Leser durch seine lebendige und detailreiche Erzählweise in den Bann zu ziehen und sie gleichzeitig zum Nachdenken über die gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen der damaligen Zeit anzuregen. Miß Rockefeller filmt ist ein Werk, das sowohl durch seine fesselnde Handlung als auch durch seine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Ehrgeiz, Geschlechterrollen und gesellschaftlicher Wandel besticht. Es ist ein Roman, der die Leser nicht nur unterhält, sondern auch inspiriert und zum Nachdenken anregt. Ein Muss für alle, die sich für die Literatur und die gesellschaftlichen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts interessieren.

Artur Landsberger, geboren am 26. März 1876 in Berlin, war ein herausragender Schriftsteller und scharfsinniger Gesellschaftskritiker, dessen Werke die literarische Landschaft des frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich prägten. Als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die zum Protestantismus konvertierte, wuchs Landsberger in einer Zeit des Wandels und der Umbrüche auf, die seine schriftstellerische Karriere stark beeinflussten. Nach seinem Abitur am Friedrich-Werderschen Gymnasium in Berlin studierte Landsberger Rechtswissenschaften in München, Heidelberg, Paris und Berlin und promovierte 1906 in Greifswald mit einer Arbeit über das Seekriegs- und Neutralitätsrecht. Doch seine wahre Leidenschaft galt der Literatur und dem Journalismus. Bereits 1907 gründete er gemeinsam mit Richard Strauss und anderen prominenten Persönlichkeiten die Zeitschrift 'Der Morgen', die sich schnell als bedeutendes Forum für deutsche Kultur etablierte. Landsbergers literarisches Debüt, 'Wie Hilde Simon mit Gott und dem Teufel kämpfte' (1910), erregte großes Aufsehen und legte den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere als Romanschriftsteller. Seine Werke, darunter 'Millionäre' (1913), 'Um den Sohn' (1914) und 'Elisabeth. Der Roman einer deutschen Frau' (1922), zeichnen sich durch ihre scharfsinnige Gesellschaftskritik und ihre lebendige Darstellung der Berliner Gesellschaft aus. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller war Landsberger auch als Literatur- und Filmkritiker aktiv und schrieb unter anderem für die 'B.Z. am Mittag' und die 'Vossische Zeitung'. Seine scharfsinnigen und oft provokanten Kritiken machten ihn zu einer einflussreichen Stimme in der deutschen Kulturszene. Landsbergers Leben war jedoch nicht frei von Kontroversen und persönlichen Tragödien. Seine erste Ehe mit der sechzehnjährigen Dolly Pinkus endete nach nur sieben Monaten in einer dramatischen Scheidung. Trotz seiner beruflichen Erfolge litt Landsberger unter den politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen seiner Zeit. Die Inflation von 1923 zerstörte seine Ersparnisse, und die zunehmende Verfolgung durch die Nationalsozialisten setzte ihm schwer zu. Am 4. Oktober 1933 nahm sich Artur Landsberger in Berlin das Leben. Sein Tod markierte das tragische Ende eines Lebens, das von künstlerischem Schaffen und gesellschaftlichem Engagement geprägt war. Landsbergers Werke bleiben jedoch als bedeutende Zeugnisse einer bewegten Epoche erhalten und bieten auch heute noch wertvolle Einblicke in die gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts. Artur Landsberger war ein Mann, der die Widersprüche und Herausforderungen seiner Zeit meisterhaft in seinen Werken einfing und dabei stets den Mut hatte, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Seine Literatur ist ein lebendiges Zeugnis seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe und seines unermüdlichen Engagements für die Gesellschaft.
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Produkt

KlappentextMiß Rockefeller filmt von Artur Landsberger ist ein faszinierender Roman, der die Leser in die glamouröse und zugleich turbulente Welt des frühen 20. Jahrhunderts entführt. Der Roman, der 1920 veröffentlicht wurde, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Literatur dieser Zeit und bietet einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die die Ära prägten. Die Geschichte dreht sich um die ambitionierte und entschlossene Marga Eichler, die fest entschlossen ist, ihrem Ehemann Dr. Eichler zu einer erfolgreichen Karriere im Auswärtigen Amt zu verhelfen. Doch Dr. Eichlers Karriere scheint aufgrund fehlender Adelstitel und finanzieller Mittel ins Stocken geraten zu sein. In einem verzweifelten Versuch, die Karriere ihres Mannes voranzutreiben, stößt Marga eines Abends zufällig auf eine Kinovorstellung, die ihr eine unerwartete Möglichkeit eröffnet. Landsberger nutzt die Figur der Marga Eichler, um die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu hinterfragen und die Herausforderungen und Erwartungen, denen Frauen in dieser Zeit gegenüberstanden, zu beleuchten. Marga ist eine starke, entschlossene Frau, die bereit ist, unkonventionelle Wege zu gehen, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre Begegnung mit der Filmwelt eröffnet ihr nicht nur neue Möglichkeiten, sondern stellt auch die traditionellen Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Normen in Frage. Der Roman ist nicht nur eine spannende Geschichte über Ehrgeiz und Entschlossenheit, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Strukturen der Zeit. Landsberger gelingt es, die Leser durch seine lebendige und detailreiche Erzählweise in den Bann zu ziehen und sie gleichzeitig zum Nachdenken über die gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen der damaligen Zeit anzuregen. Miß Rockefeller filmt ist ein Werk, das sowohl durch seine fesselnde Handlung als auch durch seine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Ehrgeiz, Geschlechterrollen und gesellschaftlicher Wandel besticht. Es ist ein Roman, der die Leser nicht nur unterhält, sondern auch inspiriert und zum Nachdenken anregt. Ein Muss für alle, die sich für die Literatur und die gesellschaftlichen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts interessieren.

Artur Landsberger, geboren am 26. März 1876 in Berlin, war ein herausragender Schriftsteller und scharfsinniger Gesellschaftskritiker, dessen Werke die literarische Landschaft des frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich prägten. Als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die zum Protestantismus konvertierte, wuchs Landsberger in einer Zeit des Wandels und der Umbrüche auf, die seine schriftstellerische Karriere stark beeinflussten. Nach seinem Abitur am Friedrich-Werderschen Gymnasium in Berlin studierte Landsberger Rechtswissenschaften in München, Heidelberg, Paris und Berlin und promovierte 1906 in Greifswald mit einer Arbeit über das Seekriegs- und Neutralitätsrecht. Doch seine wahre Leidenschaft galt der Literatur und dem Journalismus. Bereits 1907 gründete er gemeinsam mit Richard Strauss und anderen prominenten Persönlichkeiten die Zeitschrift 'Der Morgen', die sich schnell als bedeutendes Forum für deutsche Kultur etablierte. Landsbergers literarisches Debüt, 'Wie Hilde Simon mit Gott und dem Teufel kämpfte' (1910), erregte großes Aufsehen und legte den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere als Romanschriftsteller. Seine Werke, darunter 'Millionäre' (1913), 'Um den Sohn' (1914) und 'Elisabeth. Der Roman einer deutschen Frau' (1922), zeichnen sich durch ihre scharfsinnige Gesellschaftskritik und ihre lebendige Darstellung der Berliner Gesellschaft aus. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller war Landsberger auch als Literatur- und Filmkritiker aktiv und schrieb unter anderem für die 'B.Z. am Mittag' und die 'Vossische Zeitung'. Seine scharfsinnigen und oft provokanten Kritiken machten ihn zu einer einflussreichen Stimme in der deutschen Kulturszene. Landsbergers Leben war jedoch nicht frei von Kontroversen und persönlichen Tragödien. Seine erste Ehe mit der sechzehnjährigen Dolly Pinkus endete nach nur sieben Monaten in einer dramatischen Scheidung. Trotz seiner beruflichen Erfolge litt Landsberger unter den politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen seiner Zeit. Die Inflation von 1923 zerstörte seine Ersparnisse, und die zunehmende Verfolgung durch die Nationalsozialisten setzte ihm schwer zu. Am 4. Oktober 1933 nahm sich Artur Landsberger in Berlin das Leben. Sein Tod markierte das tragische Ende eines Lebens, das von künstlerischem Schaffen und gesellschaftlichem Engagement geprägt war. Landsbergers Werke bleiben jedoch als bedeutende Zeugnisse einer bewegten Epoche erhalten und bieten auch heute noch wertvolle Einblicke in die gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts. Artur Landsberger war ein Mann, der die Widersprüche und Herausforderungen seiner Zeit meisterhaft in seinen Werken einfing und dabei stets den Mut hatte, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Seine Literatur ist ein lebendiges Zeugnis seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe und seines unermüdlichen Engagements für die Gesellschaft.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783736428898
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum29.08.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse3377 Kbytes
Artikel-Nr.17287378
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Zweites Kapitel

Vom Amt aus ging Doktor Deichler mit seiner Frau die Straße Unter den Linden hinunter zur Singakademie, um Mahlers neunte Sinfonie zu hören. An der Passage belagerten dichte Menschenmassen die Kasse eines Kinotheaters. Draußen verkündeten kitschige Plakate:

Kinopalast Unter den Linden

Direktion: Ernst Martin.

Nuja Naja

die jüngste, elegantiste, schönste, gefeieriste, weltberühmteste

Künstlerin in dem von ihr selbst erdachten, verfaßten und

inszenierten Monster-Zirkus- und Abenteuer-Film in

7 sieben erschütternden Akten 7

Die Dirnenbrut

oder

Es brach ein Herz in schwüler Nacht

! Noch nie dagewesen !

Überall, wo der Film vorgeführt wurde, spielten sich im

Parkett erschütternde Szenen ab, die sich in Apolda bis zur

Raserei steigerten und ihren Höhepunkt in Hohensalza

erreichten, wo sich der 17 jährige Primaner Dagobert Redlich

aus unglücklicher Liebe für

Nuja Naja selbst entleibte.

Heute! Nuja persönlich anwesend. Heute!

Da die Aufnahmen mit Lebensgefahr verbunden waren,

so mußten die Eintrittspreise erhöht werden.

7 - ½9 - 10 Uhr.

Infolge der sich bis auf den Fahrdamm drängenden Menschen waren Deichlers gezwungen, stehen zu bleiben.

Das sind die neuen deutschen Bildungsstätten! sagte Doktor Deichler und wies auf das Plakat. Es beleuchtet mit einem Schlage die ganze Situation. An die Stelle Fichtes ist Nuja Naja getreten, und statt an seinen Reden an die deutsche Nation richtet sich das Volk heute an der Dirnenbrut auf.

Und lohnt es sich, für die Zukunft dieser Menschen auch nur einen Finger zu rühren? fragte Frau Marga.

Sie sind wie die Kinder und lassen sich leiten und wissen nicht, was sie tun. Man muß nur verstehen, sie richtig zu nehmen.

Verstehst du das? Hast du überhaupt Fühlung mit ihnen? Kennst du diese Menschen? und sie wies auf die Massen, die sich stießen und drängten und mit verklärten Augen, wie Gläubige zu einem Heiligenbilde, zu dem expressionistisch-verzerrten Plakat Nuja Naja emporblickten.

Ich bin seit Jahr und Tag in keinem dieser Verdummungsinstitute gewesen, erwiderte Deichler, und seine Frau beendete den Satz und sagte:

Die sich mühelos in Bildungsstätten verwandeln ließen.

Doktor Deichler machte ein nachdenkliches Gesicht.

Und du meinst, daß dieselben Menschen ...

Ja, das meine ich, fiel ihm Frau Marga ins Wort, dieselben Menschen, die heute eine Nuja Naja anbeten, jubeln morgen einem Goethe zu. Es kommt nicht auf die Kost, nur auf die Zubereitung an. Dieser ganze Schwindel - und sie wies wieder auf das Plakat - beruht ja doch nur auf Suggestion. Wenn du all die Menschen da fragst, was ihnen an dieser Nuja Naja denn so außerordentlich gefällt, so werden sie, um eine Antwort verlegen, auf das Plakat weisen und sagen, daß sie die jüngste, eleganteste, schönste, gefeiertste, weltberühmteste Künstlerin ist. Daß unzählige andere jünger, eleganter und schöner sind, sehen sie erst, wenn es ihnen einer sagt. Und zwar in einer Form und Sprache wie dieser.

Gehen wir hinein! sagte Doktor Deichler kurz entschlossen.

Und die Mahlersche Sinfonie? fragte Frau Marga.

Ein andermal! Ich fühle jetzt gerade das Bedürfnis, diesen Film und seine Wirkung auf die Menschen kennenzulernen.

Schaden kann es gewiß nichts. Am Ende verfallen wir auch der allgemeinen Suggestion.

Als Doktor Deichler sich an die Kasse drängte, die noch immer voll von Menschen war, erhob ein kleiner schmächtiger Herr den Oberkörper durch die Kassenöffnung und hängte ein Plakat mit dem Aufdruck Ausverkauft heraus.

Ein lautes Johlen der enttäuschten Menschen setzte ein. Der kleine schwarze Herr zog blitzschnell den Oberkörper wieder zurück und schloß hastig hinter sich die Scheibe. Nun, in Sicherheit, grinste er, die Hände in den Hosentaschen, vor sich die bis an den Rand gefüllte Kasse, die Menschen an, die ihn, ohne daß er sie verstand, mit Fragen bestürmten. Er zog von Zeit zu Zeit die Schultern in die Höhe, zeigte die unschönen Zähne, erriet, was die Leute draußen sprachen, und versuchte, sich mit den Händen verständlich zu machen. Und die Menschen verstanden ihn und wiederholten:

Nächste Vorstellung: zehn Uhr!

Viele, denen Nuja Naja eine Angina aufwog, warteten trotz des kalten Wetters; die meisten vertrieben sich die Wartezeit in einem der umliegenden Lokale; verschwindend wenige brachten das Opfer des Verzichts und kehrten heim.

Doktor Deichler nahm eben Frau Marga unter den Arm und sagte:

Dann also schnell in die Singakademie! als eine Stimme hinter ihm laut:

He! Deichler!! rief.

Beide wandten sich um und sahen den kleinen schwarzen Mann mit den schlechten Zähnen, der eben noch hinter dem Kassenfenster gestanden hatte, mit beiden Armen winkend auf sich zustürzen.

Doktor Deichler schüttelte den Kopf und sagte:

Nanu?

und Frau Marga wollte eben fragen:

Wer ist das?

als der kleine Herr ihren Mann auch schon bei den Armen packte und, auf Frau Marga weisend, sagte:

So stell´ mich doch deiner Frau vor.

Jetzt erkannte ihn Deichler, mußte lachen und sagte laut: Heilmann!

Na natürlich! erwiderte der. Claudo, divido, laedo, ludo ...

plaudo, rado, rodo, trudo, fiel Deichler lachend ein.

Ich kann es heut noch nicht und wäre ohne dich nie nach Obersekunda gekommen, sagte der Kleine. Aber was meinst du? - Karriere habe ich doch gemacht! - Sie gestatten ... wandte er sich an Frau Marga und zog den Hut, Ernst Martin Heilmann, Direktor des Kinopalasts Unter den Linden - wollen Sie glauben, daß ich seit vier Wochen jede Vorstellung ausverkauft habe? Ein Jahr so weiter, und ich vergrößre mich bis zum Brandenburger Tor hin. Nu ja, verstehen Sie das? Die russische Botschaft steht seit vier Jahren leer! bei den Mietspreisen! zu zweihunderttausend Mark jährlich wäre sie zu vermieten. Eine nette Regierung! - Haben Sie Kohlen? Ich bin eingedeckt bis zum Frühjahr! - Herrgott! Mensch!! wandte er sich wieder an Deichler, haben wir uns lange nicht gesehen! Schöne Zeiten waren das! Das heißt, ich sehn´ mich nicht nach der Penne zurück. Eine Künstlernatur muß sich ausleben, verträgt keinen Zwang. Meinen Sie nicht auch, Gnädigste?

Aber ehe Frau Marga, die ganz entgeistert auf den kleinen beweglichen Mann mit dem schwarzen Haar und den schlechten Zähnen herabsah, noch etwas erwidern konnte, redete er schon wieder auf Deichler ein:

Gratuliere, Deichler! Alle Wetter!! Wußte gar nicht, daß du dich verheiratet hast. Obersekunda - warte mal! - Heut sind wir dreiunddreißig! Damals waren wir fünfzehn! Achtzehn Jahre lang haben wir uns demnach nicht gesehen! da passiert allerlei. Überhaupt, heut´ soll man sagen; wer hat damals an ´nen Weltkrieg gedacht? Wenn ´n Junge auf der Straße mit ´ner Korkenpistole geschossen hat, hat man sich die Ohren zugehalten. Und man hat auch gelebt. Besser als heut´. Mir soll einer mit der eisernen Zeit kommen!

Deichler streckte dem Schulfreund die Hand hin und sagte:

Auf Wiedersehen also!

I Gott bewahre! erwiderte der und griff in die Tasche. Ihr bleibt.

Deichlers sahen sich an und verstanden nicht. Der kleine Herr Heilmann hatte inzwischen eine Karte hervorgezogen und reichte sie jetzt Frau Marga:

So! Ihr setzt euch jetzt in die Direktionsloge und seht euch an, was bei mir los ist!

Aber nein! wehrte Frau Marga ab.

Wetten, daß? erwiderte Heilmann. Wozu braucht ihr euch zu drängen und bis zehn Uhr auf der Straße zu stehen?

Wir wollten in die Singakademie!

Ausgerechnet! Was sind das für veraltete Sachen? - Singakademie! - Ich entsinn´ mich, als ich noch Kind war, daß mein Vater...

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Autor

Artur Landsberger, geboren am 26. März 1876 in Berlin, war ein herausragender Schriftsteller und scharfsinniger Gesellschaftskritiker, dessen Werke die literarische Landschaft des frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich prägten. Als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die zum Protestantismus konvertierte, wuchs Landsberger in einer Zeit des Wandels und der Umbrüche auf, die seine schriftstellerische Karriere stark beeinflussten.

Nach seinem Abitur am Friedrich-Werderschen Gymnasium in Berlin studierte Landsberger Rechtswissenschaften in München, Heidelberg, Paris und Berlin und promovierte 1906 in Greifswald mit einer Arbeit über das Seekriegs- und Neutralitätsrecht¹². Doch seine wahre Leidenschaft galt der Literatur und dem Journalismus. Bereits 1907 gründete er gemeinsam mit Richard Strauss und anderen prominenten Persönlichkeiten die Zeitschrift "Der Morgen", die sich schnell als bedeutendes Forum für deutsche Kultur etablierte.

Landsbergers literarisches Debüt, "Wie Hilde Simon mit Gott und dem Teufel kämpfte" (1910), erregte großes Aufsehen und legte den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere als Romanschriftsteller. Seine Werke, darunter "Millionäre" (1913), "Um den Sohn" (1914) und "Elisabeth. Der Roman einer deutschen Frau" (1922), zeichnen sich durch ihre scharfsinnige Gesellschaftskritik und ihre lebendige Darstellung der Berliner Gesellschaft aus.

Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller war Landsberger auch als Literatur- und Filmkritiker aktiv und schrieb unter anderem für die "B.Z. am Mittag" und die "Vossische Zeitung". Seine scharfsinnigen und oft provokanten Kritiken machten ihn zu einer einflussreichen Stimme in der deutschen Kulturszene.

Landsbergers Leben war jedoch nicht frei von Kontroversen und persönlichen Tragödien. Seine erste Ehe mit der sechzehnjährigen Dolly Pinkus endete nach nur sieben Monaten in einer dramatischen Scheidung. Trotz seiner beruflichen Erfolge litt Landsberger unter den politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen seiner Zeit. Die Inflation von 1923 zerstörte seine Ersparnisse, und die zunehmende Verfolgung durch die Nationalsozialisten setzte ihm schwer zu.

Am 4. Oktober 1933 nahm sich Artur Landsberger in Berlin das Leben. Sein Tod markierte das tragische Ende eines Lebens, das von künstlerischem Schaffen und gesellschaftlichem Engagement geprägt war. Landsbergers Werke bleiben jedoch als bedeutende Zeugnisse einer bewegten Epoche erhalten und bieten auch heute noch wertvolle Einblicke in die gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts.

Artur Landsberger war ein Mann, der die Widersprüche und Herausforderungen seiner Zeit meisterhaft in seinen Werken einfing und dabei stets den Mut hatte, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Seine Literatur ist ein lebendiges Zeugnis seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe und seines unermüdlichen Engagements für die Gesellschaft.