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Scheiß was drauf

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
240 Seiten
Deutsch
Karibuerschienen am23.08.20241. Auflage
'Scheiß was drauf.' Mit diesem Satz treffen Mirco und Fabian aufeinander. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Mirco lebt ganz nach dem Motto: Erst zuschlagen, dann nachfragen. Trotzdem werden die beiden Freunde. So etwas wie. Zumindest machen sie sich gemeinsam auf den Weg. Wohin, das wissen sie selbst nicht so genau. Hauptsache weg. Weit weg von Mircos Freundin, die ihn rausgeworfen hat und weg von Fabians Vater, der lieber einen Sohn ohne Tourettesyndrom hätte. Doch ihre Flucht soll nicht unauffällig und leise sein, sie soll adrenalingeladen und spektakulär sein. 'Scheiß was drauf' eben.

Frank Maria Reifenberg, geboren 1962, schreibt vor allem Kinder- und Jugend- sowie Drehbücher für Film und Fernsehen. Er hat bereits über 50 Romane veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Frank Maria Reifenberg wurde mehrmals mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet sowie für den deutsch-französischen Kinderbuchpreis und den Katholischen Kinderbuchpreis nominiert. Er engagiert sich besonders für die Leseförderung von Jungen. Seine Arbeit wurde u. a. durch die Filmstiftung NRW, den FilmFernsehFond Bayern, die Kunststiftung NRW, das Land NRW und das Luxemburgische Kulturministerium über Stipendien gefördert.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR15,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR12,99

Produkt

Klappentext'Scheiß was drauf.' Mit diesem Satz treffen Mirco und Fabian aufeinander. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Mirco lebt ganz nach dem Motto: Erst zuschlagen, dann nachfragen. Trotzdem werden die beiden Freunde. So etwas wie. Zumindest machen sie sich gemeinsam auf den Weg. Wohin, das wissen sie selbst nicht so genau. Hauptsache weg. Weit weg von Mircos Freundin, die ihn rausgeworfen hat und weg von Fabians Vater, der lieber einen Sohn ohne Tourettesyndrom hätte. Doch ihre Flucht soll nicht unauffällig und leise sein, sie soll adrenalingeladen und spektakulär sein. 'Scheiß was drauf' eben.

Frank Maria Reifenberg, geboren 1962, schreibt vor allem Kinder- und Jugend- sowie Drehbücher für Film und Fernsehen. Er hat bereits über 50 Romane veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Frank Maria Reifenberg wurde mehrmals mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet sowie für den deutsch-französischen Kinderbuchpreis und den Katholischen Kinderbuchpreis nominiert. Er engagiert sich besonders für die Leseförderung von Jungen. Seine Arbeit wurde u. a. durch die Filmstiftung NRW, den FilmFernsehFond Bayern, die Kunststiftung NRW, das Land NRW und das Luxemburgische Kulturministerium über Stipendien gefördert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783961294480
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum23.08.2024
Auflage1. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2372 Kbytes
Artikel-Nr.17287642
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

fabian Scheiß was drauf. Ich hatte nicht mitbekommen, wer den Satz gesagt hatte. Irgendwer, der den weiten Weg hierher gemacht hatte, weil das Depot zum angesagtesten Club der Stadt erklärt worden war. Irgendwer, der es nicht hinter die graue Stahltür geschafft hatte oder dem die letzte Zigarette in den Dreck gefallen war. Irgendwer, der keine Ahnung davon hatte, dass er kurz vor Mitternacht noch die gute Tat des Tages tun würde, einfach, indem er mir einen Satz schenkte, einen guten Satz: Scheiß was drauf.

Das ist ein Von-oben-nach-unten-Satz. Er fängt oben an, Scheiß, und rutscht dann nach unten weg, was drauf. Das was hat keine Bedeutung. Es interessiert keinen, was du draufscheißt. Drauf steht an letzter Stelle. Ist eine Falle. Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben (übrigens kein Von-oben-nach-unten-Satz). Du sollst auch den Satz nicht vor dem Ende eintüten, weil du sonst feststellen könntest, ziemlich oft sogar, dass er etwas ganz anderes ist, als du dachtest, dass er nachtritt, aus dem Hinterhalt schießt. Drauf. Du konzentrierst dich voll auf den Anfang, stößt es zischend und giftig heraus, gegen dich, gegen andere, ins Nichts, meistens ins Nichts - scheiß was drauf, von oben nach unten.

Aber dann, manchmal sofort, oft viel später, wenn du Glück hast, geht dir ein Licht auf. Du kannst diesen Satz raushauen, sooft du willst, auf dem Wort an erster Stelle herumturnen, so viel du willst, es kommt am Ende auf das drauf an. Auf das Wort an der letzten Stelle. Es kommt nämlich auf nichts in dem Satz an, sondern auf das, was du gar nicht aussprichst, auf das, wofür drauf steht, auf das, was vor dem Satz war, auf das, auf was du scheißen sollst und nicht kannst. Denn du sagst den Satz nur, weil du nicht tun kannst, was er dir befiehlt. Weil dann alles ganz einfach wäre.

mirco Ich habe keinen blassen Schimmer, wo das alles losging. Wer weiß schon, wo alles richtig losgeht, keiner weiß das. Gott vielleicht, aber an den glaub ich nicht. Yalla auch nicht, also Fabian, er glaubt an Engel, wie seine Oma, aber an Gott nicht. Die Oma schon, die glaubt an ihn, aber die ist tot, sonst könnte man die fragen, ob sie Gott mal fragt, weil Gott wüsste ganz genau, ob die Geschichte schon viel vorher losging. Aber nur, wenn er sowieso alles vorher weiß, also, den vollen Plan im Kopf hat, wie alles laufen soll. Alles für jeden. Dann müsste er so eine Art Megafestplatte im Kopf haben, Gott, meine ich. Mann, ich rede eine Scheiße hier. Das tu ich erst, seit ich Yalla kenne. Vielleicht ist der Mist in seinem Gehirn doch ansteckend. Also Yalla behauptet, es fing mit Scheiß was drauf an, und wenn es für ihn so losging, dann ging es auch für mich so los, auch wenn ich ihn zu der Zeit noch gar nicht gesehen hab. Wenn er den Satz gehört hat, vorm Club, von mir, dann war das der Anfang, vorm Club, in der Schlange. Ich habe keine Ahnung, ob ich den Satz wirklich gesagt habe. Ich sag viel, wenn der Abend lang ist, und wahrscheinlich ziemlich viel Mist und Kram, den keiner hören will. Aber manchmal sage ich auch nichts. Stunden oder sogar Tage. Dann geht nichts. Stau. Keine Ahnung, woran das liegt. Wenn Sandra reden will, kann ich nie, dann ist immer Stau. Probleme, nur Probleme. An dem Abend hätten wir noch Stunden reden können, bevor wir ins Depot gegangen sind. Mit Mopedtobi, Joey, Kralle und ihren Mädchen. Keine Ahnung, wie die heißen, spielt aber auch keine Rolle. Sandra ist anders. Wer sie anguckt, kriegt eins in die Fresse. Die Jungs waren wieder das Problem für sie: schlechter Einfluss und so. Cool, die Jungs schlechter Einfluss! Die Eltern von den Jungs sagen, ich bin schlechter Einfluss. Soll ich in den Club gehen und so tun, als kenn ich sie nicht? Auf jeden Fall hat Sandra mir auch schon Vorträge darüber gehalten. Am Ende waren wir erst am Club, als es schon diese elend lange Schlange gab und Mopedtobi uns mit so einer Panikmache begrüßte. Er hatte seine Pillen vergessen, und ich habe wahrscheinlich gesagt: Scheiß was drauf. Denn irgendwer hat immer was dabei.

fabian Es war ein guter Satz. Das spürte ich. Er würde eine Zeit lang mein Gehirn in Schach halten. Ich kann mich auf wenig verlassen, aber gute Sätze erkenne ich. Darauf kann ich mich verlassen. Ich muss es können, weil ich sonst verrückt werde. Viele glauben, dass ich es schon bin, und oft ist es auch gut so. Sollen sie es glauben. Wenn Leute glauben, du seist durchgeknallt, ist vieles einfacher. Oft ist es aber beschissen. Ich bin nicht verrückt.

In meinem Kopf ist einiges verrückt, an die falsche Stelle gerückt, in die falsche Richtung, so, als würdest du eine Weiche in letzter Sekunde stellen und der Zug rast in die falsche Richtung. Du kannst ihn nicht stoppen, weißt genau, in diese beschissene Richtung gehört er nicht, aber es ist zu spät. Es ist gar nicht so einfach, nicht verrückt zu werden, wenn in deiner Birne ständig was verrückt. Gute Sätze helfen mir dabei: nicht verrückt zu werden oder in einen beschissenen Club zu kommen, von dem alle behaupten, er sei total angesagt.

In meinem Kopf rasten die Züge aufeinander zu, viel Zeit blieb nicht mehr, die Weichen in meinem Kopf klapperten, hin, her, rechts, links. Zwei endlose Züge, die auf ihren Schienen durch eine Kurve donnerten, aufeinander zu, dann aber doch knapp aneinander vorbei, so nah, dass ihre stählerne Haut sich immer wieder rieb und meine Ohren, das Trommelfell, die Zellwände in meinem Hirn mit den kreischenden Schlägen ihrer Berührungen zum Bersten brachten.

Einmal, wünschte ich mir, einmal, einmal und für immer sollten sie aufeinanderprallen, sich nicht nur reiben, nicht nur ihre kalte, starre Schale aneinanderschmiegen und dabei meine Gehirnwindungen aufladen wie eine ungeschützte Hochspannungsleitung. In tausend Stücke zerschellen sollten sie. Alles mit sich reißen. Nie wieder in ihren Schienen fahren können. Meine Wünsche waren bisher nicht erfüllt worden.

Solange die Leute in der Schlange nach vorne schauten, würde nichts passieren. Zumindest hatte ich eine Chance, auch wenn nicht Baby, sondern einer der anderen Türsteher an dem grell ausgeleuchteten Eingang stand. Sie hatten heute sogar zwei Drängelgitter aufgestellt, die eine schmale Schleuse vor der eigentlichen Tür bildeten.

Baby hatte das nicht nötig. Baby brauchte keine Drängelgitter. Hinter ihrem Rücken mogelte sich niemand in den Club. Schon den Gedanken daran würde sie in deinen Augen erkennen, dich aus der Schlange fischen und ihr leises, aber vernichtendes Urteil verkünden: Abmarsch. Mehr musste sie nicht sagen, und mehr sagte sie nicht. Keiner diskutierte mit Baby, ob er vielleicht doch und seine Freundin sei schon drin und er kenne den Besitzer und der ganze Mist. Allein Baby entschied, wer reindurfte in das heruntergekommene Gebäude aus Backstein, in dem früher noch Kabel dick wie mein Unterschenkel auf gigantische Holzspulen gerollt worden waren.

Es war ungewöhnlich, dass Baby einen ihrer Jungs an die Tür ließ. Vielleicht würde sie noch kommen. Dann war alles kein Problem. Sie würde mich durchwinken. Baby wusste, dass ich immer sofort an meinen Platz ging, dass es keinen Ärger geben würde. Den Typ, der ihren Job jetzt machte, hatte ich noch nie an der Tür gesehen, meistens stand er hinter einer der Bars.

Fettbacke hatte für jeden den richtigen Spruch drauf. Ich wusste genau, was er sagen würde, wenn ich meinen Kopf auch nur einmal nach hinten werfen, die Augen aufreißen würde, bis sie wie zwei Murmeln herauszufallen drohten, oder mir ein Speichelfaden aus dem verzerrten Mundwinkel tropfte, was zwar nicht oft vorkam, aber eben manchmal, selten, eben, wenn alles auf eine beschissene Weise zusammenkam. Ich musste möglichst schnell an meinen Platz vor die Boxen, oder der Abend war gelaufen.

Ich habe keine Ahnung, an welcher Stelle ich mit einem Satz durch bin. Das ist das Risiko. Ich erkenne einen guten Satz, aber ich kann nicht garantieren, dass er mich genau so lange beruhigt, wie ich es gerade brauche. Manche Sätze sind richtig gut, sie klingen nach, wirken länger, als ich an sie denke. Andere betäuben nur an der Oberfläche. Scheiß was drauf schien richtig gut gewesen zu sein, mein Hirn schlich ihm noch nach, aber lange durfte es nicht mehr dauern. Ich konnte ihn noch ein paar Mal drehen und wenden, aber dann würden sich die Tics den Weg nach draußen bahnen. Sie ließen sich nie wirklich lange austricksen.

Die Schlange trippelte weiter vor. Nur diese endlosen Beine noch, drei Paar, zwei auf hohen Absätzen, eines in silbernen Glitzersneakern, dann war ich dran. Ich tastete mich Blick für Blick an den Schenkeln der Mädchen hoch. Die Züge in meinem Kopf ratterten leise in unbestimmter Ferne, ein Branden nur, ohne Gefahr, fast schon so, als pufften die alten Dampflokomotiven am Bahnsteig. Ich wusste, dass sie jederzeit aus dem Stand in volle Fahrt ausbrechen konnten.

»Nimm deine Augen da weg!«, blaffte mich eine an. Ihre langen Haare verdeckten mehr, als das über die Schulter gerutschte Shirt. Sie reichten fast bis zu dem Minirock und streichelten bei jeder Bewegung ihres Kopfes den schmalen Streifen nackter Haut über ihrem Gürtel.

Nimm deine Augen da weg. Das war ein Giebelsatz, von unten nach oben nach unten, das Wichtigste in der Mitte. Deine Augen. Meine Augen. Nimm deine Augen da weg. Es ging um meine Augen, nur um meine. Ich sollte meine Augen da wegnehmen. Von allen Augen war nicht die Rede, sondern nur von meinen. Hingucken ja, aber nur die Richtigen, der Richtige. Ich kam durcheinander. Nimm deine Augen da...

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Autor

Frank Maria Reifenberg, geboren 1962, schreibt vor allem Kinder- und Jugend- sowie Drehbücher für Film und Fernsehen. Er hat bereits über 50 Romane veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Frank Maria Reifenberg wurde mehrmals mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet sowie für den deutsch-französischen Kinderbuchpreis und den Katholischen Kinderbuchpreis nominiert. Er engagiert sich besonders für die Leseförderung von Jungen. Seine Arbeit wurde u. a. durch die Filmstiftung NRW, den FilmFernsehFond Bayern, die Kunststiftung NRW, das Land NRW und das Luxemburgische Kulturministerium über Stipendien gefördert.