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Der hörende Mensch und die Wirklichkeit der Musik

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Verlag Freies Geisteslebenerschienen am08.11.2023
Naturwissenschaftlicher Nachvollzug Wie wird aus Tönen Musik? Armin Husemann stellt in diesem Buch dem Neurozentrismus der üblichen Bewusstseinstheorien eine Interpretation der physiologischen Befunde gegenüber, die Rudolf Steiner erstmals 1917 in seiner Schrift ?Von Seelenrätseln? angeregt hat, und unternimmt den spannenden Versuch, diese geisteswissenschaftliche Analyse naturwissenschaftlich nachzuvollziehen.

Armin J. Husemann, geboren 1950, ist Arzt fu?r Allgemeinmedizin, seit 1987 in eigener Praxis in Stuttgart. Von 1988 bis 1993 arbeitete er außerdem als Schularzt, seit 1993 ist er Leiter und Dozent der Eugen-Kolisko-Akademie in Filderstadt. Er hält Vorträge und Seminare u?ber Anthroposophische Medizin und Menschenkunde im In- und Ausland.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextNaturwissenschaftlicher Nachvollzug Wie wird aus Tönen Musik? Armin Husemann stellt in diesem Buch dem Neurozentrismus der üblichen Bewusstseinstheorien eine Interpretation der physiologischen Befunde gegenüber, die Rudolf Steiner erstmals 1917 in seiner Schrift ?Von Seelenrätseln? angeregt hat, und unternimmt den spannenden Versuch, diese geisteswissenschaftliche Analyse naturwissenschaftlich nachzuvollziehen.

Armin J. Husemann, geboren 1950, ist Arzt fu?r Allgemeinmedizin, seit 1987 in eigener Praxis in Stuttgart. Von 1988 bis 1993 arbeitete er außerdem als Schularzt, seit 1993 ist er Leiter und Dozent der Eugen-Kolisko-Akademie in Filderstadt. Er hält Vorträge und Seminare u?ber Anthroposophische Medizin und Menschenkunde im In- und Ausland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783772543852
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.11.2023
SpracheDeutsch
Dateigrösse15283 Kbytes
Artikel-Nr.17301310
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel
Der hörende Mensch und die Wirklichkeit der Musik

«Es muss ein Wissen geben, das in den einzelnen Wissenschaften die Elemente sucht, um den Menschen zum vollen Leben wieder zurückzuführen.»

Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit7

Was auch immer in unserer Umgebung hörbar wird - Schritte im Nebenraum, ein Gespräch, ein Auto auf der Straße, das Knacken der Heizung oder der Gesang eines Vogels - alle diese Schallereignisse haben eines gemeinsam: sie werden durch Bewegung hervorgebracht.8 Wenn wir hören, nehmen wir an Bewegungsvorgängen der Umwelt teil. Das kann uns veranlassen, vom Gesichtspunkt der Bewegung aus zu untersuchen, wie das Ohr in den Menschen eingegliedert ist. Der Gang unserer Untersuchung geht dabei den Weg des Tones selbst, von außen nach innen.
Das Trommelfell

Über die Ohrmuschel und den äußeren Gehörgang gelangt der Ton zum Trommelfell. Das Trommelfell bildet sich embryonal, indem sich die Haut nach innen einstülpt. Dieser Bewegung kommt aus der Mundbucht eine Einstülpung des Urdarms entgegen, die vom Rachenraum schräg nach hinten vordringt. Als «eustachische Röhre» (Tuba Eustachii) wird diese Urdarmeinstülpung am reifen Menschen zum Belüftungsweg des Mittelohres (siehe Abb. 1).

Beide Einstülpungen, diejenige der Haut von außen (aus dem Ektoderm herstammend) und die des Urdarms von innen (aus dem Entoderm), begegnen sich, indem sie die Außen- und die Innenschicht des Trommelfells bilden; dazwischen wachsen Blutgefäße ein, die (vermutlich) aus dem mittleren Keimblatt (Mesoderm) stammen.
Abb. 1: Die Bildung des Trommelfells (nach W. J. Hamilton, J. D. Boyd, H. W. Mossman, Human Embryology, London 1946)
Die Rötung des Trommelfells bei einer Mittelohrentzündung zeigt seine reiche Versorgung mit Blutgefäßen. Während sich im Auge das Blut auf die Rückseite der Netzhaut zurückzieht - Blutgefäße würden Hornhaut und Linse undurchsichtig machen -, bringt der Ton schon beim Eintritt ins Ohr mit dem Trommelfell zugleich das Blut in Schwingung.
Die schwerefreie Gliedmaßenfunktion in Ohr und Auge

Der Ton, der das Trommelfell in Schwingung versetzt, wird im Mittelohr von drei kleinen Knochen empfangen, die mittels echter Gelenke untereinander verbunden sind (Abb. 2): «Hammer», «Amboss» und «Steigbügel». Sie bilden eine Gliedmaße, die sich im Ton und durch den Ton bewegt. Der Ton schwingt also durch beide Ohren in zwei winzige Gliedmaßen hinein. Deren Gelenke können - wie die der großen Gliedmaßengelenke - an Rheuma erkranken oder altersbedingt sklerotisch versteifen, was im Fall der großen Gliedmaßen zur Bewegungseinschränkung im Gehen und Handeln führt, im Ohr zur Hörminderung. An Armen und Beinen besorgen Muskeln die Bewegung der Knochen. Im Mittelohr hingegen treten Muskeln in regulative Funktionen zurück (M. tensor tympani und M. stapedius) und an ihrer Stelle wirkt der Ton selbst: Er bewegt die Knochen in den Gelenken. So wird der Ton im Mittelohr sogleich in eine Art Gliedmaßentätigkeit hineingezogen. Oder anders ausgedrückt: Der Organismus gliedert sich mit ohrgemäß verwandelten Gliedmaßen so in die Tonschwingung ein, als sei sie Muskulatur.9 In ihren Bewegungen sind diese «Ohr-Gliedmaßen» ganz von der Einwirkung der Schwerkraft befreit, sie schwingen schwerefrei. Denn die Gehörknöchel sind so aufgehängt, dass ihre Schwingung nur Bewegungen um deren jeweiligen Massenschwerpunkt bewirkt.10 Dasselbe gilt für die schwerefreie «Arbeit» der äußeren Augenmuskulatur, da die Kugel des Augapfels um ihr Massenzentrum gedreht wird.11
Abb. 2: Die schallinduzierten Auslenkungen im Mittel- und Innenohr (nach Zenner) Abb. 3: Primäres (Hammer-Amboss-Gelenk) und sekundäres (Sqamoso-Dental-Gelenk) Kiefergelenk halbschematisch bei einem menschlichen Embryo von 62 mm Schädel-Steiß-Länge (nach Stark 1979).
Ein phänomenologisch orientierter Sprachgebrauch sprach früher von Licht, Klang, Wärme etc. als von «Imponderabilien» - von Entitäten ohne Gewicht. Die Bau- und Funktionsweise von Ohr und Auge zeigen, wie sachgemäß dieser von Rudolf Steiner wieder benutzte Begriff ist.12
Hören, Kauen, Schlucken

Der Raum des Mittelohres, in dem die Gehörknöchel aufgehängt sind, ist mit atmender Schleimhaut ausgekleidet. Luft erhält dieser Mittelohrraum durch die bereits erwähnte eustachische Röhre, die Mittelohr und Rachenraum miteinander verbindet. Jeder kennt wohl das Gefühl, das entsteht, wenn diese Belüftung nicht funktioniert, weil z.B. durch eine Rachenentzündung die innere Tubenöffnung zugeschwollen ist. Fortwährend wird Luft durch die Mittelohrschleimhaut ins Blut eingeatmet (resorbiert). Wenn sie nun - aufgrund der Schwellung - vom Mundraum her nicht nachströmen kann, entsteht im Mittelohr Unterdruck. Beim Gesunden wird bei jedem Schluckvorgang Luft nachgeliefert, indem sich die eustachische Röhre durch eine Zwangskopplung öffnet. Wir schlucken also beim Essen die Luft ins Mittelohr.
Abb. 4: Die Metamorphose des Kiefergelenks der Reptilien (1, 2) in das Hammer-Amboss-Gelenk der Säugetiere (3, 4) (nach Gaupp 1911).
Aber auch zum Kauen hat der Hörvorgang eine tiefe Beziehung, wie die Embryonalentwicklung des Mittelohres zeigt: In der Embryonal- und Fetalzeit des Menschen reicht eine knorpelige Fortsetzung des Unterkiefers - man kann nur staunen! - ins Mittelohr hinein (Abb. 3). Sie endet dort im Hammer und bildet mit dem Amboss ein Kiefergelenk. Dieses primäre Kiefergelenk ist das spätere Hammer-Amboss-Gelenk! Im sechsten Monat der Fetalentwicklung wird dieser Unterkieferknorpel (Meckelscher Knorpel) zurückgebildet; der Hammer bleibt als Rest übrig, verknöchert wie der Amboss, und das Gelenk zwischen beiden wird Hörgelenk. Für das Kauen entwickelt sich stattdessen ein neues, das sogenannte sekundäre Kiefergelenk. Diese erstaunliche Metamorphose des primären Kiefergelenkes in ein Hörgelenk (Abb. 3 und 4) in der Individualentwicklung des Menschen ist die Wiederholung eines Schrittes, der sich stammesgeschichtlich von den Reptilien zu den Säugetieren vollzogen hat (Reichert-Gauppsche Theorie) des Kiefergelenkes (siehe Abb. 4).13 Gisbert Husemann fasste diese Metamorphose in den Satz zusammen: «Hören ist nach innen genommenes Kauen.»14
Abb. 5: Kriechtiere - Bodenschall ist stark und von Bedeutung, Luftschall wird reflektiert und ist schwach (Tumarkin 1968). Abb. 6: Die Vorderglieder im Dienst des Hörens (nach Portmann 1976) Die Evolution des Hörens. Von der Erdschwingung zur Luftschwingung

Der der Erde aufliegende Leib von Amphibien und Reptilien leitet Bodenschall tiefster Frequenzen zum Innenohr weiter, und zwar über das bei diesen Tierklassen relativ großräumige Liquorsystem von Rückenmark und Gehirn. Dies gilt für Vibrationen und tiefste Bassfrequenzen.15

Höhere Frequenzen werden über die Vordergliedmaßen fortgeleitet. Amphibien und Reptilien haben hierfür ein zweigeteiltes ovales Fenster. Die vordere Hälfte ist über den Gehörknöchel des Mittelohres (Columella) der Luft exponiert für Luftschall, der hinteren Hälfte liegt eine knöcherne Platte auf (Operculum, siehe Abb. 6). Letztere ist über Sehnen und Muskeln mit dem Schulterblatt verbunden, wodurch höherfrequenter Boden- und Wasserschall über die Vorderglieder dem Mittel- und Innenohr zugeleitet wird.16 (Abb. 5 u. 6) Die Größe der schwingenden Masse der Vorderglieder begrenzt dieses Hören auf einen tiefen bis mittleren Frequenzbereich. Indem die Säugetiere nun den Rumpf ganz von der Erde wegstemmen und die Gliedmaßen unter den Rumpf drehen, vollzieht sich zugleich auch die Verinnerlichung des Hörens - das frühere Kaugelenk wird Hörgelenk; zugleich wird die Verbindung zwischen Trommelfell und Vordergliedmaßen zurückgebildet. Mit diesem Schritt zur reinen Luftschallperzeption steigt das Frequenzspektrum nochmals in die Höhe.17 Das Hörvermögen in der Evolution geht in dem Maße in die Höhe, wie die schwingende Masse, die an der Fortleitung beteiligt ist, zurücktritt:
Abb. 7: Der Anstieg der Tonhöhenwahrnehmung in der Evolution der Wirbeltiere (Tierzeichnungen von Christian Breme) Abb. 8: Äußerer Gehörgang, Mittelohr und Innenohr mit knöchernen und häutigen Labyrinth
Mit der Verinnerlichung erschließt sich das Hören also zugleich höhere Tonfrequenzen. Mit der Steigerung...
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Autor

Armin J. Husemann, geboren 1950, ist Arzt für Allgemeinmedizin, seit 1987 in eigener Praxis in Stuttgart. Von 1988 bis 1993 arbeitete er außerdem als Schularzt, seit 1993 ist er Leiter und Dozent der Eugen-Kolisko-Akademie in Filderstadt. Er hält Vorträge und Seminare über Anthroposophische Medizin und Menschenkunde im In- und Ausland.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt