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Swinging Bremen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
220 Seiten
Deutsch
Kellner Klaus Verlagerschienen am20.08.2024
Die Nazis sind an der Macht, und der Krieg ist auch in der Stadt spürbar, aber der 16-jährige Johnny und seine Freunde wollen lieber im Swingtakt tanzen als im Gleichschritt marschieren - mit Jazz, schicken Klamotten und langen Haaren. Die Bremer Swingkids wollen ihre Freiheitsträume trotz HJ-Streifen und Razzien, Gestapo und Luftkrieg leben. Doch ihre Liebe zur amerikanischen Musik und die Abneigung gegen das Regime bringen sie unweigerlich in Gefahr. Ein Roman zwischen heißen Rhythmen und Bombennächten, erster Liebe und Verrat. Basierend auf Zeitzeugenberichten entwirft die Autorin ein genaues Bild von Bremen im Zweiten Weltkrieg und jenen rebellischen Jugendlichen, die von den Nazis wegen harmloser Swingtänze gehasst wurden.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,00

Produkt

KlappentextDie Nazis sind an der Macht, und der Krieg ist auch in der Stadt spürbar, aber der 16-jährige Johnny und seine Freunde wollen lieber im Swingtakt tanzen als im Gleichschritt marschieren - mit Jazz, schicken Klamotten und langen Haaren. Die Bremer Swingkids wollen ihre Freiheitsträume trotz HJ-Streifen und Razzien, Gestapo und Luftkrieg leben. Doch ihre Liebe zur amerikanischen Musik und die Abneigung gegen das Regime bringen sie unweigerlich in Gefahr. Ein Roman zwischen heißen Rhythmen und Bombennächten, erster Liebe und Verrat. Basierend auf Zeitzeugenberichten entwirft die Autorin ein genaues Bild von Bremen im Zweiten Weltkrieg und jenen rebellischen Jugendlichen, die von den Nazis wegen harmloser Swingtänze gehasst wurden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783956514630
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum20.08.2024
Seiten220 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse692 Kbytes
Artikel-Nr.17362028
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


BIRGIT KÖHLER

 

 

Swinging Bremen

 

Jazzgrooves bei Luftalarm

 

 

 

 

Dieses Buch ist bei der Deutschen Nationalbibliothek registriert. Die bibliografischen Daten können online
angesehen werden: http://dnb.d-nb.de

 

 

DISCLAIMER: Der folgende Roman handelt in der Zeit des Dritten Reiches und verwendet zeitgenössische Sprache. Da antisemitische, rassistische und homophobe Haltungen ein Teil des menschenverachtenden Nationalsozialismus sind, spiegeln sich diese in der Ausdrucksweise wider. Ich bitte daher alle Menschen, die davon getriggert werden könnten, diese Warnung ernst zu nehmen und selbstfürsorglich zu entscheiden, ob und wann sie lesen möchten. Es wird im Text keine weitere Triggerwarnung geben, um den Lesefluss und den Spannungsbogen nicht zu unterbrechen. Selbstverständlich ist eine solche Sprache außerhalb des historischen Kontextes nicht zulässig.

 

 

SWING IM BUNKER

Ein klopfendes und pulsierendes Geräusch drang aus dem Nebenraum. Als ob jemand nervös mit einem Knöchel auf einem Blecheimer trommelte, schnell und rhythmisch. Johnny saß auf der Holzpritsche im Bunker, wippte mit dem Fuß und starrte in die Richtung, aus der die Laute kamen. Was war das? Ein Trommelsolo? Es klang fast wie das Intro von Sing sing sing , einem seiner Lieblingssongs des amerikanischen Jazzmusikers Benny Goodman. Aber wer wäre so verwegen, in einem deutschen Luftschutzbunker bei Fliegeralarm Swing zu spielen?

Johnny, der mit richtigem Namen Johann Donandt hieß, rieb sich die Augen. Draußen waren die Sirenen verebbt, und ein tiefes Grummeln kündigte die Flugzeugmotoren der englischen Bomber über Bremen an. Sie waren mal wieder mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen worden und in den Hochbunker am Bürgerpark geflohen. Das geschah in diesen ersten Tagen des Jahres 1941 häufig. Die nächtlichen Fliegeralarme nervten Johnny. Aus dem warmen Bett springen, in dem er schon angekleidet lag, um keine Zeit zu verlieren, den Trenchcoat überwerfen und seine widerspenstigen dunklen Locken unter den breitkrempigen Hut stopfen, das gelang dem Sechzehnjährigen im Halbschlaf. In der Zwischenzeit hatte die Mutter Martha seine schlaftrunkene kleine Schwester Ida angezogen.

Und jetzt saßen sie eng aneinandergedrängt im Luftschutzbunker, atmeten staubige Luft und horchten auf die gedämpften Geräusche draußen. Die achtjährige Ida mit ihren dunklen langen Zöpfen strich immer wieder die karierte Wolldecke glatt, die sie über ihre und Johnnys Knie gebreitet hatte, klammerte sich an den Arm ihres Bruders und presste die Augen zu. Ihre Mutter saß aufrecht in ihrem eleganten Pelzmantel. Nur an ihren Händen sah man die Anspannung: Mit der einen umklammerte sie den Griff eines Koffers, mit der anderen quetschte sie die Finger von Ida, bis die Kleine leise protestierte. Johnny hatte seinen Pappkoffer unter die Pritsche geschoben und lehnte sich vorsichtig an die Wand hinter sich. Aber die Kälte kroch durch den dicken schmutzigen Beton, und sein Mantel war zu dünn.

Dennoch liebte er seinen hellen Staubmantel, der mittlerweile unbezahlbar war. »Vorkriegsqualität, so was kriegste heute gar nicht mehr«, hatte sein bester Freund Werner grinsend gesagt und ihm das ungewöhnliche Stück vor ein paar Wochen für fünf Mark verkauft. Zum Freundschaftspreis, wie das Schlitzohr versicherte. Dabei hatte er ihn ja selbst vom Vater geschenkt bekommen. Der, ein Bremer Kaufmann, hatte den Mantel nach amerikanischer Mode vor einigen Jahren in Berlin gekauft. Aber Werner hatte ihn zu seinem Leidwesen nur kurze Zeit getragen, denn er war in den letzten Monaten so schnell gewachsen wie Gras im Sommerregen. Jetzt war der lange Lulatsch zu groß und hatte den Mantel an Johnny weitergereicht. Der trug ihn jeden Tag, sogar im tiefsten Winter, obwohl seine Mutter stets den Kopf schüttelte, wenn sie ihren Sohn darin sah.

Ein ohrenbetäubendes Krachen erschütterte die dicken Wände, Staub rieselte von der Decke und die Lampe flackerte ein paar Mal. Einige Frauen schrien auf, Martha Donandt stöhnte. Ida hüpfte vor Schreck hoch und vergrub ihr Gesicht in Johnnys Schoß. Er strich ihr beruhigend über den Rücken und ließ sich seine eigene Angst nicht anmerken. Über die brummenden englischen Flieger und das Zischen der nahen Flakgeschosse hinweg rief er ihr zu:

»Keine Bange, Ida, die Engländer werfen ihre Bomben nicht hier ab, die wollen doch nur den Hafen treffen. Hier in Schwachhausen gibt´s ja nichts, was die kaputt machen wollen.«

Seine Mutter schaute ihn nur stumm an. Aber ein alter Mann auf der Holzbank gegenüber schnalzte abfällig mit der Zunge. »Na, hoffentlich weiß der Tommy das auch!«

Seine Frau neben ihm zupfte ihn am Ärmel und schüttelte mahnend den Kopf. Was sie murmelte, ging in dem Donner, der folgte, unter. Alles vibrierte, und Ida wimmerte.

»Jo, das war aber tüchtig nah!«, meinte der Bunkerwart fast anerkennend. »Das wird ´n paar Bäume im Bürgerpark umgehauen haben.«

Alle in dem Bunker lauschten auf die folgende Stille. Ein Baby jammerte leise. Heute waren die Bomberverbände nicht nur über die Hansestadt hinweggeflogen, wie in anderen Nächten, sondern hatten ihre Fracht einmal mehr auf die Bremer Häfen und Fabriken abgeworfen. Da war schon ziemlich viel kaputt, hatte Johnny gehört. Wie hatten sie sich vor ein paar Monaten erschreckt, als die ersten Sirenen zu hören waren. Die alte Diehl im Nachbarhaus, die immer den Blockwart spielte, schien da ernsthaft überrascht zu sein. Immerhin hatte der dicke Reichsmarschall Göring doch versprochen, dass kein feindlicher Flieger jemals deutschen Luftraum erreichen würde. Das hatten sie jetzt von ihrer Überheblichkeit, fand Johnny.

Seine Finger umschlossen etwas Kühles in seiner Hosentasche: Seinen Glückspfennig hatte er zum sechsten Geburtstag von seinem alten Herrn bekommen, eine Münze mit dem Bild des Kaisers. Er hielt sie in Ehren und trug sie immer bei sich. Sein Vater war gleich bei Kriegsausbruch zur Wehrmacht eingezogen worden und hatte von der Westfront Briefe geschickt, in denen er nur über das Wetter in Belgien oder Frankreich berichtete. Als wenn er zum Sommerurlaub verreist wäre, hatte sich sein Sohn gewundert. Jetzt baute der Jurist in Paris die deutsche Militärverwaltung auf.

Aber allzu schwer schien das Leben dort nicht zu sein: Als sein Vater vor ein paar Wochen über Weihnachten auf Heimaturlaub war, hatte er französischen Cognac mitgebracht. Nach der Bescherung schwärmte er vor seinem Schwager begeistert von den Pariser Nachtlokalen. Gregor Müller, SS-Sturmbannführer und aufgrund einer Beinverletzung nicht eingezogen, hatte die Augenbrauen nur hochgezogen und kopfschüttelnd gemeint:

»Übertreib es mal nicht, lieber Wilhelm. Denk dran, deutsche Tugend ist wichtiger als französischer Schlendrian.«

Wann kommt endlich Entwarnung, fragte sich Johnny und schob seine Haarlocke unter den Hut. Ich brauche dringend eine Mütze Schlaf. Morgen schreib ich Mathe, und Meier bringt mich um, wenn ich schon wieder verhaue. Dem ist es egal, dass ich im Bunker übernachte. In die Stille hinein vernahm er erneut das leise rhythmische Klopfen, diesmal präzise von einem Rascheln unterbrochen wie von einem Zweig oder einem Jazzbesen. Johnny beugte sich vor, erkannte jedoch im Dämmerlicht nichts.

Endlich rumorte im Vorraum der Bunkerwart, steckte seinen Kopf durch die Tür und rief: »Entwarnung! Aber passen Sie auf, meine Damen, es könnten ein paar Äste runtergekommen sein.«

Er kurbelte die schwere Eisenschleuse nach außen auf, sofort drangen eiskalte Luft, der Duft von gesplittertem Holz und leichter Brandgeruch in die Dunkelheit des Bunkers. In die Menschen kam Bewegung, sie standen von ihren Bänken auf, schnappten sich ihre Habseligkeiten und drängten zum Ausgang.

Johnny schob Ida sanft zur Mutter und nickte ihr zu. Fragend schaute sie ihn an, wurde aber sofort mit dem Strom der anderen hinausgetrieben. Er tat so, als schnüre er sich die Schuhe zu, blieb auf der Bank sitzen und bückte sich vornüber. Der Hut rutschte vom Kopf, und durch die langen Haare, die ihm in die Stirn fielen, beobachtete er den Durchgang zum hinteren Nebenraum. Von dort strömten müde und schlurfend viele Leute, aber keiner sah so aus, als wüsste er, wer Benny Goodman war.

Dann endlich trat ein schmächtiger Junge mit rötlichen unordentlichen Haaren und runder Brille aus dem Dunkel in den helleren Lichtkegel der Lampe am Ausgang. Johnny hatte ihn noch nie gesehen. Neben ihm bahnte sich eine ältere Frau den Weg nach draußen, im Gefolge ein dünnes Mädchen mit einem dunklen Bubikopf, das dem Rothaarigen ähnlich sah. Der Junge schleppte einen knallroten Koffer mit sich, der eine merkwürdige Kastenform hatte. Johnny staunte: War das etwa ein Koffergrammophon? Na, der hatte ja Mumm, ausgerechnet sein Hottophon in den Bunker mitzuschleppen.

Der Koffer schien schwer zu sein, und zu gerne hätte er gewusst, welche Platten in der Deckeltasche verstaut waren. Aber schon war der Junge mit seiner Familie an ihm vorbei, und Johnny beeilte sich, sie einzuholen.

Draußen vor der Tür des Bunkers herrschte eine unheimliche Mischung aus Dunkelheit, im Mondschein leuchtendem Schnee und in der Ferne flackernden Flammen. Nach dem schummerigen Licht im Schutzraum brauchten Johnnys Augen eine Zeit, um sich an...
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