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Waldbad

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Arisverlagerschienen am07.09.2024
Der Gelegenheitsjobber Luan schlägt sich in einem beliebten Kurort in den Bündner Bergen gerade so durch, während reiche Touristen zunehmend die Einheimischen verdrängen - und bald steht auch sein Zuhause in dem von seltsamen Ereignissen aufgesuchten Dorf auf dem Spiel. Die Menschen, die in ihren Ferien und an den Wochenenden nach Waldbad kommen, sind auf der Suche. Aber wonach? Über Catrinas Protagonisten Luan blicken wir in eine Welt zwischen Liegestühlen, Apéros und Wohnungsnot. Enthusiastische Touristen treffen auf eine einheimische Bevölkerung, die sich das Leben dort nicht mehr leisten kann.

Lea Catrina ist eine Schweizer Schriftstellerin und Lyrikerin. Sie ist die Autorin der Romane «MY BOY» und «Die Schnelligkeit der Dämmerung» sowie von «ÖPADIA - a Novella us Graubünda» (Arisverlag). Weitere ihrer Texte wurden in der Annabelle, Terra Grischuna, im Literaturblatt und im onepage Magazin publiziert. 2023 wurde ihr Romanprojekt «WALDBAD» mit einem literarischen Werkbeitrag des Kantons Graubünden ausgezeichnet. Lea Catrina lebt aktuell wieder in Flims, Graubünden, wo sie geboren und aufgewachsen ist.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextDer Gelegenheitsjobber Luan schlägt sich in einem beliebten Kurort in den Bündner Bergen gerade so durch, während reiche Touristen zunehmend die Einheimischen verdrängen - und bald steht auch sein Zuhause in dem von seltsamen Ereignissen aufgesuchten Dorf auf dem Spiel. Die Menschen, die in ihren Ferien und an den Wochenenden nach Waldbad kommen, sind auf der Suche. Aber wonach? Über Catrinas Protagonisten Luan blicken wir in eine Welt zwischen Liegestühlen, Apéros und Wohnungsnot. Enthusiastische Touristen treffen auf eine einheimische Bevölkerung, die sich das Leben dort nicht mehr leisten kann.

Lea Catrina ist eine Schweizer Schriftstellerin und Lyrikerin. Sie ist die Autorin der Romane «MY BOY» und «Die Schnelligkeit der Dämmerung» sowie von «ÖPADIA - a Novella us Graubünda» (Arisverlag). Weitere ihrer Texte wurden in der Annabelle, Terra Grischuna, im Literaturblatt und im onepage Magazin publiziert. 2023 wurde ihr Romanprojekt «WALDBAD» mit einem literarischen Werkbeitrag des Kantons Graubünden ausgezeichnet. Lea Catrina lebt aktuell wieder in Flims, Graubünden, wo sie geboren und aufgewachsen ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783907238400
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum07.09.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse2114 Kbytes
Artikel-Nr.17515818
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


MIT PFEIL UND BOGEN

Ich weiß schon lange, dass Glück nicht so gleichmäßig verteilt wird wie Luft. Die kühle Bergluft. Wer nach Waldbad kommt, erwartet mehr vom Leben, das habe ich mittlerweile verstanden. Die Leute haben diesen Blick, irgendwie ernst, zu ernst eigentlich, wenn man sich mal überlegt, dass die meisten hier Urlaub machen wollen. Fast so, als hätten sie Angst, zu spät zu kommen. Ist verrückt, wirklich. So verdammt ernst, dass ich lachen will. Aber mir ist gerade nicht nach Lachen. Hab wieder vergessen, das Fenster zu schließen, und jetzt ist hier alles nass. Nur gut, dass keiner da ist, der das sehen könnte. Ich nehme meinen Pulli vom Sessel und mache damit die Pfütze weg.

Jedenfalls ist Waldbad mein Zuhause. War es schon immer, schon seit dreißig Jahren. Die anderen sind weg, wollten beide nicht bleiben, obwohl sie mich hier großgezogen haben, genau so wenig, wie sie noch zusammen sein wollten. Aber ich bin hiergeblieben, zuerst bei meinen Großeltern, dann allein, hatte nie das Bedürfnis zu verschwinden und bin fest entschlossen hierzubleiben. Deswegen wohne ich jetzt bei Familie Müller, na ja, ich wohne im Keller von Familie Müller. Die Müllers sind ganz entspannt und selten oben. So selten, dass ich einen Schlüssel habe, um ab und zu nachzusehen, ob noch alles so ist, wie es sein soll. Darin bin ich gut, ist auch sonst mein Job, im Resort, also sicherstellen, dass alles so ist, wie es sein soll. Manchmal repariere ich auch was. Das tue ich auch bei den Müllers. Hier unten im Keller stört mich keiner. Und die Miete ist auch okay.

Aber zurück zu Waldbad. Waldbad ist ehrlich gesagt auch nur ein weiterer Ort auf diesem Planeten. Klar, wir haben die Berge, die Flüsse, den Wald und die Seen. Und wir haben die Sternwarte. Aber wir sind nicht das Zentrum des Universums, ist klar. Das Universum hat kein Zentrum. Ich wäre eigentlich gern Astronaut geworden. Eine Space Station fehlt uns hier noch. Trotzdem: In Waldbad fühle ich mich den Sternen am nächsten, absolut.

Heute reist die Truppe wieder an, deswegen muss ich mich beeilen, damit dann auch alles tippy-top ist. Sie kommen nicht zusammen, aber kommen immer alle am selben Tag, an denselben Freitagabenden und Samstagmorgen, deswegen Truppe, auch wenn sie nicht wissen, dass sie eine sind. Sie erwarten einen frisch gemähten Rasen und einen sauberen Pool. Ein freundliches Lächeln.

Ich lasse den Bodensauger auf den Grund des Pools sinken, sehe ihm zu, wie er langsam nach unten blubbert. Dann greife ich nach dem Kescher. Heute Morgen ist es warm, obwohl es die ganze Nacht lang geregnet hat. Herr Bandino, ich nenne ihn meistens nur Dino, steht auf dem Balkon der Lobby des Hotels und sieht zu mir herunter, einen lächerlichen kleinen Espresso in der Hand. Ich mag Espresso nicht, trinke meinen Kaffee lieber mit viel Milch und Zucker, nicht so winzig und fein. Er winkt und ruft etwas, ich nehme die Kopfhörer ab.

«Komm nachher gleich hoch!», ruft er mit leicht rotem Kopf. «Wir haben was zu besprechen.» Ich hab schon so eine Ahnung, was er mit mir besprechen will. Leider. Und ich muss ihm gleich erklären, dass es ein blöder Zufall und keine böse Absicht war. Ja, meine Neugier war schon immer ein Problem, das überrascht hier keinen mehr, am wenigsten mich. Dabei stelle ich nicht viele Fragen, auch wenn man das denken könnte, nein, ich bin eher neugierig auf eine ruhige Art, würde ich sagen. So, dass ich möglichst keinen störe. Außer eben, wenn so was wie gestern passiert. Ich hasse es, wenn schöne Morgen so anfangen.

Ich setze die Kopfhörer wieder auf und schalte auf dem Weg nach oben den Rasenmäh-Roboter ein.

Dino lässt mich in der Regel in Ruhe meine Arbeit machen, außer er braucht mich für irgendwas. Wenn er mich schon um diese Zeit antraben lässt, muss es eine dringende Sache sein, für ihn zumindest. Und wie gesagt, ich ahne, worum es geht. Deswegen lasse ich mir Zeit mit den Treppenstufen.

«Dieses Mal hast du den Vogel abgeschossen», sagt Dino und stellt sein Tässchen laut auf dem Holztisch ab. «Das hätte ins Auge gehen können, was dann?» Er richtet das leere affige Tässchen. «Du hast Glück, dass dich keiner gesehen hat.»

«Woher weißt du denn, dass ich es war?»

«Ich bitte dich.» Er greift nach etwas hinter sich und streckt mir einen Pfeil hin.

Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anders war, ist ziemlich gering. Und ich weiß ja, dass ich es war. Es ist so: Das Leben hier verlangt manchmal, dass man sich etwas einfallen lässt, und ich hab nicht viel Kohle. Pfeil und Bogen machen alles etwas spannender, besonders nachts. Ich hab den Bogen gebraucht gekauft und angefangen, im Wald zu üben. Gleich da unten, versucht, den dicksten Baumstamm zu treffen. Wie gesagt, eigentlich nur nachts. Aber gestern bin ich früher runter und da waren ein paar Spaziergänger mit zu langen Stöcken. Sagen wir es so, ich war müde. Vielleicht wollte ich auch sehen, wie es ist, wenn mehr auf dem Spiel steht. Wer weiß das schon? Keiner wurde verletzt, garantiert nicht, und ich konnte mich rechtzeitig davonschleichen. Ich sage Dino, dass es ein blöder Zufall und keine Absicht war.

«Nicht mehr so nahe am Weg, Luan. Sonst nehme ich dir das Teil weg.»

Das dürfte er gar nicht. Er könnte mich melden oder so. Aber der Bogen gehört mir.

«Nicht mehr so nahe am Weg, geht klar», wiederhole ich. Dann ist es einen Moment lang still. Ich will nichts mehr sagen und Dino weiß wohl nicht mehr, was er sagen soll.

«Der Zaun ist gut geworden», meint er dann.

«Danke», sage ich. Wir sehen beide nach draußen zum neuen Zaun.

«Wir sollten trotzdem einen zweiten Anstrich machen.»

X

Das Dorf steht da mit einer Selbstverständlichkeit, um die ich es manchmal beneide. Als wäre alles so, wie es sein soll: berechenbar und immer schön gleich. Ich fahre mit meinem Skateboard an den Boutiquen vorbei und wie jedes Mal frage ich mich, wer in diesen Läden mit den halbleeren Schaufenstern einkauft. Es gibt sie schon länger als mich und ich war noch nie in einem drinnen. Keine Angst, das hier wird keine dieser abgedroschenen Autobiografien. Auch kein Manifest, falls es jetzt so klingen sollte. Ich gehe einfach mit offenen Augen durch die Welt, das ist alles. Der einzige Shop, in den ich gehe, ist der von Jeremia.

Sie haben wieder diese Waldbad-Plakate am Straßenrand aufgehängt. Darauf bunte Wanderer, verdreckte Biker und verdammt glückliche Familien am See. «So geht Leben», steht darunter. Als wäre das alles, was in Waldbad vor sich geht. Ganz ehrlich, wenn ich den Leuten manchmal so zusehe, hab ich eher das Gefühl, dass es darum geht, das eigene Leben zu überleben. Ich werde von einer Mutter auf ihrem E-Bike mit Kinderanhänger überholt. Die Winterplakate gefallen mir besser.

Als ich zurückkomme vom Supermarkt, sehe ich den Maserati von Nature Girl auf dem Parkplatz. Sie stellt das Auto lieber draußen hin. Nature Girl läuft meistens barfuß rum, zumindest, wenn sie hier ist. Hüpft morgens über die Wiese hinterm Haus und sammelt irgendwelche Blumen, Beeren oder was weiß ich. Einmal habe ich gesehen, wie sie zusammen mit ihrem Freund, mit dem sie nur Englisch spricht, und einer kleinen Schaufel am Waldrand hinterm Haus etwas gepflanzt hat. Ich wollte nachsehen, was es war, bin aber noch nicht dazu gekommen, irgendwie gibt es immer Wichtigeres. Würd gerne wissen, ob sie dieses Mal allein hier ist. Meistens kommt sie nämlich allein, Nature Girl. Sie kauft in den Boutiquen ein. Ja, richtig, ich hab sie schon oft mit mehr Taschen gesehen, als sie eigentlich tragen kann. Ihr auch schon damit geholfen. Da wurde sie rot. Als würde sie sich schämen. Keine Ahnung wofür und vor wem.

X

Ich öffne die Tür und steige hinunter in meine Bude. Im Vorratskeller nebenan durfte ich einen kleinen Gefrierschrank hinstellen, weil das Eisfach in meinem Kühlschrank gerade mal für eine Pizza reicht. Ich lege den Sack Cordon Bleus, den Brokkoli und die Kroketten hinein und bemerke einen Tannenzapfen in der untersten Schublade. Ach Johnny. Mein kleiner Bruder. Halbbruder, eigentlich. Manchmal lädt ihn meine Mutter hier ab. Sie lässt ihn dann bei mir und besucht ihre alten Freunde. Mein Glück, dass sie hier noch Freunde hat, sonst würde ich den kleinen Racker kaum noch zu Gesicht bekommen. Jon, das ist ein romanischer Name, das J spricht man wie ein I, mag es lieber, wenn ich ihn Johnny nenne. Johnny sammelt Tannenzapfen. Alles vom Waldboden eigentlich. Und dann versteckt er das Zeug bei mir, in den Schränken, Schuhen, Jacken. Fast so wie Nature Girl. Ich glaube, Johnny hatte mehr Glück als ich. Und das ist gut so. Zufrieden bin ich trotzdem.

In letzter Zeit sind die Kinder der Müllers - was sage ich da «Kinder», die sind so alt wie ich - jedenfalls sind sie öfter mal da. Die bringen dann auch ihre kleinen Kids, also die Enkel von Herr und Frau Müller, mit. Vielleicht hat auch eines von denen den Tannenzapfen da reingesteckt, denn Johnny war eigentlich schon eine ganze Weile nicht mehr hier. Er liebt Waldbad. Hier fühlt er sich wohl, das spürt man total, hier kennt er sich aus.

Die Luft hier draußen unter den Bäumen riecht nach Sommer. Er muss jeden Moment da sein. Heute Nachmittag hole ich die Sachen für meinen Job am See ab. Jup, kein Scherz, ich arbeite ab und zu als Bademeister. Schwimmen kann ich, so viel steht fest. Schwimmen muss jeder lernen, sonst geht man unter, so einfach ist das. War schon früher das Coolste, einen Sommerjob am See zu haben. Schon bevor die Leute nur hierherkamen, um Fotos zu machen. Alle an denselben Stellen, vor dem genau selben Hintergrund. Angefangen habe ich im Restaurant, dann durfte ich am Kiosk arbeiten, später bei der...
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Autor

Lea Catrina ist eine Schweizer Schriftstellerin und Lyrikerin. Sie ist die Autorin der Romane «MY BOY» und «Die Schnelligkeit der Dämmerung» sowie von «ÖPADIA - a Novella us Graubünda» (Arisverlag). Weitere ihrer Texte wurden in der Annabelle, Terra Grischuna, im Literaturblatt und im onepage Magazin publiziert.
2023 wurde ihr Romanprojekt «WALDBAD» mit einem literarischen Werkbeitrag des Kantons Graubünden ausgezeichnet. Lea Catrina lebt aktuell wieder in Flims, Graubünden, wo sie geboren und aufgewachsen ist.