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Zeit des Geldes

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Campus Verlag GmbHerschienen am14.09.20221. Auflage
Warum gilt - angesichts der zahlreichen ökonomischen Krisen des 20. Jahrhunderts - ausgerechnet die Hyperinflation von 1923 als das deutsche Trauma schlechthin? Sebastian Teupe erzählt in diesem Buch die Geschichte der Geldentwertung, die im Kaiserreich im Jahr 1914 begann und während der Weimarer Republik im Jahr 1923 innerhalb kurzer Zeit Höhepunkt und Ende erreichte. Er schildert den Einfluss der Inflation auf das Leben in Stadt und Land, berichtet von den Gewinnern und den Verlierern der Inflation sowie den Zeit- und Denkhorizonten der Deutschen, die sich damals mit einem 100.000-Mark-Schein kaum mehr das Nötigste zum Überleben kaufen konnten. In internationaler Perspektive entschlüsselt er das Gewirr aus Ursachen und Wirkungen der Inflation und zeigt die Wegmarken auf, an denen andere Entwicklungen möglich gewesen wären. Der große Unterschied zwischen dem Erleben der Inflation als offener Zukunft und dem Erinnern eines abgeschlossenen Kapitels ist - so seine These - zentral, um heute die Inflation und ihre nachträgliche Deutung in Deutschland zu verstehen.

Sebastian Teupe ist Juniorprofessor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bayreuth.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR32,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR29,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR29,99

Produkt

KlappentextWarum gilt - angesichts der zahlreichen ökonomischen Krisen des 20. Jahrhunderts - ausgerechnet die Hyperinflation von 1923 als das deutsche Trauma schlechthin? Sebastian Teupe erzählt in diesem Buch die Geschichte der Geldentwertung, die im Kaiserreich im Jahr 1914 begann und während der Weimarer Republik im Jahr 1923 innerhalb kurzer Zeit Höhepunkt und Ende erreichte. Er schildert den Einfluss der Inflation auf das Leben in Stadt und Land, berichtet von den Gewinnern und den Verlierern der Inflation sowie den Zeit- und Denkhorizonten der Deutschen, die sich damals mit einem 100.000-Mark-Schein kaum mehr das Nötigste zum Überleben kaufen konnten. In internationaler Perspektive entschlüsselt er das Gewirr aus Ursachen und Wirkungen der Inflation und zeigt die Wegmarken auf, an denen andere Entwicklungen möglich gewesen wären. Der große Unterschied zwischen dem Erleben der Inflation als offener Zukunft und dem Erinnern eines abgeschlossenen Kapitels ist - so seine These - zentral, um heute die Inflation und ihre nachträgliche Deutung in Deutschland zu verstehen.

Sebastian Teupe ist Juniorprofessor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bayreuth.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783593451572
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1553 Kbytes
Artikel-Nr.17540535
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Einleitung


Im Juni 2021 konnte man bei Ebay einen Geldschein über 100.000 Mark für 6,68 Euro ersteigern. Die deutsche Reichsbank hatte die Banknote am 1. Februar 1923 gedruckt. Die postalische Reise zum Autor dieses Buches war das vorerst letzte Kapitel in der fast einhundertjährigen Geschichte des Geldscheins. Von solchen Geldscheinen aus dem Jahr 1923, wie sie auch das Cover dieses Buches zieren, gibt es viele. Manche von ihnen tragen aberwitzige Zahlen: fünfzig Milliarden Mark, fünfhundert Milliarden Mark, einhundert Billionen Mark. Man kann diese Scheine noch immer kaufen, verkaufen, seinen Enkelinnen und Enkeln zeigen, oder in Kisten auf dem Dachboden vergessen. Kaufen kann man mit ihnen nichts. Man kann sie nicht einmal zur Bank bringen und umtauschen. Die Scheine sind übriggeblieben aus einer Zeit, in der die Preise in Deutschland in unermessliche Höhen gestiegen sind. Für manche sind sie eine nette Erinnerung. Für andere sind sie noch immer eine Warnung. So etwas dürfe in Deutschland nie wieder passieren!

Vielleicht stammt der 100.000-Mark-Schein aus dem Nachlass des Schriftstellers Fedor von Zobeltitz. Dieser schrieb im Jahr 1924 in sein Tagebuch, er habe versucht, einen Überblick über seine »Papier-Unwerte« zu gewinnen: »Andre haben das nutzlos Gewordene verbrannt, Agrarier düngten ihren Acker damit, ein Sonderling benutzte es zur Tapezierung einer Räumlichkeit in seiner Wohnung, die man gewöhnlich nur heimlich besucht. Ich selbst konnte mich bisher von diesen reizenden Assignaten nicht trennen, ich will sie meinen Erben hinterlassen.«1 Zobeltitz nahm die Geldscheine zum Anlass, um einen kleinen Rückblick auf die Geschichte der deutschen Hyperinflation zu wagen. Bis Anfang 1922 sei der Tausender das höchste offizielle Wertzeichen gewesen. Danach habe »rasch die Hochflut« eingesetzt. Bei der Ausgabe der Fünftausendmarkscheine habe man schon ungefähr Bescheid gewusst. Bei den Fünfzigtausendern habe niemand mehr einen Schreck bekommen. Was habe denn da noch folgen können? Doch diese Einschätzung sei trügerisch gewesen. Mitte 1922 seien die ersten Millionenscheine durch die Luft geflogen, die man schon kaum noch beachtet habe: »Man wartete auf höhere Werte, und sie kamen; Zehn-, Fünfzig-, Fünfhundertmillionen-Scheine bis zu den Milliarden, und endlich traten die Billionen in Erscheinung bis zum Hundertbillionen-Schein, Zahlen, wie sie bisher den Astronomen vorbehalten gewesen waren und mit denen unsereiner auch nie umgehen lernte.«2

Für Zobeltitz waren die mit der Währungsreform von 1924 obsolet gewordenen »Papier-Unwerte« bereits Erinnerungsstücke, die keinerlei materiellen Wert mehr besaßen. Eine verlässliche Stütze des Erinnerungsvermögens scheinen die Geldscheine nicht gewesen zu sein. Denn dass man in der Weimarer Republik Mitte 1922 einem umherfliegenden Millionenschein keine Beachtung schenkte, ist zweifelhaft. Im Jahr 1922 hätte man sich im Sommer selbst mit 100 Mark noch ein Kilo Rindfleisch kaufen können. Mit einer Million Mark hätte man sich mit diesem damaligen Luxusgut theoretisch bis an sein Lebensende eindecken können.3

Zobeltitz trügerische Erinnerung verdeutlicht, mit welcher dramatischen Geschwindigkeit sich die Inflation im Deutschen Reich zwischen 1922 und 1923 entwickelte, so dass es den Zeitgenossen schon ein Jahr nach ihrer Beendigung schwergefallen sein muss, die Preisentwicklungen auch nur einigermaßen adäquat einzuordnen. Rückblickend war dies vielleicht gar nicht mehr so wichtig. Die deutsche Inflation schien bereits 1924 ein abgeschlossenes Kapitel der deutschen Geschichte zu sein. Das Leben ging weiter. Im Sommer des Jahres 1922 hätte sich Zobeltitz eine solche Indifferenz zwischen Tausendern und Millionen kaum leisten können. Noch im August 1923 beschwerte er sich darüber, wie er für ein Bier in Cuxhaven erst 25.000 Mark und dann wenige Stunden später schon 32.000 Mark hatte zahlen müssen. Auch hier wäre man mit einer Million noch recht weit gekommen. So lange die Inflation aber in Echtzeit ablief, stand auch ein Denker wie Zobeltitz fassungslos und ärgerlich wie alle anderen Deutschen vor den Preiserhöhungen der Inflation. Man musste auf sie reagieren. »Der Nerv des Verbrauchers«, so die zutreffende Beobachtung eines Historikers, »wird dann getroffen, wenn es ans Bezahlen geht.«4 Und bezahlen mussten die Menschen der Weimarer Republik im Zuge der Inflation immer häufiger. Dieser krasse Unterschied zwischen dem Erleben einer offenen Zukunft und dem Erinnern an ein abgeschlossenes Kapitel ist zentral, um die deutsche Inflation zu verstehen.

Dieses Buch erzählt die Geschichte der deutschen Inflation, die im Jahr 1914 begann und im Jahr 1923 als Hyperinflation innerhalb kurzer Zeit Höhepunkt und Ende erreichte. Es erklärt, weshalb die Deutschen zwischenzeitlich auch mit einem 100.000-Mark-Schein, und später selbst mit fünfhundert Milliarden Mark, kaum das Nötigste zum Überleben kaufen konnten. Es verdeutlicht, weshalb diese Geldscheine nach 1923 auf den Dachböden als Erinnerungsstücke ihr Dasein fristeten, um schließlich vier Generationen später bei Ebay verhökert zu werden. Noch 1913, zehn Jahre zuvor, hätte man mit 100.000 Mark auf dem Sparbuch zu den Reichsten des Landes gehört.5 Man hätte sich eine kleine Fabrik oder ein großes Mietshaus in Berlin davon kaufen können. Dann kam der Erste Weltkrieg, und mit ihm die Inflation. Anfang 1923 war dieses Geld fast nichts mehr wert. Im August hätte man sich noch drei bis vier Bier davon kaufen können, schon einen Monat später so gut wie nichts mehr. Wer sein Sparbuch zwischenzeitlich nicht angetastet hatte, konnte es wegwerfen.

Heutzutage befassen sich, so hat ein ehemaliger Präsident der Deutschen Bundesbank kürzlich festgestellt, viele Menschen »offenbar nur ungern mit wirtschaftlichen Themen, etwa weil sie ihnen zu kompliziert erscheinen«6. An einer mangelnden gesellschaftlichen Relevanz des Geldes kann es jedenfalls nicht liegen. Schon im Jahr 1900 hatte der Soziologie Georg Simmel in seiner Philosophie des Geldes eindringlich beschrieben, wie bedeutend die Auswirkungen des Geldes »auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur«7 waren. Aber erst die Inflation führte dies der deutschen Gesellschaft ganz deutlich vor Augen. Die zunehmende Geldentwertung zwang jede und jeden zum Handeln und zur Auseinandersetzung mit Geld und Preisen. Sie bestimmte Konsumentscheidungen und verkürzte Zeithorizonte. Die ganze Gesellschaft lebte, wie Stefan Zweig bemerkte, »intensiver und gespannter als je«8. Die Jahre zwischen 1914 und 1923 waren eine Zeit des Geldes. Die Inflation gab der deutschen Gesellschaft einen neuen Rhythmus. Nicht nur der Geldwert, auch das Zeitgefühl änderte sich.

Der Titel des Buches verweist auf die ungewohnt zentrale Bedeutung, die das Geld Anfang der 1920er Jahre für die Menschen in Deutschland im Alltagsleben erhielt. Zugleich fokussiert es auf die Bedeutung der Zeit für die Funktionsweise des Geldes.9 Der Zusammenhang von Zeit und Geld ist so offensichtlich und unumstritten, dass er immer wieder in Vergessenheit gerät oder gar nicht erst hinreichend problematisiert wird. Das gilt schon für die Bestimmung des Geldwerts selbst. Eine Inflation ist heute gleichbedeutend mit einem Verlust dieses Wertes. Aber dieser Verlust ist ein komplexes Zeitphänomen, dessen materielle und psychologische Folgen von den Zeiträumen abhängen, in denen sich dieser Verlust vollzieht. Nur so lässt sich erklären, dass die Funktion des Geldes als »Wertspeicher« bei einem kontinuierlichen aber nur geringen Geldwertverlust nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die Funktion des Wertspeichers erlaubt es, sich durch den Geldbesitz von den Unwägbarkeiten der Preisentwicklungen auf den Märkten und der begrenzten Haltbarkeit vieler materieller Besitztümer freizumachen, sich alle Optionen für die Zukunft offenzuhalten.10 Wenn steigende Inflationsraten den Zeithorizont dieser Zukunft verkürzen, hat das gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. In der Hyperinflation von 1923 löste sich dieser Zeithorizont fast vollständig auf.

Was erwarten Sie als Leserin oder Leser von einer Geschichte, die von einer totalen Vernichtung des Geldes handelt? Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist in der Tat eine Warnung. Es ist eine Warnung vor den sozialen Folgen einer...

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