Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

über Fremde reden

überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in der Schweiz 1900-1945
BuchGebunden
272 Seiten
Deutsch
Chronoserschienen am31.10.2003
Die Thematik der 'Überfremdung' hat die politische Kultur der Schweiz im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Zahlreiche Volksinitiativen belegen dies ebenso wie die Gründung von politischen Organisationen, die dieses Thema zum programmatischen Schwerpunkt erhoben. Die Art und Weise des Sprechens über Fremde hat Tradition und beeinflusst den Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern bis heute. Trotz dieser grossen gesellschaftspolitischen Bedeutung ist kaum bekannt, dass die Entstehungszusammenhänge der Überfremdungsdebatten in der Zeit um 1900 liegen. Auch gestaltete der Überfremdungsdiskurs die schweizerische Politik der ersten Jahrhunderthälfte massgeblich mit, so etwa die 'geistige Landesverteidigung' und die antijüdische Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs.Das Buch spannt den Bogen vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1945. Es analysiert das Wechselspiel von Diskurs, rechtlichen Normen, behördlichem Handeln und wirtschaftlichen Erfordernissen, skizziert die einzelnen Phasen und beleuchtet die wichtigsten Protagonisten. Im Mittelpunkt stehen die zwanziger Jahre, als nach der Gründung der eidgenössischen Fremdenpolizei der Überfremdungsdiskurs eine neue Ausrichtung erhielt. Das Reden über 'Fremde' wurde antisemitisch aufgeladen, und die Formen der Abwehr, insbesondere gegen jüdische Flüchtlinge, verfestigten sich lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Die Arbeit leistet so auch einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, indem sie die damalige schweizerische Flüchtlingspolitik aus der Perspektive dieses Diskurses beleuchtet. Zugleich erarbeitet sie das historische Wissen, das aktuelle politische Fragen der Ausländer-, Einbürgerungs- und Flüchtlingspolitik besser verstehen hilft.mehr

Produkt

KlappentextDie Thematik der 'Überfremdung' hat die politische Kultur der Schweiz im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Zahlreiche Volksinitiativen belegen dies ebenso wie die Gründung von politischen Organisationen, die dieses Thema zum programmatischen Schwerpunkt erhoben. Die Art und Weise des Sprechens über Fremde hat Tradition und beeinflusst den Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern bis heute. Trotz dieser grossen gesellschaftspolitischen Bedeutung ist kaum bekannt, dass die Entstehungszusammenhänge der Überfremdungsdebatten in der Zeit um 1900 liegen. Auch gestaltete der Überfremdungsdiskurs die schweizerische Politik der ersten Jahrhunderthälfte massgeblich mit, so etwa die 'geistige Landesverteidigung' und die antijüdische Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs.Das Buch spannt den Bogen vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1945. Es analysiert das Wechselspiel von Diskurs, rechtlichen Normen, behördlichem Handeln und wirtschaftlichen Erfordernissen, skizziert die einzelnen Phasen und beleuchtet die wichtigsten Protagonisten. Im Mittelpunkt stehen die zwanziger Jahre, als nach der Gründung der eidgenössischen Fremdenpolizei der Überfremdungsdiskurs eine neue Ausrichtung erhielt. Das Reden über 'Fremde' wurde antisemitisch aufgeladen, und die Formen der Abwehr, insbesondere gegen jüdische Flüchtlinge, verfestigten sich lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Die Arbeit leistet so auch einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, indem sie die damalige schweizerische Flüchtlingspolitik aus der Perspektive dieses Diskurses beleuchtet. Zugleich erarbeitet sie das historische Wissen, das aktuelle politische Fragen der Ausländer-, Einbürgerungs- und Flüchtlingspolitik besser verstehen hilft.
Zusatztext«Überfremdungs»-Rede und FlüchtlingspolitikSchweizerische Kontinuitäten von 1900 bis 1945Patrick Kurys wichtige Dissertation steht im Zeichen einer brisantenKontinuitätsthese. «Aus der Perspektive der Überfremdungsbekämpfung gesehen»,wird in ihrem Résumé festgehalten, «ist die schweizerische Flüchtlingspolitikder Jahre 1939-1945 nicht eine einmalige Entgleisung, wie gerne behauptet wird.Sie ist vielmehr die logische, wenn auch nicht die einzig mögliche Konsequenzeiner auf diskriminierenden Diskursen basierenden Abwehrideologie.» Patrick Kuryist zwar nicht der Erste, der die schweizerische Flüchtlingspolitik der dunklenJahre vor dem Hintergrund längerfristig wirkender Dispositive interpretiert.Doch vom Zürcher Historiker Stefan Mächler abgesehen hat noch niemand mit dergleichen argumentativen Stringenz die diskursiven Muster freigelegt, die dieschweizerische Ausländerpolitik seit dem Ende des Ersten Weltkrieges für mehrereJahrzehnte geprägt haben.Ideologie der SelektionGanz im Gegensatz zu der in den Sonntagsreden beschworenen «humanitärenTradition» zielte diese Politik, so die Kernthese der Studie, auf einenationalistisch motivierte Überfremdungsbekämpfung, die von einemsozialdarwinistischen Auslese-Gedanken inspiriert und nicht frei vonantisemitischen Denkfiguren war. Ernst Delaquis, der neue Chef derPolizeiabteilung im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, trat imangespannten Klima nach dem Generalstreik mit der bald mehrheitsfähigenForderung auf: «Wir müssen den fremden Ankömmling auf Herz und Nieren prüfenkönnen. Reiht er sich ein in unser politisches, wirtschaftliches, sozialesStaatsgefüge? Ist er hygienisch akzeptabel? Überschreitet seine ethnischeStruktur das Mass zulässiger Inadäquanz?» Als in der Schweiz unerwünschteAusländer bezeichnete der einflussreiche Chefbeamte nicht nur Bolschewisten undStraftäter, sondern auch Arbeitslose, Mittellose, «gemeingefährliche Kranke»,«Schieber», «Schnorrer» und «Wucherer». Die in der Folge politisch bedeutsamwerdende Unterscheidung zwischen «erwünschten» und «unerwünschten Ausländern»markierte einen Bruch mit der liberalen Einwanderungspolitik der Vorkriegsjahre.Vor dem Ersten Weltkrieg war es das Ziel fast aller Experten gewesen, dieAusländer mittels erleichterter Einbürgerung zu guten Schweizern zu machen.«Assimilation» durch Staatsbürgerschaft hiess die Losung. Im Kontext dieserDebatte tauchte um 1900 die genuin schweizerische Wortschöpfung «Überfremdung»erstmals auf. Bedingt durch Arbeitsmigration erreichte der Ausländeranteil ander schweizerischen Gesamtbevölkerung am Vorabend des Ersten Weltkrieges mitüber 15 Prozent den höchsten Wert während der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Dabei blieb es nicht. Bis 1939 sank der Ausländeranteil auf 5,5Prozent. Zu monokausal wird diese Entwicklung mit dem Wirken der 1917 vomBundesrat ins Leben gerufenen Eidgenössischen Zentralstelle für dieFremdenpolizei erklärt - eine Engführung, die aus dem gewähltendiskursanalytischen Ansatz resultiert.Konzepte aus der FremdenpolizeiIm Zentrum der Analysen steht die Tätigkeit einer kleinen Gruppe von Beamten inund um diese neue Amtsstelle. Verwaltungsexperten wie Heinrich Rothmund und MaxRuth gewannen einen entscheidenden Anteil an der Neuformulierung derschweizerischen Ausländerpolitik, weil es ihnen gelang, das öffentliche Redenüber Fremde zu prägen. Aufgeschreckt durch die vom Ersten Weltkrieg bewirktenWirren, verfiel man in der Eidgenössischen Fremdenpolizei zunehmend«protektionistischen» Vorstellungen. Ausgehend von diesem Diskurszentrum prägtendie in Grundlagenpapieren formulierten Abwehrkonzepte mehr und mehr das Handelnder Politiker. Wie viele andere Staaten in Europa auch schränkte die Schweiz dieFreizügigkeit im internationalen Personenverkehr ein, verschärfte dieEinbürgerungsbestimmungen und erschwerte die Niederlassung. Mit dem 1931verabschiedeten Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer verfügtedas Land erstmals über ein parlamentarisch sanktioniertes Instrument im Kampfgegen die «Überfremdung».Doch die Abwehrpraktiken zielten nicht so sehr auf die zahlenmässig grössteGruppe der Zugewanderten: auf die Italiener, die in den Fabriken undGrossbaustellen als billige Arbeitskräfte gebraucht wurden. Seit den frühenzwanziger Jahren richtete sich die restriktive Politik überdurchschnittlichstark gegen jüdische Emigranten aus Osteuropa. Die Überfremdungswächterstilisierten die «Ostjuden» pauschal zum Inbegriff des ganz Anderen, die das«Schweizertum» in seiner ethnischen Homogenität bedrohten. An dieser Haltungänderte auch der beispiellose Staatsantisemitismus im Dritten Reich nichts, derZehntausende von an Leib und Leben bedrohten Juden in die Emigration trieb. DieEidgenössische Fremdenpolizei nahm die einsetzende Massenflucht nicht alshumanitäre Katastrophe wahr. In ihren Augen gefährdete sie vor allem dasschweizerische Projekt der Überfremdungsbekämpfung. Nach der durch die AnnexionÖsterreichs ausgelösten jüdischen Fluchtbewegung liess Heinrich RothmundBundesrat Johannes Baumann in schöner Folgerichtigkeit wissen: «Wir haben seitdem Bestehen der Fremdenpolizei eine klare Stellung eingehalten. Die Judengalten im Verein mit den anderen Ausländern als Überfremdungsfaktor. Es ist unsbis heute gelungen, durch systematische und vorsichtige Arbeit die Verjudung derSchweiz zu verhindern.»Kurz, die restriktive Flüchtlingspolitik der Schweiz im Zweiten Weltkriegresultierte nach Patrick Kury letztlich aus einem antisemitisch grundiertenAbwehrdispositiv, das in den Berner Amtsstuben bereits in den frühen zwanzigerJahren konzipiert worden war. Die solid gearbeitete Studie mit ihrenreflektierten Analysen bestätigt damit eine schmerzliche Erkenntnis der jüngerenZeitgeschichtsforschung, die in der breiten Öffentlichkeit noch immer nicht inihrer wahren Tragik zur Kenntnis genommen worden ist.Aram MattioliPatrick Kury: Über Fremde reden. Überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in derSchweiz 1900-1945. Chronos-Verlag, Zürich 2003. Fr. 48.-, _ 32.-.Neue Zürcher Zeitung POLITISCHE LITERATUR Samstag, 06.03.2004 Nr.55 83Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der NZZ(c) 1993-2004 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1
Details
ISBN/GTIN978-3-0340-0646-0
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
Verlag
Erscheinungsjahr2003
Erscheinungsdatum31.10.2003
Reihen-Nr.4
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht544 g
Illustrationen16 s/w Abbildungen
Artikel-Nr.16261748
Rubriken