Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der Mond über Jerusalem

BuchGebunden
400 Seiten
Deutsch
Kein & Abererschienen am16.08.20221. Auflage
In Jerusalem herrscht Aufbruchstimmung - die Wirtschaft boomt, der Frieden mit Palästina scheint möglich, und im Fernsehen läuft der Countdown zum Start der Apollo 11. Es ist der 16.Juli 1969. Während eines einzigen Tages, an dem Weltgeschichte geschrieben wird, gehen fünf Menschen in Jerusalem ihrem Alltag nach. Auf den ersten Blick haben sie nichts gemein, und doch sind ihre Leben miteinander verknüpft. Da gibt es den siebenjährigen Charlie, dessen Mutter den Tod seines Vaters nie überwunden hat; Said, ein stummer Müllmann; die junge kanadische Englischlehrerin Beth, die ihren Eltern entfloh; Hans, der Deutsche, der dem Holocaust entkam; und der Schreiner Baruch, der als Kind aus Mostar floh. Für sie alle ist Jerusalem eine Zuflucht. Als die Mondlandung gelingt, ist das ein großer Schritt für die Menschheit, und doch nur ein kleiner für die Menschen auf der Erde.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextIn Jerusalem herrscht Aufbruchstimmung - die Wirtschaft boomt, der Frieden mit Palästina scheint möglich, und im Fernsehen läuft der Countdown zum Start der Apollo 11. Es ist der 16.Juli 1969. Während eines einzigen Tages, an dem Weltgeschichte geschrieben wird, gehen fünf Menschen in Jerusalem ihrem Alltag nach. Auf den ersten Blick haben sie nichts gemein, und doch sind ihre Leben miteinander verknüpft. Da gibt es den siebenjährigen Charlie, dessen Mutter den Tod seines Vaters nie überwunden hat; Said, ein stummer Müllmann; die junge kanadische Englischlehrerin Beth, die ihren Eltern entfloh; Hans, der Deutsche, der dem Holocaust entkam; und der Schreiner Baruch, der als Kind aus Mostar floh. Für sie alle ist Jerusalem eine Zuflucht. Als die Mondlandung gelingt, ist das ein großer Schritt für die Menschheit, und doch nur ein kleiner für die Menschen auf der Erde.
Details
ISBN/GTIN978-3-0369-5893-4
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.08.2022
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht406 g
Artikel-Nr.50907062
Rubriken

Inhalt/Kritik

Prolog
Fünf Leben, zwischen Alltag und Weltgeschichtemehr
Leseprobe

1

Ein grauer Rabenvogel startete bei Sonnenaufgang vom Wipfel eines hohen Eukalyptusbaums neben dem alten Bahnhof. Er segelte gemächlich gen Süden entlang der großen Straße und landete auf dem breiten steinernen Dachgeländer eines Gebäudes mit grün verzierter Front. Der Rabenvogel hüpfte auf der Brüstung hin und her, stieß sich dann kräftig von der rauen Fläche ab und flog weiter. Ein überquellender Mülleimer stand zwischen dem blauen Tor des öffentlichen Schwimmbads und dem geschlossenen grünen Hoftor eines Restaurants, das auch jetzt, frühmorgens, noch von einem Hauch nach gebratenem Fleisch und Zwiebeln umwabert war. Der Rabenvogel legte die Flügel an, reckte den Hals, tauchte durch eine Wolke von Fliegen, die über dem Mülleimer schwirrten, schnappte sich mit seinem starken, schwarzen Schnabel ein schwabbelndes Stückchen Fleisch und schoss schräg in die Höhe. Mit einem Flügel streifte er beinahe die Mauer des Schwimmbads, auf der eine rote Schmiererei prangte. Er flog erneut die Straße entlang, jetzt jedoch in die Gegenrichtung, zurück zum Nest. Etwa in der Mitte des Weges wich er, vielleicht eines leichten Luftzugs wegen, ein Stückchen nach Westen von seiner gewohnten Sommerstrecke ab und überquerte einen großen, von Furchen durchzogenen Garten. Ihn suchte er normaler weise nur an kühlen, grauen Frühwintertagen auf, wenn er feuchte Samen aus der losen Erde picken konnte. Der Rabenvogel kreiste über einer mit hohen Disteln bewachsenen Ecke des Gartens und landete auf der Spitze einer der Zypressen, die ihn umstanden. Der biegsame, dünne Zweig schwankte mit ihm auf und ab. Gegenüber, jenseits des ramponierten Drahtzauns, der den Garten auf der anderen Seite begrenzte, befand sich ein lang gezogenes Steingebäude, und dort im zweiten Stock, auf dem leicht abschüssigen Boden eines kleinen Balkons, saß ein Kind mit nacktem Oberkörper. Der Junge trug kurze Hosen. Seine Oberschenkel steckten zwischen den Stäben des Eisengeländers, die Waden baumelten in der Luft, und seine nackten Füße wippten ein wenig vor und zurück, vor und zurück. Die Augen des Kleinen waren geschlossen, der Kopf hing nach vorn, und das zarte Kinn ruhte auf der Brust. Inmitten des Haarwirbels auf seinem Schädel zeigte sich ein verletzliches Stückchen Kopfhaut, von violett-rosa-grün blau schimmernden Äderchen durchzogen, sehr ähnlich den Fasern des Fleischstücks, das der Rabenvogel im Schnabel hielt. Die Blätter eines schlappen, verstaubten Strauchs, den man in einer Gartenecke gepflanzt hatte, zeigten feine Linien beginnenden Welkens. Der Rabenvogel hob vom Wipfel der Zypresse ab, schwebte lautlos über die Furchen des Gartens und landete auf dem eisernen Balkongeländer, über dem Kopf des Jungen, dessen geschlossene Augenlider plötzlich flatterten. Auf dem Boden hinter ihm marschierten zwei Ameisenkolonnen in entgegengesetzte Richtungen. Ihre Rücken schillerten in einer Fülle von Braun- und Orangetönen. Aus der Wohnung erklangen ruhige Atemzüge, hin und wieder unterbrochen durch einen kurzen Seufzer. Das Kinn des Jungen sank noch tiefer auf die Brust, und er murmelte: »Charlie, Charlie.« Der Rabenvogel flatterte mit bebendem Hals und heftigem Flügelschlag vom Geländer auf und setzte seinen Weg nach Norden fort. Über dem Bahnhof angelangt, begann er die erste der beiden Runden, die er dort gemeinhin drehte, bis er wieder zu seinem Nest auf dem Wipfel des mächtigen Eukalyptusbaums abtauchte. Die kurzen Federn an seinem gestreckten Hals richteten sich auf. Am südwestlichen Ende des klaren Himmels schwebten ein paar hellgraue, fast durchsichtige Wolken. Die Flügelbewegungen verlangsamten sich, als hätten sich ihre Federn mit Regenwasser vollgesogen. Als er die zweite Runde beendete, hatten sich die leichten Wolken schon fast vollständig verzogen.




2

»Stumm, aber nicht taub, schön. Man hat mir erzählt, dass wir hier so einen haben.« Der fleischige, sonnengebräunte linke Ellbogen des Fahrers ragte aus dem Fenster des Lastwagens Nummer siebzehn, über einem großen, verblichenen Wappen der Stadt Jerusalem auf der Tür. In seiner rechten Hand, die auf dem Lenkrad ruhte, hielt er ein Stückchen Pappe mit ausgefransten Ecken, beschriftet mit kleinen, ungelenken Druckbuchstaben in sechs Zeilen mit großem Abstand. Der Fahrer las laut vor: Mein Name ist Said Mussa Salach. Ich arbeite bei der Stadt Jerusalem, Abteilung Müllabfuhr (man kann sich an Vizedirektor Aharon wenden, Telefon 34666). Ich bin stumm, aber nicht taub, und nicht beschränkt. Verstehe gut Hebräisch. Man kann mir Fragen stellen, und ich antworte mit Kopfbewegungen oder Gesten. Meine Anschrift ist Burj al Laqlaq, Bab Chuta, Altstadt (rechts vom Löwentor). Der Fahrer studierte erneut die kurzen Sätze, wendete das graue Quadrat zwischen seinen Wurstfingern, um zu sehen, ob noch was auf der Rückseite stand, und gab es Said Mussa Salach zurück, der sich auf die Zehen spitzen stellte, den Arm hochreckte und nur mit Mühe die dicke Hand erreichte, die ihm lässig hingehalten wurde. In Saids Hemdentasche steckte neben einem angespitzten halben gelben Bleistift noch ein quadratisches Stück Pappe mit einer ähnlichen Mitteilung auf Arabisch, aber dort standen Name und Telefonnummer von Muhamad Dib Abd Salim, Muchtar der Zigeuner. Zwanzig Lastwagen parkten in Doppelreihe auf dem großen Platz. Das elektrische Licht der Straßenlaternen, die ihn umstanden, verblasste im erstarkenden Tageslicht. Die Motoren dreier Laster erwachten einer nach dem anderen, und aus ihren Auspuffrohren drangen schwarze Rußwolken. Die drei rollten langsam, schnaufend und ratternd zum eisernen Tor, das der Nachtwächter ihnen öffnete. Die anderen Fahrer warteten in ihren hohen Kabinen, bis die Müllmänner fertig eingeteilt waren. Vor dem Fahrerbüro am Ende des Parkplatzes standen die Arbeiter, denen man noch keinen Müllwagen zugewiesen hatte. Sie würden auf ein Heck aufspringen müssen, selbst wenn sich der Gestank im Verlauf des Morgens immer weiter verschlimmerte. Die Arbeiter rauchten, gähnten und traten von einem Fuß auf den anderen, einige allein, andere in Grüppchen, Juden und Araber getrennt. Ein schmächtiger junger Mann in einer Militärjacke ging zwischen ihnen umher, auf der Nase eine Brille mit breitem Gestell und in der Hand ein kleines Klemmbrett. An diesem Morgen fehlten ihm viele Arbeiter, und so musste er die übliche Einteilung völlig umkrempeln. Einige Müllwagen, wie der Laster Nummer siebzehn, dem Said zugeteilt worden war, würden heute Morgen mit nur einem Müllmann aufbrechen. Einige jüdische Arbeiter protestierten lauthals, andere unterstützten die Protestler mit leisen Worten oder beifälligem Brummen. »Bechajat dinak - wir sind keine Kinder mehr.« »Wenn wir doppelte Arbeit machen sollen, dann zahlt uns auch doppelten Lohn.« »Noch so ein Tag, und hier bricht Streik aus, glaub mir.« »Wo ist der Betriebsrat, wenn man ihn braucht.« Nervös und unsicher klopfte der junge Mann in der Militärjacke mit dem Kugelschreiber in der einen Hand auf das Klemmbrett in der anderen und versuchte, der Lage Herr zu werden. »Du bist heute Nummer vier«, sagte er zu einem. »Ja, du bist allein, geht nicht anders, tut mir leid.« Müllwagen Nummer siebzehn parkte in der zweiten Reihe, fern dem Fahrerbüro, aber die wütenden Proteste, das Klopfen des Stifts und die entschuldigenden Worte des Arbeitsverteilers erreichten klar und deutlich Saids Ohren, und er sah mühelos das Gesamtbild vor Augen. »Das ist nur heute, dieses Durcheinander, morgen läuft alles wieder reibungslos. Ich werde dafür sorgen, glaubt mir, morgen holt man weitere Arbeiter.« Der junge Mann, der diese Aufgabe erst einige Tage zuvor übernommen hatte und von dem Said nicht mal wusste, wie er hieß, bemühte sich um einen bestimmten Ton, doch schließlich erstickte seine Zusage, und seine Stimme erstarb zittrig. »Ja, ja, sicher, sie werden noch mehr Araber beiholen«, konterte jemand leise und wütend. Said knöpfte seine Brusttasche zu und dachte sich, der neue Arbeitsverteiler schwitzte jetzt gewiss und nahm vielleicht auch wieder die Brille ab, um die dicken, beschlagenen Gläser mit dem Taschentuch zu putzen, wie eben, als er ihn, Said, zu diesem Laster schickte. Weitere Müllwagen rollten langsam auf die Ausfahrt zu. Durch die Abgaswolken sah man am Heck ein oder zwei Arbeiter, die sich an den Lederschlaufen über ihren Köpfen festhielten. Auch Lastwagen Nummer sechs, der den Müll im Viertel Beit Hakerem abholte, passierte das Tor, hintendrauf nur der lange, schmale Josef, ein ewig wütender und wortkarger jüdischer Mann mit Pferdegebiss, den Said in den letzten Wochen begleitet hatte. Peng! Peng! Genau über seinem Kopf haute der Fahrer mit seiner Linken auf das Stadtwappen. Said beugte leicht den Oberkörper, um zu zeigen, dass er nicht taub war. »Gut, also hör zu, Chabibi«, sagte der Fahrer energisch von seinem hohen Thron herab und fügte dann in normalem Ton, gewissermaßen in Klammern, hinzu: »Stumm, aber nicht taub und nicht beschränkt. Gut. Warum nicht. Hör zu, ja Chabibi. Du heißt Said? Dann hör mal, Said, hör mir gut zu, heute habe ich dich anstelle meiner beiden festen Müllmänner bekommen. Du kennst sie sicher, der Dicke und der Dünne, Dick und Doof, Muhamad und Imad. Gott weiß, was mit ihnen los ist, dass sie mich ausgerechnet heute im Stich lassen.« Der Fahrer schnippte mit den Fingern, sehr laut, er war offenbar geübt darin. »Die unternehmen sicher was gemeinsam, und morgen sagen sie mir mit Trauermiene, sie seien krank gewesen, als wären sie arme Trottel. Und dabei zwitschern sie die ganze Zeit wie alte Vögel und hecken weiß Gott was auf Arabisch aus.« Auf sein feistes Gesicht trat eine selbstzufriedene Miene wegen des klugen Spruchs, den er gleich sagen würde: »Vielleicht wollen sie Fedajin werden, ha? Ha? Was sagst du dazu, Said? Aber ehrlich gesagt, arbeiten sie fix, Laurel und Hardy.« Der Fahrer grinste noch breiter und lachte auf. »Was mich angeht, und hör jetzt gut her, mich interessiert das nicht, schert mich kein bisschen, dass du heute allein bist. Ich fahre mit derselben Geschwindigkeit, sogar schneller als an normalen Tagen. Hörst du mich? Verstehst du mich?« Said bewegte das Kinn auf und ab. Ja, er verstand. »Hörst du, mich interessiert nix, um halb zwölf sind wir durch mit der Deponie, und die Karre ist gewaschen. Um halb eins bin ich zu Hause, frisch geduscht, mit meiner Frau im Bett. Heute arbeitet sie nicht, hat Urlaub genommen. Wegen dem Mond, wo die Amerikaner hinfliegen. Nur für den Mond!« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie verpasst sonst nie einen Arbeitstag, und heute nimmt sie plötzlich Urlaub. Aber weißt du was? Vielleicht ist es gerade gut, dass sie heute daheimbleibt. Damit dieser Verrückte sie nicht überfällt, dieser Hurensohn, dem die Polizei auf den Fersen ist. Sie, hör zu, Chabibi, sie, meine Frau ...« Der Fahrer hustete und bremste sich. »Du, ja Said, kannst dich meinetwegen an den Eiern kratzen. Hörst du?« Said gab keine Antwort. Der Fahrer hustete erneut, hob den Blick zu einem Punkt irgendwo über Saids Kopf und fragte: »Sag mal, Said, bist du verheiratet? Hast du eine Frau?« Said beschrieb Dschamila gern die Fahrer. Alle hießen sie David oder Mosche, berichtete er ihr, und alle seien dick. Er genoss es, vor ihren blitzenden Augen die diversen Methoden nachzuahmen, mit denen die Fahrer den Arbeitern zeigten, wie schön und angenehm ihr Platz da oben in der Kabine doch war und wie elend die Lage der Arbeiter, die bei Hitze wie Kälte ewig dem weiterrollenden Laster nachrennen und die schweren, stinkenden Mülltonnen hineinkippen mussten: demonstratives Naserümpfen, eine neckische Gardine, Pfeife rauchen, genüssliches Ablegen der Jacke an einem kalten Wintertag hinter geschlossenem Fenster, Wedeln mit einem Damenfächer an einem glutheißen Chamsin-Tag, Lesen der Sportzeitung während der langsamen Fahrt. Verheiratet oder nicht? Er könnte den Kopf von rechts nach links oder auf und ab bewegen oder die Frage ganz ignorieren, aber dann dachte der Fahrer womöglich, er sei doch taub oder beschränkt. Said begann, den Kopf verneinend zu schütteln. Der Fahrer feixte bereits zufrieden, doch dann änderte Said die Kopfbewegung abrupt, wobei er einen leichten Stich in der Kehle spürte. »Heißt das ja ? Warum eigentlich nicht, warum nicht, sachteen. Egal. Hör jetzt her, ja Chabibi, hör gut zu. Unsere Strecke ist ganz einfach. Die kürzeste Tour für den besten Fahrer.« Die leichte Verlegenheit, die Said kurz zuvor auf seinem feisten Gesicht entdeckt hatte, war völlig verschwunden. »Also das ist so, hörst du? Emek Refa´im, in eine Richtung schnell, ruckzuck, bis zum Schwimmbad, die Tonnen schleifen. Dann noch ein Stückchen weiter bis zur Bahnschranke, und dann in Gegenrichtung, den Abfall ausschütten, alles schnell, verstehst du, was Schnelligkeit bedeutet? Ruckzuck. Du machst das fixgeschwind, obwohl du allein bist, verstehst du mich? Hörst du?« Der Fahrer steckte den Kopf aus dem Fenster und gesellte die rechte Hand zur linken, um die Route der Müllabfuhr in der Luft nachzuzeichnen. »Danach, hörst du, ja Said? Noch ein bisschen durch die Sträßchen beim Kino, du wirst kaum glauben, wie ich mit diesem Centurion dort manövriere wie mit einer Vespa, kann ich mit geschlossenen Augen, und dann machen wir dasselbe auf der halben Bethlehem-Straße und noch rund ein Viertel der Hebron-Straße, und fertig, ab nach Hause, zur Mülldeponie. Capito?« Said bedeutete ihm mit dem Kopf, dass er kapierte. »Jalla, jalla, Saidowitz, schade um die Zeit, spring hinten auf, ab gehts.« Sein Zeigefinger war schon oft auf dem Stadtplan entlanggefahren, der im Fahrerbüro an der Wand hing, war die Beit- Safafa-Straße entlanggefahren - die Hauptstraße des Viertels, die die Juden jetzt Emek-Refa´ im Straße nannten. Obwohl es schon über zwei Jahre her war, dass sie auch den Ostteil der Stadt erobert hatten, waren Dschamila und er noch nicht dort hingegangen, um sich die Straße und das mit grünen Kacheln verzierte Haus anzuschauen, das Haus mit dem kleinen Dienstbotenhäuschen auf dem flachen Dach, in dem sie vom Frühjahr 1946 bis Frühjahr 1948 gewohnt hatten.
mehr
Kritik
»Ein Schnappschuss von Jerusalem kurz nach dem Sechstagekrieg.« Moritz Baumstieger, Süddeutsche Zeitung, 22./23.07.2023 Süddeutsche Zeitung 20230722mehr

Schlagworte

Autor

Dori Pinto, geboren 1958 in Jerusalem, studierte Politikwissenschaft, Jura sowie Literaturwissenschaft an der Universität Tel Aviv und war der öffentliche Verteidiger des Bezirks Jerusalem. "Der Mond über Jerusalem" ist sein erstes Buch und wurde 2020 mit dem Sapir-Preis für das beste Debüt ausgezeichnet.
Weitere Artikel von
Pinto, Dori