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Cloris

Taschenbuch.
TaschenbuchKartoniert, Paperback
400 Seiten
Deutsch
Kein & Abererschienen am12.04.20222. Aufl.
Nachdem sie auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz überlebt hat, muss sich die zweiundsiebzigjährige Texanerin Cloris Waldrip durch die Rocky Mountains schlagen - ausgerüstet mit einem einzelnen Stiefel, einer Bibel und ein paar Karamellbonbons. Die Einzige, die an ihr Überleben glaubt, ist die kürzlich geschiedene Rangerin Debra Lewis, die sich, bewaffnet mit einer Thermosflasche Merlot, auf die Suche nach Cloris macht. Während sich die beiden Frauen ihren aussichtslosen Weg durch die unbarmherzige Wildnis schlagen, erhärtet sich allmählich ein Verdacht: Gibt es jemanden, der Cloris beobachtet?mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextNachdem sie auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz überlebt hat, muss sich die zweiundsiebzigjährige Texanerin Cloris Waldrip durch die Rocky Mountains schlagen - ausgerüstet mit einem einzelnen Stiefel, einer Bibel und ein paar Karamellbonbons. Die Einzige, die an ihr Überleben glaubt, ist die kürzlich geschiedene Rangerin Debra Lewis, die sich, bewaffnet mit einer Thermosflasche Merlot, auf die Suche nach Cloris macht. Während sich die beiden Frauen ihren aussichtslosen Weg durch die unbarmherzige Wildnis schlagen, erhärtet sich allmählich ein Verdacht: Gibt es jemanden, der Cloris beobachtet?
Details
ISBN/GTIN978-3-0369-6132-3
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum12.04.2022
Auflage2. Aufl.
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht350 g
Artikel-Nr.50331660
Rubriken

Inhalt/Kritik

Prolog
»Spannend, bewegend und sehr makaber komisch.« Elke Heidenreichmehr
Leseprobe

Ich habe mir abgewöhnt, allzu vorschnell über andere zu urteilen. Die Leute sind halt, wie sie sind, ich glaube, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Vor zwanzig Jahren mag ich anderer Meinung gewesen sein, aber damals war ich auch noch eine andere Cloris Waldrip. Und jene Cloris Waldrip, die ich zweiundsiebzig Jahre lang gewesen war, wäre ich wohl auch geblieben, wäre nicht am Sonntag, dem 31. August 1986, das kleine Flugzeug, in dem ich saß, vom Himmel gefallen. Es ist schon erstaunlich, dass eine Frau den Herbst ihres Lebens erreichen kann, nur um festzustellen, dass sie sich selbst bislang im Grunde gar nicht recht gekannt hat.

Ich saß am Fenster, und zu meiner Rechten saß mein werter Gatte, Mr Waldrip. Seine Finger waren damit beschäftigt, an einer eingerissenen Nagelhaut herumzuspielen. Mein Gatte war ein freundlicher Mann mit einem Vogelgesicht, und er trug eine Brille mit dicken Gläsern. Er war in Amarillo, Texas, zur Welt gekommen, als Sohn eines Vertreters für Sonnensegel und einer Hebamme. Ich hatte ihn im Sommer 1927 bei einer Tanzveranstaltung im örtlichen Rathaus kennengelernt. Damals war seine Familie gerade aus der großen, lauten Stadt Amarillo ins beschauliche Clarendon gezogen, das rund sechzig Meilen östlich lag und wo ich geboren und aufgewachsen bin. Er war ein furchtbar hübscher Knabe, hochgewachsen, mit dunklem Haar. Allerdings trug er ständig eine kleine blaue Kappe, und damit sah er mächtig albern aus. Wir waren beide noch Kinder. Ich war gerade dreizehn geworden. Er schenkte mir eine leider schon arg verwelkte Rose, die er aus Mrs McKees Garten stibitzt hatte.

An diesem Morgen, im August 1986, hatte er ein wenig Jalapeñogelee am Kinn. Offenbar klebte es dort seit unserem Frühstück, das im Preis für die Übernachtung im Big Sky Motel in Missoula, Montana, inbegriffen gewesen war. Ich wollte ihm gerade sagen, er möge doch bitte das Taschentuch benutzen, das ich ihm zu Weihnachten vor elf Jahren geschenkt hatte und in das ich seine Initialen gestickt hatte, da hob er an, dem Piloten einen Vortrag über Niederschlagsmengen zu halten. Das tat er bei allen Männern, die ihm über den Weg liefen.

Mr Waldrip hatte für uns einen Rundflug über den Bitterroot National Forest arrangiert, zu einem Flugplatz in der Nähe einer Hütte, die wir gemietet hatten. Der Pilot, den er angeheuert hatte, war ein kräftiger, gepflegter junger Mann namens Terry Squime. Terry war höchstens dreißig Jahre alt und frisch verheiratet. Er zeigte uns ein Foto seiner Braut. Sie war hübsch und sah fast aus wie Catherine Drewer, eine frustrierend unhöfliche Brünette aus unserer Kirchengemeinde, der First Methodist, nur dass Mrs Squime ein paar Jahre jünger war und ihre Kinnlade weniger einem Schuhlöffel und ihre Nase weniger einem verschrumpelten Pilz glich. Als ich Mrs Squime später persönlich kennenlernte - ich habe sie wohlweislich davor gewarnt, bestimmte Passagen dieses Berichts zu lesen -, stellte ich zu meiner großen Freude fest, dass sie eine durchaus angenehme und selbstlose junge Frau ist. In dieser Hinsicht ähnelt sie Catherine Drewer überhaupt nicht.

Mr Waldrip schwadronierte also über Regenfälle und die lästigen Biber, und ich wandte mich wieder meinem Fensterchen zu. Die Cessna 340 ist ein kleines Flugzeug mit zwei Propellern und sechs Sitzen, und unsere Maschine war von einem Flugplatz bei Missoula gestartet und flog gen Süden über die Bitterroot Mountains. Das sind Berge, die einen daran erinnern, dass wir, wie alt wir auch sein mögen, verglichen mit unserer Erde unendlich jung sind. Von der Form her erinnerten mich die Gipfel an die Pfeilspitzen, die mein kleiner Bruder Davy - möge seine kleine Seele in Frieden ruhen - immer im Palo Duro Canyon ausgrub, als wir Kinder waren. Ich hatte zweiundsiebzig Jahre lang in der Panhandle-Region im äußersten Norden von Texas gelebt, und dort gehören Berge nicht zu den ortsüblichen geologischen Spezialitäten. Das Land ist so flach, wie es flacher nicht sein kann, und entsprechend bodenständig sind die Menschen dort. Wir, die Bewohner der Great Plains, sind ein geerdetes Völkchen, das nur selten einen Berg zu Gesicht bekommt. Aber falls Sie so viel Gebirge gesehen haben wie ich seither, dann werden Sie mir recht geben, wenn ich behaupte: Das waren Berge.

Ich war damals seit vierundfünfzig Jahren mit Mr Waldrip verheiratet. Wir wohnten in einem kleinen steinernen Ranchhaus im Schatten des Wasserturms, der die rund zweitausend durstigen Seelen von Clarendon versorgte. Tags zuvor hatten wir unsere Haustür abgeschlossen und waren mit dem Pick-up-Truck zum Flughafen von Amarillo gefahren, von wo aus wir mit kurzem Zwischenstopp in Denver per Düsenflugzeug nach Missoula geflogen waren. Wir entfernten uns sonst kaum jemals allzu weit von unserem kleinen Haus, und dies war seit langer Zeit die erste Reise, die wir unternahmen. Wir hatten die erste Nacht bei Vollmond im Big Sky Motel an der I-90 verbracht, einem Etablissement mit feuchten Teppichen und Laminatholz. Mr Waldrip war kein armer Mann, aber Extravaganzen lagen ihm nicht. Ich hatte mich damit schon früh in unserer Ehe abgefunden.

Mr Waldrip hielt bei seinem Vortrag beim Thema Niederschlagsmesser eine halbe Sekunde inne, und Terry nutzte die Gelegenheit, uns zu fragen, wie lange wir in Montana zu bleiben gedachten.

Nur ein paar Tage, sagte Mr Waldrip. Unser Pastor und seine Frau fanden es mächtig schön dort oben. Da dachten wir, besorgen wir uns da auch mal eine Hütte, gehen ein bisschen angeln und legen die Füße hoch. Aber Donnerstag müssen wir unbedingt zurück sein.

Mr Waldrip tut gern so, als sei er gar nicht im Ruhestand, sagte ich.

Terry drehte sich zu ihm um. Was waren Sie von Beruf, Sir?

Ich hab 45 eine Rinderfarm gekauft. Vor einem Jahr im September haben wir sie wieder verkauft.

Ich wette, Ihnen beiden wird es da oben gefallen, sagte Terry.

Das wollen wir hoffen, sagte Mr Waldrip und kratzte sich die Nagelhaut vom Daumen. Ein Tropfen Blut tauchte unterhalb des Nagels auf, und er drückte ihn gegen seine Jeans.

Wer Mr Waldrips Wäsche wäscht, stößt unweigerlich auf mehrere Paar Bluejeans, die solche Blutflecken aufweisen. Wer ihn nicht kennt, könnte ihn für einen Kämpfer halten. Aber die einzige physische Auseinandersetzung seines Lebens hatte er, soweit ich weiß, mit einem boshaften alten Opossum, das unter unserer Veranda an einem Nagel hängen geblieben war. Mr Waldrip hatte mehrere solcher nervöser Angewohnheiten. Ich nehme an, das lag daran, dass er sich selbst gedanklich immer ein paar Schritte voraus war, und das machte den Rest von ihm nervös - es fiel seinem Körper schwer, mit seinem Geist mitzuhalten.

Haben Sie auch gearbeitet, Mrs Waldrip?, wollte Terry wissen.

Ich hatte in der Grundschule Englisch unterrichtet und war vierundvierzig Jahre lang Bibliothekarin gewesen, wie ich ihm mitteilte. Vor zwei Jahren bin ich in Rente gegangen, sagte ich.

Jetzt haben wir nur noch Zeit für die schönen Dinge, sagte Mr Waldrip und tätschelte mir das Knie. Kinder?, fragte Terry. Sind wir nie zu gekommen, sagte Mr Waldrip.

Ich wandte mich wieder meinem kleinen Fenster zu. Der blaue Himmel und die Scheibe warfen mein Spiegelbild zurück. Ich musste an das ovale Porträt meiner Urgroßmutter June Polyander denken, das über ihrem Bett hing, bis sie mit Mitte neunzig starb. Ich richtete meine Frisur. Wie viele Damen in der First Methodist hatte ich eine Dauerwelle. Als ich eine junge Frau war, hatte ich schönes rotbraunes Haar, und ich trug es damals länger. In meinen Vierzigern wurde es langsam grau. Je grauer und weißer es wurde, desto öfter sagte Mr Waldrip, ich sähe aus wie eine Löwenzahnblüte, kurz bevor sie ihre Samen abwirft.

Ich war nie besonders hübsch - meine Nase sieht allzu männlich aus, als dass ich dieses Attribut verdient hätte -, aber ich tat stets mein Bestes, um präsentabel zu sein. Eine Frau mit Stachelfrisur namens Lucille Carver sah immer aus, als habe man sie aus einer Kanone abgefeuert, wenn sie in die Kirche kam. Ich konnte nie verstehen, was jemanden dazu trieb, in solch einem Aufzug das Haus zu verlassen. Ich nahm an, dass es ihr an Respekt vor dem Gottesdienst und dem Wesen der Frau als solcher mangelte, aber mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Ich selbst trug an diesem warmen Sonntag im August einen dunkelgelben Faltenrock und eine weiße Bluse und hatte meine schöne lederne Handtasche dabei. Im Nachhinein war ich heilfroh, dass ich dazu mein bequemstes Paar Wanderschuhe angezogen hatte.

Frauen wie ich sind wohl ein Relikt der Vergangenheit. In Dallas sah ich einmal eine junge Frau mit ungewaschenem langen Haar, die einem Mann die Tür zum Restaurant aufhielt, und dachte: Dieses junge Ding hat keinerlei Sinn für Schicklichkeit und Anstand.

Heute glaube ich, dass es ein Zeichen der Zeit war. Dass das vielleicht gar keine so schlechte Entwicklung ist.

Ich habe mein ganzes Leben mit Frauen verbracht, die so dachten wie ich. In der First Methodist saßen wir gemeinsam in der vierten Reihe von vorne. Ich weiß, dass jede von ihnen ihre eigenen Sorgen und Nöte hatte und auf die eine oder andere Weise leiden musste. Mary Martha war mit einer verformten Niere zur Welt gekommen, die nicht so funktionierte, wie sie sollte, und ihr starke Schmerzen verursachte und das Weiß in ihren Augen gelb wie Eidotter machte. Sara Mae verlor ihren kleinen Jungen bei einem Unfall mit einer Reifenschaukel, und Mabry Cartwright fand nie einen Mann, da ihre Zähne aussahen wie Holzstummel und ihr Atem roch wie der Wind, der durch eine Mastanlage weht. Ich weiß nicht, ob sich das, was mir bevorstand, mit dem vergleichen lässt, was die anderen durchmachen mussten. Wir kennen ja alle bloß unser eigenes Leid. Manchmal frage ich mich jedoch, ob auch nur eine von ihnen in der Lage gewesen wäre, den Bitterroot zu überleben.
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Kritik
»Rye Curtis hat mit 'Cloris' eine einzigartige Protagonistin geschaffen.« Michael Kleehaupt, Brigitte, 22.06.2022 Brigitte 20220622mehr

Schlagworte

Autor

Rye Curtis stammt aus Amarillo, Texas. Er hat einen Abschluss von der Columbia University und lebt in Queens. Cloris ist sein erster Roman.Rye Curtis stammt aus Amarillo, Texas. Er hat einen Abschluss von der Columbia University und lebt in Queens. Cloris ist sein erster Roman.
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Curtis, Rye