Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

Die Jahre der Entscheidungen
BuchGebunden
704 Seiten
Deutsch
S. Fischer Verlag GmbHerschienen am19.09.20026. Aufl.
1910 bis 1915: Dies sind die Jahre, in denen sich der junge, ungebundene, beeinflussbare Kafka verwandelt in den verantwortungsbewussten Beamten und zugleich in den Meister des präzisen Alptraums und des 'kafkaesken' Humors. In kürzester Frist entstehen 'Das Urteil', 'Die Verwandlung', 'Der Verschollene' und 'Der Process', und in rascher Folge werden alle Weichen gestellt, die Kafkas weiteren Weg bis zum Ende bestimmen werden: die Begegnung mit dem religiösen Judentum, die ersten Schritte in die Öffentlichkeit, die Katastrophe des Kriegsausbruchs und vor allem die verzweifelt umkämpfte und dann doch scheiternde Beziehung zu Felice Bauer. Es sind Jahre beispielloser Intensität: das Zentrum von Kafkas Existenz.
Stachs Schilderung ist atmosphärisch dicht und bietet Panoramablicke über Kafkas Welt ebenso wie Nahaufnahmen aus seinem Alltag, wobei auch neueste, bisher unveröffentlichte Forschungsergebnisse aufgenommen werden. Die bildhafte Erzählweise, die den Leser alle Entscheidungssituationen fast filmisch miterleben lässt, setzt neue Maßstäbe in der deutschsprachigen Biographik.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR29,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

Klappentext1910 bis 1915: Dies sind die Jahre, in denen sich der junge, ungebundene, beeinflussbare Kafka verwandelt in den verantwortungsbewussten Beamten und zugleich in den Meister des präzisen Alptraums und des 'kafkaesken' Humors. In kürzester Frist entstehen 'Das Urteil', 'Die Verwandlung', 'Der Verschollene' und 'Der Process', und in rascher Folge werden alle Weichen gestellt, die Kafkas weiteren Weg bis zum Ende bestimmen werden: die Begegnung mit dem religiösen Judentum, die ersten Schritte in die Öffentlichkeit, die Katastrophe des Kriegsausbruchs und vor allem die verzweifelt umkämpfte und dann doch scheiternde Beziehung zu Felice Bauer. Es sind Jahre beispielloser Intensität: das Zentrum von Kafkas Existenz.
Stachs Schilderung ist atmosphärisch dicht und bietet Panoramablicke über Kafkas Welt ebenso wie Nahaufnahmen aus seinem Alltag, wobei auch neueste, bisher unveröffentlichte Forschungsergebnisse aufgenommen werden. Die bildhafte Erzählweise, die den Leser alle Entscheidungssituationen fast filmisch miterleben lässt, setzt neue Maßstäbe in der deutschsprachigen Biographik.
Details
ISBN/GTIN978-3-10-075114-0
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
Erscheinungsjahr2002
Erscheinungsdatum19.09.2002
Auflage6. Aufl.
Seiten704 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht1002 g
Illustrationenmit vier 8-seitigen Bildteilen
Artikel-Nr.10522632

Inhalt/Kritik

Prolog
Die erste große Kafkabiographie in deutscher Sprachemehr
Leseprobe
PrologDer schwarze SternMittwoch, 18. Mai 1910. Ein Himmelskörper nähert sich der Erde. Seit Monaten schwatzen Zeitungsmeldungen von einem möglichen Zusammenstoß, von gigantischen Explosionen, von Feuerregen und Flutwellen, vom Weltuntergang.Schon prähistorische Zeiten kannten ihn, die Menschen des Mittelalters versetzte er in gläubige Panik. Längst aber hat sich herausgestellt, daß der Halleysche Komet eine pünktlich wiederkehrende Erscheinung ist. Kein von himmlischen Mächten gesandter Unglücksbote, sondern ein elliptisch um die Sonne wandernder Klumpen aus porösem Gestein und Eis, dessen Auftauchen man auf Tag und Stunde genau vorhersagen kann. Alle 76 Jahre tritt er aus dem Dunkel sonnenferner Räume und zieht eine Schleppe aus Licht über den Himmel. Woraus dieses Feuerwerk besteht, weiß man seit Erfindung der Spektralanalyse: Kohlenwasserstoffe, Natrium, alles längst bekannte Elemente und Verbindungen. Ein wenig Blausäure, für den Menschen tödlich, ist auch darunter. Daß der Kern des Kometen schwarz ist, schwärzer als Kohle, weiß man noch nicht.Die Fachleute winken ab. Halley wird, wie stets, die Erde verfehlen, diesmal um mehr als zwanzig Millionen Kilometer. Nur der Schweif des Kometen wird die Atmosphäre streifen, Gas und ein wenig Staub in unendlicher Verdünnung. Gefährlicher wäre ein Spinnwebfaden für einen laufenden Elefanten, spöttelt ein Berliner Astronom, um den immer gleichen sensationsheischenden Fragen ein Ende zu machen. Es hilft nichts. Wer an den Weltuntergang glauben will, hält sich an die Blausäure.Am unbelehrbarsten ist die Hysterie in den Vereinigten Staaten, wo gewiefte Propheten leichtes Spiel haben, ihrer Schar den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen. Das aufgeklärte Europa ist gespalten. Während die Kometenfurcht in randständigen, ländlichen Gebieten die Menschen verdüstert und einige gar zu Verzweiflungstaten treibt, reagiert die Unterhaltungsmaschinerie der Metropolen schon ironisch. Der Komet ist ein event, der Weltuntergang eine Gelegenheit zum Feiern, die so bald nicht wiederkehren wird. In Paris bleiben Restaurants bis zum Morgengrauen geöffnet, Menschentrauben schieben sich von Bar zu Bar, es herrscht Feststimmung. Auch in Wien sind Tausende unterwegs; auf dem Kahlenberg, dem Logenplatz über der Stadt, kampieren seit Tagen ganze Familien.Ruhiger geht es in den Provinzstädten zu, hier regiert die Neugierde. Man feiert nicht, man exaltiert sich nicht, aber verpassen will man auch nichts. So zum Beispiel in Prag, wo unter den nervösen Blicken der Polizei die Karlsbrücke zum Treffpunkt der Flaneure wird, bis lange nach Mitternacht. Der Tag war heiß, die laue Nacht weckt die Lebensgeister. Wer freie Sicht auf den nächt-lichen Himmel will, schlendert hinauf zu den höher gelegenen Stadtteilen, zum Riger-Park, aufs Belvedere-Plateau, auf den Laurenziberg. Einige Hundert Menschen gehen hier vorsichtig umher, viele mit Operngläsern, und das Dunkel ist erfüllt von gedämpften Gesprächen.In einer dieser Gruppen wird besonders angeregt geplaudert, denn Literaten sind es, die hier beisammen sind: Ein gewisser Franz Blei aus München, knapp vierzig Jahre alt, seit wenigen Stunden erst zu Besuch in Prag, begleitet von seiner Frau Maria, einer vermögenden Zahnärztin, und dem gemeinsamen Sohn; daneben der 26jährige Max Brod, Postbeamter und Schriftsteller, der heute einen erotisch besonders desolaten Tag hatte und den nach Aufmunterung verlangt; seine ebenfalls noch unverheiratete Schwester Sophie; und schließlich, schmal, sehnig, ein Jahr älter als Brod und einen Kopf größer als alle anderen, der Versicherungsbeamte Franz Kafka, auch er ein Dichter, der auf den fünfzehn Seiten, die er bisher veröffentlicht hat, das Talent einer künftigen Lokalgröße durchaus erahnen läßt.Es sind wohl eher die Frauen, die sich von der Erscheinung des Kometen etwas erwarten; die Männer haben anderes im Sinn, und keiner von ihnen wird den besonderen Anlaß dieses Spaziergangs noch einer Erwähnung wert finden. Nicht der Weltuntergang, sondern literarische ?Interessen? sind es, die sie zusammenführen, jene eigentümliche Teilhabe an einer schwebenden, geisterhaften, aus Wörtern errichteten Gegenwelt von zartester Konstitution, in der nichtsdestoweniger die irdischsten Zänkereien, Hahnenkämpfe und Gruppenzwänge an der Tagesordnung sind. Wer in welcher Zeitschrift gegen wen polemisiert, wer in welcher Redaktion Unterschlupf gefunden hat, wem die Literaturpreise nur so nachgeworfen werden (warum gerade der?) und welch unverschämte Verträge man sich von diesem oder jenem Verleger gefallen lassen muß - das alles macht das soziale Mark der ?Literatur? aus, jenes empfindlichen Organismus, der in sich zusammenstürzte, würden nicht immer wieder Einzelne sich finden, die den Literaturbetrieb mit der gleichen Ausdauer in Gang halten wie Börsianer ihre wimmelnden Geschäfte.Dieser Betrieb ist zugleich die Grundlage der Verständigung, wo immer Literaten aufeinandertreffen. Nicht ?Strömungen? sind es, zwischen denen man sich gegenseitig ortet, sondern Verlage, Zeitschriften, Cliquen und peer groups. Wenn zwei, die man gestern noch am selben Kaffeehaustisch sah, sich heute wechselseitig und öffentlich für drittrangige Schreiberlinge erklären, so ist das ein Ereignis, das nicht nur komisch, sondern auch wohltuend handgreiflich ist. Es bringt Wirklichkeit in die Literatur und damit auch in das Gespräch über Literatur. Denn die Frage, wer zu wem hält, ist viel weniger anfällig für Mißverständnisse als rein ästhetische Angelegenheiten, und Namen, die zählen, sind eindeutigere Duftmarken als Werke und deren immerzu schwankende Auslegung. Für Schriftsteller, die sich nicht nur als Produzenten, sondern - wie Max Brod und Franz Blei - ausdrücklich auch als Vermittler von Literatur verstehen, gilt das um so mehr. So kann man sich beiläufig vorstellen, was gesprochen wurde, oben auf dem Laurenziberg, im Dunkeln.Brod und Blei waren keine Anfänger, seit Jahren schon gab es so etwas wie einen Arbeitszusammenhang, der auf gemeinsamen literarischen Vorlieben grün-dete. Blei hatte Brods erste Buchveröffentlichung besprochen, die Erzählungen Tod den Toten! von 1906, und zusammen hatten sie Werke von Jules Laforgue ins Deutsche übertragen. Blei genoss den Ruf eines Alleskönners, eines literarischen Chamäleons, doch vor allem kannte man ihn als Übersetzer und als Herausgeber erotisch-literarischer Zeitschriften mit so kostbaren Titeln wie Der Amethyst und Die Opale, in denen wiederum Brod mit zahlreichen Kleinigkeiten vertreten war.Kafka las und liebte diese Hefte, zählte gar zu den wenigen Abonnenten, und das machte es Brod (der dieses Faible viel zu ernst nahm) etwas leichter, den vorsichtigen Freund aus der von ihm bevorzugten Zuschauerrolle herauszulocken und dazu zu bewegen, eigene Texte an Blei zu schicken. So kam es, daß der Name Franz Kafka erstmals in einem luxurierenden, überformatigen, zweimonatlich erscheinenden Organ des literarischen Ästhetizismus zu lesen war, dem Hyperion. Acht knappe Prosastücke waren es, versammelt unter dem Titel BETRACHTUNG. Später ließ sich Kafka auch noch einige Passagen seiner BESCHREIBUNG EINES KAMPFES aus der Hand nehmen - jenes Nicht-Romans, an dem er schon seit Jahren laborierte -, aber das sollte er bald bereuen. Auch eine der ganz wenigen Rezensionen, an denen sich Kafka je versuchte, war einem Buch Franz Bleis gewidmet, und als endlich feststand, daß der Hyperion, wie so vieles, was Blei ins Werk setzte, nach kaum zwei Jahren sich schon erschöpft hatte, schrieb Kafka einen freundlich-hintersinnigen Nachruf: EINE ENTSCHLAFENE ZEITSCHRIFT.(1)Blei rezensiert Brod, Brod vermittelt Kafka, Kafka rezensiert Blei, Blei druckt Kafka und Brod - es deuten sich da die zarten Umrisse einer literarischen Seilschaft an, einer jener zahlreichen Zitiergemeinschaften am Rande des Literaturbetriebs, deren Zweck es ist, von der Peripherie in den Kreis der Etablierten vorzustoßen, dorthin also, wo die kulturelle Ressource lagert, die früher ?Ruhm? hieß (und heute ?Erfolg? heißt). Diese Seilschaft freilich sollte sich bald als wenig ausdauernd erweisen, allzu lose waren die Fäden geknüpft. Die verspielte, rokokohafte Künstlichkeit, die Blei für Kunst erklärte, war allzu zeitfern, und auch Brod, der bald darauf das Judentum und die ?Gemeinschaft? entdeckte, konnte jenen frei schwebenden Impressionen nicht mehr viel abgewinnen.Kafka tat ohnehin nur aus Freundschaft ein wenig mit, und was auch nur von Ferne nach literarischer Gefälligkeit aussah, erwartete man von ihm vergebens. Er ließ sich beeinflussen, doch er lobte nicht und wollte nicht gelobt sein, zumindest nicht öffentlich. Die Verachtung des Betriebs, die für schreibende Debütanten im vergangenen Jahrhundert so charakteristisch war, beherrschte ihn noch ungebrochen, und spätestens, als Blei der ?Nachruf? vor Augen kam, muß ihm klar geworden sein, daß mit Kafka nicht zu rechnen war. Denn jener knapp zwei Druckseiten umfassende Text, der auf den ersten Blick so wohlwollend den 'entschlafenen' Hyperion zur literarischen Kostbarkeit und Blei zum 'bewunderungswerten Mann' erklärt, ist, recht besehen, eine polemische Abgrenzung, welche die Mittlerrolle Bleis (und damit auch Brods) für überflüssig, ja sogar für schädlich erklärt:'Diejenigen, die ihre Natur von der Gemeinschaft fernhält, können nicht ohne Verlust regelmäßig in einer Zeitschrift auftreten, wo sie sich zwischen den anderen Arbeiten in eine Art bühnenmäßigen Lichts gestellt fühlen müssen und fremder aussehn, als sie sind; sie brauchen auch keine Verteidigung, denn das Unverständnis kann sie nicht treffen, und die Liebe findet sie überall. Sie brauchen auch keine Kräftigung, denn, wenn sie wahrhaftig bleiben wollen, können sie nur von sich selbst zehren, so daß man ihnen nicht helfen kann, ohne ihnen vorher zu schaden.'Mit anderen Worten: Was selbst leuchtet, braucht keine Beleuchtung. Ein starkes Wort für einen Autor, der mit bloßem Auge noch lange nicht auszumachen war.Die Nacht bleibt mild, es ist windstill. Doch es hängen Wolken über der Stadt, und Enttäuschung kommt auf unter denen, die das Spektakel suchen. Schon gegen Mitternacht sind die ersten Gruppen auf dem Weg nach Hause. Dann klart es plötzlich auf, um ein Uhr zeigt sich ein sternenübersäter Himmel. Die geblieben sind, starren angestrengt nach oben. Vom Kometen keine Spur: keine Sternschnuppen, kein Aufglühen, keine Feuerbälle, kein Weltuntergang. Nichts. Zwei Stunden später schon beginnt es zu dämmern, der Himmel zeigt sich prächtig stahlblau. Um 4.10 Uhr geht die Sonne auf. In diesem Augenblick steht der Halleysche Komet, von Prag aus gesehen, genau vor der glühenden Scheibe: unsichtbar. Der schwarze Stern geht unter in einer Kaskade von Licht.Die Literaten Franz Blei, Max Brod und Franz Kafka bemerken davon nichts mehr, sie schlafen. In wenigen Stunden werden sie alle wieder an ihren Schreibtischen sitzen, vor ihren Korrespondenzen, Tagebüchern, Zeitungsausschnitten, Gedichten und Versicherungsakten. Noch einmal davongekommen. (1)Erschienen in der Prager Tageszeitung Bohemia, 20. März 1911. - Kafkas Prosastücke erschienen im 1. Heft des Hyperion (März 1908), die Kapitel GESPRÄCH MIT DEM BETER und GESPRÄCH MIT DEM BETRUNKENEN aus der BESCHREIBUNG EINES KAMPFES im 8. Heft (Juni 1909). Kafkas Rezension von Franz Bleis Buch DIE PUDERQUASTE. EIN DAMENBREVIER (1908) erschien am 6. Februar 1909 unter dem Titel EIN DAMENBREVIER in der Berliner Zeitschrift Der neue Weg.mehr

Schlagworte

Autor

Reiner Stach, geboren 1951 in Rochlitz (Sachsen), arbeitete nach dem Studium der Philosophie, Literaturwissenschaft und Mathematik und anschließender Promotion zunächst als Wissenschaftslektor und Herausgeber von Sachbüchern. 1987 erschien seine Monographie 'Kafkas erotischer Mythos'. 1999 gestaltete Stach die Ausstellung 'Kafkas Braut', in der er den Nachlass Felice Bauers präsentierte, den er in den USA entdeckt hatte. 2002 und 2008 erschienen die ersten beiden Bände der hochgelobten dreiteiligen Kafka-Biographie. 2008 wurde Reiner Stach für 'Kafka: Die Jahre der Erkenntnis' mit dem Sonderpreis zum Heimito-von-Doderer-Literaturpreis ausgezeichnet. Für sein herausragendes Gesamtwerk auf dem Feld der literarischen Biographik erhielt er 2016 den Joseph-Breitbach-Preis.Literaturpreise:2003 Kulturförderpreis des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land2008: Sonderpreis zum Heimito von Doderer-Literaturpreis2016: Joseph-Breitbach-Preis