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Die Farbe der Erinnerung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am28.11.20181. Auflage
Der erste Roman der Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan ist ein beklemmendes Buch über Trauer, Tod und Schuld. Nur ein paar Postkarten sind Phoebe von ihrer großen Schwester Faith geblieben, die 1970 in Italien ums Leben kam. Unfall? Mord? Selbstmord? Phoebe will die Wahrheit herausfinden und begibt sich von San Francisco aus auf eine Reise nach Europa: von Amsterdam über Paris und München bis ins italienische Corniglia in eine Zeit hinein, in der eine Generation, berauscht von Drogen und dem Ideal der freien Liebe, an eine bessere Zukunft glaubte und die Welt aus den Angeln heben wollte. »Wenn es Gerechtigkeit auf dieser Welt gäbe, so dürfte es niemandem erlaubt sein, ein Debüt von derartiger Schönheit und Vollendung zu schaffen.« The New York Times Book Review »?Die Farbe der Erinnerung? gleicht dem zart leuchtenden Grün eines Frühlingserwachens, hinter dem der Winter einer turbulenten, unbegriffenen Zeit liegt.« Ulrich Greiner, Die Zeit

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer erste Roman der Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan ist ein beklemmendes Buch über Trauer, Tod und Schuld. Nur ein paar Postkarten sind Phoebe von ihrer großen Schwester Faith geblieben, die 1970 in Italien ums Leben kam. Unfall? Mord? Selbstmord? Phoebe will die Wahrheit herausfinden und begibt sich von San Francisco aus auf eine Reise nach Europa: von Amsterdam über Paris und München bis ins italienische Corniglia in eine Zeit hinein, in der eine Generation, berauscht von Drogen und dem Ideal der freien Liebe, an eine bessere Zukunft glaubte und die Welt aus den Angeln heben wollte. »Wenn es Gerechtigkeit auf dieser Welt gäbe, so dürfte es niemandem erlaubt sein, ein Debüt von derartiger Schönheit und Vollendung zu schaffen.« The New York Times Book Review »?Die Farbe der Erinnerung? gleicht dem zart leuchtenden Grün eines Frühlingserwachens, hinter dem der Winter einer turbulenten, unbegriffenen Zeit liegt.« Ulrich Greiner, Die Zeit

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104906676
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum28.11.2018
Auflage1. Auflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1773 Kbytes
Artikel-Nr.3411525
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

TEIL EINS

EINS

Sie war zu spät gekommen. Phoebe spürte es an der Stille. Sie ging durch den üppigen, nebligen Park und hörte nichts als das Tröpfeln des Taus, der von Farnen und Palmblättern lief. Als sie die große Wiese erreichte, war sie von der ungeheuren Leere, die sie sah, nicht mehr überrascht.

Das Gras war ein leuchtendes, schreiendes Grün. Überall lag Abfall herum, Überreste - Strohhalme, Zigarettenkippen, ein paar durchnässte Decken, die dem Matsch überlassen worden waren.

Phoebe steckte die Hände in die Taschen und ging über das Gras, stieg ab und zu mit großen Schritten über blanke, matschige Stellen. Ein Ring aus Bäumen zog sich um die Wiese herum, Küstenbäume, vom Wind gebeugt, aber trotzdem symmetrisch, wie Figuren, die mit großer Mühe schwere Tabletts balancieren.

Am Ende der Wiese bauten Leute in Uniformjacken eine Bühne ab. Sie trugen die Sachen durch die Bäume auf eine Straße hinaus, auf der Phoebe den dunklen Umriss eines Lasters ausmachen konnte.

Sie ging auf einen Mann und eine Frau zu, an deren Armen aufgerollte orangefarbene Kabel hingen. Phoebe wartete höflich, dass die beiden ihr Gespräch beendeten, aber sie schienen sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Sie wandte sich schüchtern an einen Mann, der ein langes Holzbrett trug. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie. »Bin ich zu spät gekommen?«

»Ja«, sagte er. »Es war schon gestern. Von Mittag bis Mitternacht.« Er kniff die Augen zusammen, als wäre die Sonne herausgekommen. Er kam Phoebe irgendwie bekannt vor, und sie fragte sich, ob er vielleicht ihre Schwester gekannt hatte. Sie fragte sich das ja immer.

»Ich hab gedacht, es wäre heute«, sagte sie überflüssigerweise.

»Ja, auf ungefähr der Hälfte der Plakate ist das falsch gedruckt worden.« Er grinste, das Blau seiner Augen war hell, synthetisch.

Es war der 18. Juni, ein Samstag. Zehn Jahre davor, 1968, hatte angeblich auf genau dieser Wiese ein »Festival of Moons« stattgefunden. »Revival of Moons« versprachen die Plakate, und Phoebe hatte auf der Arbeit mit jemandem die Schicht getauscht und war ganz gespannt hierhergekommen, weil sie noch einmal erleben wollte, was sie ja gar nicht erlebt hatte.

»Und wie war´s?«, fragte sie.

»Unterbesucht.« Er lachte grimmig.

»Ich bin froh, dass ich nicht die Einzige war«, sagte sie.

Der Mann setzte das Brett ab und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Stumpfes, blondes Haar fiel lang und glatt auf seine Schultern. »Mann«, sagte er. »Du siehst ziemlich so aus wie ein Mädchen, das ich früher mal kannte.«

Phoebe schaut ihn erschrocken an. Er kniff jetzt die Augen wieder zusammen. »Ja, genau wie sie.«

Sie schaute ihm ins Gesicht. »Catnip«, sagte sie und war überrascht, dass sie das sagte.

Er ging einen kleinen Schritt zurück.

»Du warst ein Freund von Faith O´Connor, oder?«, sagte Phoebe jetzt aufgeregt. »Ja, also, ich bin ihre Schwester.«

Catnip wandte den Blick ab und schaute dann Phoebe wieder an. Er schüttelte den Kopf. Sie erinnerte sich jetzt an ihn, obwohl er ihr damals viel größer vorgekommen war. Und schön - es war diese intensive, flüchtige Schönheit, die man manchmal an Jungs sah, aber nie an Männern. Die Mädchen konnten ihm nicht widerstehen, und deswegen hatte er auch diesen Namen: Catnip. Katzenminze.

Er schaute Phoebe mit großen Augen an. »Ich kann das nicht glauben«, sagte er.

Während Catnip zu den anderen hinüberging und ihnen sagte, dass er jetzt gehen würde, versuchte Phoebe, wieder Luft zu kriegen. Jahrelang hatte sie sich das vorgestellt, dass einer von Faiths Freunden sie jetzt, wo sie erwachsen war, erkennen würde, sehen würde, wie sehr sie ihrer Schwester ähnlich sah.

Sie ging zusammen mit Catnip über die Wiese. Sie war nervös. Auf seinem Gesicht glitzerten blonde Barthaare.

»Und du, gehst du jetzt auf die Highschool?«, fragte er.

»Ich bin grade fertig geworden«, sagte Phoebe. »Letzte Woche, genau gesagt.« Sie war nicht auf die Abschlussfeier gegangen.

»Also, ich bin Kyle. Mich hat seit Jahren keiner mehr Catnip genannt«, sagte er traurig.

»Wie alt bist du denn?«

»Sechsundzwanzig. Und du?«

»Achtzehn.«

»Achtzehn«, sagte er und lachte. »Scheiße, als ich achtzehn war, kam mir sechsundzwanzig richtig uralt vor.«

Kyle hatte gerade das zweite Jahr seines Jurastudiums abgeschlossen. »Am Montag fang ich mit meiner Ferienarbeit an«, sagte er und machte mit zwei Fingern eine Bewegung, als würden ihm die Haare abgeschnitten.

»Wirklich? Zwingen sie dich dazu, sie abzuschneiden?« Das klang nach Militär.

»Das müssen sie nicht«, sagte er. »Wenn du ankommst, hast du sie schon abgeschnitten.«

Die Verkehrsgeräusche wurden lauter, als sie sich dem Rand des Golden Gate Parks näherten. Phoebe kam sich vor wie damals als Kind, wenn sie mit einem von Faiths Freunden alleine war und fürchtete, sie könnten sie langweilig finden. »Denkst du manchmal noch an die Zeit damals?«, fragte sie. »Ich meine, die Zeit mit meiner Schwester?«

Kyle sagte erst gar nichts. »Na klar«, sagte er dann. »Klar denk ich daran.«

»Ich auch.«

»Faith kommt mir unglaublich wirklich vor.«

»Ich denk die ganze Zeit an sie«, sagte Phoebe.

Kyle nickte. »Sie war ja deine Schwester.«

Als sie an die Haight Street kamen, riss der Nebel gerade auf und gab den Blick auf kleine blaue Fitzelchen Himmel frei. Phoebe überlegte, ob sie erwähnen sollte, dass sie nur zwei Blocks entfernt arbeitete - dass sie ohne das Revival of the Moons sogar jetzt gerade bei der Arbeit wäre -, aber das kam ihr jetzt nicht wichtig vor.

»Ich wohne hier in der Gegend«, sagte Kyle. »Hast du Lust auf einen Kaffee?«

Seine Wohnung in der Cole Street war eine Enttäuschung. Phoebe hatte gehofft, sie würde hier in eine andere Zeit versetzt, aber das Wohnzimmer wurde von einer eleganten, anthrazitfarbenen Couch und einem langen, gläsernen Couchtisch beherrscht. An den Wänden hingen abstrakte Lithographien, die so wirkten, als würden sie in ihren Plexiglasrahmen schweben. Aber an einem Fenster hing ein Prisma, und auf dem Boden lagen überall Kissen mit Batikbezügen. Phoebe fiel auch der Geruch von Gewürznelken oder Pfeffer auf, etwas, das ihr von früher vertraut war.

Sie setzte sich in einigem Abstand von der anthrazitfarbenen Couch auf den Fußboden. Als Kyle seine Uniformjacke auszog, sah Phoebe durch sein T-Shirt, wie muskulös sein Körper war. Er nahm aus einer Zigarettendose aus Plexiglas, die auf dem Couchtisch stand, einen Joint, zündete ihn an und setzte sich dann selber auf den Fußboden.

»Weißt du«, sagte er mit gepresster Stimme, während er den Rauch zurückhielt und Phoebe den Joint gab, »ich hab mir oft überlegt, ob ich nicht mal bei dir und deiner Mutter vorbeischauen sollte. Einfach mal schauen sollte, wie es euch geht.«

»Das hättest du auch tun sollen«, sagte Phoebe. Sie betrachtete den Joint und überlegte krampfhaft, ob sie rauchen sollte oder nicht. High zu werden machte ihr immer große Angst, und sie hatte sich dabei schon mehr als einmal völlig gelähmt gefühlt, wie in einen Schraubstock gespannt, so als könnte sie gleich tot umfallen. Aber sie dachte an ihre Schwester und wie begierig Faith sich auf alles eingelassen hatte - und dass Kyle das auch von Phoebe erwarten würde. Sie inhalierte vorsichtig. Kyle beugte sich über seinen Plattenspieler und stapelte Platten auf dem Einsatz für den Plattenwechsler. Man hörte Surrealistic Pillow in der vollen, beklemmenden Stimme von Grace Slick.

»Hat deine Mutter wieder geheiratet?«, fragte er, während er sich wieder auf den Boden setzte.

»O nein«, sagte Phoebe mit einem leisen Lachen in der Stimme. »Nein.«

Kyle musterte sie durch den Rauch. Das machte sie unsicher. »Ich glaub, diese Phase in ihrem Leben ist irgendwie schon vorbei«, sagte sie als Erklärung.

Er schüttelte den Kopf. »Schade.«

»Nein, das macht ihr nichts aus«, sagte Phoebe und war sich gleichzeitig nicht sicher. »Sie hat die Zeit für Liebesgeschichten irgendwie schon hinter sich.«

Kyle runzelte die Stirn und zog an seinem Joint. »Wie alt ist sie denn jetzt?«

»Sie hat nächstes Wochenende Geburtstag. Sie wird siebenundvierzig.«

Kyle lachte laut, Rauch schoss aus seinem Mund, und dann hustete er wie verrückt. »Siebenundvierzig«, sagte er, als der Hustenanfall vorbei war. »Das ist nicht alt, Phoebe.«

Sie schaute ihn an, sein Lachen verblüffte sie. »Ich hab nicht gesagt, dass sie alt ist«, sagte sie. Der Joint brachte sie ganz durcheinander.

Kyle ließ den Blick auf Phoebe ruhen. Rauch hing in länglichen Schwaden in der Luft, löste sich langsam auf wie Sahne im Kaffee. »Und du?«, sagte Kyle. »Wie ist es bei dir gelaufen?«

»Gut, danke«, sagte sie zurückhaltend.

Als sie mit dem Joint fertig waren, hatte Phoebe das Gefühl, das Zimmer würde direkt gegen ihre Augäpfel drücken, in einem bestimmten Rhythmus pulsieren. Ihr Herzschlag antwortete darauf. Aus den Kissen stieg Zimtgeruch auf, als sie sich zurücklehnte.

Kyle streckte sich lang aus. Er hatte den Kopf auf die Hände gelegt und die Beine an den Knöcheln gekreuzt. »Ich will darüber reden«, sagte er mit geschlossenen Augen. »Aber ich weiß nicht, wie.«

»Ich auch nicht«, sagte Phoebe. »Ich krieg das nie fertig.«

Kyle öffnete ein Auge. »Nicht einmal mit deiner Mutter? Mit deinem Bruder?«

»Ich weiß...

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Autor

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.Günter Ohnemus, 1946 in Passau geboren, war Buchhändler, Lektor, Mitarbeiter am Collins Dictionary und Verleger. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Freising bei München. 1998 wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Im selben Jahr erhielt er für seinen Roman >Der Tiger auf deiner SchulterAlles was du versäumt hastSiebzehn Tage im August